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Die Hossbach Niederschrift oft auch als Hossbach Protokoll bezeichnet ist eine von Oberst Friedrich Hossbach ohne Auftrag und nach schlagwortartigen Notizen angefertigte Niederschrift uber eine Besprechung am 5 November 1937 in Berlin wahrend der Adolf Hitler in einem mehrstundigen Monolog den wichtigsten Vertretern der Wehrmacht und Aussenminister Konstantin von Neurath die Grundzuge seiner auf gewaltsame Expansion ausgerichteten Aussenpolitik darstellte Die Hossbach Niederschrift ist eine zentrale Quelle fur die Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs und diente der Anklagevertretung in den Nurnberger Prozessen als Beweismittel dafur dass die Angeklagten einen Angriffskrieg vorbereiteten Inhaltsverzeichnis 1 Konferenz vom 5 November 1937 in Berlin 2 Entstehungs und Uberlieferungsgeschichte 3 Inhalt 4 Wertung des Inhaltes und der Zielsetzung des Vortrages 5 Reaktionen der Besprechungsteilnehmer 6 Folgen der Besprechung 7 Literatur 8 Weblinks 9 Siehe auch 10 EinzelnachweiseKonferenz vom 5 November 1937 in Berlin BearbeitenHitler hatte die militarische Fuhrungsspitze und Aussenminister Neurath fur den 5 November 1937 zu einer Konferenz geladen um Probleme der Rustungswirtschaft insbesondere die teilweise unzureichende Versorgung mit Stahl zu erortern An der Zusammenkunft nahmen Kriegsminister Werner von Blomberg die Oberbefehlshaber von Heer Marine und Luftwaffe Werner von Fritsch Erich Raeder und Hermann Goring sowie Aussenminister Konstantin Freiherr von Neurath und Hitlers Wehrmachts Adjutant Oberst Friedrich Hossbach teil Unmittelbarer Anlass war die Forderung Raeders der Marine mehr Stahl als bisher fur den Schiffbau zur Verfugung zu stellen In der Konferenz sollte mit Hermann Goring als dem Verantwortlichen fur den Vierjahresplan ein tragfahiger Konsens bei der Rohstoffzuteilung erzielt werden Hitler wich jedoch gleich zu Beginn vom Thema ab und bot den Teilnehmern in einem mehrstundigen Vortrag Einblicke in seine weit gespannten aussenpolitischen Ziele Es folgte eine lebhafte Diskussion zu diesem Thema und erst im Anschluss daran eine Debatte uber die Stahlkontingentierung Entstehungs und Uberlieferungsgeschichte BearbeitenFunf Tage nach der Konferenz in der Berliner Reichskanzlei fertigte Oberst Hossbach anhand stichwortartiger Notizen aus eigenem Antrieb eine Niederschrift dieser Konferenz an Er beschrankte sich dabei weitgehend auf die Gedankengange Hitlers Die Reaktionen der Besprechungsteilnehmer wurden wie Hossbach in seinem Buch mit Bedauern anmerkte 1 nur unzureichend wiedergegeben Es ist daher verfehlt von einem Protokoll zu sprechen da dem Dokument auch kein offizieller Charakter Gegenzeichnung zugesprochen werden kann Die Uberlieferungsgeschichte des korrekterweise als Niederschrift zu bezeichnenden Dokumentes ist kompliziert und bot damit Anlass das Dokument als Falschung in Misskredit zu bringen Oberst Graf Kirchbach von der kriegsgeschichtlichen Abteilung des Generalstabs liess im November 1943 eine Abschrift des damals im Archiv des OKW verwahrten handschriftlichen Originals anfertigen Im Januar 1944 gab er die Abschrift seinem Schwager Viktor von Martin der sie im Herbst 1945 an die britische Militarregierung weitergab Diese Abschrift verschwand nach 1945 zunachst was Falschungsvorwurfen Nahrung gab Das Original war einem Team des Alliierten Oberkommandos in die Hande gefallen Eine maschinenschriftliche Abschrift das handschriftliche Original war nicht mehr auffindbar wurde von der Anklagevertretung im Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher als Beweisdokument PS 386 vorgelegt 1989 wurde die Kirchbachsche Abschrift zusammen mit einem Brief Viktor von Martins an die britischen Besatzungsbehorden in bis dahin unzuganglichen britischen Akten wieder aufgefunden Diese Abschrift und PS 386 waren absolut identisch was den Falschungsvorwurf entkraftete 2 Zudem belegt eine Paralleluberlieferung im Nachlass des damaligen Generalstabschefs des Heeres Ludwig Beck dass die spater verwendete Niederschrift identisch mit der von Friedrich Hossbach am 10 November 1937 verfassten Urschrift ist Hossbach der im Juni 1946 zu dem Dokument befragt wurde erklarte er musse nach Inhalt Abfassung und Stil in summa eine Wiedergabe seiner eigenen Niederschrift als vorliegend annehmen 3 diese Aussage findet sich auch in seinem Buch Die wegen der Vorbereitung eines Angriffskriegs angeklagten Hermann Goring und Erich Raeder versuchten das Dokument in seinem Aussagewert abzuschwachen indem sie entweder wie Goring betonten dass es sich hierbei um kein Wortprotokoll handele oder wie Raeder einzelne harmlos klingende Passagen als Hauptaussagen herausstellten Dagegen betonte der mitangeklagte damalige Reichsaussenminister Neurath ihn habe die Absichtserklarung Hitlers aufs ausserste erschuttert und zum Rucktritt veranlasst da der bis dahin von ihm ausschliesslich mit friedlichen Mitteln verfolgte Kurs der Aussenpolitik verlassen werden sollte Inhalt BearbeitenHitler begann seine Ausfuhrungen mit der Feststellung dass es Ziel der deutschen Politik sein musse auf die Raumnot Deutschlands zu reagieren Da eine autarke Versorgung Deutschlands mit dem bisherigen Gebietsstand nicht moglich sei sich die deutsche Volkswirtschaft aber nicht vom Aussenhandel abhangig machen durfe sei eine Erweiterung des deutschen Territoriums unumganglich Dabei musse sich Deutschland gegen den Bolschewismus ebenso wappnen wie gegen die Hassgegner England und Frankreich Hitler nahm wie der folgende Auszug zeigt den Krieg in Kauf und unterschied mehrere Szenarien Das Ziel der deutschen Politik sei die Sicherung und die Erhaltung der Volksmasse und deren Vermehrung Somit handele es sich um das Problem des Raumes Zur Losung der deutschen Frage konne es nur den Weg der Gewalt geben dieser niemals risikolos sein Stelle man an die Spitze der nachfolgenden Ausfuhrungen den Entschluss zur Anwendung von Gewalt unter Risiko dann bleibe noch die Beantwortung der Fragen wann und wie Hierbei seien drei Falle zu entscheiden Fall 1 Zeitpunkt 1943 1945 Nach dieser Zeit sei nur noch eine Veranderung zu unseren Ungunsten zu erwarten Die Aufrustung der Armee Kriegsmarine Luftwaffe sowie die Bildung des Offizierskorps seien annahernd beendet Die materielle Ausstattung und Bewaffnung seien modern bei weiterem Zuwarten lage die Gefahr ihrer Veraltung vor Sollte der Fuhrer noch am Leben sein so sei es sein unabanderlicher Entschluss spatestens 1943 45 die deutsche Raumfrage zu losen Die Notwendigkeit zum Handeln vor 1943 45 kame im Fall 2 und 3 in Betracht Fall 2 Wenn die sozialen Spannungen in Frankreich sich zu einer derartigen innenpolitischen Krise auswachsen sollten dass durch letztere die franzosische Armee absorbiert und fur eine Kriegsverwendung gegen Deutschland ausgeschaltet wurde sei der Zeitpunkt zum Handeln gegen die Tschechei gekommen Fall 3 Wenn Frankreich durch einen Krieg mit einem anderen Staat so gefesselt ist dass es gegen Deutschland nicht vorgehen kann Zur Verbesserung unserer militar politischen Lage musse in jedem Fall einer kriegerischen Verwicklung unser 1 Ziel sein die Tschechei und gleichzeitig Osterreich niederzuwerfen um die Flankenbedrohung eines etwaigen Vorgehens nach Westen auszuschalten Wertung des Inhaltes und der Zielsetzung des Vortrages BearbeitenHitlers Idee vom Lebensraum und die Entschlossenheit diesen notfalls auch mit Waffengewalt zu schaffen waren bereits bekannt siehe Liebmann Aufzeichnung neu und alarmierend war lediglich der konkrete zeitliche Rahmen Die Notwendigkeit zur raschen Umsetzung dieser Plane fuhrte Hitler auf den akuten aber schwindenden Rustungsvorsprung sowie die kurze Zeitspanne zuruck die ihm aus Gesundheitsgrunden zur Realisierung seiner Plane bleiben wurde Da die Sowjetunion Polen sowie der Rest Ost und Sudosteuropas im Vortrag nur eine untergeordnete Rolle spielen kann der Vortrag nicht als Blaupause fur den Zweiten Weltkrieg betrachtet werden Hitler rechnete vor dem Munchener Abkommen noch mit einem Eingreifen der Westmachte bei einem Vorgehen gegen Osterreich bzw die Tschechoslowakei Er zeigte sich jedoch uberzeugt mit Grossbritannien zu einer Abgleichung der Interessenspharen zu kommen was Frankreich von einem Kriegseintritt abhalten wurde Hitlers Darstellung war wohl auch als Test gedacht inwiefern die wichtigsten Reprasentanten jener Institutionen die diese Plane umzusetzen hatten dazu auch bereit waren Reaktionen der Besprechungsteilnehmer BearbeitenHossbach zufolge nahm die Diskussion zeitweilig sehr scharfe Formen an 4 Blomberg und Fritsch wiesen wiederholt auf die Notwendigkeit hin dass England und Frankreich nicht als unsere Gegner auftreten durften 5 Hitler ausserte in Wiederholung seiner bisherigen Ausfuhrungen dass er von einer Nichtbeteiligung Englands uberzeugt sei und daher an eine kriegerische Aktion Frankreichs gegen Deutschland nicht glaube 6 Seiner ganzen Einstellung nach musste das Verhalten Blombergs und Fritschs dem Fuhrer deutlich gemacht haben dass seine politischen Gedankengange nur nuchterne sachliche Gegenausserungen anstatt Beifall und Zustimmung gefunden hatten Und er wusste zur Genuge dass die beiden Generale jeder unsererseits herausgeforderten kriegerischen Verwicklung ablehnend gegenuberstanden Es ist vor der Geschichte eine Unterlassungssunde meinerseits dass die Stellungnahme Blombergs und Fritschs nicht im vollstandigen Umfang und nicht in der tatsachlich erfolgten dialektischen Scharfe in meiner Niederschrift vom 10 November 1937 aufgefuhrt worden ist Friedrich Hossbach Zwischen Wehrmacht und Hitler 1 Laut Kirstin A Schafer war Blomberg mit Sicherheit kein kriegsgegnerischer Kriegsminister Sie stimmt Klaus Jurgen Muller zu dass es zwischen Hitler und den Generalen kein Konflikt um das Ob sondern uber das Wie und Wann gab 7 So schrieb Blomberg 1945 in seinen Haft Tagebuchern Ich ware den Weg des Fuhrers nach Osterreich auch gegangen aber dann hatte ich mir eine Frist von 10 Jahren gesetzt um das neue Grossdeutschland und eine totale Rustung auszubauen Denn dass Deutschland noch einmal um sein Erstarken kampfen musste schien nicht vermeidbar 8 Auch Aussenminister Neurath erhob Bedenken Seiner Ansicht nach habe Deutschland nicht die Ressourcen fur einen neuen Krieg In einem wenig spater gefuhrten Gesprach mit Hitler betonte er dass er die Verantwortung fur eine solche Politik nicht mittragen wolle und bot seinen Rucktritt an den Hitler in weiterer Folge akzeptierte Nicht alle Beteiligten sprachen der Besprechung eine erhebliche Bedeutung zu Raeder behauptete sowohl in Nurnberg als auch in seiner Biographie Mein Leben dass er den Eindruck gehabt habe dass von Hitler eine Schwenkung zu einer kriegerischen Politik nicht beabsichtigt war Folgen der Besprechung BearbeitenAm 4 Februar 1938 also in zeitlicher Nahe zur Blomberg Fritsch Krise kam es zu umfangreichen personellen Umstrukturierungen bei dem alle drei Kritiker ihre bisherigen Posten verloren mit Joachim von Ribbentrop ein Nationalsozialist neuer Aussenminister wurde und mit der Einrichtung des Oberkommandos der Wehrmacht Hitler selbst die Funktion des Kriegsministers ubernahm Zeitzeugen und auch die Geschichtsschreibung nach dem Zweiten Weltkrieg sprechen von einer kausalen Verbindung zwischen der Kritik an den am 5 November 1937 von Hitler vorgestellten Planen und der Umgestaltung der Wehrmachtsfuhrung Literatur BearbeitenFriedrich Hossbach Zwischen Wehrmacht und Hitler Wolfenbuttel 1949 Geschichte der Niederschrift Walter Bussmann Zur Entstehung und Uberlieferung der Hossbach Niederschrift In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 16 1968 ISSN 0042 5702 S 373 384 Bradley F Smith Die Uberlieferung der Hossbach Niederschrift im Lichte neuer Quellen In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 38 1990 ISSN 0042 5702 S 329 336 PDF 494 kB Karl Heinz Janssen Fritz Tobias Der Sturz der Generale Hitler und die Blomberg Fritsch Krise 1938 Beck Munchen 1994 ISBN 3 406 38109 X Bernd Jurgen Wendt Grossdeutschland Aussenpolitik und Kriegsvorbereitung des Hitler Regimes dtv Munchen 1987 ISBN 3 423 04518 3 Rede Hitlers vor der deutschen Presse Eingeleitet von Wilhelm Treue In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 6 1958 ISSN 0042 5702 S 175 191 Weblinks BearbeitenNiederschrift uber die Besprechung in der Reichskanzlei am 5 November 1937 von 16 15 20 30 Hossbach Protokoll 10 November 1937 in 1000dokumente de Die Hossbach Niederschrift vollstandiger Text Armin Pfahl Traughber Revisionistische Behauptungen und historische Wahrheit Zur Kritik rechtsextremistischer Geschichtsverfalschungen Schon 1937 erklarte Hitler den Generalen den Krieg In welt de 5 November 2012Siehe auch BearbeitenVorgeschichte des Zweiten Weltkrieges in EuropaEinzelnachweise Bearbeiten a b Friedrich Hossbach Zwischen Wehrmacht und Hitler S 219 f Bradley F Smith Die Uberlieferung der Hossbach Niederschrift im Lichte neuer Quellen in Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 38 Jg 1990 S 329 336 Internet Heftarchiv VfZ 38 1990 H 2 137 pdf 7 4 MB Affidavit IMT Bd XLII S 228 ff Friedrich Hossbach Zwischen Wehrmacht und Hitler S 219 Friedrich Hossbach Zwischen Wehrmacht und Hitler S 216 Friedrich Hossbach Zwischen Wehrmacht und Hitler S 217 Kirstin A Schafer Werner von Blomberg Hitlers erster Feldmarschall Paderborn 2006 S 169 f Zit n Schafer Blomberg S 170 Schlusseldokumente fur Hitlers Lebensraumprogramm Mein Kampf 1924 Hitlers Zweites Buch 1928 Liebmann Aufzeichnung 1933 Denkschrift zum Vierjahresplan 1936 Hossbach Niederschrift 1937 Schmundt Protokoll 1939 Ansprache Hitlers vor den Oberbefehlshabern am 22 August 1939 Ansprache Hitlers vor den Oberbefehlshabern am 23 November 1939 Normdaten Werk GND 4160688 7 lobid OGND AKS VIAF 210064353 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hossbach Niederschrift amp oldid 238753116