www.wikidata.de-de.nina.az
Der Hetzgarten in Berlin war eine zur Barockzeit entstandene Arena in der in festlichem Rahmen der Kampf wilder Tiere gegeneinander oder mit Menschen dargeboten wurde Der Hetzgarten in Berlin bestand von 1693 bis 1713 Er befand sich in der heutigen Littenstrasse Sein Gebaude wurde bis zu seiner Abtragung im Jahre 1778 als Kadettenhaus genutzt Der Berliner Hetzgarten im Jahre 1693 Ausschnitt aus einer Medaille von Raimund Faltz Inhaltsverzeichnis 1 Ursprung 2 Entstehung und Funktion des Berliner Hetzgartens 3 Stilllegung weitere Nutzung und Abriss 4 Literatur 5 Einzelnachweise und AnmerkungenUrsprung BearbeitenAls Teil zeremonieller herrschaftlicher Selbstdarstellung der europaischen Hofe fanden im Ubergang zum Barockzeitalter auch Tierkampfe einen Platz Die Tradition antiker Tierhetzen lebte auf und so gehorten seit dem 16 Jahrhundert Tierhetzen zu einem furstlichen Festprogramm Fur die Angehorigen des Hofes fanden geregelte Spiele statt die sich aus Jagdbrauchen entwickelt hatten wie das Fuchsprellen Es wurden abgesperrte Platze innerhalb von Schlossanlagen als Hetzplatz benutzt wie Hofe oder Zwinger Seltener entstanden dazu furstlich oder privat initiierte dauerhafte Anlagen wie die Berliner und Konigsberger Hetzgarten das Nurnberger Fechthaus und das Hetztheater in Wien Die heute noch existierenden Stierkampfarenen gehen auf diese Zeit zuruck Entstehung und Funktion des Berliner Hetzgartens BearbeitenAus dem Jahre 1527 ist uberliefert dass Burger von Colln dem brandenburgischen Kurprinzen Joachim ein Gelande westlich des Schlosses fur einen Thiergarten verkauft hatten wohl zur Erweiterung eines schon im 15 Jahrhundert bestehenden nahezu naturbelassenen kurfurstlichen Jagdreviers 1 Die Wildtierhaltung erfolgte in umzaunten Gelande der Kurfurst hielt eine grosse Anzahl jagdbarer heimischer Tiere um jederzeit in unmittelbarer Nahe seiner Residenz Hofjagden veranstalten zu konnen Die ausgedehnte Anlage wurde seit dem spaten 17 Jahrhundert nach und nach in der Flache reduziert und kultiviert So entstanden die offentlichen Parkanlagen Grosser Tiergarten und Kleiner Tiergarten nbsp Die Medaille von Raimund Faltz aus dem Jahre 1700 zeigt die Arena des Hetzgartens auf der Bastion IX an der Ostseite der Festung Berlin Der Berliner Hetzgarten ist unter der Regierung des brandenburgischen Kurfursten Friedrich III angelegt worden Friedrich beabsichtigte seine Selbstkronung zum Konig in Preussen Schon bevor er seinen Plan umsetzen konnte begann er in seiner Residenz Berlin ein ehrgeiziges Bauprogramm zu verwirklichen um der Stadt koniglichen Glanz zu verleihen Zu den romischen Vorbildern entsprechenden Bauvorhaben wie den Umbau des Schlosses der Errichtung des Munzturms und der Vollendung des Zeughauses gehorte auch der Bau eines Circus Zum Bauplatz bestimmte Friedrich die Plattform der Bastion IX des von seinem Vater geschaffenen Bastionenkranzes der Festung Berlin Dort liess er im Jahr 1693 durch seinen Baumeister Johann Arnold Nering einem erfreuten Publikum ein Jagdtheater errichten 2 Auf der zur Innenstadt liegenden Seite der Arena erhob sich eine halbkreisformige Galerie mit Sitzplatzen fur die Hofgesellschaft Sie hatte massiv gebaute Endpavillons und in der Mitte eine ebenso gemauerte reprasentative Konigsloge Gegenuber lag der offene Teil des Amphitheaters wo das ubrige Publikum auf einfachen Banken sitzen konnte Im Untergeschoss befanden sich die Kafige der Tiere mit vergitterten Zugangen zur Arena 3 Dazu heisst es im zeitgenossischen Universal Lexikon von Johann Heinrich Zedler In Teutschland behalt der Berlinische Hetz Garten vor allen den Preiss theils weil der in Form des alten zu dergleichen Schau Spielen bestimmten Romischen Amphitheatro erbaut theils auch weil in demselbigen allerhand Arten wilder und grimmiger Thiere sonderlich aber 3 grosse und starcke Lowen weisse und schwarze Baren etliche Tyger wilde Auer Ochsen und hauende Schweine aufbehalten werden 4 Zu den Aufgaben des kurfurstlichen Oberjagermeisters gehorte die Tiere immer in bester Auswahl vorratig zu halten und die Tierhetzen fur das Publikum das zu solchen Gelegenheiten von nah und fern anreiste zu leiten 5 Im Jahre 1705 liess Friedrich durch einen eigens zu diesem Zweck nach Tunis in Nordafrika entsandten Einkaufer drei Panther Affen und andere wilde Tiere fur den Berliner Hetzgarten sowie einen Menschenfresser anschaffen 6 Die grossen Raubtiere wurden in Rucksicht auf ihre Wiederverwendung geschont und galten wohl auch als Sehenswurdigkeit 7 Tierhetzen waren bei den offentlich gefeierten Furstenhochzeiten ein Teil des Festprogramms Wahrend der Hochzeitsfeierlichkeiten erlegte am 17 Dezember 1708 die junge Konigin Sophie Luise mit einem Schuss aus einer Buchse im Hetzgarten einen Auerochsen 8 Auch in seiner Zweiten Residenzstadt Konigsberg liess Kurfurst Friedrich III einen Hetzgarten anlegen 9 Stilllegung weitere Nutzung und Abriss BearbeitenIm Unterschied zu vielen koniglichen Neuerungen Friedrichs I wie die Schlosser und die Akademie der Wissenschaften und Kunste sollte der Hetzgarten ihn nicht uberleben Dessen Grundung mit der Friedrich nicht der Mode folgte sondern eine altuberlieferte Lustbarkeit pflegte erscheint als Ausdruck einer unsicheren nicht immer glucklichen Suche nach Formen koniglicher Reprasentation 10 Nachdem im Jahre 1712 das Quartier der Kadettenakademie das Fechthaus in der Klosterstrasse durch einen Brand unbenutzbar geworden war ordnete Friedrich I an den Kadetten den Hetzgarten als Notunterkunft zu uberlassen Dies bedeutete das Ende der Tierhetzen in Berlin 11 Im Folgejahr starb Friedrich und unter seinem Nachfolger wurde aus der provisorischen Unterbringung der Kadetten im Hetzgarten eine Dauereinrichtung Konig Friedrich Wilhelm I schaffte ihn kurz bei seinem Regierungsantritt im Jahre 1713 ab 12 Die Schliessung gehorte zu der mit demonstrativer Harte durchgesetzten Umschichtung der Staatsausgaben gemass seinem hausvaterlich kalvinistischen Herrscherideal Im Fall des Hetzgartens kam hinzu dass Friedrich Wilhelm der Jagd in freier Natur besonders der Parforcejagd zugetan war und Tierkampfe ablehnte 13 Im Laufe des 18 Jahrhunderts busste die Tierhatz mit der Ausbreitung der Ideen der Aufklarung ihre Stellung in der hofisch hoheitlichen Festkultur ein Damit sank sie zu einer rohen mit Wettbetrieb verbundenen Belustigung auf den Tummelplatzen des einfachen Volkes herab Das Gebaude des Hetzgartens wurde nach 1717 von Jean de Bodt wegen der Erhohung des Raumbedarfs der Kadettenanstalt durch Zusammenfuhrung der Zoglinge in Berlin zur Koniglich Preussischen Kadettenanstalt umgebaut Es erhielt noch vor 1723 einen dreibogigen Portalrisalit mit zweiarmiger Freitreppe Die holzernen Galerien wurden aufgemauert der restliche Rundbau in Fachwerk auf gleiche Hohe gebracht und zwei einfache Fachwerkbauten fur die lehrenden Offiziere seitlich angefugt Plane fur einen Neubau blieben aus Kostengrunden unausgefuhrt 14 Um den Rundbau liess Friedrich II durch Georg Christian Unger 1776 1779 einen neuen reprasentativen Bau fur die Kadettenanstalt errichten Nehrings Arena ist 1777 wahrend der Bauarbeiten fur den quadratisch angelegten Kadettenhaus Neubau abgebrochen worden Die nun Preussische Hauptkadettenanstalt wurde 1878 nach Gross Lichterfelde in grosszugig angelegte Neubauten verlegt und das Kadettenhaus diente bis 1896 als Amtsgericht bevor es nun uber 110 Jahre alt dem erweiterten und heute noch vorhandenen Neubau weichen musste Etwa an der Stelle der Arena befindet sich seit 1905 das Haupttreppenhaus des Berliner Landgerichts 15 Literatur BearbeitenRichard Alewyn Karl Salzle Das grosse Welttheater Die Epoche der hofischen Feste in Dokument und Deutung Rowohlt Verlag Hamburg 1959 S 19 Adolf v Crousaz Geschichte des Koniglich Preussischen Kadetten Corps Berlin 1857 Christian Heinrich Gutther Leben und Thaten Herrn Friederichs des Ersten Konigs in Preussen Verlag Johann Jacob Korn Breslau 1750 Werner Hahn Friedrich der Erste Konig in Preussen Berlin 1851 Gustav Adolf Harald Stenzel Geschichte des Preussischen Staats Dritter Theil Von 1688 1739 Verlag Friedrich Perthes Hamburg 1841 John Toland Relation von den Koniglichen Preussischen und Chur Hannoverischen Hofen Frankfurt 1706 Rainer E Wiedenmann Tiere Moral und Gesellschaft Elemente und Ebenen humanimalischer Sozialitat VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2009 Einzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten Zu den Forschungskontroversen und zum Folgenden siehe Folkwin Wendland Berlins Garten und Parke von der Grundung der Stadt bis zum ausgehenden neunzehnten Jahrhundert Das klassische Berlin Propylaen Verlag Frankfurt am Main Berlin Wien 1979 ISBN 3 549 06645 7 S 113 156 Eine kritische Wurdigung des Baus und die Abbildung einer Erinnerungsmedaille samt lateinischem Text befinden sich bei Ed Heyck Friedrich I und die Begrundung des preussischen Konigtums Velhagen amp Klasing Bielefeld 1901 hier weiter zitiert als Heyck S 56 und S 68 siehe auch die obere Abbildung hier Eine zeitgenossische Schilderung der Anlage findet sich bei John Toland Relation von den Koniglichen Preussischen und Chur Hannoverischen Hofen Frankfurt 1706 S 23 Hetz Garten In Johann Heinrich Zedler Grosses vollstandiges Universal Lexicon Aller Wissenschafften und Kunste Band 12 Leipzig 1735 Sp 1919 Stenzel Geschichte S 109 vgl die Angaben bei Stenzel Geschichte S 109 Anm 2 Fritz Rohrig Das Weidwerk zweiter Teil von Richard B Hilf Fritz Rohrig Wald und Weidwerk in Geschichte und Gegenwart Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion Potsdam o J 1938 S 171f Adolf Streckfuss 500 Jahre Berliner Geschichte Vom Fischerdorf zur Weltstadt Geschichte und Sage In gekurzter Darstellung und bis in die neueste Zeit fortgefuhrt von Leo Fernbach Albert Goldschmidt Berlin 1900 S 270 Stenzel Geschichte S 109 Zum Hetzgarten in Konigsberg siehe Johann Friedrich Brandt Zoogeographische und palaontologische Beitrage St Petersburg 1867 S 139 Heyck S 55f Hierzu und zum Folgenden siehe R Borrmann Die Bau und Kunstdenkmaler von Berlin Mit einer geschichtlichen Einleitung von P Clauswitz Gebruder Mann Berlin 1982 Faksimile Nachdruck der Ausgabe Berlin Springer 1893 folgend zitiert als Borrmann ISBN 3 7861 1356 4 S 338 Crousaz Geschichte S 51 57 Zu Friedrich Wilhelm als Jager siehe Eduard Vehse Preussische Hofgeschichten Neu herausgegeben von Heinrich Conrad Band II Georg Muller Munchen 1913 S 128 135 Zum Umbau siehe Borrmann S 338 Zur Geschichte des Grundstucks im 19 Jahrhundert siehe Benedikt Goebel Der Umbau Alt Berlins zum modernen Stadtzentrum Planungs Bau und Besitzgeschichte des historischen Berliner Stadtkerns im 19 und 20 Jahrhundert Verlagshaus Braun Berlin 2003 ISBN 3 935455 31 3 S 79 81 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hetzgarten Berlin amp oldid 229448048