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Hermann Carl Julius Scherchen 21 Juni 1891 in Berlin 12 Juni 1966 in Florenz war ein deutscher Dirigent und Komponist Hermann Scherchen Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Familie 2 Auszeichnungen 3 Publikationen 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenNach fruhem Violinunterricht in der Kindheit studierte Scherchen an der Berliner Musikhochschule 1907 begann er seine Musikerlaufbahn als Bratschist im Bluthner Orchester dem Vorganger des Berliner Symphonie Orchesters heute Konzerthausorchester Berlin und als Aushilfe bei den Berliner Philharmonikern und in der Krolloper Das Handwerk fur seinen spateren Beruf des Dirigenten erlernte er hauptsachlich als Autodidakt In die 1910er Jahre fielen zwei pragende Ereignisse Entscheidend fur seine berufliche und kunstlerische Entwicklung wurde 1911 seine Begegnung mit Arnold Schonberg mit dem er fur die Urauffuhrung von dessen Pierrot lunaire 1912 als Dirigent zusammenarbeitete welches er im folgenden Jahr auch auf einer Tournee dirigierte 1914 war er in Jurmala als Dirigent des Rigaer Symphonieorchesters angestellt Nachdem er zu Beginn des Ersten Weltkriegs in Lettland als feindlicher Auslander von den Russen interniert worden war wo er weitere Erfahrungen als Dirigent Bratscher und Lehrer sammelte und sich auch der Komposition von Kammermusik und Liedern widmete erlebte er als ziviler Kriegsgefangener in einem Lager im Ural 1917 die russische Oktoberrevolution mit 1918 ubersetzte er das Arbeiterlied Bruder zur Sonne zur Freiheit aus dem Russischen ins Deutsche Von der musikalischen Avantgarde Russlands beeindruckt kehrte er nach Berlin zuruck Er grundete ein Streichquartett Scherchen Quartett die Musikzeitschrift fur zeitgenossische Musik Melos und die Neue Musikgesellschaft Berlin Daneben begann er seine Lehrtatigkeit an der Hochschule fur Musik Berlin und wurde Leiter zweier Arbeiterchore In den folgenden Jahren dirigierte er in Leipzig 1920 1921 das Orchester des Konzertvereins und in Frankfurt am Main 1922 1924 als Nachfolger von Wilhelm Furtwangler Er war Leiter der Museumskonzerte der Frankfurter Museumsgesellschaft und wirkte in Winterthur 1922 1950 als Generalmusikdirektor in Konigsberg 1928 1931 und war daneben bis 1933 musikalischer Leiter des dortigen Rundfunksenders In Winterthur machte er als Dirigent das von Mazen Werner Reinhart geforderte Stadtorchester Winterthur heute Musikkollegium Winterthur europaweit bekannt Ab 1923 engagierte sich Scherchen in der Internationalen Gesellschaft fur Neue Musik IGNM In diesem Umfeld lernte er auch Karl Amadeus Hartmann kennen zu dessen Mentor er wurde 1923 1926 und 1935 wirkte er als Juror 1924 1927 1929 1931 1933 1936 und 1938 als Dirigent bei den Weltmusiktagen der Internationalen Gesellschaft fur Neue Musik ISCM World Music Days 1 2 1926 dirigierte Scherchen erstmals bei den Donaueschinger Musiktagen Scherchen gehorte der KPD zwar nicht als Mitglied an stand aber politisch links und war ein grosser Freund der Sowjetunion 1933 verliess er wegen seiner Ablehnung des Nationalsozialismus Deutschland In Brussel grundete er den Musikverlag Ars viva der neben der Publikation unbekannter alterer Werke vor allem der Verbreitung zeitgenossischer Partituren und Textbucher etwa von Karl Amadeus Hartmann und Wladimir Vogel sowie der Zeitschrift Musica viva diente aber keinen langen Bestand hatte 1937 zog er in die Schweiz Nach dem Zweiten Weltkrieg war Scherchen von 1945 bis 1950 musikalischer Leiter beim Radioorchester Zurich welches in Radio Orchester Beromunster umbenannt wurde und Chefdirigent des Studioorchesters beim Schweizer Rundfunk Ab 1950 engagierte er sich bei den Darmstadter Ferienkursen fur Neue Musik und verhalf vielen der damaligen Avantgarde Komponisten zu Urauffuhrungen Im selben Jahr grundete er den Musikverlag Ars viva in Zurich neu 1951 leitete er an der Berliner Staatsoper die Urauffuhrung von Paul Dessaus Die Verurteilung des Lukullus 1954 grundete Scherchen in seinem Wohnort Gravesano mit Unterstutzung der UNESCO ein Studio fur Forschungen auf dem Gebiet der Elektroakustik Rundfunk und Aufnahmetechnik 3 wo Komponisten wie Vladimir Ussachevski Luc Ferrari Francois Bernard Mache und vor allem Iannis Xenakis arbeiteten Die Ergebnisse dieser Forschungen veroffentlichte Scherchen in den Gravesaner Blattern 4 Von 1959 bis 1960 war er ausserdem Chefdirigent der Nordwestdeutschen Philharmonie in Herford Scherchen setzte sich in seiner Karriere wie kaum ein zweiter Dirigent fur die Neue Musik ein Er dirigierte viele Urauffuhrungen darunter Werke von Arnold Schonberg Alban Berg Anton Webern Paul Hindemith Ernst Krenek Richard Strauss Karl Amadeus Hartmann Edgar Varese Luigi Nono Luigi Dallapiccola Paul Dessau Boris Blacher Hans Werner Henze Alois Haba Albert Roussel Claude Ballif Karlheinz Stockhausen und Iannis Xenakis Daneben grundete er Ensembles die sich der Auffuhrung zeitgenossischer Musik widmeten und Zeitschriften die sich publizistisch um deren Verbreitung bemuhten 1961 wurde er zum Ehrenmitglied der International Society for Contemporary Music ISCM Internationale Gesellschaft fur Neue Musik gewahlt Scherchen war als Dirigent fur unkonventionelle Interpretationen bekannt So existiert eine Aufnahme der 5 Sinfonie von Gustav Mahler in welcher er erhebliche Streichungen in der Partitur vornahm moglicherweise um eine einstundige Radioubertragung zu ermoglichen Auch gehorte er zu den Ersten die Beethovens Metronomangaben ernst nahmen was auf einigen seiner Aufnahmen zu horen ist Zu seinen Schulern gehorten Karl Amadeus Hartmann Ernest Bour Carlos Ehrensperger Bruno Maderna Luigi Nono Francis Travis und Harry Goldschmidt Wahrend eines Konzerts in Florenz 1966 erlitt er einen Herzinfarkt und verstarb wenige Tage darauf Beigesetzt wurde er in Gravesano auf seinem Grabstein stehen die Anfangsnoten von Bachs Kunst der Fuge Elias Canetti portratiert in seinem Buch Das Augenspiel Lebensgeschichte 1931 1937 1985 Scherchen der als Charakter nicht unproblematisch war in dem Kapitel Der Dirigent ausserordentlich scharf Familie Bearbeiten Hermann Scherchen war zunachst verheiratet mit Auguste Gustl Maria Jansen der Ehe entstammt der Sohn Karl Hermann Wolfgang Wulff geboren 1920 1927 1929 war er verheiratet mit der Schauspielerin Gerda Muller war darauf wieder mit Gustl Jansen zusammen bevor er 1936 die Komponistin Xiao Shuxian Hsiao Shu hsien in Peking heiratete 1937 wurde ihre gemeinsame Tochter Tona geboren Diese kehrte 1949 mit ihrer Mutter nach China zuruck Spater machte sie sich einen Namen als Komponistin vor allem nachdem sie 1972 nach Frankreich gezogen war Scherchens letzte Frau war die in Zurich lebende Mathematiklehrerin Pia Andronescu Heirat 1954 mit der er funf Kinder hatte Gustl Jansens Schwester Helene Lene war mit Sandor Rado verheiratet der zur europaweiten Widerstandsbewegung Rote Kapelle gehorte und den Scherchen wahrend dessen Flucht 1944 eine Zeit lang in seiner Wohnung in Genf versteckte Auszeichnungen Bearbeiten1930 Ehrendoktorat der Philosophie Albertus Universitat Konigsberg 1957 Deutscher Kritikerpreis 1961 Silberne Medaille de la Ville de Paris 1961 Ehrenmitgliedschaft der Internationalen Gesellschaft fur Neue MusikPublikationen BearbeitenLehrbuch des Dirigierens Leipzig 1929 Lehrbuch des Dirigierens Schott Mainz Nachdruck 2006 ISBN 978 3 7957 2780 2 Vom Wesen der Musik Winterthur 1946 Musik fur Jedermann Winterthur 1950 Alles horbar machen Briefe eines Dirigenten 1920 1939 Berlin 1976 Aus meinem Leben Berlin 1984 Schallplattenaufnahmen von mehreren hundert Werken vom Barock bis zur Moderne wenige noch im Handel erhaltlich Literatur BearbeitenChristoph Ballmer Hermann Scherchen In Historisches Lexikon der Schweiz 17 Oktober 2012 Ingrid Bigler Marschall Hermann Scherchen In Andreas Kotte Hrsg Theaterlexikon der Schweiz Band 3 Chronos Zurich 2005 ISBN 3 0340 0715 9 S 1599 f Marion Bruck Scherchen Hermann In Neue Deutsche Biographie NDB Band 22 Duncker amp Humblot Berlin 2005 ISBN 3 428 11203 2 S 686 f Digitalisat Dennis Hutchison Performance Technology and Politics Hermann Scherchen s Aesthetics of Modern Music Ph D diss Florida State University 2003 Joachim Lucchesi Hrsg Hermann Scherchen Werke und Briefe in 8 Banden Schriften 1 Mit einleitendem Essay und Kommentar Peter Lang Europaischer Verlag der Wissenschaften Schoneiche b Berlin 1991 Editionsabbruch wegen Verlagsschliessung 1992 Hermann Scherchen Musiker 1891 1966 Ein Lesebuch zusammengestellt von Hansjorg Pauli und Dagmar Wunsche Ausstellung in der Akademie der Kunste Edition Hentrich Berlin 1986 ISBN 3 926175 01 X Hansjorg Pauli Hermann Scherchen Nazigegner und Exponent der Moderne In Hanns Werner Heister Claudia Maurer Zenck Peter Petersen Hrsg Musik im Exil Folgen des Nationalsozialismus fur die internationale Musikkultur Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 1993 Fischer Taschenbucher Bd 10907 S 52 71 Hansjorg Pauli Hermann Scherchen 1891 1966 Kommissionsverlag Hug Zurich 1993 Neujahrsblatt der Allgemeinen Musikgesellschaft Zurich Bd 177 Bruno Spoerri Hermann Scherchen und das Experimentalstudio Gravesano 1954 1966 In Musik aus dem Nichts Hrsg von Bruno Spoerri Chronos Verlag Zurich 2010 ISBN 978 3 0340 1038 2 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Hermann Scherchen Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Werke von und uber Hermann Scherchen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Werke von und uber Hermann Scherchen in der Deutschen Digitalen Bibliothek Hermann Scherchen im Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS Zeit LexM Hermann Scherchen Bach Cantatas englisch Orchesterprobe YouTube Video Hermann Scherchen Archiv im Archiv der Akademie der Kunste BerlinEinzelnachweise Bearbeiten Programme der ISCM World Music Days von 1922 bis heute Anton Haefeli Die Internationale Gesellschaft fur Neue Musik Ihre Geschichte von 1922 bis zur Gegenwart Zurich 1982 S 480ff Luigi Dallapiccola Musik im Laboratorium Ein Besuch bei Hermann Scherchen in Gravesano In Die Zeit Nr 16 1958 abgerufen am 15 Januar 2018 Ein Tessiner Dorf im Zentrum der Welt Multimediale Arbeit in Hermann Scherchens elektroakustischem Experimentalstudio in Gravesano In Neue Zurcher Zeitung 3 Februar 2007 Chefdirigenten des Musikkollegiums Winterthur Georg Wilhelm Rauchenecker 1873 1884 Edgar Munzinger 1884 1893 Ernst Radecke 1893 1920 Hermann Scherchen 1922 1950 Mario Venzago 1978 1986 Franz Welser Most 1987 1990 Janos Furst 1990 1994 Heinrich Schiff 1995 2001 Jac van Steen 2002 2008 Douglas Boyd 2009 2016 Thomas Zehetmair seit 2016 Normdaten Person GND 118754653 lobid OGND AKS LCCN n79070090 NDL 01095520 VIAF 61733025 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Scherchen HermannALTERNATIVNAMEN Scherchen Hermann Carl Julius vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG deutscher DirigentGEBURTSDATUM 21 Juni 1891GEBURTSORT BerlinSTERBEDATUM 12 Juni 1966STERBEORT Florenz Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hermann Scherchen amp oldid 238149395