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Helga de la Motte Haber 2 Oktober 1938 in Ludwigshafen am Rhein ist eine deutsche Musikwissenschaftlerin mit dem Lehrgebiet Systematische Musikwissenschaft Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Positionen 2 1 Neuausrichtung 2 2 Musikverstehen 2 3 Kunstphilosphischer Ansatz 2 4 Musik im 20 Jahrhundert 2 5 Fachliche Konsolidierung 3 Preise und Auszeichnungen 4 Publikationen Auswahl 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenHelga Haber wurde als erstes Kind von Paula Haber geb Kilian und dem Physiker und Mathematiker Gustav Haber geboren Zwei Bruder folgten 1939 und 1941 Sie uberlebte den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit nach eigener Aussage in der hintersten Pfalz Winseln Leutershausen und Frankelbach wenige Kilometer von der franzosischen Grenze und dem Westwall entfernt Die Schule besuchte sie in Kaiserslautern und in Kusel wo sie 1957 ihr Abitur ablegte An dem Gymnasium unterrichtete auch ihr Vater 1957 begann Helga Haber das Studium der Psychologie an der Universitat Mainz bei Albert Wellek einem Vertreter der Ganzheitspsychologie der Leipziger Schule Seine Arbeitsgebiete war Musikpsychologie und Synasthesie 1959 wechselte Helga Haber nach Wien wo Hubert Rohracher in der Tradition der Wiener Psychologie lehrte Nach einem kurzen Abstecher an die Universitat Hamburg zu Peter R Hofstatter legte sie dann im Dezember 1961 bei Wellek am Psychologischen Institut der Universitat Mainz ihr Diplom in Psychologie ab Vier Wochen spater heirateten Helga Haber und Diether de la Motte Komponist und Musiktheoretiker Nachdem ihr Ehemann einem Ruf an die Hochschule fur Musik und Theater Hamburg gefolgt war setzte Helga de la Motte Haber ihr Studium an der Hamburger Universitat fort Hier lernte sie uber Hofstatter den Privatdozenten Hans Peter Reinecke 1927 2003 kennen Sie entschied sich fur ein zusatzliches Studium der Musikwissenschaft und erlernte zur Vorbereitung ein Jahr lang das Klavierspiel Reinecke versammelte eine Gruppe junger Musikwissenschaftler um sich neben Helga de la Motte Haber auch Klaus Ernst Behne Ekkehard Jost Gunter Kleinen und Eberhard Kotter Als Reinecke 1965 den Auftrag erhielt am Staatlichen Institut fur Musikforschung die Abteilung fur Akustik aufzubauen ging die Gruppe gemeinsam nach Berlin Helga de la Motte wurde 1967 in Hamburg mit der Studie Ein Beitrag zur Klassifikation musikalischer Rhythmen Eine experimentalpsychologische Untersuchung promoviert 1968 lernte sie auf einem Kongress den Musikwissenschaftler Carl Dahlhaus 1928 1989 kennen der sie im selben Jahr an das Musikwissenschaftliche Institut der Technischen Universitat Berlin holte Dort lehrte Helga de la Motte viele Jahre Sie konnte sich 1971 aufgrund ihrer umfangreichen Publikationen kumulativ habilitieren und erhielt 1972 einen Ruf an die Padagogische Hochschule Koln Dahlhaus Bemuhungen sie fest ans Berliner Institut zu holen hatten 1978 Erfolg Helga de la Motte erhielt an der TU Berlin eine Professur fur Systematische Musikwissenschaft die sie bis zu ihrer Pensionierung 2005 innehatte 1983 grundete Helga de la Motte die sich fur die Vermittlung der Klangkunst engagiert zusammen mit Klaus Ernst Behne und Gunter Kleinen die Deutsche Gesellschaft fur Musikpsychologie Positionen BearbeitenHelga de la Motte Haber hat durch ihre mehr als 300 Publikationen Stand 2014 1 zur Anerkennung der Facher Systematische Musikwissenschaft sowie Musikpsychologie beigetragen und seit den 1970er Jahren deren zukunftsweisende Neukonzeptionen entwickelt Neuausrichtung Bearbeiten Im Gegensatz zur relativ kunstfernen und elementaristisch an der Gehor bzw Tonpsychologie ausgerichteten Konzeption der Systematischen Musikwissenschaft der 1950er Jahre deren Vertreter Heinrich Husmann 1908 1983 oder Albert Wellek 1904 1972 sind sah Helga de la Motte Haber die Zukunft des Fachs nur durch eine Neuausrichtung gesichert Die psychoakustischen Ansatze wie zum Beispiel die Bestimmung von Horschwellen und des Konsonanzgrads von Intervallen betrachtete de la Motte Haber kritisch da es keine eindeutige Entsprechung zwischen akustischer Realitat und musikalischer Wahrnehmung gebe So ersetzte sie diese alteren Themenfelder ab den 1970er Jahren durch Themen wie das Musikverstehen das musikalische Urteil und den Umgang mit Musik Ihre Dissertation Ein Beitrag zur Klassifikation musikalischer Rhythmen 1968 zeigte neue methodische Wege in der objektiven Erfassung musikbezogener Urteile Hierbei spielte das Polaritatsprofil auch als Semantisches Differential bezeichnet eine zentrale Rolle als psychologisches Messinstrument Musikverstehen Bearbeiten Bereits in ihrem Beitrag Umfang Methode und Ziel der Systematischen Musikwissenschaft aus dem Jahr 1982 formulierte Helga de la Motte Haber als neue Zielsetzung des Fachs das Verstehen des Musikverstehens 2 An Stelle der Suche nach den uberzeitlich gultigen der Tonkunst zuhochst stehenden Gesetzen wie es noch Guido Adler in seiner 1885 veroffentlichten Konzeption des Fachs vorschwebte tritt nun die zeitlich veranderbare Beziehung zwischen Musik und Horer Besonders die emotionale Wirkung von Musik wird zu einer Herausforderung fur die Forschung Der erweiterte Begriff der Musik berucksichtigt dabei die traditionelle europaische Kunstmusik und bezieht die zeitgenossische und die Populare Musik mit ein Programmatisch formulierte Helga de la Motte Haber den besonderen Anspruch der Musikpsychologie als Teilgebiet der Systematischen Musikwissenschaft im Buchruckentext des ersten von ihr mit herausgegebenen Jahrbuchs Musikpsychologie 1984 Die musikpsychologische Forschung befasst sich mit Problemen des Zugangs zur Musik Die Entwicklung der Musik in unserem Jahrhundert ist damit zur Voraussetzung fur das wissenschaftliche Arbeiten geworden Eine umfassende Formulierung dieser neuen Fachkonzeption findet sich dann im Handbuch der Musikpsychologie von 1985 Diesem Buch ist es zu verdanken dass die deutschsprachige Musikpsychologie durch Ausrichtung an der kognitiven Psychologie den Anschluss an die anglo amerikanische Entwicklung des Fachs Psychomusicology fand Gleichzeitig wurde jedoch auch die spezifisch deutsche Forschungstradition der Musikpsychologie mit Vertretern wie Ernst Kurth und Hermann von Helmholtz herausgestellt Die in diesem Buch vorgelegte Konzeption von Musikpsychologie erklart das Musikerleben und verstehen aus verschiedenen Perspektiven Hierzu gehort die Sprachanalogie von Musik genauso wie die Entstehung musikalischer Praferenzen Fragen der musikalischen Begabung oder die Interpretationsforschung Einen offentlichkeitswirksamen Beitrag fur die Bedeutung der Musikpsychologie als eine alltagsrelevante Wissenschaft lieferte Helga de la Motte Haber in den spaten 1980er Jahren mit ihren Experimenten zum Einfluss des Musikhorens auf das Verhalten beim Autofahren Die Fahrsimulatorstudien zur Frage der Beeinflussung des Fahrverhaltens unter dem Einfluss verschiedener Musikstile bewirkten eine fur das Fach Musikpsychologie bis dahin nicht bekannte Presseresonanz Kunstphilosphischer Ansatz Bearbeiten Ab den 1990er Jahren entwickelte Helga de la Motte Haber einen weiteren Forschungsansatz in dem integrativ die Beziehung der Musik zu anderen Kunsten thematisiert und eine umfassende Kunstphilosophie Asthetik fur das 20 und 21 Jahrhundert entwickelt wird Ausserlich spiegelt sich dieser Ansatz in Publikationstiteln wider wie Musik und Bildende Kunst 1990 Musik und Religion 1995 Klangkunst 1999 oder Musik und Natur 2000 Zentrale Denkfiguren dieser Publikationen sind die Betonung der historischen Begrenztheit der Auffassung einer von der Raumkunst zum Beispiel der Malerei getrennten Zeitkunst zum Beispiel der Musik die Grenzuberschreitung als Sinngebung in der Musik des 20 Jahrhunderts so die Autorin im gleichnamigen Kapitel des Buchs Musik und Religion die Sonderstellung von Musik innerhalb der Kunste seit der Antike durch die Moglichkeit das Alltagsbewusstsein zu entgrenzen oder die Enthierarchisierung der Kunste im 20 Jahrhundert als Grundlage fur die Entstehung neuer oder uberlagerter Kunstrichtungen wie der Klangkunst Musik im 20 Jahrhundert Bearbeiten Ein Schwerpunkt in den Arbeiten von Helga de la Motte Haber ist die zeitgenossische Musik unter besonderer Berucksichtigung musikalischer Stromungen in denen Musik und Bildende Kunst neue Beziehungen eingehen Diese Arbeiten orientieren sich an der sinnlichen Wahrnehmung und der asthetischen Erfahrung als Grundlage fur die Beschreibung und Interpretation dieser neuen Kunstentwicklungen Helga de la Motte Haber ubernimmt nicht nur ihre eigenen Ansatze aus der Musikpsychologie sondern vollzieht auch die Entwicklung im Verhaltnis der Kunste untereinander nach die im 20 Jahrhundert statt der Gattungsasthetik das alte Ideal einer integralen alle Sinne ansprechenden Kunst wiederbelebt hat Daneben verhalf sie der Klangkunst deren Anfange in Fluxus und in der Installationskunst der 1960er Jahre liegen zur Anerkennung als eigenstandige neue musikalische Erscheinungsweise Wichtige Publikationen dazu waren neben dem Band Klangkunst die ebenfalls von ihr herausgegebenen Kataloge zu den beiden Sonambiente Ausstellungen 1996 und 2006 in Berlin Ein Beleg ihres Engagements fur die musikwissenschaftliche Beschaftigung mit zeitgenossischer Musik ist der von ihr im Jahr 2000 herausgegebene Band Geschichte der Musik im 20 Jahrhundert Bd 4 1975 2000 Neben ihren grundlegenden Arbeiten zur Kunstentwicklung im 20 und 21 Jahrhundert engagierte sich Helga de la Motte Haber viele Jahre auch fur die Vermittlung der musikalischen Avantgarde so gehorte sie dem Redaktionsbeirat der Zeitschrift Positionen Beitrage zur Neuen Musik an Der Vermittlung der musikalischen Avantgarde im schulischen Musikunterricht gilt ihre Seminar und Vortragstatigkeit bei den Tagungen des Darmstadter Instituts fur Neue Musik und Musikerziehung Fachliche Konsolidierung Bearbeiten Die vorerst letzte Phase ihres Lebenswerks widmet sich Helga de la Motte Haber der dauerhaften akademischen Etablierung des Fachs Systematische Musikwissenschaft Mit dem von ihr konzipierten und herausgegebenen sechsbandigen Handbuch der Systematischen Musikwissenschaft begrundet sich die fachliche Autonomie gegenuber der traditionellen Historischen Musikwissenschaft Die tragenden Saulen der Konzeption finden sich als Titel der Einzelbande wieder Musikasthetik als Kunsttheorie ohne normativen Anspruch Musiktheorie als zeitubergreifende Fundierungen der Musik Musikpsychologie als Theorie des Musikverstehens und erlebens Musiksoziologie als Theorie der gesellschaftlichen Funktionen von Musik sowie ein Band uber Akustische Grundlagen der Musik der von Stefan Weinzierl herausgegeben wurde Erganzt wird die Konzeption durch ein Lexikon der Systematischen Musikwissenschaft Die Musikethnologie wird als Teilgebiet nicht berucksichtigt da sie sich mittlerweile als eigenstandiges Fachgebiet etabliert hat Nach Ansicht von Helga de la Motte Haber hat das Fach Musikwissenschaft durch die Bande des Handbuchs der Systematischen Musikwissenschaft wieder seine volle Breite erreicht 3 Preise und Auszeichnungen Bearbeiten2002 Ehrenpreis Deutscher Klangkunst Preis 2006 Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft fur Musikpsychologie 2008 Ehrenmitglied der Gesellschaft fur Musikforschung 2010 Preis der Margrit Egner Stiftung 4 2015 Ehrendoktorwurde der Hochschule fur Musik Theater und Medien Hannover 2021 Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft fur Elektroakustische MusikPublikationen Auswahl BearbeitenEin Beitrag zur Klassifikation musikalischer Rhythmen Eine Experimentalpsychologische Untersuchung Verlag Arno Volk Koln 1968 Musikpsychologie Eine Einfuhrung Verlag Hans Gerig Koln 1972 ISBN 3 87252 054 7 Das Triviale in Literatur Musik und bildender Kunst Klostermann Frankfurt am Main 1972 Psychologie und Musiktheorie Diesterweg Frankfurt am Main 1976 ISBN 3 425 03761 7 mit Hans Emons Filmmusik Hanser Munchen 1981 ISBN 978 3 446 13134 7 mit Carl Dahlhaus Systematische Musikwissenschaft Neues Handbuch der Musikwissenschaft Band 10 Athenaion Wiesbaden 1982 ISBN 3 7997 0752 2 Handbuch der Musikpsychologie Laaber Verlag Laaber 1985 3 Auflage erganzt 2000 ISBN 3 89007 329 8 Psychologische Grundlagen des Musiklernens Handbuch der Musikpadagogik Band 4 Barenreiter Kassel 1987 ISBN 3 7618 0784 8 Musik und Bildende Kunst Laaber Verlag Laaber 1990 ISBN 3 89007 196 1 mit Gunther Rotter Musikhoren beim Autofahren Lang Frankfurt am Main 1990 ISBN 978 3 7983 1035 3 Edgard Varese Die Befreiung des Klangs Wolke Hofheim 1993 ISBN 3 923997 49 3 mit Reinhard Kopiez Der Horer als Interpret Lang Frankfurt am Main 1995 ISBN 3 631 49068 2 als Herausgeberin Musik und Religion Laaber Verlag Laaber 1995 ISBN 3 89007 265 8 Klangkunst Band 12 des Handbuch der Musik im 20 Jahrhundert Laaber Verlag Laaber 1999 ISBN 3 89007 432 4 Musik und Natur Naturanschauung und musikalische Poetik Laaber Verlag Laaber 2000 ISBN 978 3 89007 412 2 als Herausgeberin Geschichte der Musik im 20 Jahrhundert 1975 2000 Laaber Verlag Laaber 2000 ISBN 978 3 89007 424 5 als Herausgeberin Handbuch der Systematischen Musikwissenschaft 6 Bande Laaber Verlag Laaber 2004 2010 ISBN 978 3 89007 561 7 mit Eckhard Tramsen Musikasthetik Band 1 ISBN 978 3 89007 562 4 mit Oliver Schwab Felisch Musiktheorie Band 2 ISBN 978 3 89007 563 1 mit Gunther Rotter Musikpsychologie Band 3 ISBN 978 3 89007 564 8 mit Hans Neuhoff Musiksoziologie Band 4 ISBN 978 3 89007 565 5 Stefan Weinzierl Hrsg Akustische Grundlagen der Musik Band 5 ISBN 978 3 89007 699 7 mit Heinz von Loesch Gunther Rotter Christian Utz Lexikon der Systematischen Musikwissenschaft Band 6 ISBN 978 3 89007 566 2 Literatur BearbeitenMusikpsychologie In C Dahlhaus Hrsg Einfuhrung in die systematische Musikwissenschaft Gerig Koln 1971 S 53 92 ISBN 3 87252 050 4 B Barthelmes Deutsche Gesellschaft fur Musikpsychologie Jahrestagung in Hannover vom 22 bis 24 Februar 1985 In Die Musikforschung Band 38 1985 S 304 Reinhard Kopiez et al Musikwissenschaft zwischen Kunst Asthetik und Experiment Festschrift Helga de la Motte Haber zum 60 Geburtstag Konigshausen amp Neumann Wurzburg 1998 ISBN 3 8260 1524 X Andreas C Lehmann und Reinhard Kopiez Hrsg 25 Jahre Deutsche Gesellschaft fur Musikpsychologie 1983 2008 Hochschule fur Musik und Theater Hannover 2008 ISBN 3 931852 79 2 Helga de la Motte Haber My life in music psychology in Germany In Psychomusicology Special issue The history of the psychology of music in autobiography 2009 Band 20 Nr 1 amp 2 S 79 88 ISSN 0275 3987 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Helga de la Motte Haber im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Bekannte Studierende der Johannes Gutenberg Universitat auf ub uni mainz deEinzelnachweise Bearbeiten Schriftenverzeichnis bis 1997 in Reinhard Kopiez et al Musikwissenschaft zwischen Kunst Asthetik und Experiment Festschrift Helga de la Motte Haber zum 60 Geburtstag Konigshausen amp Neumann Wurzburg 1998 Neues Handbuch der Musikwissenschaft Bd 10 S 12 Vorwort Musikasthetik Bd 1 S 13 Laudatio zur Preisverleihung 2010 Memento des Originals vom 11 August 2018 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot margritegner chNormdaten Person GND 107548372 lobid OGND AKS LCCN n83154219 VIAF 95149972 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME La Motte Haber Helga deKURZBESCHREIBUNG deutsche MusikwissenschaftlerinGEBURTSDATUM 2 Oktober 1938GEBURTSORT Ludwigshafen am Rhein Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Helga de la Motte Haber amp oldid 234084680