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Die Flick Affare oder Flick Parteispendenaffare war in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein in den 1980er Jahren aufgedeckter politischer Skandal um verdeckte Parteispenden des Flick Konzerns Laut Flick Manager Eberhard von Brauchitsch dienten diese Praktiken einer Pflege der politischen Landschaft 1 Es entstand zudem der Verdacht die Spendenzahlungen hatten im Zusammenhang mit einer Beeinflussung von Entscheidungen des Bundeswirtschaftsministeriums zugunsten des Flick Konzerns und des Konzernchefs Friedrich Karl Flick gestanden Die Flick Affare fuhrte zu einem deutlichen Vertrauensverlust gegenuber den beteiligten Parteien CDU CSU SPD und FDP in der Bevolkerung Inhaltsverzeichnis 1 Affare und Prozess 2 Bundestagsuntersuchungsausschuss 3 Politische Folgen 4 Literatur 5 Siehe auch 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseAffare und Prozess BearbeitenAusgangspunkt der Flick Affare war ein Aktiengeschaft im Jahr 1975 bei dem der Flick Konzern Aktien der Daimler Benz AG im Wert von 1 9 Milliarden DM an die Deutsche Bank verkaufte Der Flick Konzern beantragte beim zustandigen Bundeswirtschaftsministerium im Januar des Jahres fur dieses Geschaft die Steuerbefreiung nach 6b des Einkommensteuergesetzes fur volkswirtschaftlich forderungswurdige Reinvestitionen Die zu zahlenden Steuern hatten knapp 986 Millionen DM betragen Sowohl der zu dieser Zeit amtierende Bundesminister fur Wirtschaft Hans Friderichs als auch sein Nachfolger Otto Graf Lambsdorff beide FDP erteilten diese Genehmigungen 2 1981 stiess der Steuerfahnder Klaus Forster nach hartnackigen Ermittlungen ausgehend von rechtswidrigen Transaktionen der Soverdia einem gemeinnutzigen Unternehmen der Steyler Missionare 3 in Schliessfachern der Dresdner Bank Filiale Nordstrasse in Dusseldorf Pempelfort auf ein Kassenbuch des Flick Generalbuchhalters Rudolf Diehl in dem Bargeldzahlungen an Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien verzeichnet waren 4 Unter anderem waren dies dreimal 250 000 DM an den CSU Vorsitzenden Franz Josef Strauss 565 000 an den CDU Vorsitzenden Helmut Kohl 5 sowie diverse Zahlungen an FDP Spitzenpolitiker darunter mehrmals 30 000 DM an Otto Graf Lambsdorff mehrmals 70 000 DM an Hans Friderichs sowie eine einmalige Zahlung von 100 000 DM an Walter Scheel Der damalige Bundesfinanzminister Hans Matthofer von der SPD hatte 40 000 DM erhalten 6 Da mit Friderichs Lambsdorff und Matthofer mehrere Minister der sozialliberalen Bundesregierung zum Kreis der Geldempfanger zahlten wurde der Verdacht der Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit erhoben 7 Der bei Flick fur die politische Lobbyarbeit zustandige Manager Eberhard von Brauchitsch erklarte zu den Zahlungen dass es sich dabei lediglich um Parteispenden gehandelt habe 8 Eine weitere Schlusselfigur der Spendenzahlungen war der Flick Prokurist und CDU Politiker Adolf Josef Kanter Kanter hatte neben der Lobbytatigkeit zusatzlich als Agent des MfS bereits vor der Aufklarung der Affare Informationen zu den Zahlungen an den Auslandsnachrichtendienst Hauptverwaltung Aufklarung HV A der DDR verkauft 9 Das MfS gab diese Informationen jedoch nicht an westdeutsche Medien weiter da man laut dem Leiter der HV A Markus Wolf eine Enttarnung Kanters befurchtete 10 Die SED Fuhrung selbst liess es sich jedoch nicht nehmen ihren Politik Ideologen Karl Heinz Roder propagandistisch grossflachig die Verflechtung und Verfilzung der Macht der Monopole mit der Macht des Staates als traditionelles Merkmal der Geschichte des deutschen Imperialismus anprangern zu lassen 11 Nach der Wiedervereinigung wurde Karl Heinz Roder durch den Heidelberger Politikwissenschaftler Klaus von Beyme als Stasi Offizier in den hochsten Rangen bezeichnet 12 Am 29 November 1983 kundigte die Staatsanwaltschaft an Anklage gegen die Manager von Brauchitsch und Manfred Nemitz wegen fortgesetzter Bestechung sowie wegen Bestechlichkeit gegen Friderichs Lambsdorff und den fruheren Wirtschaftsminister des Landes Nordrhein Westfalen Horst Ludwig Riemer zu erheben 13 Der Bundestag hob am 2 Dezember auf Ersuchen der ermittelnden Bonner Staatsanwaltschaft die Immunitat des amtierenden Bundeswirtschaftsministers Lambsdorff auf der dann als die Anklage zugelassen wurde am 27 Juni 1984 zurucktrat 14 Der Prozess vor dem Bonner Landgericht zog sich rund anderthalb Jahre hin Nach Aussage des Richters Hans Henning Buchholz fielen nahezu alle Zeugen durch ihr schlechtes Erinnerungsvermogen auf 15 Letztlich wurden am 16 Februar 1987 Eberhard von Brauchitsch sowie die Politiker und vormaligen Bundeswirtschaftsminister Friderichs und Otto Graf Lambsdorff wegen Steuerhinterziehung beziehungsweise Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt Von Brauchitsch erhielt eine Bewahrungs Lambsdorff und Friderichs Geldstrafen 15 Eine Beeinflussung politischer Entscheidungen durch die Geldzahlungen liess sich nicht nachweisen 16 Durch die Praxis des Steyler Paters Josef Schroder des damaligen Geschaftsfuhrers der Soverdia Gesellschaft steuerlich abzugsfahige Quittungen in funffacher Hohe des Spendenbetrages auszustellen kam der Steuerfahnder Klaus Forster auf die Spur weiterer Spenden des Flick Konzerns was schliesslich die Flick Affare ausloste Bundestagsuntersuchungsausschuss BearbeitenDer Bundestag setzte 1984 nach dem Rucktritt Lambsdorffs einen Untersuchungsausschuss zur Flick Affare ein Ausschussvorsitzender war Manfred Langner CDU Die Arbeit des Ausschusses zog sich uber zwei Jahre 66 Sitzungen zur Beweisaufnahme und 321 Stunden Vernehmung hin und produzierte 11 500 Seiten Sitzungsprotokolle 17 Als der Verdacht aufkam Rainer Barzel zu diesem Zeitpunkt Bundestagsprasident habe uber eine Anwaltskanzlei ebenfalls Zuwendungen von Flick erhalten zum Schein als Honorar fur Beratertatigkeiten in Wirklichkeit aber als Belohnung dafur dass er im April 1973 durch seinen Verzicht auf CDU Partei und Fraktionsvorsitz den Weg fur Helmut Kohl freigemacht habe trat dieser am 25 Oktober 1984 einen Tag nach seiner Vernehmung durch den Untersuchungsausschuss von seinem Amt als Bundestagsprasident zuruck Die Vorwurfe gegen Barzel konnten allerdings nicht nachgewiesen werden 18 Auf Seiten der neu im Bundestag vertretenen Grunen nutzte Otto Schily das Podium des Bonner Untersuchungsausschusses und die Tatsache dass die Grunen als einzige Partei nicht von der Affare betroffen sein konnten zu deutlicher Kritik an allen anderen Parteien 19 Besondere Aufmerksamkeit erregte auch seine Strafanzeige gegen Bundeskanzler Helmut Kohl wegen angeblicher Falschaussage im Untersuchungsausschuss Kohls Erinnerungslucken erklarte CDU Generalsekretar Heiner Geissler spater mit einem Blackout des Kanzlers 20 Im Laufe der Aufklarung der Affare hatte sich gezeigt dass in den 1970er Jahren alle zu diesem Zeitpunkt im Bundestag vertretenen Parteien also CDU CSU SPD und FDP Spenden des Flick Konzerns erhalten hatten teilweise uber als gemeinnutzig eingestufte parteinahe Organisationen wie die Staatsburgerliche Vereinigung Durch den Untersuchungsausschuss wurde offenbart dass zwischen 1969 und 1980 mehr als 25 Millionen Mark aus Flicks schwarzen Kassen an Politiker von CDU CSU FDP und SPD geflossen waren Dabei gingen in diesem Zeitraum 15 Millionen DM an die CDU CSU 6 5 Millionen an die FDP und 4 3 Millionen an die SPD 2 Die Weigerung des Wirtschaftsministeriums bestimmte Akten dem Ausschuss zur Verfugung zu stellen fuhrte zum Flick Untersuchungsausschuss Urteil des Bundesverfassungsgerichts in dem die Rechte der Untersuchungsausschusse gestarkt wurden 21 Politische Folgen BearbeitenIm Laufe der Aufklarung der Affare hatte sich gezeigt dass sich CDU CSU SPD und FDP uber die geltenden Bestimmungen des Parteiengesetzes hinweggesetzt hatten In der gesellschaftlichen Debatte zu diesen Vorgangen zeigten sich allerdings Unterschiede in der Bewertung So zeigten fuhrende Reprasentanten der politischen Parteien wenig Unrechtsbewusstsein und machten geltend wie schwierig die Parteienfinanzierung sei und dass es sich allenfalls um ein Kavaliersdelikt handle eine Haltung aus der zwischen 1981 und 1984 mehrere Versuche resultierten per Gesetz eine Amnestie durchzusetzen die jedoch am Widerstand der Presse und der Basis der einzelnen Parteien scheiterten 22 23 Stattdessen wurden letztlich die Vorschriften uber Spenden im Parteiengesetz wie auch die Meldepflicht der Abgeordneten bezuglich ihrer Nebeneinkunfte verscharft Geandert wurde auch das Gemeinnutzigkeitsrecht um die Trennung der verschiedenen Arten steuerbegunstigter Organisationen sicherzustellen Gemeinnutzigen Organisationen wurde ausdrucklich verboten politische Parteien zu unterstutzen Parteien wurde untersagt Spenden gemeinnutziger Organisationen anzunehmen Gleichzeitig wurde die Forderung des demokratischen Staatswesens als neuer gemeinnutziger Zweck aufgenommen mit den Ausnahmen auf kommunaler Ebene und zur Verfolgung von Partikularinteressen 24 Literatur BearbeitenUdo Leuschner Die Flick Affare Memento vom 23 August 2009 im Internet Archive In Geschichte der FDP Metamorphosen einer Partei zwischen rechts sozialliberal und neokonservativ Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat Munster 2005 ISBN 3 86582 166 9 udo leuschner de PDF 1 28 MB Hans Leyendecker Heribert Prantl Michael Stiller Helmut Kohl die Macht und das Geld Steidl Gottingen 2000 ISBN 3 88243 738 3 Hans Werner Kilz Joachim Preuss Die gekaufte Republik Rowohlt Reinbek 1983 ISBN 3 499 33048 2 Thomas Ramge Die grossen Polit Skandale Eine andere Geschichte der Bundesrepublik Campus Verlag Frankfurt New York 2003 ISBN 3 593 37069 7 Bernt Engelmann Schwarzbuch Helmut Kohl oder wie man einen Staat ruiniert PDF 1 2 MB Steidl Gottingen 1994 ISBN 3 88243 278 0 Ratselhafte Stiftung Alma Mater In Der Spiegel Nr 52 2014 online Dieser Idiot hat ein Gestandnis abgelegt In Der Spiegel Nr 4 1984 online Siehe auch BearbeitenListe von Korruptionsaffaren um Politiker in der Bundesrepublik DeutschlandWeblinks BearbeitenBericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses PDF 10 MB Bundestagsdrucksache Nr 10 5079 vom 21 Februar 1986 Flick Parteispendenaffare LeMO Flick Affare Alle Artikel Hintergrunde und Fakten Dossier des Spiegels Anm enthalt nicht alle Artikel nur die ab Ende Marz 1984 Hans Leyendecker Flick Affare Die gekaufte Republik Suddeutsche Zeitung vom 17 Mai 2010 Die Flick Affare Fotogalerie im Hamburger Abendblatt Chronologie der Flick Affare Memento vom 20 September 2009 im Internet Archive PDF 126 kB auf der Website der Universitat Passau 2005 Hubert Seipel Ein Mann und die Macht In Tagesspiegel 8 Oktober 2006 archive org Steuerfahnder Klaus Forster gegen den Rest der Republik Dokumentation im Portal DokZentrum Dokumentationszentrum Couragierte Recherchen und Reportagen an der Hochschule fur Angewandte Wissenschaften Hamburg Rudiger Scheidges CDU Spendenaffare Kohl letztes Geheimnis Handelsblatt 19 August 2015Einzelnachweise Bearbeiten Eberhard von Brauchitsch Industriekapitan und zentrale Figur der Flick Affare Nicht mehr online verfugbar Schwabisches Tagblatt 11 September 2010 archiviert vom Original abgerufen am 5 Januar 2013 a b Die funfte Gewalt Deutschlandradio Kultur 9 Dezember 2009 abgerufen am 5 Januar 2013 Alle reicher In Der Spiegel Nr 2 1982 online Der Schein der weissen Westen In Der Spiegel Nr 48 1983 online Was hat Kohl mit Flick zu tun In Die Zeit Nr 45 1984 Die Flick Affare Westdeutscher Rundfunk 29 November 2007 abgerufen am 11 Januar 2013 Tatige Reue In Der Spiegel Nr 52 1981 online NDR Pflege der politischen Landschaft Memento vom 17 Februar 2013 im Webarchiv archive today Abschied von einem Steuermann der Bonner Republik Berliner Morgenpost 11 September 2010 abgerufen am 23 Januar 2013 Trotzig im Ungefahren In Der Spiegel Nr 33 1999 online Karl Heinz Roder Das politische System der Bundesrepublik Deutschland Geschichte und Gegenwart Staatsverlag Ostberlin 1985 S 10 ff vgl auch derselbe Ein Lehrstuck uber den staatsmonopolistischen Kapitalismus in Einheit 12 84 S 1070 ff Klaus von Beyme Bruchstucke der Erinnerung eines Sozialwissenschaftlers Wiesbaden 2016 S 182 vgl auch Klaus von Beyme Die DVPW und die International Political Science Association In Jurgen W Falter Felix W Wurm Hrsg Politikwissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland 50 Jahre DVPW Wiesbaden 2003 S 70 ff Ein Dienstag der Bonn erbeben liess In Die Zeit Nr 49 1983 Ein guter Rucktritt ist eine Frage des Zeitpunkts Welt Online 17 Februar 2012 abgerufen am 30 Januar 2013 a b Ein deutscher Europaer In Die Welt 12 September 2010 Nachmittags erschien Frau Weber In Der Spiegel Nr 44 1987 online Sabine Quenot Streit um die gekaufte Republik In Das Parlament Nr 11 13 Marz 2006 25 Oktober 1984 Barzel sturzt uber Flick Affare Kalenderblatt der Deutschen Welle 25 Oktober 2008 Es fehlt Ihnen an Rechtsbewusstsein Otto Schilys letzte Rede im Bundestag PDF 37 kB Marz 1986 Kurz und verletzend In Der Spiegel Nr 10 1986 online 67 100 BVerfGE Paul Lersch Hartmut Palmer Skandale Die gepflegte Landschaft In Der Spiegel Nr 50 1999 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