Die durchschlagende Zunge, auch Durchschlagzunge, ist in der Musik ein Streifen Material, meist Metall, der an einem seiner Enden auf einem eng passenden Rahmen befestigt (meist genietet) wird. Der frei bewegliche Teil überdeckt im Ruhezustand mittig die Öffnung des Rahmens, im gespielten Zustand schwingt er durch den Rahmen hindurch und erzeugt dadurch den Ton.
Bei Harmonikainstrumenten werden die durchschlagenden Zungen auch als Stimmzungen bezeichnet. Selten wird das Wort Lamelle anstelle von durchschlagende Zunge verwendet.
Funktion Bearbeiten
Wenn Luft gegen die Zunge geblasen wird, biegt sich diese durch die Öffnung des Rahmens hindurch. Die Luft kann durch die entstehende Öffnung entweichen, der Luftdruck auf die Zunge lässt nach. Durch die Elastizität des Materials schnellt die Zunge zurück, verschließt wieder die Öffnung und unterbricht den Luftstrom, der dann wieder Druck auf die Zunge ausübt, der Vorgang beginnt von vorn. Diese sehr schnellen Unterbrechungen des Luftstromes erzeugen eine Schwingung in der umgebenden Luft und somit eine Schallwelle.
Der entstehende Schall stammt nur zu einem geringen Teil direkt von der schwingenden Zunge. Der Großteil der Schallwellen stammt von der angeregten umgebenden Luft. Im Wesentlichen schwingt die Stimmzunge nur mit ihrer Grundfrequenz, die im Schall enthaltenen harmonischen Oberwellen formen sich dagegen in der umgebenden Luft aus. Das gesamte typische Klangspektrum ist aber wesentlich komplexer und wird auch vom Aufbau des restlichen Instrumentes beeinflusst.
Die Stimmzunge braucht eine geringe Aufbiegung in Ruhelage, damit sie beim Einsetzen des Luftstroms anschwingen kann, siehe Bernoulli-Effekt. Dazu ist eine gewisse Asymmetrie des Aufbaus notwendig. Die übliche Durchschlagzunge kann somit nur in eine Richtung funktionieren.
Es gibt aber Patente für Stimmplatten, die auch bidirektional funktionieren. Manche wurden in der Vergangenheit mit Erfolg verwendet, heute erzeugt aber kein Stimmplattenhersteller derartige Stimmplatten. Vereinfacht beschrieben, bestehen derartige Stimmplatten aus zwei Rahmen mit einer Stimmzunge dazwischen. Damit aber in beide Richtungen für den Luftstrom wieder die erforderliche Asymmetrie entsteht, müssen zusätzliche Vorkehrungen getroffen werden. Dies kann durch zusätzliche Luftführungsschlitze oder durch eine y-förmige Erweiterung der Stimmzunge an ihrem beweglichen Ende erfolgen.
Aufschlagende Stimmzungen sind ähnlich aufgebaut, nur ist die Stimmzunge größer als der Schlitz im Rahmen. Aufschlagende Stimmzungen werden heute in Orgeln für Zungenstimmen verwendet. Ein ähnliches Prinzip verwenden die Doppelrohrblattzungen (gegenschlagende Stimmzungen), wie sie in Holzblasinstrumenten Verwendung finden.
Physik der Stimmzunge Bearbeiten
Die Höhe des entstehenden Tones hängt von den geometrischen Abmessungen, der Form und der Masseverteilung in der Zunge ab. Zur Stimmung der Zungen wird am freischwingenden Ende ein wenig Metall abgeschliffen, um den Ton zu erhöhen. Das Stimmzungenende verliert an Masse und somit an Trägheit und schwingt schneller. Um einen tieferen Ton zu erzeugen, kann am Ende Material aufgetragen werden, etwa in Form von zusätzlichem Lötzinn, oder in der Mitte des Blechstreifens wird Material abgetragen. Dadurch schwingt die Zunge langsamer (mit geringerer Frequenz) und mit größerem Ausschlag (Amplitude).
Weitere Faktoren beeinflussen die Tonhöhe nur wenig: Die Stimmplatte wird von der sie umgebenden Tonkammer, den mechanischen Bauteilen wie den Klappen und dem restlichen Instrument geringfügig beeinflusst. Auch die Lufttemperatur wirkt sich theoretisch (praktisch aber vernachlässigbar) auf die Tonhöhe aus. Die Wechselwirkungen mit den umgebenden Bauteilen müssen nur in der Fertigung und beim Stimmen berücksichtigt werden.
Der Luftdruck, der auf die Stimmzunge wirkt, führt ebenfalls zu einer geringen Tonhöhenverschiebung (Overblow). Höherer Spieldruck führt zum Absenken der Tonhöhe. Bei schwingenden Luftsäulen in Hohlkörpern ist der umgekehrte Effekt der Fall. Hat man genügend Platz, so kann mit der Wahl des mit der Stimmzunge kombinierten Resonanzkörpers dieser Effekt der Tonhöhenabsenkung bei Luftdruckerhöhung kompensiert werden. Je nach Stimmplattenkonstruktion kann die Tonhöhenabsenkung bei erhöhtem Spieldruck unterschiedlich groß sein. Die Verschiebung der Tonhöhe liegt aber meist innerhalb weniger Cent und wird daher auch bei großen Dynamikwechseln kaum wahrgenommen. Handzuginstrumentenspieler, die mit Blasmusikinstrumenten zusammenspielen, sollten das berücksichtigen. Beim Einstimmen sollten Blasinstrumente daher eher unter dem Referenzton des Zungeninstrumentes liegen.
Das exakte Ausstimmen von Handzuginstrumenten kann sehr zeitaufwendig sein (bis zu plus-minus 8 Cent werden je nach Güte des Instruments toleriert).
Hauptvorteil der Stimmplatten gegenüber Orgel(lippen)pfeifen, Holzblas- und Saiteninstrumenten ist, dass die Tonhöhe über extrem lange Zeiträume unabhängig von der Umgebungstemperatur fast konstant bleibt.
Berechnung der Tonhöhe Bearbeiten
Gesucht ist die Frequenz f, Einheit: Hz, mit der die Stimmzunge schwingt.
Bekannt sein müssen:
- Der Elastizitätsmodul E-Modul, Einheit: kN/mm²: Der Elastizitätsmodul E als physikalische Eigenschaft, gemessen bei Raumtemperatur, beschreibt die Steifigkeit des Werkstoffes. Er ergibt sich aus der Steigung der Spannungs-Dehnungskurve im elastischen Bereich beim Zugversuch mit der Dehnung ε, Einheit: % und der Zugspannung σ, Einheit: N/mm². Der Elastizitätsmodul ist die Proportionalitätskonstante im Hookeschen Gesetz. Die Materialkonstante für Stahl beträgt etwa 200 kN/mm²
- Die Dichte , Einheit: kg/m³: die Materialkonstante für Stahl beträgt etwa 7850 kg/m³
- Die Abmessungen: Länge L, Breite b und Dicke (Höhe) h, Einheit: m
Unter der Annahme, dass die Stimmzunge die Form eines Quaders hat, lässt sich über das Volumen V die Masse m der Stimmzunge bestimmen:
Auf die Stimmzunge wirkt nur ein bestimmter Luftdruck p, Einheit: N/m², mit dem die Zunge zum Schwingen angeregt wird. Das freie Ende der Zunge ist dabei mehr an der bewegten Masse m beteiligt als der Teil, der in der Nähe der Niete ist. Die Zungenform hat Einfluss auf die Massenverteilung. Die Kraft F, Einheit: N, welche auf die Stimmzunge wirkt, ergibt sich wie folgt:
Das Flächenträgheitsmoment I, Einheit: cm4, der Stimmzunge ergibt sich des Weiteren mit:
Und dies wiederum führt zu einer bestimmten Auslenkung der Stimmzunge (Auslenkungsweg am beweglichen Ende). Von der Theorie „Biegung eines Balkens“ kann man den allgemeinen Zusammenhang zwischen der wirkenden Kraft F und der Auslenkung s, Einheit: m, ableiten. Er lautet:
Daraus lässt sich die Steifigkeit c der Stimmzunge, Einheit: N/m, ableiten:
Man beachte, dass die Steifigkeit proportional zum Elastizitätsmodul abnimmt. Bei Erhöhung der Dicke h oder bei Verkürzung der Länge L wird die Steifigkeit beachtlich höher, da sie sich potenziert.
Die Konstante für die tiefste erreichbare Grundschwingung, die -Konstante, wird durch mathematische Näherung hergeleitet und bezieht sich auf den einseitig eingespannten Balken. Sie beträgt = 1,875. Eine Stimmzunge kann aber auch zu Schwingungen angeregt werden, denen eine andere Konstante zugrunde liegt, diese Schwingungen bezeichnet man als Eigenschwingungen höherer Modes. = 4,6941, = 7,8548 etc. Diese Werte gelten nur bei absolut rechteckigen Abmessungen. Werden Breite oder Dicke der Zunge profiliert, verändern sich auch diese Faktoren. Eine Schwingungsberechnung für komplexere Abmessungen, die näher an die realen Abmessungen von Stimmzungen herankommen, ist nur mit der Finite-Elemente-Methode möglich. Die Ergebnisse, die mit der folgenden Berechnung erzielt werden können, sind aber bei profilierten Stimmzungen näherungsweise durchaus brauchbar.
Für die Kreisfrequenz der Stimmzunge ergibt sich:
mit folgt daraus die Frequenz f:
Setzt man für c und m die entsprechenden basierenden Formeln ein, kann die Formel durch Umformen und Kürzen in die folgenden Formen gebracht werden.
Nach dem Umstellen dieser Gleichung nach L ergibt sich die Länge einer bestimmten Stimmzunge für eine gewünschte Frequenz f:
Das Ergebnis ist nur noch von den Materialparametern abhängig.
Bending Bearbeiten
Mundharmonikas nutzen ähnliche Effekte. Dazu werden die Stimmzungen dieser Mundharmonikas etwas anders gefertigt. Möglichst dünne Rahmen und etwas weniger Federkraft mit mehr Flexibilität der Zunge. Physikalisch werden Rachen, Mundraum und der restliche Resonanzraum des menschlichen Körpers in seinen Resonanzverhältnissen verändert, wie es beim Bilden von Lauten geschieht. Der Spieler, der diese Technik nutzt, spricht praktisch durch die Mundharmonika, vergleichbar mit dem Maultrommelspiel, der Effekt ist jedoch eine tatsächliche Absenkung oder Anhebung der Tonhöhe und nicht nur eine Klangfarbenänderung wie bei der Maultrommel.
An der entstehenden Tonhöhe sind somit der Resonanzraum (im Wesentlichen die Mundhöhle), die eigentliche Stimmzunge und beim Bending auch noch die zweite tiefere Stimmzunge, die sich im selben Luftkanal befindet, beteiligt.
Man sieht also, dass die resultierende Tonhöhe nicht nur von der eigentlichen Stimmzunge bestimmt wird, obwohl diese den hauptsächlichen Beitrag leistet. Mit viel Aufwand wurden auch mehrere Handzuginstrumente so umgebaut, dass die Tonhöhe durch Intensivierung des Tastendrucks abgesenkt werden kann. Dafür gibt es auch entsprechende Patente für die BluesBox von Tom Tonon. Ein relativ neues Patent aus China wurde angemeldet, das die Verwendung von modernen kleinen Neodym-Dauermagneten vorsieht, die mechanisch in die Nähe der Stimmzunge gebracht werden und dadurch eine Tonhöhenänderung bewirken. Derzeit wird diese Methode bereits bei einem Mundharmonikamodell angeboten.
Tonqualität der Stimmplatte Bearbeiten
- Maximal erzielbare Lautstärke bei möglichst geringer Tonhöhenschwankung.
- Der Dynamikbereich der Stimmplatte hängt bereits stark mit dem gerade Erwähnten zusammen, die maximale Lautstärke wird jetzt als gegeben vorausgesetzt.
- Der Klang wird vom Obertongehalt der Stimmplatte beeinflusst und ist somit die Zusammensetzung des Tonspektrums.
- Ansprache und Nachklang
- Paradoxon der Passgenauigkeit.
Konstruktion Bearbeiten
Güte Bearbeiten
Es gibt wegen der zahlreichen Aspekte der Tonqualität auch heute eine Unzahl von Faktoren, welche die Güte von Stimmplatten bestimmen, die jedoch mit heutigen Mitteln nicht in Tabellen erfasst werden können.
Andererseits gäbe es einige wenige Daten, die in Tabellen von Herstellern bereitgestellt werden könnten, wie Tonhöhe der Stimmplatte, Abmessungen der Stimmzunge, Dicke der Stimmplatte, Passgenauigkeit der Stimmzunge, Art der Schlitzausformung, Steifigkeit der Stimmzunge, genaue Angaben über die verwendeten Materialien. Leider stellen die europäischen Stimmplattenhersteller kaum Daten bereit. Somit sind die Instrumentenbauer auf eigene Tests und auf ihre Erfahrungen angewiesen.
Material und Fertigung Bearbeiten
Die Zungen für Handharmonikas wurden früher aus Bronze oder Messing angefertigt, heute sind sie vor allem aus Stahl. Die Stimmzungen für Mundharmonikas werden in der Regel auch heute noch aus speziellen Messinglegierungen angefertigt. Der Grund dafür ist in erster Linie darin zu suchen, dass die Atemluft zum Anrosten der Stahlzungen führen würde. (Ausnahmen: Fa. Seydel baut seit 2007 auch Modelle mit Edelstahlstimmzungen, Kindermundharmonikas aus Plastik haben meist Plastikstimmzungen.) Aber auch andere Materialien für Stimmzungen sind denkbar, zum Beispiel wurden Prototypen aus Titan angefertigt.
Die Stimmplatte besteht zusätzlich noch aus dem Rahmen, auf den die Stimmzunge aufgenietet oder aufgeschraubt ist. Dieser Rahmen kann eine oder einen ganzen Satz von Stimmzungen beherbergen. Einzelne Stimmzungen pro Rahmen finden beim Harmonium Verwendung, aber auch die englische Konzertina verwendet einzelne Stimmplatten, die Flutina und manche anderen Instrumente. Die Mundharmonika, das russische Bajan, das Bandoneon und auch ältere, kleinere Akkordeon-Instrumente verwenden bevorzugt ganze Stimmzungensätze pro Grundplatte. Pro Stimmzunge ist im Rahmen ein Schlitz vorgesehen, dieser ist an allen Seiten um etwa 0,02 mm größer als die Stimmzunge. Idealerweise sollte er möglichst eng sein, denn je enger die Fertigungstoleranzen sind, desto weniger Luftverbrauch entsteht beim Spielen.
Teurere Akkordeon-Stimmplatten haben einen Schlitz, der nach hinten etwas konisch erweitert ist. Im Fertigungsprozess werden dazu die Schlitze der Stimmplatten maschinell in einem weiteren Arbeitsgang nachgefeilt. Durch diese konische Erweiterung können die Stimmzungen passgenauer montiert werden. Bei hohem Spieldruck (Lautstärke) schwingt die Stimmzunge auch etwas seitlich und würde somit nicht frei durch den Schlitz pendeln. Eine Stimmzunge führt nämlich nicht nur die einfache Grundschwingung aus, sondern es werden auch Torsionsbewegungen mit geringerer Amplitude ausgeführt. Besitzt ein Schlitz diese konische Erweiterung nicht, muss der Schlitz größer sein.
Ein Bandoneon klingt wesentlich anders als ein Akkordeon. Das hat hauptsächlich drei Gründe:
- Es werden lange und dicke gemeinsame Stimmplatten aus Zink verwendet.
- Der Schlitz für die Stimmzungen ist nicht konisch.
- Die Tonkammer ist etwas anders gestaltet.
Die Dicke der Stimmplatte ist auch ein wesentliches Qualitätsmerkmal; je dicker der Rahmen ist, desto höher ist die maximal erzielbare Lautstärke bei nahezu konstanter Tonhöhe. Teurere Stimmplattensätze sind daher auch schwerer.
Bei sehr hohen Tönen ist jedoch eine stark reduzierte Dicke der Stimmplatte erforderlich, um befriedigende Ergebnisse zu erzielen. Dies ist einer der Gründe, warum für Piccolo-Stimmplatten Messingrahmen verwendet werden. Ansonsten kommt heute meist Duraluminium für die Rahmen zum Einsatz. Früher wurde sehr oft Zink als Rahmenmaterial verwendet.
Die Fertigung wird heute hauptsächlich maschinell durchgeführt. In Europa gibt es zurzeit nur vier Firmen, die Stimmplatten erzeugen. Zwei davon sind in Italien, eine in Tschechien und eine in Deutschland. Die deutsche Firma stellt allerdings nur mittlere Qualität und niedrige Mengen her. Die italienischen Firmen bieten Stimmplatten in unterschiedlicher Qualität an. „A mano“ (ital. für handgemacht, dies bedeutet aber nicht, dass die Stimmplatten tatsächlich handgemacht sind) ist die höchste Qualität (professionell).
Manche Sublieferanten bieten handgenietete Stimmplatten an. Die nächste Qualität ist „Typo a mano“, was „wie handgemacht“ bedeutet. Objektive Kriterien sind aber kaum vorhanden. Teurere Stimmzungen sind mit einem größeren Zungenfuß versehen.
Stimmzungen werden gewöhnlich der Länge nach aus Bandstahl gestanzt. Die tschechische Firma bietet Stimmplattenrahmen an, die mit Elektroerodiermaschinen gefertigt werden. Stimmplatten für Mundharmonikas werden in Europa nur noch von der Firma Hohner in Trossingen sowie von der Firma Seydel in Klingenthal hergestellt.
Zu den heute erhältlichen Stimmplatten, siehe → Steirische Harmonika#Stimmplatten-Qualität
Ventilleder Bearbeiten
Ventilleder werden an den meisten Stimmplatten verwendet, die zwei Stimmzungen enthalten, also jeweils eine für über- und für Unterdruck. Die Lederstreifen funktionieren wie ein Ventil und unterbinden jeweils den Luftstrom in eine Richtung, so dass immer nur eine Stimmzunge angeregt wird. Ohne Ventile oder bei beschädigten Ventilledern, ist trotzdem eine Tonerzeugung mit dem Akkordeon möglich. Als Folge wird jedoch beim Spielen mehr Luft verbraucht und es ergibt sich eine geringe Veränderung der Tonhöhe. Wird ein Instrument nachgestimmt, so sollte zunächst sichergestellt werden, dass die Ventile funktionieren. Häufig wird heute anstatt des Leders eine mehrlagige Kunststofffolie verwendet, die aus mehreren übereinander geklebten Schichten besteht. Auch die Kombination von Leder und Kunststoff oder Leder mit aufliegender Metallfolie oder einer Metallfeder ist üblich. Kunststofffolien sind billiger und einfacher zu verarbeiten, sind aber für größere Stimmzungenabdeckungen schlechter geeignet. Daher kommen meist bei den tieferen Tönen Lederventile zum Einsatz. Lederventile erzeugen, wenn sie gut ausgewählt werden, weniger Verschlussgeräusche. Besonders bei Pianopassagen ist ein Unterschied wahrnehmbar. Andererseits sind Kunststoffventile oftmals bei hohen Tönen und kleinen Ventilen vorzuziehen, da diese sauberer aufliegen und flexibler ausgeführt werden können als die kleinsten Lederventile. Die Auswahl des passenden Ventils für die jeweilige Tonhöhe bedarf einer gewissen Erfahrung. Die Ventile werden heute mit dauerelastischem Klebstoff befestigt. Früher wurde Baumwachs oder Schellack zum Befestigen verwendet, was besonders bei Lederventilen auch heute noch eingesetzt werden kann. Für hochwertige Instrumente mit qualitativ sehr guten Stimmplatten trägt eine optimale Auswahl von Ventilen wesentlich zur Tonqualität und zum Spielkomfort bei.
Alterung an Ventilen tritt sowohl an Leder wie auch an Kunststoffventilen auf. Auch wenn Ventile an älteren Instrumenten gut aussehen, muss eine einwandfreie Funktion nicht mehr gegeben sein. Sowohl Leder- wie Kunststoffventile werden mit der Alterung steifer, besonders wenn Instrumente wenig verwendet werden. Ein geringfügiges Aufbiegen der freien Enden bei Lederventilen ist aber meist noch kein Zeichen für Probleme. Kunststoffventile schließen in Ruhelage meist besser, doch die eigentliche korrekte Funktion kann nur durch eine aktive Prüfung festgestellt werden.
Geschichte Bearbeiten
Erste Vorkommen in Ägypten und China Bearbeiten
In Ägypten und anderen alten Kulturen war dieses Schallerzeugungsprinzip bereits bekannt. Im Altertum wurde die durchschlagende Zunge erstmals in China in der Mundorgel Sheng verwendet. Chinesischen Quellen zufolge wurden die Metallzungen etwa 2800 v. Chr. von Kaiser Huang Tei erfunden.
Entwicklung in Europa Bearbeiten
In Europa begann man erste Versuche mit durchschlagenden Zungen, nachdem 1776 der französische Jesuit und Missionar Père Amiot mehrere Sheng von China nach Paris gesandt hatte.
Der Kopenhagener Professor Christian Gottlieb Kratzenstein (1723–1795) entwickelte als erster in Europa ein solches Prinzip. Er verwendete die Zungen in seiner Sprachmaschine, bei der sich durch angeschlossene Resonanzröhren Vokale künstlich erzeugen ließen. Die Königliche Akademie in St. Petersburg verlieh ihm für seine Erfindung im Jahr 1780 einen Preis. Daraufhin entwickelte der dortige Instrumentenbauer Franz Kirschnik die durchschlagende Zunge für Kleinorgeln und stellte 1783 ein erstes Portativ mit einem solchen Register der Öffentlichkeit vor. Der Organist und Musikforscher Georg Joseph Vogler (1749–1814) wurde 1788 bei einem Konzert in St. Petersburg mit diesem Prinzip bekannt und war begeistert. Er lud Kirschniks Mitarbeiter Georg Christoffer Rackwitz 1790 nach Warschau, um ein solches Register in ein Instrument einzubauen. Dies erfolgte aber erst nach der Weiterreise in Rotterdam, dann auch im Karmeliterkloster in Frankfurt am Main. 1795 baute Rackwitz durchschlagende Zungen in der St. Nikolaikirche in Stockholm für Olof Schwan. Etwa in dieser Zeit wurde auch in St. Sulpice in Paris ein solches Prinzip eingebaut, 1796 durch Christian Kindten in Sagard auf Rügen. Weitere Einbauten erfolgten 1798–1800 in Prag, um 1800 in der St. Hedwig-Kirche in Berlin und in Neuruppin durch Carl August Buchholz, von 1800 bis 1804 in Wien, Salzburg (Klosterorgel an St. Peter), 1805 München (St.-Peters-Kirche und Michaelshofkirche), In dieser Zeit war das Register in Europa bereits weiter verbreitet, als bisher angenommen.
Georg Joseph Vogler hatte in zahlreichen Orgeln auf eigene Kosten das System mit durchschlagender Zungen einbauen lassen. Hohen Bekanntheitsgrad erreichte er mit seinem Orchestrion, mit dem er mehrmals durch Europa reiste. Da er den Kontakt mit den örtlichen Orgelbauern suchte und auch Lehrveranstaltungen, besonders in Prag, für Orgelbauer abhielt, war mit Sicherheit er dafür verantwortlich, dass das neue System schnell weite Verbreitung fand. 1807 und 1808 ist Vogler gemeinsam mit Mälzl und Kaufmann in Paris.
Johann Nepomuk Mälzel (1772–1838) baute 1805 durchschlagende Zungen in sein Orchestrion ein, für das Ludwig van Beethoven 1813 den zweiten Teil von Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vitoria (op. 91) komponierte
Verbreitung in Amerika Bearbeiten
In den USA wird dem Orgelbauer William M. Goodrich die Erfindung der durchschlagenden Stimmzungen zugesprochen. Das verwundert nicht, da dieser zumindest indirekt mit Johann Nepomuk Mälzel in Kontakt kam, möglicherweise war nur ein Panharmonikon angekommen. In Mälzels Biografie wird für die Zeit um 1811 von „Reisen nach Paris, London, usw.“ berichtet. Amerika wird erst dezidiert für das Jahr 1824 erwähnt.
“In June 1811 a curious instrument called a Pan Harmonicon was brought to Boston. It was invented by Maelzel, whose name is usually linked with the Metronome. William Goodrich was employed to set up and exhibit the Pan Harmonicon in New York and other cities. He […] traveled with the instrument from September 1811 until June 1812.”
„Im Juni 1811 kam ein eigenartiges Instrument, das Pan Harmonicon genannt wurde, nach Boston. Erfinder war Maelzel, der normalerweise mit dem Metronom in Verbindung gebracht wird. William Goodrich wurde beschäftigt um das Pan Harmonicon zu betreuen und in New York und andern Städten vorzuführen. Er […] reiste mit dem Instrument von September 1811 bis Juni 1812.“
Im März 1823 wurde ein Nachbau von Mälzel’s Pan Harmonicon von William Goodrich gemeinsam mit anderen fertiggestellt.
“In March, 1823, Mr. Goodrich undertook to complete, with the assistance of others, a Pan Harmonicon, in imitation of that of Maelzel.”
„Im März 1823 verpflichte dich Herr Goodrich, mit Hilfe anderer ein Pan Harmonicon nach dem von Maelzel zu vollenden.“
Angeblich reparierte im Jahr 1821 James H. Bazin für jemanden ein aus Boston stammendes Instrument. James H. Bazin verwertete in Folge die neue Entdeckung und baute um 1836 die „lap organ“. Die Durchschlagzunge kam 1810 bis 1812 über Mälzel und Goodrich nach Boston. William M. Goodrich war auch ein bekannter Gesangslehrer („singing-master in Boston“). Es ist daher möglich, dass bereits zwischen 1811 und 1821 Durchschlagzungen in Pfeifenorgeln eingebaut wurden.
“In an article in ‘The Musical World and Times’ […] the invention of this class of instruments is claimed for Mr. James H. Bazin, an ingenious musician and mechanic, of Canton, Mass. […] However,[…] as will be observed […] Mr. Bazin was not the man. The account referred to contains the following:— “Late in the year of 1821, some young men from a neighboring town, brought a small, round, brass pipe, with the letter A marked on it, and a piece of thin brass screwed on one side; which brass appeared to have been made to vibrate through an opening about one-half the length of the pipe, but which had been broken off near the screw. They had borrowed this pipe from a ‘singing-master in Boston, and wished to have Mr. Bazin repair it, and make several more like it.’” […] We have a legend, in which it is asserted that the freereed was the invention of a German shoemaker [Maelzel], who, captivated with the sweet sounds produced by it, […]”
„In einem Artikel in ‚The Musical World and Times‘ [...] wird die Erfindung dieser Instrumentenklasse Mr. James H. Bazin zugeschriebrn, ein genialer Musiker und Mechaniker, aus Kanton, Mass. [...] Jedoch,[...] wie beobachtet wird [...] war Herr Bazin nicht der Erfinder. Der erwähnte Bericht enthält Folgendes:— ‚Ende im Jahr 1821 brachten einige junge Männer aus einer Nachbarstadt eine kleine, runde Messingpfeife mit dem Buchstaben A darauf und ein Stück dünnes Messing auf einer Seite verschraubt; welches Messing schien durch eine Öffnung etwa die Hälfte der Rohrlänge zu vibrieren, das aber in der Nähe der Schraube abgebrochen worden war. Sie hatten diese Pfeife von einem ‚Singmeister in Boston’ ausgeliehen und wünschten sich, dass Mr. Bazin es reparieren und mehrere mehr davon machen wörde.‘ [...] Wir haben eine Legende, in der behauptet wird, dass das Freisputz die Erfindung eines deutschen Schuhmachers [Maelzel] war, der, fasziniert von den süßen Klängen, die von ihm erzeugt werden, [...“
Ab 1833 baute Prescott weitere ähnliche Instrumente.
“In 1831 Prescott […]. On a buisniss trip to Boston he saw an ‘elbow oragan’ or lap organ (‘rocking melodeon’) built by Jams Bazin. Seeing the potental of this small REED ORGAN, he commeneed manufacturing them in 1836 or 1837 – both the button (melodeon)and the convetional keyboard type.”
„1831 Prescott [...] Auf einer Geschäftsreise nach Boston sah er ein ‚Ellbogen-Oragan‘ oder eine Schoßorgel (‚rockendes Melodeon‘), das von Jams Bazin gebaut wurde. Als er das Potenzial dieses kleinen REED ORGAN [Zungenorgel] sah, lobte er die Herstellung in den Jahren 1836 oder 1837 – sowohl die Taste (Melone) als auch den konvetionalen Tastaturtyp“
Video eines etwas neueren „rocking melodeon“.
Weitere Entwicklung in Europa nach 1800 Bearbeiten
Zumindest um 1800 waren durchschlagende Zungen in Orgelregistern weiter verbreitet, als allgemein angenommen wird.
Neuerungen wurden von den Fachleuten relativ rasch in Europa verbreitet. Es gibt dafür keine Patentschrift aus dieser Zeit, was dafür spricht, dass kaum jemand dies als eigene Erfindung oder eigene Verbesserung ansehen konnte. An großen Orgelwerken wie der damals neu errichteten Orgel in der Schottenkirche in Wien arbeiteten viele Handwerker mit, eine Geheimhaltung von Verbesserungen war daher unmöglich. 1811 schrieb Friedrich Rochlitz einen ausführlichen Bericht mit Zeichnung in der AmZ. 1829 schrieb Wilhelm Eduard Weber, in Cäcilia – eine Zeitschrift für die musikalische Welt, ausführlich darüber.
Notizen von Leopold Sldauer in Stichworten Bearbeiten
Der vollständige Text ist in der Allgemeinen musikalischen Zeitung vom 13. Februar 1813, S. 117–120 nachzulesen.
- Im August des Jahres 1796 wird Abt Voglers Orchestrion bei einem Konzert in Stockholm mit viel Beifall gehört.
- 1801 ist Hr. Vogler und sein Orgelbaumeister Hr. Knecht aus Tübingen mit dem Orchestrion in Prag.
- Vor 1804 vollendet Leopold Sauer aus Prag ein Fortepiano, dieses ist mit einem Orgelregister, das durchschlage Zungen verwendet, ausgestattet.
- Und 1804 ein zweites Fortepiano ähnlicher Bauweise.
- Vor 1805 erbaute Hoforgelbaumeister Hr. Ignaz Kober in Wien, Lehrer von Leopold Sauer, ein großes Orgelwerk in der Schottenkirche, das ebenfalls durchschlagende Zungen in einigen Registern einsetzt.
Einsatz von Durchschlagzungen in vergleichbar kleinen Instrumenten Bearbeiten
Mit Rohrwerken Bearbeiten
Als Rohrwerke werden normalerweise die Zungenpfeifen von Orgeln bezeichnet. Heute werden diese als Lingualpfeifen bezeichnet, wobei aufschlagende und durchschlagende Zungen unterschieden werden. Das angesetzte Rohr dient als Resonator und beeinflusst lediglich die Klangfarbe nicht die Tonhöhe, mit Ausnahme der Zacharias-Zungenpfeifen.
Georg Joseph Vogler war wiederholt auch nach 1890 in Paris und ließ zumindest 1796 in Paris die Orgel von Saint-Sulpice mit Rohrwerken ausstatten, die durchschlagende Zungen verwendeten. Gabriel Joseph Grenié sagt, Georg Joseph Vogler und andere haben dazu beigetragen, die Orgue expressif, eine Art Vorläufer des späteren Harmoniums, zu verwirklichen. Vogler ließ keine der Modernisierungen, die er forcierte, patentieren. Gabriel Joseph Grenié ist nicht der Erfinder der durchschlagenden Zunge, jedoch erhält er 1803 ein Patent für seine Orgue expressif. Die Allgemeine musikalische Zeitung von 1821 enthält einen ausführlichen Bericht über die Orgue expressif im Konservatorium der Musik in Paris und gibt einen im Original französischsprachigen Bericht übersetzt wieder. Zitate aus derartigen Berichten haben stark dazu beigetragen, dass Gabriel Joseph Grenié irrtümlich als Erfinder von Vorläufern des Harmoniums dargestellt wird.Johann Gottfried Kaufmann und sein Sohn Friedrich Kaufmann aus Dresden bauen 1805 das Belloneon und bis 1812 den mechanischen Trompeter und auch das Musikinstrument Harmonichord. Die Maschinen funktionieren nach demselben Prinzip wie bei Mälzel. Die Beschreibung zeigt, dass durchschlagende Stimmzungen in Kombination mit Trompeten Verwendung finden. Die Ausdrucksweise ist für uns heute schwer verständlich. Vogler Mälzel und Kaufmann hatten gute Kontakte zueinander.
Die Tonerzeugung ist der menschlichen Spracherzeugung nachempfunden.
Ohne Rohrwerke Bearbeiten
Durchschlagende Zungen können auch ohne sichtbaren Resonator verwendet werden.
Die Aeoline wurde um 1810 von Bernhard Eschenbach zusammen mit seinem Cousin Johann Caspar Schlimbach entwickelt, wobei sie sich von der Maultrommel anregen ließen. Die Physharmonika wurde 1821 in Wien von Anton Haeckl patentiert. 1824 bekam Anton Reinlein in Wien ein Patent für eine Verbesserung der Handharmonika. Als erstes flötenartiges Durchschlagzungeninstrument wurde 1828 das Psallmelodikon von Johannes Weinrich, einem Schuhmacher und Schriftsteller aus Heiligenstadt, patentiert. Es bestand aus einer Messingröhre von etwa 30 cm Länge. Es hatte Stimmzungen aus einer Silberlegierung, 20 Klappen und sechs Fingeröffnungen sowie einen Tonumfang von über zwei Oktaven. Ein verwandtes Instrument war auch die Blas-Aeoline mit Klappen. In einer deutschen Aeolinen-Schule aus dem Jahr 1830 heißt es: „Diese (…) war eigentlich ein Blasakkordeon. Der beste Musikant, der dieses Instrument spielt, ist Herr Cittadini, der es in seinen Jahreskonzert im Jahr 1829 präsentierte“.
Cyrill Demian behauptet sogar in einem Patent von 1828, dass derartige Stimmzungen schon über 200 Jahre in Orgelregistern Verwendung fänden. Weiteres siehe auch in Geschichte der Harmonika. Auch die Maultrommel verwendet ein ähnliches Prinzip. Klar ist aber, dass erst mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts in Mitteleuropa mehr Interesse an diesem Tonerzeugungsprinzip entstand.
Moderne Durchschlagzungeninstrumente sind die Mundharmonika, die Handzuginstrumente, die Melodica (Blas-Akkordeon) und das Harmonium.
Siehe auch Bearbeiten
Literatur Bearbeiten
- Floyd Kersey Grave, Margaret G. Grave: In praise of harmony: the teachings of Abbé Georg Joseph Vogler. University of Nebraska Press, Lincoln u. a. 1988, ISBN 0-8032-2128-2, books.google.com (Beschreibt sehr ausführlich alles in Zusammenhang mit dem Orchestrion, über 30 Orgelumbauten)
Weblinks Bearbeiten
- Erzeuger von Stimmplatten
- Java-Applet-Simulation
- Stimmen erklärt
- Geschichte der Durchschlagzungen (englisch)
- Text zur Aeolina mit Bildern (englisch)
- Joachim Weischet: Angaben zu DIX und Harmoniumstimmzungen. (PDF; 28 kB) 1996
- Stroboskop-Aufnahmen schwingender Stimmzunge, die neben der Grundschwingung auch eine Torsionsschwingung zeigt
Einzelnachweise Bearbeiten
- John J. Ohala: Christian Gottlieb Kratzenstein: Pioneer in Speech Synthesis. (PDF; 434 kB) University of California, Berkeley
- Christian Friedrich Gottlieb Wilke: Über die Erfindung der Rohrwerke mit durchschlagenden Zungen. In Allgemeine musikalische Zeitung vom 5. März 1823, Sp. 149–155, hier Sp. 152–154.
- Zeitung für die elegante Welt, Verlag L. Voss, 1804, Seite i
- Gekürzte Biographie. (In [] eingeschobener Text, … steht für weiterer Text im Original, Original ist auf Wikisource einzusehen.) 1786 war er in Russland, … Dabei richtete er sein Augenmerk auf alle bedeutenden Orgelwerkstätten und war bemüht die Meister derselben anzuspornen Verbesserungen jeder Art einzuführen. So begann er z. B. Versuche zu machen die von Professor Kratzenstein zur Nachahmung der menschlichen Stimme gebauten Zungenpfeifen in Orgelpfeifen umzuwandeln, die bei steigendem Druck des Windes zum Forte anschwellen und beim Nachlassen des Druckes im Pianissimo enden, ohne sich zu verstimmen. … Er engagierte den schwedischen Orgelbauer Racknitz, der bei Kirsnik in St. Petersburg als Geselle gearbeitet hatte, für Anbringung dieser Orgelpfeifen bei seiner tragbaren Orgel, die er Orchestrion nannte. … die ersten Pfeifen mit durchschlagenden Zungen brachte er in einer Orgel zu Rotterdam an. Sein eigenes Orchestrion befand sich in einem Kasten, … Durch die neuen Zungenstimmen bekam es V. in seine Gewalt ein ausgeprägteres Crescendo seinem Orchestrion zu verschaffen, da sich jede einzelne Pfeife selbst zum Fortissimo und Pianissimo gebrauchen ließ. … und so entstand das Vogler’sche „Simplifications System“, das so viel Aufsehen erregte, freilich auch ebenso viel Widersacher als Bewunderer fand. Ferner erstreckten sich seine Versuche darauf, die großen Pfeifen, zweiunddreißig Fuß genannt, entbehrlich zu machen, … Er fußte auf der Entdeckung Tartini’s, daß, wenn man einzelne Intervalle eines Dreiklangs mit einander verbindet, dadurch ein tieferer Ton in der Luft entsteht. Verbindet man z. B. den Grundton eines Dreiklangs mit der Quint, so entsteht die tiefere Octave des Grundtones in der Luft. … Wenn man daher eine Pfeife von 16 Fuß mit der Quint, die nur 102/3 Fuß lang ist, verbindet, … Die Orgelbauer hatten dies Princip schon längst in ihren Mixturen empirisch angewendet. V. versuchte nun dasselbe auf das gesammte Pfeifenwerk seiner simplificirten Orgeln anzuwenden. Sobald … baute er auf seine Kosten mehrere große Orgeln in Deutschland danach um. In München waren es die Orgeln in der St. Peterskirche und in der Michaelshofkirche. … Ruhelos benützte V. auf solche Art seine halbjährlichen Urlaube zu weiten Reisen, stets als Orgel- und Claviervirtuose auftretend und die Orgeln, soweit es ihm gestattet wurde, nach seinem Princip umarbeitend, wozu er stets den schon erwähnten Racknitz als Gehülfen mit sich führte. … 1790 war er wieder in England, von da ging er nach Frankfurt, dann nach Darmstadt, … Im November finden wir ihn in Rotterdam, darauf in Amsterdam, wo er drei Concerte auf seinem Orchestrion gab. … 1792 befand er sich in Lissabon; um Volkslieder kennenzulernen, schiffte er nach Afrika hinüber, in der Hoffnung alte Gesänge der Mauren zu hören, kehrte dann über Griechenland nach Stockholm zurück; wo er Ende 1793 eintraf. … 1796 befand er sich zum zweiten Male in Paris und spielte wieder auf der Sulpicer Orgel, an der man bereits Veränderungen nach seinen Angaben vorgenommen hatte. … Sein letztes Concert [in Schweden] … war überfüllt, …; 1796 lief sein Contract in Schweden ab, doch auf Wunsch des Regenten und Kronprinzen blieb er noch bis 1798. Er zog sich dann nach Prag zurück, hielt Vorlesungen über Tonwissenschaft in einem Saale, den er auf seine Kosten in einen „akustischen Hohlspiegel“ umgebaut hatte und in dessen Brennpunkt sein Orchestrion stand. … nach 2 Jahren nach Wien. Hier entwickelte er eine rege Thätigkeit, fand große Anerkennung. … Er hatte zu gleicher Zeit mit Beethoven, der den Fidelio componirte, Wohnung und Kost im Theater. 1804 verließ er Wien, reiste nach Salzburg, wo er die Klosterorgel am St. Peter simplificirte, gab darauf ein Concert auf derselben. … Robert Eitner: Vogler, Georg Joseph. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 40, Duncker & Humblot, Leipzig 1896, S. 169–177.
- F. K. Bartl: Nachrichten von der Harmonika. 1796. F. K. Bartl: Abhandlung von der Tastenharmonika. 1798.
- Emerich Kastner, Julius Kapp: Ludwig van Beethoven: Sämtliche Briefe. Leipzig 1923 (Repr. Tutzing 1975), S. 274: „Ich hatte Maelzel auf eigenen Antrib ein Stück Schlachtsymphonie für seine Panharmonika ohne Geld geschrieben“.
- Orpha Caroline Ochse: The History of the Organ in the United States. S. 77, books.google.at
- The New-England Magazine, Band 6, S. 32, books.google.at
- Emerson’s magazine and Putnam’s monthly, Band 2 1855, S. 117, books.google.at
- Richard Kassel: The organ: an encyclopedia. S. 441, books.google.at
- James Barclay Hartman: The organ in Manitoba: a history of the instruments, the builders and the …, S. 16, books.google.at
- Videobeispiel für ein rocking melodeon
- Zeichnung aus: Allgemeine musikalische Zeitung. 13. Jahrgang, Friedrich Rochlitz, 1811, S. 169. books.google.at
- Allgemeine musikalische Zeitung. 13. Jahrgang, Friedrich Rochlitz, 1811, S. 157–159 books.google.at
- Compensation der Orgelpfeifen auf Wikisource books.google.com
- Wilhelm Weber: Zweite Hälfte, über die Compensation von Luftdruckabängigen Tonhöhenschwankungen. In: Cäcilia: eine Zeitschrift für die musikalische Welt. Band 11, 1829, S. 181–202. Compensation der Orgelpfeifen. Mit einer Zeichnung. Vorwort von Gfr. Weber. books.google.com
- Allgemeine musikalische Zeitung. 15. Jahrgang, 13. Februar 1813, S. 117–120. Notizen – Zufällig sah ich erst jetzt das Stück der m. Z. v. J. 1811, worin von Verbesserung der Rohrwerke in der Orgel gehandelt wird. Aus Liebe zur Wahrheit erlaube ich mir einige Anmerkungen, die dem Künstler wie dem Kunstfreunde nicht unangenehm seyn werden und dürfen. Mich wundert sehr, wie Hr. Strohmann aus Frankenhausen die neuen Rohrwerke für seine Erfindung ausgeben, und behaupten kann, solche im J. 1809 erfunden zu haben. Da ich in dem Geschichtlichen dieser Rohrwerke besser unterrichtet zu seyn glaube, so theile ich mit, was ich mit Gewissheit davon weiss. — Die Erfindung dieser Rohrwerke kann keinem Andern, als Hrn. Knazenstein, der in den letzten Regierungsjahren der Kaiserin Catharina in St. Petersburg lebte, zugestanden werden. Hr. Rackwitz, Orgelbaumeister in Stockholm, war der Erste, der diese Rohrwerke zu einer Orgelstimme anwandte; auch wurden sie im August des 1796sten Jahres in des Hrn. Abts Vogler Orchestrion bey einem Concert in Stockholm mit vielem Beyfall gehört. Ende May’s 1801 wurde ich mit Hrn. Vogler bekannt, der sein wohlbekanntes Orchestrion in Prag aufstellte, wo ich zum ersten Mal diese Art Rohrwerke sah und bewunderte. In dieser Zeit bekam ich den Auftrag, ein grosses Fortepiano mit Saiten- und Pfeifen-Pedal, von Coutra-C anfangend, zu verfertigen, welches Hr. Vogler u. sein eigner Orgelbaumeister, Hr. Knecht aus Tübingen, (jetzt in Darmstadt,) bey mir verfertigt gesehn haben. Dieses Instrument hat im Pedal 16 Fuss, und durch das ganze Klavier 8 F. der neuen Rohrwerke; es besitzt dasselbe gegenwärtig Hr. Graf Leopold von Kinski, in Prag. Im Jahr 1804. hatte ich ein zweytes Instrument für Hrn. Ferd. Graf, Weinhändler in Prag, verfertigt, welches Hr. Abt V. in meiner Wohnung im Beyseyn vieler Kunstfreunde prüfte und darüber, ein vortheilhaftes Zeugnis gab. Der geschickte Hoforgelbaumeister, Hr. Ignaz Kober in Wien, mein Lehrer, verfertigte ein schönes und grosses Werk in die Schottenkirche benannter Stadt gegen das J. 1805, in welchem er mehrere Stimmen dieser Art, im Pedal und Manual, zu seiner Ehre gut zu Stande brachte. Da nun bey dem Baue eines so grossen Werks mehrere Gehülfen nöthig sind, so war es nicht leicht möglich, aus diesen, überdies schon bekannten neuen Rohrwerken ein Geheimnis zu machen. So brachte sie wol jeder der Gehülfen nachher mit in sein Vaterland. Die Bekanntschaft des Hrn. Abt Voglers lässt mich auch sehr zweifeln, dass er sich für den Erfinder jener Rohrwerke so spät ausgegeben haben sollte, welches er bey seiner Ankunft in Prag eher hätte thun können, und doch nicht, that. Eben so wenig kann ich glauben, dass Hr. Abt V. diese neuen Werke nur für Bässe soll anwendbar gefunden haben, da ich doch mehrmal in seinem Orchestrion das Bassethorn, Clarinel, Vox humana, und Vox angeliea als neue Rohrwerke durch das ganze Klavier gestimmt habe. – So glaube ich gezeigt zu haben, dass weder Hr. Strohmann, noch Hr. Ulhe die Erfinder der neuen Rohrwerke sind, (welcher Letztere sich aber auch nicht als solcher genannt hat); und dass wir nur dem Hrn. Abt V. Dank schuldig sind, weil er diese Erfindung aus dem Norden zu uns gebracht hat. – Dass Hr. Strohmann alle Blaseinstrumente (ausser Flöten) mit diesen neuen Rohrwerken vorzustellen vermöge, ist eben so wenig zu glauben, als die Unverstimmbarkeit der. selben. Denn l) weiss ich aus Erfahrung, dass Trompete und Waldhorn, nämlich wirkliche Trompete und Waldhorn, als Schallstücke aufgesetzt) auf den einschlagenden Zungen gar nicht ansprechen; 2) kann ich aus Erfahrung und auch nach des Hm. Abts V., wie des Hrn. Knecht Erweisen, bezeugen, dass die Rohrwerke mit Krücken nicht lange die Stimmung halten. Es hat sich aber ein anderes Mittel gefunden, wo die ewig wandelbaren, und von den guten Meistern verworfenen Krücken weggelassen, und dafür Stellschrauben angebracht werden, die der Verstimmung weit mehr widerstehen. – An der Zeichnung wäre viel zu verbessern, welches ich aber hier übergehe, da ich ein Werk über den Klavier-Instrumentenbau herauszugeben Willens bin, in welchem die Mensuren treu und in natürlicher Grösse beygesetzt werden; und wo ich auch erweisen werde, dass auch die wirklichen Trompeten im Orgelbau anzuwenden, und gut, dienstbar, zu gebrauchen sind. Dieses Werk, welches ich als Selbstarbeiter verfasst, auch die dazu nöthigen Zeichnungen selbst entworfen, wird unter dem Titel: Der aufrichtige Klavier-Instrumentenbaumeister, oder gründlicher, durch mehrere Kupfertafeln erklärter Unterricht, die bis jetzt bekannten und gebräuchlichen Gattungen der Klavier-Instrumente nach bestimmten, mathematischen, akustischen und durch Erfahrung bewährten Regeln zu verfertigen, erscheinen. Leopold Sauer, Instrumentenmacher in Prag. books.google.com
- Richard Kassel: The organ: an encyclopedia. 2006, S. 233. Gabriel Joseph Grenié (1756 oder 1757–1837), französischer Instrumentenbauer und Erfinder der orgue expressif. 1810 baute Grenié eine Orgel, die nur durchschlagende Stimmzungen eingebaut hatte mit einem Tonumfang von fünf Oktaven, und höchster Ton war das f″. Für dieses Instrument bekam er ein Patent. In der Patentschrift von 23. Juni 1803 würdigte er Sebastian Erad (1752–1831), Georg Joseph Vogler und andere, die dazu beigetragen haben, diese Orgel zu verwirklichen. Er ordnete sein neues Instrument zwischen Piano und Pfeifenorgel ein. books.google.com Es wird behauptet, dass Grenié bereits 1790 zwei Instrumente dieser Art gebaut hat, jedoch hatten diese nur zwei Oktaven Tonumfang. Weitere Instrumente wurden von Grenié 1815 für Dames du Sacre-Coeur in Paris und 1819 eine gemischte Orgel mit einem derartigen Orgelregister für das Konservatorium der Musik in Paris aufgestellt. Er hatte einen Schüler namens Theodore Achille Müller, welcher später bedeutende Verbesserungen für diese Art Instrumente einführte. books.google.com
- Allgemeine musikalische Zeitung. 23. Jahrgang. Von Friedrich Rochlitz, Nr. 9, 28. Februar 1821, S. 133–140. books.google.com
- Friedrich Rochlitz: Der Trompeter. In: Allgemeine musikalische Zeitung. Band 14 Nr. 41, S. 663–665, 7. Oktober 1812. Eine Maschine von der Erfindung des Mechanicus, Hrn. Friedrich Kaufmann, in Dresden. Kaufmann in Dresden ist als Erfinder des Harmonichords, mit dem er verflossenes Jahr eine Reise durch einen Theil Deutschlands machte, rühmlichst aufgetreten. Seine neuern Schöpfungen aber sind so ausgezeichnet, merkwürdig, besonders für den Akustiker, dass sie verdienen der Welt so viel als möglich bekannt zu werden. – Der Mechanicus, Hr. Mälzel in Wien, ist bekanntlich der erste Erfinder der Vorrichtung, die die natürliche Embouchure des Menschen an der Trompete nachahmt. Er bereicherte dadurch die Orgel und andre ähnliche Werke bedeutend, die sich bis dahin nur mit Pfeifenregistern, (Rohrwerken) die dem Trompetenton ähnelten – behelfen mussten. Späterhin vervollkommnete er seine Erfindung so weit, dass er durch diese künstliche Embouchure auch auf Einer Trompete, wie ein Bläser, mehrere Töne zu erzeugen wusste; da er früher zu jedem Ton eine Trompete nöthig hatte. – Auf diesem Wege ist nun Hr. Kaufmann weiter geschritten, und hat einen künstlichen Trompeter verfertiget, der den Mälzeischen in jeder Hinsicht weit übertrifft. Ref. hatte während seines Aufenthalts in Dresden Gelegenheit, diese Maschine noch unvollendet auf dem Schraubstocke zu sehen und zu hören. Sie war aller Bekleidung beraubt, und jede Täuschung durch verborgene Mittel musste daher wegfallen. Die höchst einfache, compendiöse Maschine blies auf einer, ihr angesetzten Trompete (welche Ref. mehrere Male wechselte, um Versuche zu machen) mit vollkommen schönem, gleichem Tone, und fertigem Zungenstössen in verschiedenen Aufzügen, Fanfaren u. dergl. Schon hierin sind die Töne a und h nebst den Clarino Tönen merkwürdig und bey Mälzel nicht zu finden. Aber noch interessanter und an das Unbegreifliche glänzend ist das Hervorbringen von Doppeltönen in der gleichsten Stärke und Reinheit. Ref. war sehr überrascht, als er nach einigen einstimmigen Sätzen auf einmal ein Paar muntere Aufzüge in Octaven, Terzen, Quinten etc. und einen sehr schönen Doppeltriller auf f, zu hören bekam. Nach akustischen Erfahrungen ist freylich die Gewissheit des Mitklingeus der zu gewissen Accorden gehörigen Töne bekannt, und einzelne Versuche, besonders auf Horn und Flöte, wurden schon von ausübenden Künstlern unternommen, aber nur als sehr unsicher in der Ausführung, und als Künsteleyen betrachtet. Es ist daher höchst merkwürdig für die Theorie der Tonerzeugung, dass ein Instrument dasselbe mit eben der Vollendung, wie zwey Trompeten, hervorbringen kann. Was einer Maschine möglich wurde, sollte wol dem Vorbilde – dem natürlichen Ansatze – auch nicht unmöglich seyn. Die Töne a–h konnte bisher nur vermöge des bekannten Stopfens mit der Hand geblasen werden, und waren aus der Reihe der brauchbaren Töne ganz verbannt, weil sie sowol schwer zu blasen, als auch zu ungleich und abstechend im Tone von den sogenannten natürlichen Tönen waren. Hier stehen sie aber alle in schönem Verhältnis, in gleicher Kraft, und zwar ohne ein anderes Hülfsmiltel, als das des Mundstückes. Wenn auch die Doppeltöne für den gewöhnlichen Gebrauch unausführbar wären, welche Bereicherung wüchse uns nicht schon durch jene Töne zu! Wie viel effectvoller und zweckmässiger könnten künftig die Trompeten benutzt werden! – Sonderbar ist, dass Hr. Kaufmann, trotz aller angewendeten Mühe, bis jetzt noch keine Sexte zugleich, erzwingen konnte, da er doch sogar Secunden, grosse und kleine Terzen, Quarten, Quinten und Octaven hat. – Hr. Kaufmann ist der Vollendung des Aeussern nahe, (ein Trompeter in altspanischer Tracht, in dessen Kopfe auch eine Uhr angebracht wird, vermöge welcher man es bestimmen kann, zu welcher Stunde er von selbst blasen soll etc.) und wird dann hoffentlich mit diesem interessanten Kunstwerke, das auf jeden Fall Stoff zu vielen neuen Ansichten und Versuchen darbietet, – eine Reise unternehmen. books.google.de