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Das Orchestrion gehort zu den mechanischen Musikautomaten Es hatte den Zweck moglichst ein ganzes Orchester zu imitieren Das Konzert Orchestrion war fur das Spiel in den Salons der Hautevolee und den Hallen grosser Hotels konzipiert und spielte Musik wie Beethoven Symphonien Opern Ouverturen aber auch Marsche und Tanzmusik The First Musical Clock aus einem Prospekt von Lyon amp Healy Chicago ca 1900Einige Vorlaufer dieser Instrumente wurden auch schon Orchestrion genannt obwohl sie noch keine Musikautomaten waren so eine transportable Orgel von Georg Joseph Vogler 1 Andererseits wurden fruhe Versionen des Orchestrions noch nicht so bezeichnet beispielsweise nannte Johann Nepomuk Malzel seinen 1805 erfundenen Musikautomaten Panharmonikon Die ersten Orchestrien ahnelten Orgeln und ahmten Blasmusik nach In der ersten Halfte des 19 Jahrhunderts nahmen zahlreiche Firmen an der Weiterentwicklung dieser Instrumente teil 1883 erfand Emil Welte die Steuerung durch Notenrollen gelochte Papierstreifen eine entscheidende Neuerung Die Integration einer automatisch gespielten Violine gelang jedoch erst 1905 in Chicago wenig spater auch in Leipzig Die letzten Orchestrien wurden um 1930 gebaut Inhaltsverzeichnis 1 Entwicklungsgeschichte 1 1 Vorlaufer 1 2 Vom ersten Musikautomaten zum Konzertorchestrion 1 3 Die Erfindung der Notenrolle 1 4 Die Integration der Geige 1 5 Das Ende des Orchestrion Baus 2 Technische Details 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseEntwicklungsgeschichte BearbeitenVorlaufer Bearbeiten 1502 wurde die alteste bekannte mechanische stationare Drehorgel oder Walzenorgel mit 200 Pfeifen der Salzburger Stier von Erzbischof Leonhard von Keutschach errichtet die auch heute noch auf der Festung Hohensalzburg jeden Tag zu horen ist 2 Von 1502 an spielte dieses Hornwerk eine Melodie die in mehreren Etappen geandert und erweitert wurde 1668 wurde auf drei Musikstucke umgestellt und 1893 auf zwolf Melodien eine fur jeden Monat Im 18 Jahrhundert waren Drehorgeln und Flotenuhren bereits in vielen Landern Europas verbreitet Ende des 18 Jahrhunderts wurden auch Spieluhren in grosserem Umfang produziert Aus der Drehorgel entstanden etwa gleichzeitig mit dem Orchestrion die transportablen Strassen oder Jahrmarktsorgeln die den Orchestrien recht ahnlich waren Der wesentliche Unterschied bestand darin dass die Jahrmarktsorgeln zwischen den verschiedenen Jahrmarkten oder Volksfesten hin und her transportiert wurden wahrend es sich bei einem ausgereiften Orchestrion um ein ortsfestes Instrument handelte Georg Joseph Vogler liess 1796 vom Orgelbaumeister Knecht aus Tubingen eine transportable Orgel bauen die als Orchestrion in Stockholm spater 1801 in Prag und anderen Stadten Europas vorgefuhrt wurde 3 Vom ersten Musikautomaten zum Konzertorchestrion Bearbeiten 1805 vollendete Johann Nepomuk Malzel 1772 1838 das Panharmonikon in das er auch durchschlagende Zungen einbaute Fur dieses Gerat komponierte Ludwig van Beethoven 1813 den zweiten Teil von Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vitoria op 91 4 Vogler und Malzel waren in den Jahren 1801 bis 1805 gemeinsam in Wien 1806 und 1807 traten beide mit ihren neuen Errungenschaften in Paris auf Vogler erklarte und zeigte uberall die Neuerungen 5 Nach dem Tod von Wolfgang von Kempelen 1804 kam Malzel in den Besitz von dessen Schachturken Mit diesem und seinen Musikautomaten ging er auf Tournee Im Jahre 1825 reiste er damit in die USA und sorgte fur Furore Moglicherweise war er auch schon 1811 in den USA ein Panharmonikon wurde 1811 und 1812 in New York Boston und anderen Stadten vorgefuhrt Friedrich Kaufmann in Dresden hat 1812 das Panharmonikon nachgebaut Kaufmann schreibt selber dass er zur selben Zeit wie Malzel und Vogler um 1806 in Paris war ausserdem hatte dieser gute personliche Kontakte zu Vogler 6 Ein mechanischer Trompeter aus seiner Hand befindet sich im Deutschen Museum in Munchen 7 Weitere Schritte 1817 baute die englische Orgelbaufirma Flight amp Robson in London einen ahnlichen Automaten wie das Panharmonikon und nannte es Apollonicon 1823 kopierte William M Goodrich mit anderen Malzels Panharmonikon in Boston USA 1829 zeigte der Mechaniker Bauer in Wien sein Panharmonikon 8 Zentren der Produktion fur die Konzert Orchestrien waren in Deutschland Freiburg im Breisgau Vohrenbach im Schwarzwald und Leipzig fur Jahrmarkts Strassen und Drehorgeln Waldkirch im Breisgau Orchestrien wurden auch seit ca 1820 von dem Spieluhrenbauer Carl Blessing in Unterkirnach im Schwarzwald gebaut Von der Familie Blessing gingen in der Folge die Impulse fur den Schwarzwalder Orchestrion Bau aus Die Blessing Orchestrien wurden in den nachfolgenden Jahrzehnten bis nach Russland vertrieben Von 1845 bis 1848 baute der Vohrenbacher Spieluhrenbauer Michael Welte ein Schuler Blessings ein Musikwerk fur einen Kaufer in Odessa das samtliche Orchesterstimmen imitieren sollte Eine Londoner Zeitung beschrieb 1851 ein automatisches Musikinstrument mit der Bezeichnung Orchestrion das Friedrich Theodor Kaufmann ein Sohn von Friedrich Kaufmann in Dresden entwickelt hatte Es konnte eine komplette Blaskapelle und zusatzlich Schlagzeug imitieren mit Pauke Trommeln Becken Tamburin und Triangel 9 nbsp Welte Orchestrion 1862 in LondonBeruhmt wurde das 1862 von Michael Welte auf der Weltausstellung in London ausgestellte Instrument dem von der Presse die Bezeichnung Orchestrion gegeben wurde Die Abbildung dieses Instruments diente in zahlreichen Nachschlagewerken als Beispiel fur die gesamte Instrumentengattung 10 Die Erfindung der Notenrolle Bearbeiten 1883 liess Emil Welte ein Verfahren patentieren 11 nach dem die Welte Orchestrien durch gelochte Papierstreifen gesteuert wurden Diese sogenannten Notenrollen losten innerhalb weniger Jahre die Stiftwalze ab Zwei weitere Patente von 1889 DRP 48 741 und 58 252 verbesserten das Verfahren entscheidend Von da an stellte Welte die gesamte Produktion auf die Notenrolle um die Patente wurden in Deutschland fur M Welte amp Sohne eingetragen Die Integration der Geige Bearbeiten nbsp Geigenautomat Violano Virtuoso Technisches Museum Wien nbsp Hupfeld Phonoliszt Violina Technisches Museum Wien nbsp Popper s Violinovo Siegfrieds Mechanisches Musikkabinett1905 oder 1906 stellte die Mills Novelty Company in Chicago USA das erste Orchestrion mit einer integrierten Geige vor Dieses Instrument die Automatic Virtuosa hatte im Oberteil eine liegend eingebaute Geige die Saiten wurden durch vier sich drehende Zelluloid Scheiben gestrichen Ab 1909 gab es ein verbessertes Modell die Violano Virtuoso Sie wurde in verschiedenen Varianten bis etwa 1930 hergestellt Ausser der Mills Novelty Company gelang der Ludwig Hupfeld AG in Leipzig ein Orchestrion mit Geige zu bauen Auf der dortigen Herbstmesse 1908 stellte sie den Prototyp eines Geige spielenden Orchestrions vor die Hupfeld Phonoliszt Violina Das alteste bekannte Modell von 1909 das heute in Musikkabinett Rudesheim steht hat drei aufrecht stehende Geigen die in einem Rundbogen angeordnet sind Ein Geigenbogen der aus ca 1400 geflochten Rosshaaren besteht rotiert um die drei Geigen und streicht dabei die Saiten Der Versuch Geigenorchestrien mit 2 2 Geigen also mit allen vier Saiten zu konstruieren oder sogar mit 2 3 Geigen war vermutlich zu kompliziert und wurde nach kurzer Zeit wieder aufgegeben In der Serienfertigung wurden nur drei Geigen eingebaut Die Phonoliszt Violina wurde von 1909 bis 1930 gebaut Eine echte Handspielgeige hat normalerweise vier Saiten Hupfeld begnugte sich mit drei echten Geigen auf denen jeweils nur eine Saite spielt E A und D Die Geigen konnten pizzicato staccato und flageolett spielen sie konnten mehr als ein Mensch greifen und mit Gegenmelodie ein zwei oder gar dreistimmig spielen Spatere Modelle erhielten den Namen Phonoliszt Violina sie waren mit etwas grosseren Geigen ausgestattet 12 Letzte Modelle hatten sogar eine automatische Stimmhaltung Die Gehause erhielten die Bezeichnungen A B und C Das Modell B war das popularste von C ist nur ein Exemplar bekannt Fur Kinos und Theater gab es eine Sonderausfuhrung bei der die drei Geigen in einem separaten Schrank neben dem Klavier standen Eine Theatergeige ist zumindest auch einmal in der Schweiz bekannt Bei fast allen Modellen wurde ein gutes Ronisch Klavier verwendet unter anderem mit der Bezeichnung Hupfeld Phonoliszt d h ein Klavier das mit diversen pneumatischen Raffinessen bezuglich der unterschiedlichen Betonung ausgestattet war Die Kronung war das sogenannte Reproduktionsklavier DEA das dem Klavier menschliche Zuge verlieh nebst einer fantastischen Geigenbegleitung oder auch umgekehrt Leider ist solch ein Exemplar bis heute unbekannt Ein weiterer Hersteller war die Firma Popper in Leipzig Popper s Violinovo enthielt eine echte liegende Geige die auf nur zwei Saiten spielen konnte A und E mit Vibrato Der Antrieb des Bogens bestand aus einer kleinen Kardanwelle an deren Ende ca 10 kleinere und 10 grossere Zelluloidhutchen abwechselnd ineinandergesteckt waren um das Kolophonium besser aufzunehmen Mittels Pneumatik konnte die Kardanwelle nebst Hutchen von der einen auf die andere Saite verschoben werden und auch der Saitenandruck konnte variiert werden Zusatzlich zur Klavier und Geigenmusik konnten wahlweise noch ein Mandolineneffekt Triangel Wirbeltrommel Kesselpauke chinesisches Becken zugeschaltet werden Derzeit ist nur ein Exemplar bekannt Es wurde vom Orchestrion Restaurator Werner Baus 1972 in Witzenhausen bei Kassel entdeckt und steht ebenfalls im Musikkabinett Rudesheim Die Firma Dienst in Leipzig 1871 als Erste Leipziger Accordeon Fabrik gegrundet vertrieb auch Orchestrien und stellte ab 1901 selbst Klavier Orchestrien her Schon kurz vor der Jahrhundertwende versuchte sie auch eine selbstspielende Geige auf den Markt zu bringen Anhand eines Kataloges sieht man ein Walzenorchestrion mit einer stehenden Geige und einem echten Rosshaarbogen der den Strich uber die Geige fuhrt Die genauen Funktionen gehen aus dem Katalog nicht hervor Aus dem Jahr 1911 sind jedoch zwei Gebrauchsmuster fur eine selbstspielende Geige bekannt 13 Das Ende des Orchestrion Baus Bearbeiten Durch die Einfuhrung neuer Technologien wie des Rundfunks und des elektrischen Schallplattenspielers um 1926 brach der Verkauf von Orchestrien weltweit ein Durch die nun billigere und einfachere elektrische Aufnahme von Ton durch das Kohlemikrofon und die Wiedergabe durch Verstarker uber Grossserien Lautsprecher waren die aufwendigen Orchestrien und auch die Grammophone nicht mehr konkurrenzfahig Innerhalb kurzer Zeit wurde ihre Herstellung weltweit eingestellt Technische Details BearbeitenAnfangs wurden Orchestrien mit Gewichtsantrieb oder Kurbel gelegentlich auch mit Dampfmaschine Gasmotor oder Wassermotor angetrieben Spater wurden sie meist mit einem Elektromotor ausgestattet Die Musik wurde anfangs mit einer Stiftwalze aus Holz spater mit Notenrollen gelegentlich auch durch gelochte Scheiben oder Kartonstreifen auf das Instrument ubertragen Literatur BearbeitenOrchestrion In Meyers Konversations Lexikon 4 Auflage Band 12 Verlag des Bibliographischen Instituts Leipzig Wien 1885 1892 S 421 Automatische Musikinstrumente aus Freiburg in die Welt 100 Jahre Welte Mignon Augustinermuseum Ausstellung vom 17 September 2005 bis 8 Januar 2006 Hrsg Augustinermuseum Mit Beitr von Durward R Center Gerhard Dangel Red Gerhard Dangel Freiburg Augustinermuseum 2005 Jurgen Hocker Mechanische Musikinstrumente In MGG Online Dezember 2021 Herbert Juttemann Orchestrien aus dem Schwarzwald Instrumente Firmen und Fertigungsprogramme Bergkirchen PVMedien Ed Bochinsky 2004 Fachbuchreihe Das Musikinstrument Bd 88 ISBN 3 932275 84 5 Quirin David Bowers Encyclopedia of automatic musical instruments Cylinder music boxes disc music boxes piano players and player pianos Incl a dictionary of automatic musical instrument terms Vestal N Y The Vestal Press 1988 Peter Hagmann Das Welte Mignon Klavier die Welte Philharmonie Orgel und die Anfange der Reproduktion von Musik Bern Lang 1984 Online Version Universitatsbibliothek Freiburg im Breisgau 2002Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Orchestrions Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wiktionary Orchestrion Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Geschichte der Drehorgel Videoaufnahme mit Funktionserklarung und Detaileinsicht in ein spielendes OrchestrionEinzelnachweise Bearbeiten Wilhelm Schneider Historisch technische Beschreibung der musicalischen Instrumente Neisse und Leipzig 1834 Artikel Orchestrion S 116 Mit diesem Namen wurden zwei verschiedene Instrumente benannt Das erste erfand Abt Vogler im Jahre 1789 es gehort eigentlich under die Blasinstrumente ist aber um Verwechselung zu vermeiden seines Namensbruders wegen hier angefuhrt Dieses Vogler sche Orchestrion ist eine tragbare Orgel in Form eines Cubus von 9 Schuh aber im Ton so stark als eine 16 fussige Orgel und man hort darin alle Orchesterstimmen weshalb der Erfinder ihm auch diesen Namen gab Das Instrument hat 4 Claviere jedes von 63 und ein Pedal von 39 Tasten Das zweite also benannte Instrument erfand Anton Kunz Musiker zu Prag im Jahre 1796 Dieses ist aber ein Fortepiano in Flugelform dessen Kasten 3 Schuh 9 Zoll in der Hohe 7 Schuh 6 Zoll in der Lange und 3 Schuh 2 Zoll in der Vorderbreite betragt http www salzburg com wiki index php Salzburger Stier cite note 1 Allgemeine musikalische Zeitung Band 15 17 Februar 1813 S 117 Kastner Emerich Kapp Julius Ludwig van Beethoven Samtliche Briefe Leipzig 1923 Repr Tutzig 1975 S 274 Ich hatte Maelzel auf eigenen Antrib ein Stuck Schlachtsymphonie fur seine Panharmonika ohne Geld geschrieben Allgemeine musikalische Zeitung Band 10 5 Marz 1823 S 149 155 Allgemeine musikalische Zeitung Band 10 5 Marz 1823 Fussnote S 153 Carl Maria von Weber in Allgemeine Musikalische Zeitung Band 14 Nr 41 7 Oktober 1812 S 665 f Ein Trompetenwerk mit Uhr von 24 Trompeten und 2 Pauken welches mehrere Stucke spielt Hier hat zwar jede Trompete nur Einen Ton die Zahl derselben erzeugt aber doch Mannigfaltigkeit und Ref fand daran besonders auszeichnenswerth dass sie die Abwechslungen des Piano und Forte besitzt Bey dem Paukenwirbel wird das Crescendo durch einen auf besondere Art gefertigten Kloppel hervorgebracht wo auch zugleich das Unangenehme des unwillkuhrlich doppelten Anschlags derselben bey Malzel vermieden wird Das Gehause von Mahagoni und Bronze wo die Trompeten selbst eine naturliche Trophee bilden ist geschmackvoll und zweckmassig Diese Maschine ist im Ganzen den Malzeischen Trompetenwerken nachgebildet doch vollkommner namentlich des Piano und Forte wegen etc Die beyden Spieluhren sind von der Erfindung des Vaters J G Kaufmann das Harmonichord ist durch gemeinschaftlichen Fleiss entstanden der Trompeter aber alleinige Schopfung des Sohnes Friedrich Kaufmann Moge dieser thatige genievolle junge Mann die Unterstutzung und Aufmunterung finden die seines ruhmlichen Strebens wurdig ist Eduard Hanslick Geschichte des Concertwesens in Wien Wien 1869 Band 1 S 259 London Illustrated News 5 Juli 1851 Zitiert nach Arthur Wolfgang Julius Gerald Ord Hume Clockwork music New York Crown 1973 The London Illustrated News No 1106 27 Sept 1862 S 321 Bild S 323 Text Zeichnungen zu US Patent 287 599 Emil Welte New York 30 Oktober 1883 Mechanische Musikinstrumente Die Phonoliszt Violina von Hupfeld Memento vom 23 September 2015 im Internet Archive Musikinstrumentenausstellung im Deutschen Museum Informationen zur Leipziger Akkordeon und Musikinstrumenten Fabrik von Eduard Dienst Normdaten Sachbegriff GND 4172714 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Orchestrion amp oldid 239433907