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Der arme Mann im Tockenburg ist die Autobiografie des Schweizer Kleinbauern Baumwollspinners Webers Ferggers und aufgeklarten Pietisten Ulrich Braker die 1781 bis 1785 geschrieben 1789 bei Hans Heinrich Fussli in Zurich unter dem Titel Lebensgeschichte und naturliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg erschien 1 Der deutsche Text wurde ins Franzosische 1913 Englische 1970 Rumanische 1973 Polnische 1979 und ins Spanische 2013 ubertragen 2 Ulrich Braker um 1793 Inhaltsverzeichnis 1 Uberblick 2 Inhalt 3 Zitat 4 Form 5 Rezeption 6 Anmerkungen 7 Literatur 7 1 Verwendete Ausgabe 7 2 Sekundarliteratur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseUberblick BearbeitenAls Familienoberhaupt verantwortlich fur das Uberleben einer Kinderschar verstrickt sich Ulrich Braker immer tiefer in Schulden die er zeitlebens nicht zu tilgen vermag nbsp Der Dreischlatthof bei KrinauDie ersten 20 der 81 Kapitel kreisen um die ersten 22 Lebensjahre des 1735 geborenen Braker Dabei kommen seine Erlebnisse als Hirte auf dem vaterlichen Einodhof Dreischlatt in einem westlichen Quertal der Thur am Rande der einsamen Berge zur Sprache Beginn des Siebenjahrigen Krieges Bis zum Kapitel 57 erfahrt der Leser sodann von Brakers Teilnahme an der Schlacht bei Lobositz auf Seiten der Preussen anschliessender Fahnenflucht und glucklicher Heimkehr in die Schweiz am 26 Oktober 1756 Bis 1777 bis zum 70 Kapitel steht der Salpetersieder und Garnhandler Braker mit der Ehefrau und den gemeinsamen funf Kindern im heimatlichen Toggenburg teilweise schlimme Hungerjahre durch Im Rest dieser Lebensgeschichte schildert Braker humorig seine Versuche als Prosaautor Die erste Ausserung zur Schreibabsicht fallt anno 1767 Ab 1779 geht es bis zum Baumwollwareneinfuhrstopp in Frankreich 1785 mit seinen bisher jahrelangen erfolglosen Bemuhungen in der St Gallener Baumwollbranche langsam aber stetig aufwarts Inhalt BearbeitenZu Weihnachten 1735 wird Braker in Wattwil getauft Die lieben Grosseltern vererben dem Jungen Arndts Wahres Christentum 3 Weil die Eltern kinderreich und bettelarm sind muss Ulrich als altester Bube in der Umgebung des Dreischlatthofes den der Vater bewirtschaftet Ziegen huten Nach drei Jahren Huten im Kohlwald ist seine Herde auf hundert Tiere angewachsen Das freie Hirtenleben hat ein Ende Der 12 jahrige Ulrich muss auf dem Dreischlatthof als Knecht schuften Der Vater ist mit der Arbeit seines Altesten unzufrieden Die Schule durfte Ulrich in all den Kinderjahren nur wenige Wochen besuchen Das wird spater zum Teil aufgewogen Als 17 Jahriger wird Vaters Knecht Ulrich von Pfarrer Heinrich Naf unterwiesen und konfirmiert Anno 1754 gibt der Vater den Dreischlatthof endlich auf Die Familie zieht aus den Bergen ins Tal zuruck nach Wattwil auf die Steig Ulrich darf als Tagelohner fur den Schlossbauer Weibel K arbeiten Der junge Mann verliebt sich in Annchen Ulrichs Vater sieht das Madchen fur eine liederliche Dirn an Ulrich soll auf vaterliches Geheiss Ursel freien Im Herbst 1755 vertraut Ulrichs Vater dem Rechen und Gabelmacher Laurenz Aller aus Schwellbrunn seinen Sohn an Draussen in der Welt soll der junge Bursche sein Gluck machen Ulrich verabschiedet sich unter gegenseitigen Liebesschwuren und heissen Kussen von Annchen Laurenz Aller verschachert Ulrich in Schaffhausen fur reichlich funf Jahre an den preussischen Werbeoffizier Johann Markoni Ulrich meint er sei der Lakai dieses polnischen Edelmannes In einer Chaise geht es im Hornung 1756 nach Strassburg und am 15 Marz 1756 ab Rottweil uber Ebingen Ulm Nordlingen Schwabach Nurnberg Baiersdorf Hof Kostritz Weissenfels Halle Zerbst Dessau Gorzig Wustermark Spandau Charlottenburg nach Berlin Am 8 April wird in der Friedrichstadt die Krausenstrasse erreicht Ulrich fallt aus allen Wolken Sein neuer Kamerad und spaterer Vorgesetzter Cran A 1 setzt ihn lachend ins Bild Er ist nicht Markonis Bedienter sondern Rekrut Der junge Braker ist Musketier der 4 Kompanie unter Major Luderitz A 2 im 13 Infanterieregiment der preussischen Armee unter Generalmajor Itzenplitz Bevor das Exerzieren nach einer Woche Berlin beginnt schaut Braker tief entsetzt zu wie Offiziere ihre Soldaten prugeln Der Gedanke zu desertieren vergeht dem Schweizer denn als Strafe droht Spiessrutenlaufen Am 22 August 1756 geht es durchs Kopenicker Tor auf nach Pirna uber Mullrose Guben Forst Spremberg Hoyerswerda Kamenz und Stolpen In Brakers 4 Kompanie marschieren noch die Schweizer Scharer und Bachmann mit Wahrend der obengenannten Schlacht bei Lobositz gegen die Osterreicher desertiert Braker am 1 Oktober und darf am 5 Oktober vom osterreichischen Hauptquartier Budin aus in seine Heimat ziehen Diese erreicht er glucklich am 26 Oktober uber Prag Zebrak Pilsen Staab Rotz Kurn Regensburg Ingolstadt Donauworth Dillingen Buxheim Wangen Bregenz Rheineck und Rorschach Unterwegs ist Ulrich in Klostern mit Suppe und mitunter sogar mit Fleisch bekostigt worden Daheim in Wattwil wird der preussische Soldat in voller Montur auf Anhieb weder von seinen jungeren Geschwistern noch von der Mutter erkannt Dann ist die Freude gross Aber Annchen hat inzwischen den Vetter Michel geheiratet und von diesem ein Kind Vergeblich versucht sich die Treulose bei dem Heimkehrer als Kupplerin Der Vater setzt Ulrich im Fruhjahr 1757 als Salpetersieder ein Das ist schmutzige Schwerarbeit Ulrich will wieder in die Welt hinaus Die steht ihm offen Brandenburg ausgenommen Er bleibt und sieht sich nach einer Frau um Ulrich findet seine Dulcinee in Eggberg Ihren Namen verrat er nicht Seine Schone hat ein Amazonengesicht Das Paar differiert charakterlich gut so findet Ulrich Der Dulcinee gefallt Ulrichs Drecksarbeit nicht Auf ihr Anraten wird er Garnhandler nbsp Am 3 November 1761 heiratet Braker und bezieht mit seiner Frau das neue Wohnhaus im Weiler Hochsteig des Dorfes Wattwil 1760 will er sie heiraten Die Dulcinee nimmt nur einen der ein Haus hat Ulrich baut eines und zieht am 17 Juni 1761 ein Anfang November wird geheiratet Braker schreibt Wenn also meine Ehe schon nicht unter die glucklichsten gehort so gehort sie doch gewiss auch nicht unter die unglucklichsten sondern wenigstens unter die halbglucklichen 4 Am 26 Marz 1762 kommt Brakers Vater im Alter von knapp 55 Jahren bei Fallarbeiten im Wald ums Leben Ulrich muss nun fur vier minderjahrige Geschwister sorgen Am 10 September 1762 wird sein Sohn Uli geboren In Ulrich Brakers Ehe werden im Laufe der Jahre noch sechs Kinder geboren Der Sohn Uli und die 1763 geborene erste Tochter sterben im Hungerjahr 1772 an der roten Ruhr Bei einem Sturz vom Kirschbaum stirbt 1767 Brakers Bruder Samson 1768 sieht Braker ein zum Garnhandler hat er nicht das Zeug Da sind rohe gewissenlose Menschen recht am Platze Die Dulcinee hingegen meint ihr Mann habe die Nase zu tief in die Bucher gesteckt Zeit mit Schreibereien verplempert Wein getrunken und sich allzu vertrauensselig mit lugnerischen Geschaftspartnern eingelassen Das mag alles zutreffen denkt Braker doch was ist ein Leben ohne Wein 5 1770 ist das erste Hungerjahr Schnee deckt die Saat bis in den Mai zu Unwetter verhageln Brakers Garten und Kartoffel sowie Gemusediebe schmalern die Ernte Im Mai 1771 leiht dem Familienvater ein gutmutiger Mann Geld und verhilft ihm zu Nutzvieh Anderen Leuten geht es teilweise wesentlich schlechter Da hackt ein Vater mit seinen Kindern einen Sack voll Fleisch von einem verreckten Pferd von dem bereits die Hunde und Vogel gefressen haben ab 6 1779 nimmt er das Angebot eines Fabrikanten aus Glarus an fur ihn Baumwolltucher in Heimarbeit weben zu lassen Dieser Handel entwickelt sich bis zur Einfuhrsperre Frankreichs 1785 gut so dass er Hoffnung hat seine Schulden zu tilgen und ein bemittelter Mann zu werden Doch nach der Stagnation kann er gerade den Lebensunterhalt seiner Familie finanzieren Um 1778 wird Braker in die Toggenburgische Reformierte Moralische Gesellschaft gewahlt Das ist ein Verein von Bucherfreunden ins Leben gerufen vom Braker Entdecker Johann Ludwig Ambuhl Brakers Gegner die ihm Armut und Desertion vorgeworfen hatten waren von seinen Befurwortern niedergestimmt worden Diese Mitgliedschaft die ihm die von seiner Frau als Zeitverschwendung kritisierte Lekture literarischer Werke ermoglicht ist fur ihn das Samenkorn s einer Autorschaft Zitat BearbeitenGeflugeltes Wort des Familienvaters Ulrich Braker in den 1770er Hungerjahren Es wird schon besser werden 7 Form BearbeitenGegen Ende seiner Autobiographie raumt Braker ein Mein Vaterland ist zwar kein Schlaraffenland Es ist das Tockenburg dessen Einwohner von jeher als unruhige und ungeschliffene Leute verschrien waren Doch es schickt sich nicht fur mich meine Landleute zu schildern 8 Braker schreibt vielmehr ausschliesslich uber sich selbst Eingangs des 73 Kapitels tut Braker die Schreibabsicht kund muss ich dir auch noch ein bisschen erzahlen mein Sohn dir zur Warnung damit du sehest welch ein entsetzlich Ding vor einen ehrliebenden Mann es ist sich in Schulden zu vertiefen die man nicht tilgen kann 9 Oder auch das 75 Kapitel beginnt mit Diesen Brief mein Sohn den ich in jener angstvollen Nacht schrieb 10 Braker beschreibt sein Leben zumeist mit einem lachenden und einem weinenden Auge von einer hoheren Warte aus blickt mit leisem Spott auf die verflossenen Jahre herab Zum Beispiel hat er sein Annchen nicht gekriegt So muss er notgedrungen mit seiner Dulcinee in Anlehnung an die Dulcinea vorliebnehmen Gerade in den Jahren 1782 1785 in denen diese Autobiographie entstanden ist verteufelt Braker seine Schreiberei alle Begegnisse meines Lebens ich konnte ganze Bande damit fullen konnte lamentieren wie eine Eule Aber der narrische Schreibhang hat sich um ein gut Teil der Geschafte wegen bei mir verloren 11 Rezeption BearbeitenBerlin und Stettin 1790 in Friedrich Nicolais Allgemeiner deutschen Bibliothek Bd 92 4 Seiten Digitalisat Universitatsbibliothek Bielefeld 25 Juli 1980 Peter Wapnewski in der Zeit Ulrich Braker Der arme Mann im Tockenburg Anmerkungen Bearbeiten Christian Heinrich von Krahn geb 1733 Verwendete Ausgabe S 326 Fussnote 179 Ernst Karl von Luderitz 1713 1758 Verwendete Ausgabe S 326 Fussnote 177 Literatur BearbeitenVerwendete Ausgabe Bearbeiten Lebensgeschichte und naturliche Ebenteuer des Armen Mannes im Tockenburg S 89 308 in Brakers Werke in einem Band Ausgewahlt und eingeleitet von Hans Gunther Thalheim Aufbau Verlag Berlin und Weimar 1989 339 Seiten ISBN 3 351 01328 0 InhaltsverzeichnisSekundarliteratur Bearbeiten Hermann Wartmann Bragger Ulrich In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 3 Duncker amp Humblot Leipzig 1876 S 232 Adolf von Wilbrandt Ulrich Braeker der arme Mann im Toggenburg Beitrage zur Literaturgeschichte hrsg von Hermann Graef 18 Verlag fur Literatur Kunst und Musik Leipzig 1906 Digitalisat auf e Helvetica BSB Samuel Voellmy Braker Ulrich In Neue Deutsche Biographie NDB Band 2 Duncker amp Humblot Berlin 1955 ISBN 3 428 00183 4 S 506 Digitalisat Dietrich Seybold Ulrich Braker In Andreas Kotte Hrsg Theaterlexikon der Schweiz Band 1 Chronos Zurich 2005 S 259 f online Georg Thurer Ulrich Braker In Historisches Lexikon der Schweiz Holger Boning Ulrich Braker Der Arme Mann aus dem Toggenburg Eine Biographie 256 Seiten Orell Fussli Verlag Zurich 1998 ISBN 3 280 02455 2 Alfred Messerli Hrsg Adolf Muschg Hrsg Schreibsucht Autobiographische Schriften des Pietisten Ulrich Braker 1735 1798 200 Seiten Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2004 ISBN 978 3 525 55829 4 Susanne Hoffmann Selbsthilfe im Krankheitsfall bei Ulrich Braker 1735 1798 Die kulturellen und sozialen Ressourcen des armen Mannes im Tockenburg analysiert mit Pierre Bourdieus Kapitalkonzept In Wurzburger medizinhistorische Mitteilungen Band 25 2006 S 19 41 Martin Kuster Ein Toggenburger in Berlin In Berlinische Monatsschrift Luisenstadtischer Bildungsverein Heft 8 1998 ISSN 0944 5560 S 4 luise berlin de Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Ulrich Braker Quellen und Volltexte nbsp Commons Ulrich Braker Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Braker Lebensgeschichte 1789 Digitalisat im DTA Ulrich Braker Lebensgeschichte und Naturliche Ebentheur des Armen Mannes im Tockenburg im Projekt Gutenberg DE Ulrich Braker Lebensgeschichte und Naturliche Ebentheur des Armen Mannes im Tockenburg im Volltext bei Zeno orgEinzelnachweise Bearbeiten Hans Gunther Thalheim in der verwendeten Ausgabe S 318 10 Z v u Eintrag VIAF Ubersetzungen Von wahrem Christenthumb Digitalisat im DTA Verwendete Ausgabe S 222 2 Z v u Verwendete Ausgabe S 244 7 Z v o Verwendete Ausgabe S 233 Mitte Verwendete Ausgabe S 232 9 Z v u Verwendete Ausgabe S 290 1 Z v u Verwendete Ausgabe S 245 14 Z v o Verwendete Ausgabe S 253 4 Z v o Verwendete Ausgabe S 255 18 Z v u Normdaten Werk GND 4345457 4 lobid OGND AKS VIAF 203734432 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Der arme Mann im Tockenburg amp oldid 213786696