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Die Chromatische Fantasie und Fuge in d Moll BWV 903 ist ein Werk fur Cembalo bzw Klavier von Johann Sebastian Bach Als Entstehungszeit wird Bachs Zeit in Kothen 1717 1723 vermutet Das Stuck gehort zu Bachs bedeutenden Kompositionen und galt schon zu seiner Zeit als einzigartiges Meisterwerk Inhaltsverzeichnis 1 Quellen 2 Struktur 3 Rezeption und Interpretation 4 Transkriptionen 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseQuellen BearbeitenEin Autograph dieses Werkes ist nicht bekannt Wegen des improvisatorischen expressiven und alle Tonarten einbeziehenden Stils der Komposition weist Walther Siegmund Schultze sie der Zeit der garenden Kothener Umbruchswerke zu 1 Es existieren mindestens 16 verschiedene handschriftliche Kopien des Notentextes darunter funf aus Bachs Lebzeiten Die alteste Kopie umfasst nur eine fruhe zwei Takte kurzere Variante der Fantasie stammt von dem Bach Schuler Johann Tobias Krebs und entstand nach 1717 also nahe an der Entstehungszeit Zwei weitere Kopien entstanden um 1730 und umfassen auch die Fuge als Notatoren vermutet werden Gottfried Grunewald oder Christoph Graupner Eine Kopie des Doppelwerkes stammt von Johann Friedrich Agricola und entstand zwischen 1738 und 1740 Auf ihr beruht eine ab 1750 entstandene Kopie der Fantasie von Johann Gottfried Muthel und eine Gesamtkopie von Johann Nikolaus Forkel 1800 Auf diesen beiden Handschriften beruhen die ersten Druckausgaben des Werkes von Franz Anton Hoffmeister 1802 und Friedrich Konrad Griepenkerl 1819 Wegen der starken Abweichungen in Details die sich nicht auf eine gemeinsame Grundform zuruckfuhren lassen wird angenommen dass Bach selbst verschiedene Varianten des Werks notiert und in Umlauf gebracht hat 2 Struktur BearbeitenDie Fantasie beginnt als Toccata mit schnellen auf und ab wogenden Laufen in Zweiunddreissigsteln sowie gebrochenen Akkorden in Sechzehnteltriolen bei denen oft verminderte Septakkorde im Halbtonabstand aneinandergereiht werden Der zweite Teil ist eine Folge von sehr frei und weit modulierenden ruhig schreitenden Akkorden die schon in den altesten Abschriften mit Arpeggio uberschrieben sind also eine gebrochene Ausfuhrung verlangen Der dritte Teil ist mit Rezitativ uberschrieben und enthalt eine mit vielen verschiedenen Verzierungen angereicherte stark expressive Melodienfuhrung In diesem Teil finden sich auffallige enharmonische Verwechslungen die die wohltemperierte Stimmung der Tasteninstrumente zu Bachs Kothener Zeit voraussetzen 3 Das Rezitativ geht in eine Schlusspassage chromatisch absinkender verminderter Septakkorde uber dem Orgelpunkt D uber Das Thema der Fuge beginnt mit einer in Halbtonschritten aufsteigenden Linie von a nach c hier also von der Terz zur Quinte der zu d Moll parallelen Dur Tonart F Dur schwenkt von dort mit einer erneuten chromatisch von e bis g aufsteigenden Linie nach g moll uber und moduliert von dort zuruck zur Haupttonart d moll nbsp Aus den charakteristischen chromatisch aufsteigenden Linien des Fugenthemas ergab sich der spatere nicht von Bach stammende Namenszusatz chromatisch fur das gesamte Werk Rezeption und Interpretation BearbeitenDer virtuose und improvisatorische Toccatenstil der Fantasie bei denen sich beide Hande rasch abwechseln die Tonart d Moll und der expressive tonartlich experimentelle Charakter stellen das Werk der bekannten Toccata und Fuge d Moll BWV 565 an die Seite Mit ihr gehort das Werk zu den aussergewohnlichen und daher besonders beliebten Kompositionen Bachs fur Tasteninstrumente Diese Einschatzung teilten schon Bachs Zeitgenossen Sein Sohn Wilhelm Friedemann Bach der selbst ein ausgezeichneter Improvisator war meinte das Werk bleibe schon in alle saecula Der erste Biograph Bachs Johann Nikolaus Forkel schrieb Unendliche Muhe habe ich mir gegeben noch ein Stuck dieser Art von Bach aufzufinden Aber vergeblich Diese Fantasie ist einzig und hat nie ihresgleichen gehabt 4 Das Werk wurde im 19 Jahrhundert ein Paradebeispiel der romantischen Bach Interpretation Felix Mendelssohn Bartholdy der Begrunder der Bach Renaissance spielte die Fantasie im Februar 1840 und 1841 in einer Konzertreihe im Leipziger Gewandhaus und begeisterte damit das Publikum Er fuhrte diese Wirkung auf seine freie Interpretation der Arpeggien der Fantasie zuruck Dabei nutzte er die Klangeffekte des damaligen Konzertflugels durch eine differenzierte Dynamik das Hervorheben von Spitzentonen den exzessiven Gebrauch des Klangpedals und verdoppelte Bassnoten Diese Interpretation wurde zum Vorbild fur den dritten Satz Adagio der zweiten Sonate Mendelssohns fur Cello und Klavier op 58 entstanden 1841 1843 Darin ergeben die Spitzentone des ausnotierten Klavier Arpeggios eine Choralmelodie wahrend das Cello ein ausgedehntes Rezitativ spielt das dem Rezitativ der Bachschen Chromatischen Fantasie ahnelt und deren Schlusspassage zitiert 5 Diese romantische Deutung wirkte schulbildend Seitdem nahmen viele beruhmte Pianisten und Komponisten darunter Franz Liszt und Johannes Brahms dieses Werk Bachs als wirkungsvolle Demonstration von Virtuositat und Expressivitat in ihr Konzertrepertoire auf Es wurde in vielen Ausgaben mit interpretierenden Zusatzen und Spielanweisungen nachgedruckt Der romantische Bach Interpret Ferruccio Busoni etwa unterschied in seiner Werkausgabe die Schlusspassage als Coda vom Rezitativ Von Max Reger stammt eine spatromantische Orgel Bearbeitung Auch nach der Ruckwendung zu historischen Instrumenten und Werktreue blieb es eines der beliebtesten Konzertstucke und am meisten auf Tontragern aufgenommenen Werke Bachs 4 Eine romantische Deutung vertreten Edwin Fischer 6 Wilhelm Kempff 7 und Samuil Feinberg 8 zum Teil auch noch Alfred Brendel 9 auf dem Konzertflugel sowie Wanda Landowska auf dem Cembalo 10 Eine entromantisierte den Gebrauch des Klavierpedals vermeidende gleichwohl brillant klangvolle Deutung mit eigenwilligen uberraschenden Akzenten vertritt Glenn Gould 11 der viele neuere Pianisten wie Andras Schiff 12 und Alexis Weissenberg 13 beeinflusst hat Die Pianistin Agi Jambor verbindet romantische Klangfulle und Farbigkeit mit klarer Stimmfuhrung und hebt die strukturellen Beziehungen hervor 14 1940 komponierte Kaikhosru Shapurji Sorabji eine virtuose Paraphrase der Fantasie 15 Transkriptionen BearbeitenDie chromatische Fantasie und Fuge wurden auch fur klassische Gitarre bearbeitet 16 Jaco Pastorius spielte den Anfangsteil der Fantasie auf dem E Bass auf dem Album Word of Mouth 1981 17 2015 veroffentlichte der Friedrich Hofmeister Musikverlag in eine Transkription der Chromatischen Fantasie fur Violoncello erstellt von Johann Sebastian Paetsch 18 Rachel Laurin spielte ihre eigene Orgeltranskription auf der von Beckerath Orgel von St Joseph s Oratory in Montreal ein 19 Literatur BearbeitenUrtextausgabenRudolf Steglich Hrsg Johann Sebastian Bach Chromatische Fantasie und Fuge d moll BWV 903 Urtextausgabe ohne Fingersatz G Henle 2009 ISMN 979 0 20181163 5 Suche im DNB Portal Ulrich Leisinger Hrsg Johann Sebastian Bach Chromatische Fantasie und Fuge BWV 903 903a Klavier Cembalo Wiener Urtext Edition Schott Verlag ISMN 979 0 50057191 9 Suche im DNB Portal Heinrich Schenker J S Bach s Chromatic Fantasy and Fugue Critical Edition With Commentary Longman Music Series Schirmer Books 1984 ISBN 0 02 873240 5 Musikalische AnalysenMartin Geck Hrsg Bach Interpretationen 2 Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1982 ISBN 3 525 33276 9 S 57 73 und 213 215 Stefan Drees Vom Sprechen der Instrumente Zur Geschichte des instrumentalen Rezitativs Peter Lang Frankfurt am Main 2007 ISBN 978 3 631 56478 3 S 75 78 Weblinks BearbeitenEvgeni Koroliov Fantasie und Fuge mit Notentext parallel zum Verlauf Kerstin Unseld Die Einzigartige SWR 2 Reihe Musikstuck der Woche vom 5 bis 11 April 2010 Musikanalyse Johann Sebastian Bach Chromatische Fantasie und Fuge in d BWV 903 1720 Einzelnachweise Bearbeiten Cristoph Rueger Hrsg Johann Sebastian Bach In Harenberg Klaviermusikfuhrer Harenberg Dortmund 1984 ISBN 3 611 00679 3 S 85 Tamas Zaszkaliczky Hrsg Anmerkungen des Herausgebers In Fantasien amp Toccaten fur Klavier for piano Johann Sebastian Bach Konemann Music Budapest 2000 S 86f Hermann Keller Studien zur Harmonik Joh Seb Bachs In Bach Jahrbuch Jg 41 1954 S 50 65 doi 10 13141 bjb v19541543 a b Cristoph Rueger Hrsg Johann Sebastian Bach In Harenberg Klaviermusikfuhrer Harenberg Dortmund 1984 ISBN 3 611 00679 3 S 86 Wolfgang Dinglinger Die Arpeggien sind ja eben der Haupteffect Anmerkungen zum Adagio der zweiten Cellosonate op 58 von Felix Mendelssohn Bartholdy In Cordula Heymann Wentzel Johannes Laas Musik und Biographie Festschrift fur Rainer Cadenbach Konigshausen amp Neumann 2004 ISBN 3 8260 2804 X S 65 68 books google de Horbeispiel Edwin Fischer plays Bach Chromatic Fantasy BWV 903 Edwin Fischer plays Bach Chromatic Fugue BWV 903 auf youtube com Horbeispiel Bach Chromatic Fantasy and Fugue BWV903 part 1 Fantasy played by Wilhelm Kempff auf youtube com Horbeispiel Samuil Feinberg plays Bach Chromatic Fantasy and Fugue auf youtube com Horbeispiel Alfred Brendel playes Bach s Chromatic Fantasy auf youtube com Horbeispiel J S Bach Chromatic Fantasy and Fugue Landowska Part 1 Fantasia J S Bach Chromatic Fantasy and Fugue Landowska Part 2 Fugue Horbeispiel Glenn Gould plays Bach Chromatic Fantasy BWV 903 Horbeispiel J S Bach Fuge d Moll BWV 903 Andras Schiff auf youtube com Horbeispiel Weissenberg Bach Chromatic Fantasy BWV903 Videoaufnahme vom 2 Februar 1969 Horbeispiel Agi Jambor Bach Chromatic Fantasy amp Fugue 1 2 Agi Jambor Bach Chromatic Fantasy amp Fugue 2 2 auf youtube com Chromatische Fantasie von Kaukhosru Sorabji auf The Sorabji Archive Horbeispiel Jorge Caballero plays Bach Chromatic Fantasy and Fugue 1 3 2 3 3 3 auf youtube com Jaco Pastorius Chromatic Fantasy Remastered LP Version Aus dem Album Word of Mouth Rhino Warner Brothers 1981 Horbeispiel Jaco Pastorius Chromatic Fantasy etwa ab 4 00 bis 5 10 auf youtube com Johann Sebastian Paetsch Hrsg 3 Stucke von BWV 565 903 1004 fur Violoncello solo Friedrich Hofmeister FH 3021 Leipzig 2015 ISMN 9790203430216 Suche im DNB Portal CD Eternel Bach Transcriptions for organ Label Musicus MCD 331192 1998 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Chromatische Fantasie und Fuge Bach amp oldid 236331268