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Eine Fantasie oder Phantasie auch griechisch lateinisch Fantasia von griechisch phantasia Gedanke Einfall Einbildung 1 ist ein Musikstuck das keine feste Form wie etwa die klassische Sonate aufweist Durch diese ungebundene Form wird der emotionale und expressive Ausdruck des musikalischen Einfalls betont Dieser Einfall soll trotz seiner schriftlichen Fixierung den Eindruck von Spontaneitat vermitteln und daher kann man im weiteren Sinne auch von einer notenschriftlich fixierten Improvisation sprechen 2 Der Name Fantasia taucht in der Musik im 16 Jahrhundert auf und wird durchgangig bis heute verwendet Eine ubergreifende einheitliche musikalische Struktur ist nicht erkennbar Seit dem ausgehenden 18 Jahrhundert ist die Fantasia ein Instrumentalstuck vor allem fur die sich im Laufe des 19 Jahrhunderts bezuglich ihrer Ausdrucksmoglichkeiten weiterentwickelnden Tasteninstrumente Die Grenzen zu ahnlichen Stucken wie Impromptu oder einem Variationensatz sind dabei fliessend Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Beispiele 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDer Begriff Fantasia taucht im 16 Jahrhundert erstmals als Titel eines Musikwerkes auf und bezieht sich mehr auf den fantasievollen Umgang mit dem musikalischen Material als auf eine musikalische Gattung und entsprach seinerzeit dem rein polyphonen Ricercar das sich im 17 Jahrhundert zur Fuge weiterentwickelte In Deutschland war es vor allem Orgelmusik aber auch polyphone 3 oder zumindest imitierende Elemente im Satz enthaltende 4 Lautenmusik aus Spanien vgl Tiento Frankreich und Italien vgl auch italienisch canzona Als Bezeichnung fur solche Musikstucke tauchte die Fantasie zuerst in Tabulaturen des Vihuelisten Luis Milan 5 etwa die vierstimmigen Werke Fantasia del quarto tono und Fantasia de consonancias y redobles aus dem Jahr 1536 6 in der Sammlung El Maestro mit 40 Stucken mit dem Titel Fantasia in verschiedenen Tonarten Francesco da Milano 7 Melchior de Barberis 1549 8 Alonso Mudarra und Miguel de Fuenllana Orphenica lyra 1554 9 sowie Gitarrentabulaturen von Gregor Brayssing Quart livre de tabulature de guiterre Paris 1553 10 auf 11 In England wo etwa Anthony Holborne 12 aber auch der Komponist und Lautenist John Dowland Fantasien fur die Laute komponierte vgl auch John Dowland Werk etwa in Robert Dowlands Werk Variety of Lute Lesson von 1610 belegt 13 belegt wurde etwa von 1573 bis 1680 die Form des Fancy Fantasy in der Kammermusik gepflegt Diese Musik entwickelte sich aus dem instrumentalen Vortrag von Motetten die imitierend und variierend mit oder ohne Gesangstimme fortgesponnen wurde Die rein instrumentalen Fancy Virginalkompositionen finden sich in Sammlungen wie Fitzwilliam Virginal Book unter anderem von William Byrd In Frankreich gab Pierre Phalese Fantasien mit Hortulus Cytharae 1570 von anonymen Autoren heraus 14 Einen ersten Hohepunkt fand die Entwicklung in Italien mit den Fantasien von Girolamo Frescobaldi und den Kompositionen des Niederlanders Jan Pieterszoon Sweelinck um 1610 Da die Imitation ein wesentliches Kompositionswerkzeug war entstanden zahlreiche Echofantasien Eine bekannte Fantasia des Barockzeitalters stammt von Silvius Leopold Weiss Im Barock waren auch Choralfantasien besonders beliebt dessen bekanntester Vertreter im deutschsprachigen Raum Johann Sebastian Bach ist Diese Choralfantasien traten auch in Form eines Praludiums zum Beispiel als Vorspiel vor Bachs Leipziger Choralen Fantasia super Komm Heiliger Geist Herre Gott oder vor verschiedenen Fugen oder als Toccata auf Auch seine Inventionen und Sinfonien bezeichnete Bach in fruherer Ausgabe als Fantasia im Klavierbuchlein fur Wilhelm Friedemann Bach Sein Sohn Carl Philipp Emanuel Bach beschreibt in seinem Versuch uber die wahre Art das Clavier zu spielen von 1762 dass das Fantasieren und damit auch die Fantasie zum Spiel eines Tasteninstruments dazugehort Wir haben oben ausgefuhrt dass ein Clavieriste besonders durch Fantasien welche nicht in auswendiggelernten Passagien oder gestohlnen Gedanken bestehen sondern aus einer guten musikalischen Seele herkommen mussen das sprechende das hurtig uberraschende von einem Affecte zum anderen alleine vorzuglich vor dem ubrigen Ton Kunstlern ausuben kann 15 Mit diesem ungebundenen Stil und dem Hang zu Affekten stellt er die Empfindsamkeit in den Vordergrund Seine Fantasie in fis Moll H 300 Wq 67 mit dem Untertitel Carl Philipp Emanuel Bachs Empfindungen beginnt gebunden d h mit fester Takteinteilung aber diese fallt zwischenzeitlich weg so dass uber eine langere Passage kein Taktstrich im Notenbild vorhanden ist 1802 definierte Heinrich Christoph Koch in seinem Musikalischen Lexikon Fantasien als Musikwerke welche sich durch die Ausdruckskraft des Komponisten auszeichnen Fantasie So nennet man das durch Tone ausgedruckte und gleichsam hingeworfene Spiel der sich ganz uberlassenen Einbildungs und Erfindungskraft des Tonkunstlers oder ein solches Tonstuck aus dem Stegreife bey welchem sich der Spieler weder an Form noch Haupttonart weder an Beybehaltung eines sich gleichen Zeitmaasses noch an Festhaltung eines bestimmten Charakters bindet sondern seine Ideenfolge bald in genau zusammenhangenden bald in locker aneinander gereiheten melodischen Satzen bald auch nur in nach einander folgenden und auf mancherley Art zergliederten Akkorden darstellet Man giebt aber auch den Namen Fantasie wirklichen ausgesetzten Tonstucken in welchen sich der Komponist weder an eine bestimmte Form noch an eine ganz genau zusammenhangende Ordnung der Gedankenfolge u v gl bindet und die daher weil das durch Genie hervorgebrachte Ideal durch die weitere Bearbeitung zu einem strenger geordneten Ganzen nicht das Geringste von seiner ersten Lebhaftigkeit verliert sehr oft weit hervorstechendere und treffendere Zuge enthalt als ein nach Formen und anderen nothwendigen Eigenschaften eines vollendeten Ganzen gearbeitetes Tonstuck Es verhalt sich dabey wie mit den Zeichnungen in der Malerey wo ebenfalls durch die Ausfuhrung und vollendete Darstellung des Gemaldes nicht selten manche feinere Zuge des in der Zeichnung noch vorhandenen Ideals verloren gehen 16 Ebenso wie Koch unterscheidet Gustav Schilling in seinem Lehrbuch der allgemeinen Musikwissenschaft von 1840 frei fantasiert bzw improvisiert von den gebundenen d h schriftlich fixierten Fantasien Erhalt jener augenblickliche Einfall jenes momentane Hingeben an die Thatigkeit versetzte Einbildungskraft in feiner Aesserung einen mehr lyrischen Schwung so nennen wir das dadurch entstehende Tonwerk auch wohl Fantasie Doch muss hier eine sogenannte freie von der gebundenen oder geschriebenen Fantasie unterschieden werden 17 Uber die Besetzung gibt Schilling folgende Angaben Gewohnlich sind solche gebundene geschriebene Fantasien eben so wie die improvisierten freien nur fur ein Instrument bestimmt mit oder ohne Begleitung und je nach ihrer internen und ausseren Beschaffenheit auch zu Concertstucken geeignet doch hat man wohl schon versucht dergleichen Tonstucke fur ein ganzes Orchester in polyphonischer Form zu componieren so sehr weit treffender die Sinfonien an ihrer Stelle stehen und auch nicht durch wenige gluckliche Versuche verdrangt werden konnten 18 In der Zeit der Klassik finden sich Beispiele von Fantasien bei Mozart Schubert Schumann Beethoven nannte 1801 die sogenannte Mondscheinsonate Sonata quasi una Fantasia Sie ist Julie Guicciardi gewidmet in die Beethoven verliebt war und von der er traumte sie zu heiraten 19 Hier bezieht sich die Betitelung Fantasia auch wieder auf die Expressivitat der Gefuhle und auf eine traumhafte Vorstellung Diese Vorstellung ist in der Zeit der Romantik haufiger anzutreffen Eine andere Art der Fantasie gewinnt vor allem im 19 Jahrhundert an Bedeutung in Form von Paraphrasen beispielsweise von Liszt oder Thalberg Sie dienten in Zeiten in denen Musik noch nicht technisch reproduzierbar war aber doch haufig in burgerlichen Familien ein Klavier vorhanden war dazu Musik hauptsachlich aus Opern einem grosseren Publikum jenseits der Opernbuhne bekannt zu machen An die Tradition dass bei der Fantasia das poetische Moment die Form bestimmt knupft u a Frederic Chopin mit seinem Fantaisie Impromptu op 66 von 1834 an Anfang des 20 Jahrhunderts setzten sich Max Reger und Ferruccio Busoni in ihren Fantasien mit Bach kunstlerisch auseinander Abgesehen von Orgelwerken wurde aber der Kompositionstitel Fantasie in der Folgezeit seltener Beispiele BearbeitenFantasien fur Viola da gamba und Violone gespielt von Phillip W Serna source source Elway Bevin Fantasie zu Browning a 3 um 1570 source source Alfonso Ferrabosco der Altere Fantasie Di sei bassi um 1613 1619 source source Alfonso Ferrabosco der Jungere Fantasie On the Hexachord a 4 VdGS Nr 10 um 1630 source source John Ward Fantasie a 6 VdGS Nr 1 Gregorio Howett Fantasia per liuto Jan Pieterszoon Sweelinck Fantasia Chromatica SwWV 258 Johann Sebastian Bach Fantasien und Fugen BWV 561 563 Johann Sebastian Bach Chromatische Fantasie und Fuge d Moll BWV 903 1717 1723 Georg Philipp Telemann Zwolf Fantasien fur Viola da Gamba solo TWV 40 26 37 1735 Carl Philipp Emanuel Bach Freie Fantasie 1783 Carl Philipp Emanuel Bach Freie Fantasie 1785 Wolfgang Amadeus Mozart Fantasie d Moll KV 397 Wolfgang Amadeus Mozart Klavierfantasie c Moll KV 475 Ludwig van Beethoven Fantasie fur Klavier Chor und Orchester kurz Chorfantasie c Moll op 80 1808 Sigismund Thalberg Fantaisie et Variations sur des differents motifs de l opera Euryanthe de C M v Weber op 1 Sigismund Thalberg Fantaisie et Variations sur un theme ecossais op 2 Sigismund Thalberg Grande Fantaisie et Variations sur des motifs de l opera Norma de Bellini op 12 Sigismund Thalberg Grande Fantaisie et Variations sur deux motifs de l opera Don Juan de Mozart op 14 Sigismund Thalberg Grande fantaisie sur le Barbier de Seville Opera de Rossini op 63 Franz Schubert Wandererfantasie D 760 1822 Frederic Chopin Fantaisie Impromptu 1834 Robert Schumann Fantasie C Dur 1839 Franz Lehar Eine Vision Meine Jugend 1907 Franz Liszt Fantasie uber Themen aus Mozarts Figaro und Don Giovanni S 697 1842 Franz Liszt Fantasie uber ungarische Volksmelodien S 123 1852 Max Reger Choralfantasie uber Ein feste Burg ist unser Gott op 27 1898 Max Reger Fantasie und Fuge c Moll op 29 1898 Max Reger Drei Choralfantasien Max Reger op 52 1900 Ferruccio Busoni Indianische Fantasie BV 264 Op 44 Ferruccio Busoni Fantasia nach Johann Sebastian Bach BV 253 1909 Ferruccio Busoni Fantasia contrappuntistica BV 256 1910 Louis Vierne 24 Pieces de fantaisie 1926 27 Michael Radulescu Choralphantasie uber Da Jesu an dem Kreuze stund 1976 Michael Radulescu O Mensch bewein dein Sunde gross 1978 Naji Hakim Fantaisie Celtique fur Klavier und Orchester 1985 Fazil Say 3 Fantasiestucke op 2 1993 Fazil Say Jazz Fantasie uber Mozarts Rondo Alla Turca op 5a 1993 revidiert 2003 Sergio Antonio del Rio Ensuenos una Fantasia 1998 20 Ludger Stuhlmeyer Super flumina Babylonis An den Wassern zu Babel Fantasie in vier Teilen fur Orgel nach einem Aquarell von Paul Klee 2019 Ludger Stuhlmeyer Zehn Choralfantasien zum Weihnachtsfestkreis fur Sopran Violine und Orgel 2020 21 Weblinks BearbeitenFreie Noten diverser FantasienEinzelnachweise Bearbeiten Ubersetzung Lateinworterbuch caesar de Fantasie In Der Brockhaus Musik 2 Auflage Mannheim 2001 S 210 Frances Mattingly und Reginald Smith Brindle Vorwort zu Antonio Casteliono Intabolatura de Leuto de Diversi Autori 1536 Trascrizione in notazione moderna di Reginald Smith Brindle Edizioni Suvini Zerboni Mailand 1974 1978 S XIII Konrad Ragossnig Handbuch der Gitarre und Laute Schott Mainz 1978 ISBN 3 7957 2329 9 S 108 Istvan Szabo Hrsg Luis Mila ca 1500 ca 1561 Complete Solo Works for Guitar Samtliche Solowerke fur Gitarre El Maestro 1536 2 Bande Konemann Music Budapest 2000 K Band 156 157 ISBN 963 9155 07 1 und ISBN 963 9155 08 X Band 1 S 3 60 und Band 2 S 6 51 und 70 95 Emilio Pujol Hrsg Hispanae Citharae Ars Viva Eine Sammlung ausgewahlter Gitarrenmusik aus alten Tabulaturen bearbeitet von Emilio Pujol spanisch franzosisch englisch und deutsch Schott Mainz 1956 Gitarrenarchiv Band 176 S 4 7 Reginald Smith Brindle Hrsg Antonio Castelioni Intabolatura de Leuto de Diversi Autori Casteliono Mailand 1536 Edizioni Suvini Zerboni Mailand 1978 Edizioni Suvini Zerboni Band 7922 passim Fantasia del Divino Francesco da Milano und weitere Fantasien Melchior e de Barberis Intabulatura di Liute 1549 Vgl Adalbert Quadt Hrsg Gitarrenmusik des 16 18 Jahrhunderts 4 Bande Nach Tabulaturen herausgegeben Deutscher Verlag fur Musik Leipzig 1970 1984 Band 1 S 1 2 Fantasien und 57 f Frederick Noad The Renaissance Guitar The Frederick Noad Guitar Anthology Teil 1 Ariel Publications New York 1974 Neudruck Amsco Publications New York London Sydney UK ISBN 0 7119 0958 X US ISBN 0 8256 9950 9 S 74 f und 108 f Fantasia In Heinz Teuchert Hrsg Meister der Renaissance G Ricordi amp Co Buhnen und Musikverlag Munchen 1971 Ricordi Sy 2201 ISBN 978 3 931788 33 9 S 16 Meine ersten Gitarrenstucke Heft 3 Konrad Ragossnig Handbuch der Gitarre und Laute 1978 S 108 Keiji Makuta 51 selections for Lute in renaissance era Arranged for Guitar Zen On Tokyo 1969 ISBN 4 11 238540 4 S 72 Fantasia Frederick Noad The Renaissance Guitar 1974 S 111 113 Adalbert Quadt Hrsg Gitarrenmusik des 16 18 Jahrhunderts 4 Bande Nach Tabulaturen herausgegeben Deutscher Verlag fur Musik Leipzig 1970 1984 Band 1 S 4 Carl Philipp Emanuel Bach Versuch uber die wahre Art das Clavier zu spielen Leipzig 1787 S 92 Heinrich Christoph Koch Art Fantasie in ders Musikalisches Lexikon Frankfurt am Main 1802 Spalte 554 555 Gustav Schilling Artikel Fantasie derselbe Lehrbuch der allgemeinen Musikwissenschaft Karlsruhe 1840 Seite 550 551 Gustav Schilling Artikel Fantasie derselbe Lehrbuch der allgemeinen Musikwissenschaft Karlsruhe 1840 S 552 Website des Beethoven Hauses Bonn Website des Fabian Norman Verlags Erschienen bei Ries amp Erler Berlin 2020 ISMN 979 0 50254 149 1 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Fantasie Kompositionsform amp oldid 236823938