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Als Blutgericht von Verden auch Verdener Blutgericht oder Blutbad von Verden wird die Hinrichtung von 4500 Sachsen bei Verden an der Aller auf Befehl Karls des Grossen im Jahre 782 bezeichnet Die Ruckseite eines deutschen Notgeldscheins aus Verden mit einer Umrissdarstellung zum Blutgericht von Verden aus dem Jahr 1921 Inhaltsverzeichnis 1 Uberlieferung 2 Forschungsgeschichte 2 1 Nationalsozialismus 2 2 Moderne Forschung 3 Kontroverse um die Opferzahl 4 Siehe auch 5 EinzelnachweiseUberlieferung BearbeitenDie einzige Uberlieferung dieses Massakers sind die Reichsannalen 1 Im Verlauf der Sachsenkriege besiegten die Sachsen im Jahre 782 nach einer neuerlichen Erhebung ein frankisches Heer in der Suntelschlacht Daraufhin begab sich Karl der Grosse wiederum nach Sachsen und versammelte die sachsischen Grossen an der Mundung der Aller in die Weser Die dort bei Verden versammelten Sachsen benannten Widukind als den Urheber des Aufstands Karl forderte die Auslieferung der Radelsfuhrer und liess diese an einem Tag hinrichten usque ad quattuor milia D traditi et super Alaram fluvium in loco qui Ferdun vocatur iussu regis omnes una die decollati sunt bis zu viertausend wurden ausgeliefert und alle wurden an einem Tag auf Befehl des Konigs am Fluss Aller an einem Ort namens Verden enthauptet Einhard Einhardsannalen 2 Zudem hatten die Sachsen die Radelsfuhrer zur Hinrichtung ausgeliefert 4500 was auch so geschehen ist ad occidendum quatuor milia quingentas quod ita et factum est 3 Forschungsgeschichte BearbeitenSeit Wilhelm von Bippen 1889 die Darstellung der Reichsannalen anzweifelte 4 ist sie umstritten Nationalsozialismus Bearbeiten Polemik gegen den als Sachsenschlachter gezeichneten Karl den Grossen gehorte zum Gemeingut volkisch nationaler deutscher Publizistik der Zwischenkriegszeit die ein antifranzosisches und antikatholisches Geschichtsbild vertrat und den im Katholizismus zum Glaubenszeugen verklarten Karl als undeutsch ablehnte Dies verbanden insbesondere Alfred Rosenberg und andere das Christentum ablehnende NS Ideologen mit dem am nordischen Menschen orientierten Rassenideal des Nationalsozialismus Unmittelbar von Rosenbergs Schriften angeregt wurde 1934 ein nationalsozialistischer Niedersachsentag in Verden veranstaltet Die ideologische Absicht bestand darin das Blutgericht als Hohepunkt der Verbrechen des Franken Karl zu deuten und seinen Widersacher Widukind und mit ihm die nordischen Sachsen zu urdeutschen Martyrern zu stilisieren 5 Auch fur den Kampf gegen die romisch katholische Kirche wurde die Diskreditierung Karls eingesetzt So untersagten die Nationalsozialisten die Verehrung Karls des Grossen im Bistum Aachen wo er im Diozesankalender als Heiliger gefuhrt werden durfte und Hitlerjugend storte im Januar 1934 die Feier des Karlsjubilaums im Aachener Dom 6 Nach einem Eklat um ein von einem Anhanger der Ludendorff Bewegung geschriebenes Widukind Drama das Anfang 1935 mit ausdrucklicher Billigung von Propagandaminister Joseph Goebbels im Theater Hagen aufgefuhrt worden war 7 entstand eine intensive offentliche Debatte die zur Umkehrung des herrschenden Diskurses der NS Propaganda fuhrte Historiker wie Hermann Oncken wiesen die propagandistische Darstellung der Hinrichtungen als Hohepunkt der vermeintlich gewaltsamen Missionierung der alten Sachsen zuruck betonten stattdessen den ausgesprochen politischen Charakter der Massregeln Karls und sprachen von der Unterwerfung der Sachsen als notwendiger Vorbedingung zur spateren Kolonisation des slawischen Raumes jenseits der Elbe 8 Dieser schonfarberischen Deutung der Hinrichtungen zu widersprechen war nun kaum noch moglich weil sie dem bereits seit Ausgang des 19 Jahrhunderts propagierten Drang nach Osten entsprach und auch Hitler eine Ausdehnung des deutschen Siedlungsraums nach Osten angekundigt hatte 9 Eine wichtige Rolle in dieser Debatte spielte das von acht namhaften Historikern 10 verfasste Buch Karl der Grosse oder Charlemagne das sich mit den Hinrichtungen im Spiegel des deutsch franzosischen Gegensatzes befasste und Karl als Gesamtpersonlichkeit von germanisch deutscher Art und Abstammung wurdigte um ihn fur Deutschland zu vereinnahmen Der Theologe und Kirchenhistoriker Karl Bauer verteidigte Karl 1937 in seiner Schrift Die Quellen fur das sogenannte Blutbad von Verden Er sah in den zeitgenossischen Quellen einen Abschreibfehler statt decollati enthauptet musse es delocati heissen die Opfer seien also umgesiedelt worden Ein Massaker habe es niemals gegeben 11 Auch der liberale pazifistische Historiker Ludwig Quidde lehnte in seinem Genfer Exil gestutzt auf von Bippen 4 und Heinrich Ulmann 12 die Vorstellung einer Hinrichtung von 4500 Sachsen ab Karl der Grosse ist nicht der Massenmorder der Sachsenschlachter der Ueberlieferung 13 Moderne Forschung Bearbeiten Im 21 Jahrhundert ist der Sachverhalt unter Historikern immer noch umstritten So nahm Dieter Hagermann an dass nur wenige Dutzend Sachsen von Karl dem Grossen hingerichtet worden seien 14 Wilhelm Kohl ehemaliger Leiter des Staatsarchivs Munster nahm eine Mittelposition ein indem er 400 500 Enthauptete vermutet 15 Dagegen verteidigte 1997 Ernst Schubert im Lexikon des Mittelalters die Berichte der Quellen gegen abmildernde Spekulationen 16 Einige Historiker gehen von einer aus Rache bzw momentaner Verbitterung diktierten Strafaktion Karls des Grossen aus die aber kaum 4500 Sachsen betraf 17 Mehr als ein Historiker hat den Versuch unternommen die Verantwortung Karls fur das Massaker herunterzuspielen Doch kein einziger Versuch erscheint glaubwurdig Alessandro Barbero 18 Kontroverse um die Opferzahl BearbeitenIn der Geschichtswissenschaft wird teilweise die hohe Opferzahl an nur einem Tag angezweifelt Andererseits sind vergleichbare Massenhinrichtungen etwa an den Danen in England 1002 beim St Brice s Day Massaker oder den 2700 muslimischen Gefangenen bei der Belagerung von Akkon 1189 1191 belegt Siehe auch BearbeitenSachsenhain Blutgericht zu CannstattEinzelnachweise Bearbeiten auch die der alteren Forschung als Einhardsannalen bezeichnete Fassung der Reichsannalen Friedrich Kurze Hrsg Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 6 Annales regni Francorum inde ab a 741 usque ad a 829 qui dicuntur Annales Laurissenses maiores et Einhardi Hannover 1895 S 65 Monumenta Germaniae Historica Digitalisat Vgl Georg Heinrich Pertz u a Hrsg Scriptores in Folio 1 Annales et chronica aevi Carolini Hannover 1826 S 165 Monumenta Germaniae Historica Digitalisat Georg Heinrich Pertz u a Hrsg Scriptores in Folio 1 Annales et chronica aevi Carolini Hannover 1826 S 164 Monumenta Germaniae Historica Digitalisat Vgl Friedrich Kurze Hrsg Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 6 Annales regni Francorum inde ab a 741 usque ad a 829 qui dicuntur Annales Laurissenses maiores et Einhardi Hannover 1895 S 62 Monumenta Germaniae Historica Digitalisat a b Wilhelm von Bippen Die Hinrichtung der Sachsen durch Karl den Grossen In Deutsche Zeitschrift fur Geschichtswissenschaft 1 1889 S 75 95 Vollstandiger Text bei Wikisource Wie Karl zum Sachsenschlachter wurde In Kreiszeitung 9 Mai 2010 abgerufen am 25 Februar 2023 Hermann Josef Scheidgen Joseph Heinrich Peter Vogt 1865 1937 Generalvikar der Erzdiozese Koln Kolner Dompropst Bischof von Aachen 1931 1937 In Portal Rheinische Geschichte des Landschaftsverbands Rheinland Bonn 2015 abgerufen im Februar 2023 Stimmen und Urteile In Sachen Widukind Memento vom 11 Juli 2012 im Webarchiv archive today In Weisse Blatter Monatszeitschrift fur Geschichte Tradition und Staat Ausgabe Februar 1935 Stimmen und Urteile Nochmals Karl der Grosse Memento vom 11 Juli 2012 im Webarchiv archive today In Weisse Blatter Monatszeitschrift fur Geschichte Tradition und Staat Ausgabe Marz 1935 Adolf Hitler Mein Kampf Wir stoppen den ewigen Germanenzug nach dem Suden und Westen Europas und weisen den Blick nach dem Land im Osten Karl Hampe Hans Naumann Hermann Aubin Martin Lintzel Friedrich Baethgen Albert Brackmann Carl Erdmann Wolfgang Windelband Karl der Grosse oder Charlemagne Acht Antworten deutscher Geschichtsforscher Berlin 1935 122 S Rezension in Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 5 6 2000 Karl Bauer Die Quellen fur das sogenannte Blutbad von Verden In Westfalische Zeitschrift Zeitschrift fur vaterlandische Geschichte und Altertumskunde S 40 73 Band 92 Regensbergsche Verlagsbuchhandlung Munster 1937 S 22 mgh bibliothek de PDF 15 0 MB abgerufen am 21 Januar 2016 Heinrich Ulmann Zur Hinrichtung der Sachsen 782 In Deutsche Zeitschrift fur Geschichtswissenschaft 2 1889 S 156 157 Vollstandiger Text bei Wikisource Ludwig Quidde Karl der Grosse der Sachsenschlachter In Pariser Tageblatt Jg 3 Nr 491 vom 17 April 1935 S 4 Teil 1 und Nr 492 vom 18 April 1935 S 4 Teil 2 Dieter Hagermann Karl der Grosse Herrscher des Abendlandes Propylaen Berlin 2000 ISBN 978 3 549 05826 8 S 214 ff Wilhelm Kohl Bemerkungen zur Entstehung der Pfarrorganisation im alten Sachsen vornehmlich im Bistum Munster In Johannes Motsch Hrsg Ein Eifler fur Rheinland Pfalz Band 2 2003 S 920 Anm 16 Ernst Schubert Verden Blutbad v In Lexikon des Mittelalters Bd 8 1997 Sp 1500f Arnold Angenendt Toleranz und Gewalt Das Christentum zwischen Bibel und Schwert Aschendorff Munster 2007 S 387 Alessandro Barbero Karl der Grosse Vater Europas Klett Cotta Stuttgart 2007 ISBN 978 3 608 94030 5 S 58 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Blutgericht von Verden amp oldid 233698040