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Als Altonaer Blutsonntag wird der 17 Juli 1932 bezeichnet an dem es bei einem Werbemarsch der SA durch die damals zur preussischen Provinz Schleswig Holstein gehorende Grossstadt Altona 1937 durch das Gross Hamburg Gesetz nach Hamburg eingemeindet zu gewalttatigen Auseinandersetzungen kam bei denen 18 Personen erschossen wurden Dieser Vorfall wurde von der Reichsregierung unter Franz von Papen und vom Reichsprasidenten Hindenburg zum Vorwand genommen um die amtierende preussische Regierung im Preussenschlag am 20 Juli 1932 durch eine Notverordnung abzusetzen Gedenktafel an das Altonaer Bekenntnis und die Ereignisse des BlutsonntagesGedenktafel am Amtsgericht Altona fur die Hingerichteten Guerilla Denkmal der VVN gesehen im Sommer 2012 auf der Grossen Bergstrasse Inhaltsverzeichnis 1 Vorlauf 2 Ablauf 3 Folgen 4 Aufarbeitung 4 1 Gerichtlich 4 2 In den Medien 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseVorlauf BearbeitenAm 16 Juni 1932 hob die Regierung Papen das im April 1932 von Heinrich Bruning erlassene SS und SA Verbot wieder auf um sich den Nationalsozialisten fur die Tolerierung ihres Minderheitskabinetts erkenntlich zu zeigen Damit waren erhebliche Auseinandersetzungen im Wahlkampf fur die Reichstagswahlen am 31 Juli in Deutschland zu erwarten Innerhalb eines Monats gab es in Deutschland 99 Tote und 1125 Verletzte bei Auseinandersetzungen vorwiegend zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten 1 Auch in Schleswig Holstein zu dem Altona gehorte hatte es Zusammenstosse gegeben So waren in den ersten Julitagen zwei Sozialdemokraten und zwei Kommunisten von Nationalsozialisten getotet worden Fur den 17 Juli wurde vom Altonaer Polizeiprasidenten Otto Eggerstedt SPD ein grosser Demonstrationszug von 7 000 aus ganz Schleswig Holstein zusammengezogenen uniformierten SA Leuten durch die verwinkelte Altonaer Altstadt zugelassen die wegen ihrer mehrheitlich kommunistisch oder sozialdemokratisch wahlenden Arbeiterschaft als rotes Altona galt und unter der lokalen Bezeichnung Klein Moskau bekannt war Die Kommunisten sahen diesen Aufmarsch durch die Arbeiterwohngebiete als eine Provokation an Trotz dieser bedrohlichen Lage waren Eggerstedt und sein Stellvertreter am Tag der Demonstration nicht in Altona Ihr Vorgesetzter der Schleswiger Regierungsprasident war auch nicht durch einen hoheren Polizeibeamten vor Ort vertreten Ablauf Bearbeiten nbsp Ort der Vorkommnisse heute uberbaut zur Orientierung bieten sich die Grosse Freiheit und der Judische Friedhof bzw die Hauptkirche St Trinitatis an Am 17 Juli 1932 versammelten sich die Teilnehmer ab 12 30 Uhr in der Gegend zwischen dem Altonaer Bahnhof und dem Altonaer Rathaus Gegen 15 Uhr setzte sich der Aufmarsch mit 7000 Teilnehmern zunachst in Richtung Ottensen und Bahrenfeld in Bewegung Gegen 16 30 Uhr erreichte der Umzug die Altonaer Altstadt lief uber die Grosse Bergstrasse und bog bei der Grossen Johannisstrasse Richtung Schauenburgerstrasse heute Schomburgstrasse in das eng bebaute Arbeiterviertel An der Kreuzung an der von Osten die Grosse Marienstrasse und von Westen die Schauenburgerstrasse auf die Grosse Johannisstrasse mundeten in etwa bei 53 33 N 9 57 O 53 5517 9 953 Koordinaten 53 33 N 9 57 O heute Walter Moller Park 2 kam es kurz vor 17 Uhr zum Zusammenstoss zwischen einer am Strassenrand stehenden Menschenmenge und SA Leuten vom 1 und 2 Altonaer Sturm Die SA Leute machten einen Ausfall in die Grosse Johannisstrasse Richtung Munzmarkt und prugelten auf Gegner ein die zuvor Gegenstande auf den Zug geworfen hatten Den aufgebotenen Polizeikraften gelang es auch nach Verstarkung durch Schutzpolizisten aus dem nahegelegenen Hamburg nicht die Lager zu trennen Auch waren die ranghochsten Polizeifuhrer einschliesslich des zivilen Altonaer Polizeiprasidenten und SPD Abgeordneten im Provinziallandtag Schleswig Holstein Otto Eggerstedt nicht vor Ort Otto Eggerstedt hatte fur diesen Tag Urlaub genommen Als die Marschteilnehmer wieder zuruckgekehrt waren und sich einreihen wollten fielen Schusse von denen die zwei SA Leute Heinrich Koch und Peter Buddig todlich getroffen wurden 3 Die Polizeifuhrung ging nach ihren Angaben nun davon aus dass sie und die Marschkolonne von Dachern und Fenstern aus gezielt unter Feuer genommen wurden Daraufhin drangte sie den SA Aufmarsch Richtung Bahnhof und forderte Verstarkung bei der Hamburger Polizei an Diese traf zwischen 17 30 Uhr und 18 Uhr im Bereich Kleine Freiheit Grosse Bergstrasse und Schauenburger Strasse ein Sie vertrieb nach eigenen Angaben die Leute von der Strasse verlangte durch Zurufe das Schliessen der Fenster und schoss auf vermeintliche Angreifer und Dachschutzen SA und SS Leute befanden sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in dem Gebiet Ab 17 40 Uhr nahm die Altonaer Polizei im Umkreis der Johannisstrasse Schauenburger Strasse Hausdurchsuchungen vor und verhaftete etwa 90 Personen Um 18 45 Uhr kam es zu weiteren Schiessereien gegen 19 Uhr war laut Polizeibericht die Ruhe wieder hergestellt Wahrend dieser Ereignisse kamen 16 Personen aus der Wohnbevolkerung durch Polizeikugeln ums Leben 4 Folgen BearbeitenAnfangs wurden vermutlich sowohl von Seiten der SA als auch von Seiten der Kommunisten Schusse abgegeben 5 Unter Historikern wurde uberwiegend davon ausgegangen dass die todlichen Schusse auf die beiden SA Leute von Kommunisten abgegeben wurden Der Tod der weiteren 16 Menschen wurde den spateren Untersuchungen zufolge durch Kugeln aus Karabinergewehren der Polizei verursacht Dank des Resistancekampfers Leon Schirmann der 1992 die Akten des Altonaer Blutsonntags neu auswertete weiss man inzwischen dass auch die todlichen Kugeln die die beiden SA Leute trafen aus Polizeipistolen gekommen waren Dafur dass protestierende Anwohner schossen gab es nie einen Beweis 6 Die Ereignisse in Altona wurden drei Tage spater am 20 Juli 1932 von Reichskanzler Papen als Vorwand fur den Preussenschlag benutzt bei dem die zuruckgetretene jedoch noch geschaftsfuhrende preussische Minderheitsregierung abgesetzt und die demokratische Verfassung des Freistaats Preussen ausser Kraft gesetzt wurde Die evangelischen Pastoren Altonas das damals zur Landeskirche Schleswig Holstein gehorte reagierten auf den Blutsonntag mit einem Wort und Bekenntnis Altonaer Pastoren in der Not und Verwirrung des offentlichen Lebens Diese vor allem von Hans Christian Asmussen konzipierte Erklarung wurde am 11 Januar 1933 von den Kanzeln verlesen und veroffentlicht Das Altonaer Bekenntnis gilt als ein wichtiger Vorbote der spateren und beruhmteren Barmer Theologischen Erklarung nbsp Stele am Hinrichtungsplatz im Hof des Amtsgerichtes Altona 2018 nbsp Gedenktafel fur August Lutgens Walter Moller Karl Wolff und Bruno Tesch am Ort ihrer Hinrichtung hinter dem Amtsgericht AltonaDie Ermittlungen im Anschluss an die Ereignisse wurden von Polizei und Justiz allein gegen verdachtige Kommunisten durchgefuhrt und brachten kaum Ergebnisse Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten eroffnete die gleichgeschaltete Justiz die so genannten Blutsonntagsprozesse Der Rechtsstaat war abgeschafft die Verhandlungen wurden auf der Grundlage der einseitigen Ermittlungen und mit teilweise gefalschten Beweisen Sachverstandigengutachten und Zeugenaussagen gefuhrt Im ersten Prozess vom 8 Mai 1933 bis 2 Juni 1933 wurden vier der Angeklagten die den Kommunisten zugerechneten Bruno Tesch Walter Moller Karl Wolff und August Lutgens von dem von nationalsozialistischen Justizpolitikern eingerichteten Sondergericht am Landgericht Altona zum Tode verurteilt 7 Vorsitzender des Sondergerichts in diesem Prozess war Johannes Block 8 Das Urteil wurde am 1 August 1933 auf dem Hof des Gerichts dem heutigen Amtsgericht Altona mit dem Handbeil vollstreckt Dies waren die ersten politisch gewollten Hinrichtungen im Dritten Reich 9 Die weiteren zwolf Angeklagten wurden zu teils langjahrigen Haftstrafen verurteilt so unter anderem Emil Wendt zu 10 Jahren Zuchthaus 10 Nach Verbussung der Haftzeit wurde er in das Zuchthaus Waldheim in Sachsen gebracht wo er am 26 Oktober 1944 ermordet wurde Insgesamt fanden bis 1935 sechs Prozesse zum Altonaer Blutsonntag statt Aufarbeitung BearbeitenGerichtlich Bearbeiten Erst 1992 nachdem der Resistancekampfer und ehemalige Physiklehrer Leon Schirmann die im Gerichtsarchiv in Schleswig lagernden Prozessakten erneut ausgewertet hatte wurde vor dem Landgericht Hamburg der Altonaer Blutsonntag noch einmal gerichtlich aufgearbeitet Schirmann hatte herausgefunden dass nicht von Dachern oder oberen Stockwerken aus geschossen wurde dass kein kommunistischer Schutze verhaftet wurde und auch bei Hausdurchsuchungen keine Waffen gefunden wurden Auch hatte die Polizei keine Toten oder Verletzten zu beklagen Unter den Toten waren keine Heckenschutzen alle 16 waren an den Demonstrationen unbeteiligte Altonaer Burger und starben durch Polizeikugeln 11 Das Gericht erkannte daraufhin die Falschung der Beweismittel in den damaligen Prozessen an und hob die Todesurteile gegen die vier angeblichen Tater im November 1992 wieder auf Sie wurden damit offiziell als Opfer des Nazi Regimes rehabilitiert Die Todesschutzen auf Seiten der Polizei wurden jedoch ebenso wenig identifiziert wie die Morder der SA Manner der beiden ersten Todesopfer Die Urteile der drei spateren Prozesse sind bis heute nicht aufgehoben 12 In den Medien Bearbeiten nbsp Stadtteilrundgang zum Altonaer Blutsonntag der Geschichtswerkstatt Ottensen 2018Die Ereignisse bilden weiterhin den Hintergrund des Buches Das Beil von Wandsbek von Arnold Zweig das 1951 bei der DEFA von Falk Harnack mit Erwin Geschonneck in der Hauptrolle verfilmt wurde Eine zweite Verfilmung gab es 1982 als Fernsehdrama in der Bundesrepublik Deutschland Der Autor Robert Brack hat 2010 die Hintergrunde des Altonaer Blutsonntags in seinem Roman Blutsonntag literarisch aufgearbeitet Maryn Stucken schrieb 1987 ein Theaterstuck uber Bruno Tesch Literatur BearbeitenHeinrich Breloer und Horst Konigstein Blutgeld Materialien zu einer deutschen Geschichte Prometh Verlag Koln 1982 ISBN 3 922009 46 8 Wolfgang Kopitzsch Politische Gewalttaten in Schleswig Holstein in der Endphase der Weimarer Republik In Erich Hoffmann und Peter Wulf Hrsg Wir bauen das Reich Aufstieg und erste Herrschaftsjahre des Nationalsozialismus in Schleswig Holstein Wachholtz Neumunster 1983 ISBN 3 529 02181 4 Basiert u a auf Kopitschs unveroffentlichter Staatsexamensarbeit Der Altonaer Blutsonntag Hamburg 1974 Helmut Heins u a Bruno Tesch und Gefahrten Erinnerungen an den Altonaer Blutsonntag Hamburg 1983 VVN Schriftenreihe Leon Schirmann Altonaer Blutsonntag 17 Juli 1932 Dichtungen und Wahrheit Ergebnisse Verlag Hamburg 1994 ISBN 3 87916 018 X Leon Schirmann Justizmanipulationen Der Altonaer Blutsonntag und die Altonaer bzw Hamburger Justiz 1932 1994 Typographica Mitte Berlin 1995 ISBN 3 929390 11 6 Leon Schirmann Die Verfahren des Sondergerichts Altona Kiel 1932 1937 gegen die Verdachtigen de Altonaer Blutsonntags In Robert Bohn Uwe Danker Hrsg Standgericht der inneren Front Das Sondergericht Altona Kiel 1932 1945 Hamburg 1998 ISBN 3 87916 052 X Weblinks BearbeitenFilmdokument bei Vimu info FSK Radiosendung flying frontiers mit Vertretern des VVN BdA zum Altonaer Blutsonntag Cornelia Kerth Altonaer Blutsonntag Maryn Stucken Theaterstuck Bruno Tesch an einem Sonntag in Altona Februar 1987 YouTube Video Einzelnachweise Bearbeiten Eyck Erich Geschichte der Weimarer Republik Zweiter Band Von der Konferenz von Locarno bis zu Hitlers Machtubernahme 2 Aufl Erlenbach Zurich Stuttgart Eugen Rentsch Verlag 1956 S 502 Schirmann Leon Justizmanipulationen S 13 Schirmann Leon Justizmanipulationen S 11 Breloer Heinrich Konigstein Horst Blutgeld Materialien zu einer deutschen Geschichte Koln 1982 ISBN 3 922009 46 8 S 22 ff Forschungsstelle fur Zeitgeschichte in Hamburg Hrsg Hamburg im Dritten Reich Gottingen 2005 S 53 Erinnerung an den Blutsonntag Als in Klein Moskau Schusse fielen taz 30 Juli 2018 Leon Schirmann Die Verfahren des Sondergerichts Altona Kiel 1932 1937 gegen die Verdachtigen des Altonaer Blutsonntags In Robert Bohn Uwe Danker Hrsg Standgericht der inneren Front das Sondergericht Altona Kiel 1932 1945 Hamburg 1998 ISBN 3 87916 052 X S 139 bis 165 Maximilian Becker Mitstreiter im Volkstumskampf Deutsche Justiz in den eingegliederten Ostgebieten 1939 1945 Oldenbourg Wissenschaftsverlag Munchen 2014 ISBN 978 3 486 77837 3 S 86 Robert Bohn Die nationalsozialistische Sondergerichtsbarkeit in Schleswig Holstein In Robert Bohn Uwe Danker Hrsg Standgericht der inneren Front Das Sondergericht Altona Kiel 1932 1945 Hamburg 1998 ISBN 3 87916 052 X S 17 Heinrich Breloer Horst Konigstein Blutgeld Materialien zu einer deutschen Geschichte S 54 Einestages spiegel de Die Luge von den Heckenschutzen abgerufen am 15 Juli 2012 Cornelia Kerth Altonaer BlutsonntagNormdaten Sachbegriff GND 4142080 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Altonaer Blutsonntag amp oldid 236284517