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Die 7 Sinfonie in C Dur op 60 von Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch meist Leningrader Sinfonie genannt ist eine Sinfonie in vier Satzen Die Widmung betraf den Widerstand und den spateren militarischen Sieg bei der deutschen Leningrader Blockade im Zweiten Weltkrieg Wahrend 871 Tagen vom 8 September 1941 bis zum 27 Januar 1944 verhungerten dort schatzungsweise eine Million Zivilisten Ich widme meine Siebente Sinfonie unserem Kampf gegen den Faschismus unserem unabwendbaren Sieg uber den Feind und Leningrad meiner Heimatstadt Schostakowitsch am 29 Marz 1942 in der Prawda 1 Die 7 Sinfonie gilt als eines der bekanntesten Werke Schostakowitschs Ursprunglich sollte die Sinfonie nur aus einem Satz bestehen dann entschloss der Komponist sich zum klassischen Aufbau mit 4 Satzen Schostakowitsch wollte zunachst jedem Satz einen Titel geben 1 Krieg 2 Erinnerung 3 Die Weite der Heimat 4 Sieg Von diesem Vorhaben nahm er jedoch wieder Abstand 2 in den Partitureditionen sind diese programmatischen Uberschriften ebenfalls nicht ubernommen Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Werkbeschreibung 2 1 1 Satz Allegretto 2 2 2 Satz Moderato poco Allegretto 2 3 3 Satz Adagio 2 4 4 Satz Allegro non troppo 3 Orchesterbesetzung 4 Leningrader Premiere und Rezeption 5 Literatur 6 Belletristische und filmische Rezeption 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseEntstehung BearbeitenDas Thema des ersten Satzes schrieb Schostakowitsch vor Beginn des Deutsch Sowjetischen Krieges um 1939 oder 1940 Dies waren Variationen in Form einer Passacaglia mit einem ahnlichen Aufbau wie beim Bolero von Ravel ein einfaches Thema zunachst harmlos das vor dem Hintergrund des trockenen Klopfens einer kleinen Trommel kraftvoll anwachst und sich zu einem furchterregenden Symbol der Unterdruckung entwickelt Der Komponist zeigte diese Arbeit 1940 Kollegen und Studenten fuhrte sie aber nicht offentlich auf Im Sommer 1941 als Schostakowitsch eine neue Sinfonie zu schreiben begann wurde die Passacaglia zu einer grossen Folge von Variationen und trat an die Stelle der Durchfuhrung im ersten Satz der im August 1941 abgeschlossen wurde 3 Am 8 September 1941 begann die Leningrader Blockade durch die schnell vorgeruckten deutschen Truppen Im schon belagerten Leningrad schrieb Schostakowitsch im Laufe des Monats September den zweiten und dritten Satz der Sinfonie Am 1 Oktober 1941 wurde Schostakowitsch mit seiner Familie aus Leningrad ausgeflogen und konnte das Werk in Kuibyschew Samara fertigstellen wo es am 5 Marz 1942 vom dorthin evakuierten Moskauer Orchester des Bolschoi Theaters unter Leitung von Samuil Samossud uraufgefuhrt wurde Die Moskauer Erstauffuhrung am 29 Marz fand ebenfalls unter lebensgefahrlichen Umstanden statt Doch selbst ein Luftalarm konnte angesichts der fesselnden Musik die Zuhorer nicht dazu bewegen die Schutzraume aufzusuchen Stalin war daran interessiert die Sinfonie auch ausserhalb der Sowjetunion bekannt zu machen Am 22 Juni dirigierte sie Sir Henry Wood in London und Arturo Toscanini leitete die erste Auffuhrung der Sinfonie in den Vereinigten Staaten die am 19 Juli 1942 in New York mit dem NBC Symphony Orchestra stattfand Schostakowitschs Wunsch nach einer Auffuhrung in Leningrad ging kurze Zeit spater in Erfullung Ein Sonderflugzeug konnte die vollstandige Orchesterpartitur nach Leningrad einfliegen Die Leningrader Erstauffuhrung fand am 9 August 1942 wahrend der Blockade mit den wenigen noch lebenden Mitgliedern des Radioorchesters Leningrad und weiteren Musikern Dirigent Karl Eliasberg statt Die deutsche Erstauffuhrung mit den Berliner Philharmonikern unter Sergiu Celibidache fand in der Staatsoper Unter den Linden in Berlin im Dezember 1946 statt Werkbeschreibung Bearbeiten1 Satz Allegretto Bearbeiten Der erste Satz der Sinfonie entspricht dem Grundmuster eines Sonatensatzes Schostakowitsch entwickelt zu Beginn ein Thema das gemeinhin als Spiegel der Vorkriegsidylle und der Phase des friedlichen Aufbaus des Sozialismus in der Sowjetunion angesehen wird Jedoch wirkt dieses erste Thema schon merkwurdig gestort und verzerrt Diesem Thema steht ein zweites gegenuber das deutlich idyllischer wirkt An Stelle der Durchfuhrung folgt nun das zentrale Thema mit elf Variationen Dieses Thema wurde und wird im Allgemeinen als Invasionsthema bezeichnet Es soll den Einmarsch der faschistischen Truppen in die Sowjetunion symbolisieren Aus den von Solomon Wolkow herausgegebenen Memoiren des Komponisten geht aber der Hinweis hervor dass Schostakowitsch dieses Thema einst auch als Stalinthema bezeichnete Nach einer Aussage von Schostakowitsch selbst bricht dieses Thema plotzlich in unser friedliches Leben ein 4 An die letzte Variation schliesst sich ein neues erregtes Thema an das in einem etwas langsameren doch immer noch lauten und chaotischen Abschnitt ausklingt der abwechselnd von Blechblasern und Streichern angefuhrt wird Nun folgt ein langsamerer zweiteiliger Abschnitt mit einem Fagott Solo und einer beruhigenden Wiederholung des Anfangsthemas in den Streichern Zum Abschluss des Satzes erklingt das Invasionsthema in einer kurzen Coda ein letztes Mal in der Solotrompete untermalt vom Schlagzeug Stilistische Mittel des Invasionsthemas sind eine ausserst schlichte und monotone Melodie die in den elf Variationen eine stete Steigerung durchmacht und schliesslich das Stupide der Melodie mit einer grausamen Brutalitat verbindet Schostakowitsch verwendete hier Motive der Melodie Da geh ich zu Maxim aus Franz Lehars Operette Die lustige Witwe die zu Hitlers Lieblingswerken gehorte Die Verwendung von Motiven dieser Melodie wird ihrerseits von Bela Bartok in seinem Konzert fur Orchester Mittelteil des 4 Satzes zitiert das auch unter dem Eindruck der faschistischen Herrschaft in Europa entstand In seinen Memoiren spricht Schostakowitsch immer wieder davon dass seine Sinfonien Requiems fur die Opfer der Gewaltherrschaft seien Ein klares Indiz uber den tatsachlichen Charakter des Invasionsthemas findet sich aber auch in der musikalischen Analyse es erinnert an das Gewaltthema aus Schostakowitschs Oper Lady Macbeth von Mzensk Der Inanspruchnahme des Werkes durch die stalinistische Propaganda entzieht es sich auch durch eine weitere Merkwurdigkeit Auf dem Hohepunkt der Variationen auf denen scheinbar eine Gegenkraft einsetzt dies sollte die Rote Armee symbolisieren entsteht keinesfalls etwas musikalisch Neues vielmehr wird das Material des Invasionsthemas mit seiner Charakteristik aus dem Gewaltmotiv weiterhin verwendet Diese fehlende Gegenkraft wurde erst nach dem Krieg im Rahmen der neuen kunstlerischen Dogmen und der erneuten Denunziationen etwa durch Schdanow thematisiert und brachte Schostakowitsch sehr viel Kritik ein 2 Satz Moderato poco Allegretto Bearbeiten Der zweite Satz erinnert teilweise an ein Scherzo Schostakowitsch selbst merkte an dass hier Humor vorhanden sei Zum Humor bei Schostakowitsch sei auf den zweiten Satz seiner 13 Sinfonie hingewiesen in der vor allem der fehlende Humor einer grausamen Staatsfuhrung thematisiert und Terror und Gewalt gegenubergestellt wird Auch im zweiten Satz finden sich wieder Motive die an das Gewaltthema aus Lady Macbeth von Mzensk erinnern Diese Verarbeitungen lassen in Verbindung mit Schostakowitschs ursprunglicher Satzbezeichnung Erinnerungen einige Schlusse zu Wiederum begegnet dem Horer hier die trugerische Idylle einer scheinbar friedlichen Vorkriegszeit die aber eben durch die Verwendung der Gewaltmotive schon den Terror und die Gewalt des Krieges in sich trug Klarheit entsteht erst mit dem Eintritt des Trios das von den zwei Hauptsatzen eingeschlossen wird ein schriller Walzer voller Klange die an Militarsignale erinnern eingebettet in eine gnadenlose Motorik 3 Satz Adagio Bearbeiten Im dritten Satz tritt eine Choralsatzstruktur auf Der Eindruck einer Kirchenorgel wird durch die Dominanz von Holzblasern verstarkt Dies kann zwei Hinweise beinhalten Einerseits ist die Wiederaufnahme der Glockensymbolik als bedeutender Teil der russischen Musiktradition Symbol des Volkes andererseits sind Anklange an Strawinskis Psalmensinfonie unverkennbar Der dritte Satz in der Psalmensinfonie kann so auch durchaus interessant fur eine Deutung von Schostakowitschs Siebter sein da auch Strawinski den Inhalt der Musik den 150 Psalm deutlich durch die zuruckhaltende Komposition kontrastierte Ein fur Schostakowitsch typisches Stilmittel findet sich schliesslich im Trio des Satzes ein Zirkusmarsch Zirkusmarsche bzw Grotesken von Militarmarschen dienten ihm immer als Symbolik einer selbstherrlichen Fuhrung Besonders deutlich wird dies zum Beispiel im funften Satz der 9 Sinfonie 4 Satz Allegro non troppo Bearbeiten Der letzte Satz sollte das buchstabliche Finale einer Kriegssinfonie darstellen also den Sieg Tatsachlich scheint es so als wurde Schostakowitsch das anfanglich einzige Thema immer starker verdichten Allerdings tritt an die Stelle des heroischen Sieges ein ebenfalls typisches Stilmittel fur die Kompositionen Schostakowitschs eine langsame barocke Form hier eine Sarabande Diese barocken Formen tauchen vor allem in den Kriegskompositionen gehauft auf und sind immer Mittel der Trauer Schostakowitsch kontrastiert diese Trauermelodien gerne mit grotesken Formen und stellt so einen direkten Zusammenhang dar In den Kriegssinfonien vor allem in der achten stehen diese langsamen barocken Formen immer Zirkusmarschen und Ahnlichem gegenuber Es wird so das Leiden von unzahligen Menschen verdeutlicht das durch die Zirkusmarsche und Militaranklange in direktem Zusammenhang mit der brutalen Gewalt durch die Ausloser des Krieges gestellt wird Orchesterbesetzung BearbeitenPiccoloflote 2 grosse Floten zweite auch Altflote 2 Oboen Englischhorn kleine Klarinette in Es 2 Klarinetten in B und A Bassklarinette in B 2 Fagotte Kontrafagott 4 Horner 3 Trompeten 3 Posaunen Basstuba Pauken grosse und kleine Trommel Triangel Becken Xylophon Tamtam Tamburin Klavier 2 Harfen I und II Violinen Bratsche Violoncello Kontrabass Fernorchester mit 4 Hornern 3 Trompeten 3 PosaunenLeningrader Premiere und Rezeption BearbeitenDie Premiere der 7 Sinfonie im belagerten Leningrad fand am 9 August 1942 statt Sie wurde auch von allen sowjetischen Rundfunksendern und mit Lautsprechern in der Stadt ubertragen und war auch von den deutschen Truppen zu horen Die Auffuhrung des Leningrader Rundfunkorchesters unter Leitung von Karl Eliasberg wurde zu einer staatlich organisierten und von der Roten Armee ermoglichten Auffuhrung die in ihrer Dramatik vielleicht einem Traum von Wagner Skriabin Awraamow oder Stockhausen hatte entspringen konnen Der sowjetische Oberbefehlshaber der Leningrader Front General Goworow befahl eine vorhergehende Bombardierung deutscher Artilleriestellungen um einen ungestorten Empfang der Sinfonie zu gewahrleisten Mit ein paar wenigen Korrekturen wurde diese Sinfonie zu einem wahren Symbol des Antifaschismus nicht nur in der Sowjetunion sondern auch in den USA Dabei wurde der Bolero Teil eindeutig als Parodie auf die deutschen Angreifer interpretiert Dafur steht schon die Melodie dieses Teils die dann auch in den folgenden Variationen einen stumpfen sklavischen gedanken und talentlosen hochst unkreativen Fleiss verkorpert Andererseits erkennt man hier das fur Schostakowitsch typisch verbissene Groteske das man ebenso gut als gegen russische Kommunisten und Stalin personlich gerichtet wahrnehmen kann 5 Das Gemalde Musik Music von Janet Sobel 1944 war von Schostakowitschs siebter Sinfonie inspiriert die in einer von Krieg und Blutvergiessen zerrissenen Welt handelt Seine Musik hat mich so angeregt und ich habe versucht diese Gefuhle in meinem Bild darzustellen erzahlte sie Sidney Janis 6 Literatur Bearbeiten chronologisch Heinz Alfred Brockhaus Die Sinfonik Dimitri Schostakowitschs Berlin 1962 DNB 481869654 Karen Kopp Form und Gehalt der Sinfonien des Dmitrij Schostakowitsch Verlag fur Systematische Musikwissenschaften Bonn 1990 ISBN 3 922626 53 X Michael Koball Pathos und Groteske Die Deutsche Tradition im symphonischen Schaffen von Dmitri Schostakowitsch Kuhn Berlin 1997 ISBN 3 928864 50 5 Solomon Wolkow Hrsg Die Memoiren des Dmitri Schostakowitsch Propylaen Munchen 2000 ISBN 3 549 05989 2 Anne Shreffler Denkmal wider Willen Der Komponist der Leningrader Sinfonie In Hans Joachim Hinrichsen Laurenz Lutteken Hrsg Zwischen Bekenntnis und Verweigerung Schostakowitsch und die Sinfonie im 20 Jahrhundert Schweizer Beitrage zur Musikforschung 3 Barenreiter Verlag Kassel 2005 ISBN 3 7618 1830 0 S 98 121 Matthias Stadelmann Von Leningrad nach Babij Jar Dmitrij Sostakovics symphonische Auseinandersetzungen mit Krieg und Vernichtung in der Sowjetunion In Frank Gruner Urs Heftrich Heinz Dietrich Lowe Hrsg Zerstorer des Schweigens Formen kunstlerischer Erinnerung an die nationalsozialistische Rassen und Vernichtungspolitik in Osteuropa Bohlau Koln 2006 ISBN 3 412 36105 4 S 419 440 Solomon Wolkow Stalin und Schostakowitsch List Berlin 2006 ISBN 3 548 60655 5 Belletristische und filmische Rezeption BearbeitenSachar Agranenko Regie Leningrader Sinfonie 1957 Sowjetunion Mosfilm 95 Min Spielfilm uber die erste Auffuhrung der 7 Sinfonie in belagerten Leningrad Sarah Quigley Der Dirigent Aufbau Berlin 2012 ISBN 978 3 351 03502 0 Roman uber die Entstehung der 7 Sinfonie Carsten Gutschmidt Christian Frey Regie Leningrad Symphonie eine Stadt kampft um ihr Leben 2017 Deutschland 90 Min Spielfilm mit Dokumentarszenen und Zeitzeugen Interviews NDR arte u a Senderangaben bei arte tv Memento vom 27 Februar 2018 im Internet Archive Feb 2018 Trailer nicht mehr verfugbar Produktion Gebruder Beetz FilmproduktionWeblinks BearbeitenVideo Schostakowitsch spielt Klavierauszuge aus seiner 7 Sinfonie 1941 Noten Arrangement fur Klavier zu vier Handen von L Atovmyan Chicago Symphony Orchestra Leonard Bernstein Einzelnachweise Bearbeiten Zitiert nach seinem Artikel auf S 3 der Prawda vom 29 Marz 1942 1 Dmitri Schostakowitsch Siebente Sinfonie als Ankundigung der abendlichen Erstauffuhrung in Moskau Krzysztof Meyer Schostakowitsch Sein Leben sein Werk seine Zeit Lubbe Bergisch Gladbach 1995 ISBN 3 7857 0772 X S 279 L Mikheeva Schostakowitsch Sinfonie Nr 7 In belcanto ru russisch Michael Rofe Dimensions of Energy in Shostakovich s Symphonies Ashgate Publishing Farnham 2012 ISBN 978 1 4094 0745 4 S 89 Boris Yoffe Im Fluss des Symphonischen Eine Entdeckungsreise durch die sowjetische Symphonie Wolke Verlag Hofheim am Taunus 2014 ISBN 978 3 95593 059 2 S 101 Inhaltsverzeichnis und Vorwort Memento vom 21 Dezember 2016 im Internet Archive Levin Gail Janet Sobel Primitivist Surrealist and Abstract Expressionist Hrsg Woman s Art Journal Band 26 2006 S 8 doi 10 2307 3566528 Sinfonien von Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch Nr 1 f Moll Nr 2 H Dur Nr 3 Es Dur Nr 4 c Moll Nr 5 d Moll Nr 6 h Moll Nr 7 C Dur Nr 8 c Moll Nr 9 Es Dur Nr 10 e Moll Nr 11 g Moll Nr 12 d Moll Nr 13 b Moll Nr 14 g Moll Nr 15 A Dur Normdaten Werk GND 30015111X lobid OGND AKS LCCN n81104119 VIAF 301933042 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title 7 Sinfonie Schostakowitsch amp oldid 231310180