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Die 9 Sinfonie Es Dur Opus 70 von Dmitri Schostakowitsch entstand in den Jahren 1944 und 1945 Es handelt sich um eine funfsatzige Sinfonie mit einem Kopfsatz in klassischer Sonatensatzform Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Charakteristik 3 Besetzung 4 Analyse 4 1 1 Satz Allegro 4 2 2 Satz Moderato 4 3 3 Satz Presto 4 4 4 Satz Largo 4 5 5 Satz Allegretto 5 Folgen der Sinfonie 6 Literatur 7 EinzelnachweiseEntstehung BearbeitenPlane fur eine neunte Sinfonie entwickelte Schostakowitsch schon im Fruhjahr 1944 Ursprunglich sollte sie nicht nur orchestral besetzt sein sondern auch einen Chor beinhalten Mit dem Sieg der Roten Armee uber Hitlerdeutschland im Mai 1945 verstarkte sich der Druck auf Schostakowitsch nach seinen beiden Kriegssinfonien der 7 und der 8 nun eine Siegessinfonie zu komponieren Hinzu kam dass sich der Personenkult um Stalin nach Ende der Kampfhandlungen wieder verstarkte und dieser nun ein heroisches Werk erwartete Die Zahl 9 die seit Beethovens neunter Sinfonie einen besonderen Anspruch erforderte erhohte den Druck auf Schostakowitsch noch zusatzlich Es wurde ein Werk erwartet das alles bisher Gewesene ubertreffen sollte Die Antwort Schostakowitschs auf diese Erwartungen war uberraschend die politischen Reaktionen fuhrten zu einer langen Pause im sinfonischen Schaffen Schostakowitschs der seine nachste Sinfonie erst nach dem Tod Stalins verfasste Charakteristik BearbeitenSchostakowitsch stiess mit seiner Sinfonie die Fuhrung der Sowjetunion auf vielerlei Art vor den Kopf Mit der Verwendung der Tonart Es Dur nahm er zwar den geforderten heroischen Charakter einer Siegessinfonie auf fuhrte aber die Erwartungen die sich mit dieser Tonart verbanden ad absurdum Die Mittel dazu waren einerseits die strenge Form die sich bereits seit Beethoven aufloste und in der Musik des 20 Jahrhunderts ausserst unublich war Des Weiteren ist die Sinfonie im Vergleich zu ihren Vorgangern extrem kurz Die lehrbuchgleiche Anwendung einer strengen Form paart sich mit der Verwendung geradezu stupider musikalischer Mittel scheinbar sinnloser Laufe und sarkastisch ubersteigerter Allegri Diese musikalischen Mittel steigert Schostakowitsch im Laufe der Sinfonie zu einem Zirkusmarsch an der Stelle an der ein heroisches Finale stehen sollte Trotz aller scheinbarer Oberflachlichkeit und Stupiditat finden sich auch klassische Motive die Schostakowitsch in der Zeit des stalinistischen Terrors immer wieder verwendete etwa die Darstellung von ubermachtigen Bedrohungen mit Hilfe primitiver Akkorde und einer gewalttatigen Asthetik der Musik Besetzung Bearbeiten3 Floten 3 Piccolo 2 Oboen 2 Klarinetten in A und B 2 Fagotte 4 Horner 2 Trompeten 3 Posaunen Tuba Pauken Schlagwerk kleine Trommel grosse Trommel Becken Triangel Tamburin StreicherAnalyse Bearbeiten1 Satz Allegro Bearbeiten nbsp source Die Audiowiedergabe wird in deinem Browser nicht unterstutzt Du kannst die Audiodatei herunterladen Der erste Satz steht in der Grundtonart Es Dur welche hier zweierlei Moglichkeiten zur Interpretation bietet Einerseits kann Es Dur durch die historische Vorbelastung durch Beethoven und Bezuge auf Napoleon eine Anspielung auf den Personenkult Stalins nach dem Sieg der Roten Armee sein andererseits verfehlt der erste Satz die Tonart der 9 Sinfonie Beethovens d Moll um einen halben Ton und zieht damit die durch die sowjetische Staatsfuhrung aufgestellten Anforderungen an die Sinfonie ins Absurde Der erste Satz ist betont einfallslos gehalten Eine dialogische Struktur die von Streichern und Floten bestimmt wird ist dominierend Charakteristisch sind die resoluten Quartsprunge die den grotesken Heroismus einer Zirkusmusik vorwegnehmen aber auch an die Leningrader Sinfonie erinnern in denen diese Quartsprunge ein Symbol der Gewalt darstellen Formal folgt der erste Satz ausserst orthodox dem Aufbau eines klassischen Sonatenhauptsatzes Bisher aber ist nicht erkannt worden dass Schostakowitsch hier das Lied Lob des hohen Verstandes aus Gustav Mahlers Des Knaben Wunderhorn zitiert in dem der Esel entscheidet dass der Kuckuck schoner singe als die Nachtigall Hinweise dazu gibt der Artikel von Jakob Knaus in der Neuen Zurcher Zeitung vom 29 Oktober 2016 unter dem Titel Das Geheimnis von Schostakowitschs 9 Sinfonie Der Weiseste der Weisen ein Esel Stalin war nach Ende des Zweiten Weltkriegs als grosser Sieger und als Weisester der Weisen bezeichnet worden 1 2 Satz Moderato Bearbeiten nbsp source Die Audiowiedergabe wird in deinem Browser nicht unterstutzt Du kannst die Audiodatei herunterladen Der zweite Satz passt sich ebenfalls dem Aufbau einer klassischen Sinfonie an In diesem ist jedoch nichts von Groteske oder Absurditat zu spuren Vielmehr ist er durch bedrohende und klagende Motive bestimmt Zwei klagende Motive werden entwickelt die beide von gedampften Holzblasern gepragt sind Diesen gesellt sich in Takt 99 ein drittes hinzu das bei Schostakowitsch oft verwendete bedrohliche Motive verwendet Hier sind es chromatisch ansteigende Streicher die in ein langgestrecktes Crescendo eingebettet sind Dieses dritte Motiv kann man als eine Sarabande ansehen Barocke Formen verwendete Schostakowitsch schon in den vorhergehenden beiden Kriegssinfonien als Ausdrucksmittel fur Leid Trauer Gewalt und Brutalitat Generell ist der zweite Satz von einer tiefen Ernsthaftigkeit gepragt die den ersten denkbar stark kontrastiert Diese bei Schostakowitsch oft zu findende Herangehensweise ist auf die Notwendigkeit zuruckzufuhren der Trauer und dem Leid einfacher Menschen die auslosende Gewalt der Herrschenden gegenuberzustellen 3 Satz Presto Bearbeiten nbsp source Die Audiowiedergabe wird in deinem Browser nicht unterstutzt Du kannst die Audiodatei herunterladen Das Scherzo des dritten Satzes kontrastiert den zweiten wiederum ausserst stark Es ist dreiteilig angelegt zwei Hauptsatze betten ein Trio in der Mitte des Scherzos ein Das Trio ist wiederum marschartig Interessant ist in diesem Marsch die anfangliche Tonart fis Moll die in der Romantik als Tonart des Todes galt Der Satz endet in einer dem Scherzo Charakter stark widersprechenden Stimmung die auf den vierten Satz hinleitet 4 Satz Largo Bearbeiten nbsp source Die Audiowiedergabe wird in deinem Browser nicht unterstutzt Du kannst die Audiodatei herunterladen Der vierte Satz verarbeitet dialektisch die zwei Aspekte des Krieges Ein martialisches Fanfaren Thema eroffnet den Satz und wird in Takt 10 nach einem Beckenschlag von einem stark melodiosen und sehr innigen Thema kontrastiert das von nur einem Fagott vorgetragen wird Die dialogische Struktur aus dem nur massig variierenden Fanfaren Thema und der Fagott Melodie setzt sich uber den gesamten Satz fort Auffallig ist die unterschiedliche Behandlung der Dynamik Wahrend das Fanfarenthema weitestgehend einheitlich in Fortissimo gehalten ist weist das Fagott Thema ein breiteres Spektrum auf Der Satz endet mit einem an eine Erstickung erinnernden Decrescendo 5 Satz Allegretto Bearbeiten nbsp source Die Audiowiedergabe wird 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Schdanow Referaten 1948 die neuerliche Verfolgung Nach der neunten Sinfonie legte Schostakowitsch eine lange Pause in seinem sinfonischen Schaffen ein Als grosse Ausnahme kann das oft als Sinfonie mit einer Solo Violinstimme bezeichnete 1 Violinkonzert op 77 bezeichnet werden das sich mit der Situation der Juden in der Sowjetunion nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der einsetzenden antisemitischen Stimmung auseinandersetzt Das Konzert wurde aufgrund der politischen Situation erst zwei Jahre nach Stalins Tod 1953 uraufgefuhrt Die mit der Verwendung des DSCH Motivs an das Violinkonzert anknupfende 10 Sinfonie folgte erst nach dem Tod Stalins und gilt als Abrechnung mit dem Diktator Literatur BearbeitenHeinz Alfred Brockhaus Die Sinfonik Dmitri Schostakowitschs Diss Berlin Humboldt Universitat 1962 DNB 481869654 Lutz Werner Hesse Schostakowitsch und Mahler in Klaus Wolfgang Niemoller Vsevolod Zaderackij Hg Internationales Dmitri Schostakowitsch Symposium Koln 1985 Regensburg 1986 S 327 335 Wolfgang Osthoff Symphonien beim Ende des Krieges Strawinsky Frommel Schostakowitsch in Acta Musicologica 1988 S 62 104 Karen Kopp Form und Gehalt der Symphonien des Dmitrij Schostakowitsch Bonn 1990 Michael Koball Pathos und Groteske Die Deutsche Tradition im symphonischen Schaffen von Dmitri Schostakowitsch Kuhn Berlin 1997 ISBN 3 928864 50 5 im Buchhandel vergriffen Bezug uber den Autor moglich Solomon Wolkow Hg Die Memoiren des Dmitri Schostakowitsch Munchen 2000 Solomon Wolkow Stalin und Schostakowitsch Berlin 2004 Dorothea Redepennig Ricorda cosa ti hanno fatto in Auschwitz Musik gegen Gewalt und Krieg in Osteuropa 4 6 2005 S 281 307 Einzelnachweise Bearbeiten Jakob Knaus Der Weiseste der Weisen ein Esel Ein mutiges Geheimnis in der 9 Sinfonie von Dimitri Schostakowitsch In Neue Zurcher Zeitung 29 Oktober 2016 S 26 Sinfonien von Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch Nr 1 f Moll Nr 2 H Dur Nr 3 Es Dur Nr 4 c Moll Nr 5 d Moll Nr 6 h Moll Nr 7 C Dur Nr 8 c Moll Nr 9 Es Dur Nr 10 e Moll Nr 11 g Moll Nr 12 d Moll Nr 13 b Moll Nr 14 g Moll Nr 15 A Dur Abgerufen von https de wikipedia org w index php title 9 Sinfonie Schostakowitsch amp oldid 238898824