www.wikidata.de-de.nina.az
Die 1908 bis 1910 erbaute Westend Synagoge ist die grosste Synagoge in Frankfurt am Main und das geistliche Zentrum des judischen Gemeindelebens der Stadt Als einzige von ehemals vier grossen Synagogen uberstand sie schwer beschadigt die Novemberpogrome 1938 und die Bombenangriffe des Zweiten Weltkrieges Bis zum Untergang des judischen Lebens in Frankfurt in der Zeit des Nationalsozialismus diente sie dem liberalen Reformflugel als Gotteshaus 1950 wurde sie nach provisorischer Renovierung wiedereingeweiht und von 1989 bis 1994 originalgetreu restauriert Westendsynagoge von Sudwesten Marz 2012 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Bis zur Vernichtung der judischen Gemeinde 1 2 Die neue judische Gemeinde 2 Siehe auch 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenNach der Aufhebung des Ghettozwangs 1806 verliessen die Wohlhabenden unter den Frankfurter Juden die ehemalige Judengasse mit ihren beengten unhygienischen Wohnverhaltnissen Wahrend sie anfangs vor allem in der ostlichen Innenstadt und im Ostend siedelten zogen ab etwa 1860 viele die sich dem liberalen Burgertum zurechneten ins neu entstandene Westend 1908 begann der Bau einer Synagoge in der Freiherr vom Stein Strasse Die Plane zu dem Jugendstilbau mit assyrisch agyptischen Anklangen stammten von dem Architekten Franz Roeckle einem spateren NSDAP Mitglied 1 Der eigentliche Synagogenbau an der Altkonigstrasse mit seiner reprasentativen Kuppel wurde am 28 September 1910 eingeweiht Sie war die vierte grosse Synagoge in Frankfurt und die erste ausserhalb der historischen Stadtmauern Anders als bei den orthodoxen Synagogen bei denen Frauen nur zur Empore Zutritt hatten war der Innenraum fur Manner und Frauen gleichermassen zuganglich Die Sitzreihen waren jedoch nach Geschlechtern getrennt wobei den Mannern die rechte und den Frauen die linke Halfte der Synagoge vorbehalten war Im Innenraum und auf der Empore hatten insgesamt 1600 Besucher Platz Damit war die Westendsynagoge nach der streng orthodoxen Synagoge an der Friedberger Anlage die zweitgrosste Synagoge Frankfurts Im rechten Winkel zur Synagoge lag entlang der Freiherr vom Stein Strasse eine einstockige Vorhalle die einen kleinen Innenhof umschloss Im Gebaudeflugel an der Ecke Freiherr vom Stein Strasse Friedrichstrasse befanden sich Neben und Verwaltungsraume eine kleine Wochentagssynagoge Versammlungssale sowie die Wohnungen fur Hausmeister und Rabbiner Bereits 1909 erhielt die Westend Synagoge eine Orgel erbaut von der Orgelbaufirma E F Walcker aus Ludwigsburg Das Instrument hatte 46 Register auf drei Manualwerken und Pedal Die Spiel und Registertrakturen waren elektrisch 1938 wurde das Instrument zerstort 2 Disposition der Walcker Orgel 1909 1938 I Hauptwerk C g3Bordun 16 Prinuipal 8 Konzertflote 8 Bourdon 8 Dulciana 8 Viola di Gamba 8 Oktave 4 Rohrflote 4 Oktave 2 Mixtur V 2 2 3 Kornett III V 8 Trompete 8 II Manualwerk C g3Bourdon 16 Geigenprincipal 8 Flauto amabile 8 Viola 8 Salicional 8 Quintaton 8 Traversflote 4 Pikkolo 2 Sesquialtera II 2 2 3 Klarinette 8 III Schwellwerk C g3Lieblich Gedeckt 16 Flotenprinzipal 8 Fugara 8 Gedeckt 8 Aeoline 8 Flute harmonique 8 Voix celeste 8 Geigenprinzipal 4 Flauto dolce 4 Flautino 2 Harmonia aetheria IIIBasson 16 Oboe 8 Trompette harmonique 8 Clairon 4 Pedal C f1Kontrabass 16 Violonbass 16 Subbass 16 Gedacktbass 16 Oktavbass 8 Cello 8 Flotenbass 8 Oktave 4 Posaune 16 Koppeln Normalkoppeln II I III I III II I P II P III P Suboktavkoppeln III I Superoktavkoppeln III I Am 10 November 1938 verschaffte sich wahrend der Novemberpogrome ein Trupp SA Manner gegen den Widerstand des christlichen Hausmeisters gewaltsam Zutritt und legte Feuer im Innenraum Die herbeigeeilte Feuerwehr loschte anders als bei den ubrigen Frankfurter Synagogen den Brand anstatt sich darauf zu beschranken sein Ubergreifen auf die benachbarten Gebaude zu verhindern Dadurch blieb die Synagoge als einzige in Frankfurt erhalten obwohl das Dach und der Innenraum durch das Feuer schwer beschadigt und die Synagoge unbenutzbar geworden war Bis zur Vernichtung der judischen Gemeinde Bearbeiten Unmittelbar nach dem Brand setzte sich der Terror gegen die judische Gemeinde fort Der liberale Rabbiner der Westendsynagoge Georg Salzberger wurde im Konzentrationslager Dachau inhaftiert Nach seiner Freilassung im April 1939 gelang ihm die Emigration nach England wo er Rabbiner der deutschsprachigen judischen Gemeinde Londons wurde Im sogenannten Judenvertrag vom 3 April 1939 wurde die judische Gemeinde Frankfurts gezwungen ihre samtlichen Liegenschaften weit unter Wert an die Stadt Frankfurt zu verkaufen Die Abrisskosten der zerstorten Synagogen deren Trummer bereits im Januar 1939 beseitigt worden waren wurden der Gemeinde vom Verkaufserlos abgezogen Die ausserlich kaum beschadigte Westendsynagoge blieb nach dem zwangsweisen Verkauf als einzige vom Abriss verschont Wahrend des Zweiten Weltkrieges diente sie als Mobellager fur bombengeschadigte Frankfurter Burger sowie als Kulissenlager fur die Oper Frankfurt Im Marz 1944 wurde sie durch Bomben getroffen die erheblichen weiteren Schaden anrichteten Die Israelitische Gemeinde und die 1852 von ihr abgespaltene orthodoxe Israelitische Religionsgesellschaft wurden 1939 durch die Nationalsozialisten zwangsweise zur Judischen Gemeinde vereinigt Zwischen Oktober 1941 und September 1942 wurden uber 10 000 in Frankfurt gebliebene Juden in insgesamt zehn Transporten deportiert zumeist nach Theresienstadt oder nach Majdanek Nach dem letzten Transport blieben weniger als 300 Juden in der Stadt zuruck die zumeist in sogenannten Mischehen lebten oder Angestellte der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland waren und Zwangsarbeit leisten mussten Bis Mitte Marz 1945 zwei Wochen vor der Besetzung Frankfurts durch amerikanische Truppen am 26 Marz 1945 erfolgten immer wieder Deportationen z T von Einzelpersonen aber auch grossere Transporte mit bis zu 300 Juden aus Frankfurt und Umgebung Uber 11 000 Deportierte kamen in den Vernichtungslagern um etwa 400 waren bei der Befreiung der Lager noch am Leben In Frankfurt selbst lebten bei Kriegsende noch etwa 160 Juden Die neue judische Gemeinde Bearbeiten nbsp Gebetsraum nbsp Toraschrein mit Ner Tamid und BimaBereits unmittelbar nach Kriegsende grundete die von der amerikanischen Armee eingesetzte neue Stadtregierung eine Judische Betreuungsstelle der Stadt Frankfurt am Main die sich um die Uberlebenden kummerte Bis zum Sommer kehrten rund 400 Uberlebende in die Stadt zuruck Am 12 September 1945 5 Tischri 5706 nach judischem Kalender fand der erste Gottesdienst in der schwer beschadigten Westendsynagoge statt Die Predigt hielt Rabbiner Leopold Neuhaus der von 1939 bis 1942 letzter Frankfurter Rabbiner gewesen war und den Krieg im Konzentrationslager Theresienstadt uberlebt hatte Viele Mitglieder der neu gegrundeten Judischen Kultusgemeinde darunter auch Rabbiner Neuhaus wanderten in den folgenden Jahren nach Amerika oder Palastina aus Stattdessen kamen bis 1949 uber 5000 Displaced Persons aus Osteuropa nach Frankfurt ehemalige KZ Haftlinge oder Zwangsarbeiter die nicht in ihre Heimatlander zuruckkehren konnten oder wollten und von der amerikanischen Armee in einem DP Lager in Frankfurt Zeilsheim untergebracht wurden Einige blieben in Frankfurt und wanderten nicht aus Sie bildeten den Kern der neuen judischen Gemeinde Frankfurts die bis 1949 auf uber 2000 Personen anwuchs Am 6 September 1950 fand die Einweihung der wiederaufgebauten Synagoge statt Zur Einweihung war ein Synagogenchor aus Paris gekommen und der ehemalige Rabbiner der Westendsynagoge Georg Salzberger der inzwischen in London lebte hielt eine Ansprache in der er den vielen nicht aus Frankfurt stammenden Juden einen Einblick in das judische Leben in Frankfurt vor dem Holocaust gab Die Weiherede hielt der Landes und Gemeinderabbiner Wilhelm Weinberg der als Nachfolger von Neuhaus nach Frankfurt gekommen war Im Inneren der Synagoge war die ehemalige Pracht der Nuchternheit der funfziger Jahre gewichen Architekten des Wiederaufbaus waren Max Kemper und Werner Hebebrand Die Bauleitung hatte Hans Leistikow der auch die neuen Glasfenster schuf Viele Renovierungsmassnahmen blieben provisorisch da zum einen wenige Jahre nach Kriegsende das Geld in der schwer zerstorten Stadt fehlte zum anderen kaum jemand an eine Zukunft der judischen Gemeinde in Frankfurt nach dem Holocaust glaubte Von 1988 bis 1994 erfolgte nach Planen des Architekten Henryk Isenberg eine umfassende Renovierung der Synagoge Als dabei unter dem Putz und den Verschalungen des Wiederaufbaus wider Erwarten viel originale Bausubstanz zum Vorschein kam entschloss man sich zu einer historisch genaueren Rekonstruktion des Baus 3 Die Baukosten von 8 5 Millionen Mark teilten sich der Bund das Land Hessen die Stadt Frankfurt und die judische Gemeinde Am 29 August 1994 wurden die Renovierungsarbeiten feierlich abgeschlossen Siehe auch BearbeitenJudische Gemeinde Frankfurt am Main Hauptsynagoge Frankfurt Borneplatzsynagoge Jeschiwa Gedolah FrankfurtLiteratur BearbeitenFrankfurter Historische Kommission Hrsg Frankfurt am Main Die Geschichte der Stadt in neun Beitragen Veroffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission Band XVII Jan Thorbecke Sigmaringen 1991 ISBN 3 7995 4158 6 Georg Heuberger Hrsg Wer ein Haus baut will bleiben 50 Jahre Judische Gemeinde Frankfurt am Main Anfange und Gegenwart Societats Verlag Frankfurt am Main 1998 ISBN 3 7973 0692 X Georg Heuberger Hrsg Und keiner hat fur uns Kaddisch gesagt Deportationen aus Frankfurt am Main 1941 bis 1945 Stroemfeld Verlag Frankfurt am Main Basel 2005 ISBN 3 8787 7045 6 Rachel Heuberger Helga Krohn Hinaus aus dem Ghetto Juden in Frankfurt am Main 1800 1950 Begleitbuch zur standigen Ausstellung des Judischen Museums S Fischer Verlag Frankfurt am Main 1997 ISBN 3 1003 1407 7 Eugen Mayer Die Frankfurter Juden Frankfurt am Main 1966 Waldemar Kramer Verlag Wolf Christian Setzepfandt Architekturfuhrer Frankfurt am Main Architectural Guide 3 Auflage Dietrich Reimer Verlag Berlin 2002 ISBN 3 496 01236 6 S 41 deutsch englisch Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Westend Synagoge Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Judische Gemeinde Frankfurt am Main K d o R Das judische Informationsportal uber Frankfurt am Main Dem Abriss entgangen Artikel der FAZ vom 8 November 2006 Die Westendsynagoge im Portal Frankfurt am Main 1933 1945 Landesamt fur Denkmalpflege Hessen Hrsg Westend Synagoge In DenkXweb Online Ausgabe von Kulturdenkmaler in HessenEinzelnachweise Bearbeiten Sacha Roesler Festung der Wissenschaft Das erste Gebaude des Frankfurter Instituts fur Sozialforschung und sein mehrdeutiger Charakter in Neue Zurcher Zeitung vom 3 November 2012 S 65 Informationen zur Walcker Orgel FAZ vom 26 Oktober 2010 Seite 29 Eine Zuflucht in der Schwere unserer TageSynagogen und ehemalige Synagogen in Frankfurt am Main Westend Synagoge Baumweg Synagoge Ehemalige Synagogen Borneplatzsynagoge Hauptsynagoge Synagoge Friedberger Anlage Synagoge Schutzenstrasse Synagoge UnterlindauStadtteile Synagoge Bergen Synagoge Bockenheim Synagoge Griesheim Synagoge Heddernheim Synagoge Hochst Synagoge Niederursel Synagoge Rodelheim 50 121111111111 8 6644444444444 Koordinaten 50 7 16 N 8 39 52 O Normdaten Geografikum GND 7749553 6 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Westend Synagoge amp oldid 237613326