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Die Tschechoslowakische Hussitische Kirche Tschechisch Cirkev ceskoslovenska husitska CCSH bis 1971 nur Tschechoslowakische Kirche Cirkev ceskoslovenska CCS ist eine christliche Kirche die in den Jahren 1919 20 durch Abspaltung von der romisch katholischen Kirche entstanden ist Die oft auch Neuhussitische Kirche genannte Glaubensgemeinschaft ist vornehmlich in Tschechien verbreitet aber auch in der Slowakei gibt es einige Gemeinden Sie beruft sich auf die Traditionen des bohmischen Reformators Jan Hus 2011 gehorten ihr rund 39 000 Glaubige an 1 St Nikolaus in der Altstadt in Prag die Hauptkirche der Neuhussiten in der tschechischen HauptstadtSeit 2006 fuhrt Tomas Butta als Patriarch die Neuhussitische Kirche Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Kirchenorganisation 3 Lehre und Gottesdienst 4 Patriarchen 5 Okumene 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenEin Teil des tschechischsprachigen Klerus in Bohmen und Mahren wurde Ende des 19 Jahrhunderts zunehmend unzufriedener mit dem Erscheinungsbild der katholischen Kirche in Osterreich Ungarn Schon die Resultate des Ersten Vatikanischen Konzils waren von vielen liberal eingestellten tschechischen Priestern mit Unwillen zur Kenntnis genommen worden Diese Kleriker waren auch der Meinung dass die katholische Kirche das bestehende politische System der Donaumonarchie und damit die Vorherrschaft der Deutschen und Ungarn stutzte wahrend sie mit den Politikern sympathisierten die Veranderungen zu Gunsten der Tschechen und der anderen slawischen Volker forderten 1890 grundeten liberale tschechische und slowakische Geistliche die Priestervereinigung Jednota Einheit die fur eine Modernisierung und Demokratisierung der katholischen Kirche eintrat Sie forderten unter anderem die Einfuhrung der Volkssprache in der Messe die Abschaffung des Pflichtzolibats und die Annaherung an die Orthodoxen Kirchen Der Episkopat und der Heilige Stuhl versuchten diese Bewegung zu unterdrucken Unter den Glaubigen hatten die in der Jednota organisierten Geistlichen zunachst relativ wenige Anhanger Dies anderte sich im Verlaufe des Ersten Weltkriegs als sich die grosse Mehrheit der Tschechen gegen die Monarchie stellte und die Grundung eines unabhangigen Staates vorbereitete Man wandte sich dabei auch gegen den habsburgtreuen katholischen Episkopat Der innerkirchliche Konflikt eskalierte nach der Ausrufung der unabhangigen tschechoslowakischen Republik In der Weihnachtszeit 1919 begannen die Jednota Priester Messen in tschechischer Sprache zu lesen und im Januar 1920 vollzog der radikale Flugel der modernistischen Reformbewegung der sich Ohnisko dt Brennpunkt nannte mit Karel Farsky an der Spitze das Schisma und grundete die Tschechoslowakische Kirche Farsky wurde spater zum ersten Patriarchen der neuen Kirche gewahlt Von der Regierung der Republik wurde die neue Kirche unverzuglich anerkannt moglicherweise auch weil sie sich durch die Errichtung einer Nationalkirche eine Festigung der damals politisch gewunschten tschechoslowakischen Nation versprach Der Glaubensgemeinschaft wurden einige Dutzend Kirchengebaude ubertragen Der Hl Stuhl brach daraufhin die diplomatischen Beziehungen ab und rief den Nuntius aus Prag zuruck Wahrend die katholische Kirche der Ersten Republik sehr distanziert gegenuberstand weil sie deren Laizismus ablehnte bejahte die Neuhussitische Kirche die politische Ordnung der CSR vorbehaltlos und sah sich als Nationalkirche des neuen Staates Der Neuhussitischen Kirche schlossen sich vor allem tschechische Christen an dazu kamen einige Slowaken wahrend die Angehorigen der deutschen und der ungarischen Minderheit der tschechoslowakischen Nationalkirche eher reserviert gegenuber standen Die meisten Neuhussiten waren vorher katholisch gewesen aus den Reihen der kleinen evangelischen Kirchen der bohmischen Lander und der Slowakei gab es nur wenige Ubertritte Um 1930 hatte die Tschechoslowakische Kirche uber 300 000 Mitglieder seitdem sank die Zahl der Glaubigen 1947 wurde die Frauenordination zugelassen 1999 wurde mit Jana Silerova die erste Bischofin geweiht Unter der kommunistischen Herrschaft war das Verhaltnis der Tschechoslowakischen Kirche zum Staat ambivalent Die Neuhussiten hatten weniger Repressionen zu erleiden als die Katholiken deren Klerus eindeutig Position gegen die Kommunisten bezogen hatte Die Neuhussitische Kirche wurde von diesen als religioses Feigenblatt instrumentalisiert wahrend sie sonst eine extrem kirchenfeindliche Linie verfolgten So bekam die Tschechoslowakische Kirche in der so genannten Phase der Normalisierung nach dem Prager Fruhling eine eigene theologische Fakultat an der Prager Karls Universitat Die kommunistischen Machthaber deuteten zudem die Hussitische Tradition in ihrem Sinne um und erklarten Jan Hus zum ersten tschechischen Revolutionar Dem konnte die Kirche in der von der KP beherrschten Offentlichkeit wenig entgegensetzen 1971 wurde die Kirche in Tschechoslowakische Hussitische Kirche umbenannt Seit dieser Zeit naherte sich die Neuhussitische Kirche den protestantischen Kirchen weiter an 1994 unterschrieb sie die Leuenberger Konkordie Kirchenorganisation BearbeitenDie Tschechoslowakische Hussitische Kirche ist eine Episkopalkirche mit starken Mitspracherechten der Laien die diese in den Altestenraten der Gemeinden und in Synoden wahrnehmen Im Jahr 2007 bestanden rund 300 Pfarrgemeinden die jeweils von einem durch alle Glaubigen gewahlten Altestenrat geleitet werden In den Gemeinden arbeiten etwa 270 Priester knapp die Halfte sind Frauen Die Kirche ist in Diozesen mit Sitz in Prag Pilsen Koniggratz Brunn Olmutz und Bratislava gegliedert Diese werden von einem gewahlten Diozesanrat mit dem Bischof an der Spitze geleitet Die Gesamtkirche wird von einem Zentralrat gefuhrt in den die Diozesanversammlungen in gleichem Verhaltnis Priester und Laien entsenden Die grundsatzlichen Entscheidungen in Bezug auf dogmatische und organisatorische Normen trifft die Kirchensynode Sie wahlt auch den Patriarchen das geistliche Oberhaupt der Neuhussitischen Kirche Zwischen den Synoden besorgt der Zentralrat die laufenden Geschafte Die Kirche hat einen Sozialdienst und ein Missionswerk Diese unterhalten einige Kindergarten Schulen Alten und Behindertenheime Der Zentralrat gibt die Kirchenzeitung Cesky zapas Tschechischer Kampf heraus Kandidaten fur den geistlichen Dienst werden an der 1950 gegrundeten Hussitischen theologischen Fakultat der Karls Universitat Prag in einem funfjahrigen Studium und in kirchlichen Kursen fur Prediger Diakone oder Pfarrer ausgebildet Lehre und Gottesdienst Bearbeiten nbsp Patriarch Tomas Butta wahrend eines GottesdienstesIn der Anfangszeit war die Neuhussitische Kirche nach gescheiterten Gesprachen uber einen Zusammenschluss mit der Serbisch Orthodoxen Kirche oder der Altkatholischen Kirche sowie einer ersten Abgrenzung zu freireligiosen Tendenzen unter dem theologischen Einfluss von Farsky stark an einer rationalistischen und unitarischen christlichen Theologie orientiert spater naherte sich die Kirche so mit den 1958 verabschiedeten Glaubenssatzen welche ein am Nicano Konstantinopolitanum orientiertes trinitarisches Glaubensbekenntnis enthalten dem christlichen Mainstream an Aufgrund ihrer Theologie und ihrer gottesdienstlichen Praxis verbindet die Neuhussitische Kirche einerseits viel mit der katholischen Kirche aus der sie einst hervorgegangen ist andererseits aber auch viel mit den evangelischen Kirchen Quell ihrer Lehren sind die Bibel und die christliche Tradition Das protestantische Prinzip sola scriptura greift also nicht Als bedeutsame Traditionen werden benannt die Zeit der altchristlichen Kirche mit den sieben okumenischen Konzilien das Werk der Slawenapostel Kyrill und Method die reformatorische Tradition insbesondere Jan Hus und die sich auf seine Lehren berufenden Utraquisten Wie Katholiken Orthodoxe und Anglikaner erkennt die Tschechoslowakische Hussitische Kirche sieben Sakramente an Wie die lutherischen und reformierten Kirchen betont sie die Gewissensfreiheit des einzelnen Glaubigen sie praktiziert die Frauenordination und betont die gleichberechtigte Mitwirkung der Laien an der Kirchenleitung Die Feier der Liturgie steht im Zentrum der gottesdienstlichen Praxis Es werden dazu zwei Formulare benutzt die viel Ahnlichkeit mit den Texten der katholischen Messe aufweisen es sind aber auch Elemente von Luthers deutscher Messe und aus der utraquistischen Tradition des 15 und 16 Jahrhunderts eingeflossen Heiligenverehrung kennt die Neuhussitische Kirche nicht Abbildungen der Heiligen im Kirchenraum werden aber nicht abgelehnt In den nach 1920 neu erbauten Kirchen wurden jedoch nur wenige Bildnisse angebracht vor allem Christusdarstellungen gelegentlich auch Bilder von Jan Hus In der kirchlichen Ikonographie spielt der Kelch eine grosse Rolle Er wird meist in Rot dargestellt wie er im 15 Jahrhundert als Feldzeichen auf den Fahnen der Hussiten benutzt wurde Man findet ihn im Kirchenraum auf den Priestergewandern den Einbanden liturgischer Bucher auf Kirchturmspitzen und auf Kirchenfahnen Patriarchen BearbeitenKarel Farsky 1924 1927 Gustav Adolf Prochazka 1928 1942 Frantisek Kovar 1946 1961 Miroslav Novak 1961 1990 Vratislav Stepanek 1991 1994 Josef Spak 1994 2001 Jan Schwarz 2001 2005 Stepan Klasek 25 Juni 2005 28 September 2006 Tomas Butta 2006 Okumene BearbeitenDie Neuhussitische Kirche ist Mitglied des Okumenischen Rats der Kirchen und der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa Literatur Bearbeiten nbsp Neuhussitische Kirche in Olmutz mit Kelch auf der TurmspitzeUlrich Daske Die Tschechoslowakische Hussitische Kirche in der deutschen theologischen Literatur und in Selbstzeugnissen Frankfurt am Main 1987 ISBN 3 8204 0912 2 Rudolf Urban Die Tschechoslowakische Hussitische Kirche Marburger Ostforschungen 34 Marburg Lahn 1973 Cirkev ceskoslovenska husitska Bohosluzebna kniha Cirkve ceskoslovenske husitske Liturgie podle patriarchy Karla Farskeho Druha liturgie CCSH Prag 2004 David Tonzar Vznik a vyvoj novodobe husitske teologie a Cirkev ceskoslovenska husitska Prag 2002 ISBN 80 246 0499 X Sigrid Troger Karl Wolfgang Troger Hrsg Kirchenlexikon Christliche Kirchen Freikirchen und Gemeinschaften im Uberblick Union Berlin 1990 ISBN 3 372 00302 0 S 227 228 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Tschechoslowakische Hussitische Kirche Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Webseite der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche Die Hussitische Theologische Fakultat der Prager Karlsuniversitat Die Tschechoslowakische Hussitische Kirche in der Slowakei slowak Die Tschechoslowakische Hussitische Kirche Beitrag des Kirchenhistorikers Prof Dr Rudolf GrulichEinzelnachweise Bearbeiten Cesky statisticky urad CSU Tschechisches Statistisches Amt Scitani lidu domu a bytu Ergebnisse der Volkszahlung 2011 Tab 604 Obyvatelstvo podle nabozenske viry Bevolkerung nach Glaubensgemeinschaften PDF 251 kB 6 Spalte von links Cirkev ceskoslovenska husitska abgerufen am 4 Mai 2013 Normdaten Korperschaft GND 80832 5 lobid OGND AKS LCCN n86106513 VIAF 124919180 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tschechoslowakische Hussitische Kirche amp oldid 238882916