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Unter einer Sternkollision versteht man in der Astronomie eine nahe Begegnung zweier Sterne in derart geringem Abstand dass sie irreversible Strukturveranderungen erleiden Man nimmt an dass solche spektakularen Ereignisse vor allem die Entwicklungsgeschichte von Kugelsternhaufen gepragt haben Inhaltsverzeichnis 1 Haufigkeit von Kollisionen bei Einzelsternen 2 Typen von Sternkollisionen 2 1 Kollision eines Hauptreihensternes mit einem Weissen Zwerg 2 2 Kollision eines Roten Riesen mit einem Weissen Zwerg 2 3 Kollision zweier Hauptreihensterne 2 4 Gezeiteneinfang 2 5 Kollision zweier Neutronensterne 3 Collisional Supernovae 4 Indizien fur Sternkollisionen in Kugelsternhaufen 5 Mogliche Kollisionen bei schwach gebundenen Doppelsternen 6 Weblinks 7 Literatur 8 EinzelnachweiseHaufigkeit von Kollisionen bei Einzelsternen BearbeitenSternkollisionen sind aufgrund der grossen Abstande zwischen Einzelsternen im Vergleich zu ihrem Durchmesser extrem seltene Ereignisse So schatzte der Astronom James Jeans bereits Anfang des 20 Jahrhunderts ab dass von den 100 Milliarden Sternen der Milchstrasse in den uber 10 Milliarden Jahren ihres Bestehens kaum ein einziger eine Kollision erlitten haben durfte In Kugelsternhaufen ist die mittlere Sterndichte mit einigen hundert Sternen pro Kubiklichtjahr deutlich hoher als in der Milchstrasse hier betragt sie in Umgebung der Sonne lediglich etwa 0 01 Sterne pro Kubiklichtjahr Damit ergibt sich fur Kugelsternhaufen eine erheblich grossere Wahrscheinlichkeit fur Sternkollisionen Man schatzt dass etwa 50 aller Sterne eines Kugelsternhaufens in der Vergangenheit eine Kollision erlitten haben In allen etwa 150 Kugelsternhaufen die sich in einer spharischen Umgebung um die Milchstrasse befinden wurde sich damit etwa alle 10 000 Jahre eine Sternkollision ereignen und im gesamten sichtbaren Kosmos findet ungefahr jede Sekunde eine derartige Sternenkollision statt Bei der Abschatzung der Anzahl von Zusammenstossen mussen nicht nur mittlere Sternabstande und durchmesser berucksichtigt werden sondern auch die gravitative Anziehung der Sterne vereinfacht im gemittelten Potentialfeld Im Vergleich zu rein ballistischen Bahnen vergrossert sich die Wahrscheinlichkeit fur eine Kollision bei den in Kugelsternhaufen vergleichsweise geringen Geschwindigkeiten von 10 bis 20 km s um einen Faktor 100 Dieser Effekt wird gravitative Fokussierung genannt Irreversible Anderungen drohen spatestens dann wenn beim minimalen Abstand der Sterne mindestens einer von ihnen in der entsprechenden statischen Situation die Roche Grenze unterschreiten wurde Typen von Sternkollisionen BearbeitenAus der grossen Anzahl der verschiedenen Sternenklassen und der daraus folgenden Kombinationsmoglichkeiten bei einer Kollision ergeben sich eine Fulle von verschiedenen Kollisionstypen Der Ablauf der Kollision hangt zusatzlich von der Relativgeschwindigkeit und dem Stossparameter ab der beschreibt ob der Stoss zentral oder nur streifend ist Letzteres ist weitaus haufiger Im Folgenden seien einige typische Beispiele von streifenden Kollisionen naher beschrieben wie sie sich als Ergebnisse von Computersimulationen darstellen Da fur die Kollisionen allerdings auch der innere Aufbau der beteiligten Sterne sowie deren Veranderungen berucksichtigt werden mussen werden wegen des damit verbundenen hohen Rechenaufwandes starke Vereinfachungen verwendet die Ergebnisse sind deshalb noch ziemlich unsicher Kollision eines Hauptreihensternes mit einem Weissen Zwerg Bearbeiten Ein typischer Weisser Zwerg hat etwa einen Durchmesser von nur 10 000 km aber ungefahr die gleiche Masse wie die Sonne Bei einer streifenden Kollision fliegt daher der Weisse Zwerg dank seiner enormen Dichte weitgehend unversehrt durch den Hauptreihenstern hindurch und verlasst ihn anschliessend wieder Durch die Gravitation steigt dabei die Relativgeschwindigkeit der Kollisionspartner auf uber 500 km s so dass die eigentliche Kollision nur etwa eine Stunde dauert Das Schicksal des Hauptreihensternes hangt von den Umstanden ab und ist noch nicht abschliessend erforscht Bei hinreichend hoher Kollisionsgeschwindigkeit konnte durch die Stosswelle im Hauptreihenstern auch ausserhalb des Kernes eine Kernfusion zunden Die in diesem Fall freigesetzte Energie entsprache der die der Hauptreihenstern gewohnlich in 100 Millionen Jahren umsetzt Die umgesetzte Leistung wahrend der Kollision lage dabei im Bereich derjenigen die eine Supernova in den Tagen nach ihrem Ausbruch abstrahlt Der Hauptreihenstern wurde vollig zerrissen und sich in einer Gaswolke auflosen Wurde die Sonne ein derartiges Schicksal ereilen so wurden auf der Erde die Ozeane verdampfen und sich zusammen mit der Atmosphare in den Weltraum verfluchtigen Kollision eines Roten Riesen mit einem Weissen Zwerg Bearbeiten Im Fall eines Roten Riesen anstelle eines Hauptreihensternes dauert die Kollision etwa einen Monat Bei streifender Kollision dem weitaus haufigsten Fall bleibt der Kern des Roten Riesen jedoch erhalten und bildet nach dem Verlust eines grossen Teils seiner Gashulle einen zweiten Weissen Zwerg Kollision zweier Hauptreihensterne Bearbeiten Das Szenario einer Kollision zweier Hauptreihensterne hangt stark von den Anfangsbedingungen der Bahnen und Parametern des Sternaufbaus ab Die beiden Sterne konnen als zwei Einzelsterne uberleben sie konnen aber auch zu einem einzigen Stern verschmelzen Bei hinreichend hoher Kollisionsgeschwindigkeit konnen sich sogar auch beide Sterne vollstandig auflosen Unter bestimmten Umstanden ist auch ein so genannter Gezeiteneinfang moglich Gezeiteneinfang Bearbeiten Es sind Passagen moglich die primar ohne direkten materiellen Kontakt der Partner ablaufen bei denen aber durch Gezeitenkrafte erhebliche Deformationen eines oder beider Sterne stattfinden Ist der damit verbundene Energieverlust gross genug so reicht die verminderte Bahngeschwindigkeit anschliessend nicht mehr fur eine Trennung der beiden Partner aus Sie umkreisen sich auf einer engen Umlaufbahn und eine Kollision ist dann aufgrund fortgesetzter Deformationen nur noch eine Frage der Zeit Den bei der Verschmelzung freiwerdenden Energieausbruch bezeichnet man als Mergerburst Kollision zweier Neutronensterne Bearbeiten Die Kollision oder Verschmelzung zweier Neutronensterne kommt unter anderem in Binarsystemen vor in denen beide Partner als Neutronensterne enden Durch die Abstrahlung von Gravitationswellen nimmt der gegenseitige Abstand nach und nach ab bis beide Neutronensterne verschmelzen Die Verschmelzung selbst dauert nur Sekundenbruchteile Das leichtere der beiden Objekte wird dabei zerrissen wahrend das schwerere Objekt in der Regel zu einem schwarzen Loch kollabiert Jungste Forschungsergebnisse besagen dass dies eine Quelle fur kurze Gammablitze sei Durch Detektion von Gravitationswellen konnte ein solches Ereignis am 17 August 2017 in der Galaxis NGC 4993 beobachtet werden GW170817 1 Collisional Supernovae BearbeitenSupernovae sind Explosionen die den Vorlauferstern zerstoren und dabei Energien von circa 1051 erg freisetzen Eine aquivalente Energiemenge kann bei der Kollision von zwei sonnenahnlichen Sternen freigesetzt werden wenn sie mit einer Geschwindigkeit von mehr als 10 000 km s zentral kollidieren Gerat ein Doppelsternsystem in die Nahe eines zentralen superschweren schwarzen Lochs dann bricht das Doppelsternsystem auseinander Der eine Stern wird als Hyperschnelllaufer emittiert wahrend der andere Stern in einer sehr engen Bahn um das schwarze Loch mit einer Geschwindigkeit von bis zu einigen Zehntausend Kilometer pro Sekunde kreist In der Umgebung eines massiven schwarzen Lochs wie Sagittarius A im Zentrum der Milchstrasse konnen die Hochgeschwindigkeitskollisionen mit einer geringen Wahrscheinlichkeit stattfinden und danach wird jede 1 000ste bis 10 000ste Supernova durch die Kollision zweier Sterne verursacht Diese Collisional Supernovae sollten im Zentrum einer Galaxie stattfinden und die Lichtkurve nur ein kurzes Maximum von einigen Wochen Lange zeigen Nachfolgend sollte das freigesetzte Gas in das schwarze Loch fallen und zu einem Anstieg der Rontgenstrahlung wie bei einem aktiven galaktischen Kern fuhren 2 Indizien fur Sternkollisionen in Kugelsternhaufen BearbeitenObwohl bisher noch keine einzige Sternkollision direkt beobachtet werden konnte deuten astronomische Beobachtungen von Kugelsternhaufen darauf hin dass die Geschichte dieser Haufen von Kollisionsereignissen stark gepragt ist Folgende Indizien dafur liegen vor Die Sterne eines Sternhaufens haben alle ungefahr das gleiche Alter namlich das des Haufens selbst In Kugelsternhaufen entdeckte man jedoch bereits in den 1950er Jahren viele scheinbar deutlich jungere und ungewohnlich heisse Sterne so genannte Blaue Nachzugler englisch blue stragglers Nach jungeren Untersuchungen konzentrieren sie sich gerade in den Zentren der Kugelsternhaufen dort also wo Sternkollisionen als Folge der hoheren Sternkonzentration besonders haufig sein sollten Es ist anzunehmen dass es sich dabei um Hauptreihensterne handelt die sich bei einer Kollision zu einem einzigen Stern mit entsprechend grosserer Masse vereinigt haben Da massenreiche Sterne besonders hell und kurzlebig sind wurde man diesen Sternen ohne Kenntnis ihrer Vorgeschichte ein geringeres Alter zuordnen Der Satellit Uhuru der seit 1970 kosmische Rontgenstrahlung untersucht hatte uber hundert Rontgenquellen in der Milchstrasse entdeckt davon etwa 10 in den Kugelsternhaufen Da die Milchstrasse aber 10 000 Mal mehr Sterne beherbergt als alle ihre Kugelsternhaufen zusammen bedeutet das dass die Bedingungen in den Kugelsternhaufen fur die Entstehung von Rontgenquellen deutlich gunstiger sind Man nimmt an dass es sich bei diesen Rontgenquellen um Doppelsternsysteme aus einem Hauptreihenstern und einem Neutronenstern oder Schwarzen Loch handelt die sich so eng umkreisen dass Material vom Hauptreihenstern zu seinem Partner hinuberfliesst und sich dabei auf extreme Temperaturen aufheizt Die Wahrscheinlichkeit einer Entwicklung zweier gemeinsam in einem Doppelsternsystem entstandener Sterne zu einer derartigen Rontgenquelle ist mit 1 1 Milliarde extrem gering In Kugelsternhaufen konnten sie sich jedoch durch Gezeiteneinfang sehr viel haufiger bilden Ein weiterer dort ebenfalls deutlich begunstigter Entstehungsmechanismus sind Drei Korper Begegnungen bei denen ein Objekt aus dem Kugelsternhaufen hinausgeschleudert wird und die beiden anderen auf einer engen Umlaufbahn zuruckbleiben In Kugelsternhaufen werden deutlich weniger Rote Riesen beobachtet als man anhand der bekannten Phasen der Sternentwicklung erwarten wurde Als Ursache wird vermutet dass sie aufgrund ihrer grossen Ausdehnung dort uberproportional haufig in Sternkollisionen verwickelt und dabei meist in Weisse Zwerge verwandelt werden Mogliche Kollisionen bei schwach gebundenen Doppelsternen BearbeitenIn weiten Doppelsternsystemen mit stark exzentrischen Umlaufbahnen reicht bereits eine kleine gravitative Storung aus um die Bahnelemente zu andern 3 Dieser Mechanismus kann Sterne eines solchen Systems auf einen Kollisionskurs bringen und konnte die dominierende Quelle fur stellare Kollisionen innerhalb der Milchstrasse sein und eine Kollision alle 2 500 Jahre produzieren Der dabei entstehende Stern durfte ein schnell rotierender massiver Einzelstern mit einer stark abgereicherten Lithiumhaufigkeit ahnlich den FK Comae Berenices Sternen sein 4 Weblinks BearbeitenPau Amaro Seoane MODEST Working Group 4 Stellar Collisions englisch Computeranimation einer Kollision eines Roten Riesen mit einem Weissen Zwerg Short Gamma Ray Bursts Death Throes of Merging Neutron StarsLiteratur BearbeitenMichael Shara Wenn Sterne zusammenprallen In Spektrum der Wissenschaft Januar 2003 S 28 35 Einzelnachweise Bearbeiten Robert Gast Gravitationswellen Das Raumzeitbeben von NGC 993 Hrsg Spektrum der Wissenschaft Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH Januar 2018 ISSN 0170 2971 S 58 65 Shmuel Balberg Reem Sari Abraham Loeb A new rare type of supernovae hypervelocity stellar collisions at galactic centers In Astrophysics Solar and Stellar Astrophysics 2013 arxiv 1304 7969v1 D C Heggie F A Rasio The effect of encounters on the eccentricity of binaries in clusters In Mon Not R Astron Soc 282 1996 S 1064 1084 Nathan A Kaib Sean N Raymond Very Wide Binary Stars as the Primary Source of Stellar Collisions in the Galaxy In submitted to Astrophysics Solar and Stellar Astrophysics September 2013 arxiv 1309 3272v1 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sternkollision amp oldid 235168784