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In einer Schlacht bei Villach sollen kaiserliche Truppen und ein innerosterreichisches Aufgebot im Jahr 1492 osmanische Streiftrupps besiegt haben Die Historizitat der Schlacht ist nicht belegt Landsknechte und ein turkischer Reiter um 1495 Albrecht Durer Inhaltsverzeichnis 1 Turkeneinfalle in Karnten 2 Schilderung der Schlacht 3 Folgen 4 Historisch kritische Zweifel 5 Literatur 6 EinzelnachweiseTurkeneinfalle in Karnten BearbeitenSiehe auch Geschichte der Steiermark und Geschichte Karntens nbsp An fruhere Turkeneinfalle der Jahre 1476 und 1478 unter Mihaloglu Iskender Pascha erinnert das Tatarmandl in Albeck Nach der Einnahme Konstantinopels hatten die osmanischen Turken trotz einer Niederlage vor Belgrad u a Serbien und Bosnien erobert Wahrend ihres Krieges gegen Venedig und Ungarn waren sie seit 1469 wiederholt durch das zu Ungarn gehorende Kroatien hindurch auch in die zum Heiligen Romischen Reich gehorenden habsburgischen Erblande Krain Karnten und Steiermark Innerosterreich eingefallen 1 2 3 4 Um die osterreichischen Erblande mussten der Habsburger Kaiser Friedrich III und sein Sohn und Nachfolger Maximilian I zunachst auch mit revoltierenden steirischen Adligen aufstandischen Karntner Bauern und dem ungarischen Konig Matthias Corvinus kampfen 4 Nachdem der Kaiser die Adelsrevolte und die Turken den Bauernaufstand niedergeschlagen hatten besetzten die Ungarn die Steiermark Krain Karnten Niederosterreich und Wien In den nach Corvinus Tod 1490 ausgebrochenen Erbfolgekrieg in Ungarn griff neben Friedrich und Maximilian auch der osmanische Sultan Bayezid II ein Gegen die Turkennot hatten Friedrich und Maximilian vergeblich zur Reichsturkenhilfe aufgerufen Da Maximilian mehr mit den Ungarn beschaftigt war blieb die Abwehr der Turken zunachst vornehmlich regionalen Adelsaufgeboten uberlassen 3 4 Vor allem dem regionalen Adel verbundene regionale Chronisten ubertrieben fortan Anzahl und Ausmass der Turkeneinfalle 5 6 So wurde nicht nur die Rolle des geltungssuchtigen Regionaladels bei den tatsachlichen Turkeneinfallen ausgeschmuckt und verherrlicht sondern es wurden auch weitere Turkeneinfalle hinzuerfunden vor allem spater wahrend der Gegenreformation als sich der bis dahin teilweise protestantische Adel der Region beim katholischen Kaiser hervorzuheben versuchte 7 8 9 10 nbsp Als Sieger der erfunde nen Schlacht gilt Maximilian I obwohl er nicht teilnahm nbsp Als Erfinder der Schlacht bei Villach gilt Hieronymus Megiser Bei den oft als Turken bezeichneten Angreifern handelte es sich zumeist nicht um regulare Teile des osmanischen Heeres oder dem osmanischen Sultan direkt unterstehende Truppen und oft auch nicht um osmanische Turken sondern um Akinci Diese Akinci waren mehr oder weniger selbstandig agierende und nur leicht bewaffnete Streiftrupps und Vorausabteilungen 7 die sich auch aus muslimischen Vasallenvolkern wie griechischen und bulgarischen Konvertiten Tataren Bosniern und Albanern rekrutierten Nachkommen griechischer Konvertiten waren beispielsweise die Akinci Beys Mihaloglu Ali Bey und sein Bruder Mihaloglu Iskender Pascha 11 Den auch als Renner und Brenner uberlieferten Akinci ging es weniger um Glaubenskrieg oder Eroberung und Besiedlung von Gebieten als vielmehr um Streif und Beutezuge sowie Verwustung Demoralisierung und Destabilisierung der gegnerischen Grenzgebiete Bei ihren Uberfallen verschleppten sie oft auch christliche Bewohner der verwusteten Gebiete als Sklaven in das Osmanische Reich 1 2 11 Allein in der Steiermark seien zwischen 1469 und 1490 mindestens 120 000 Bewohner getotet oder verschleppt worden bei damals kaum einer halben Million Einwohner 12 Insgesamt bis zu 200 000 Gefangene sollen im 15 Jahrhundert aus Innerosterreich verschleppt worden sein 13 Schilderung der Schlacht Bearbeiten nbsp Bewohner Innerosterreichs werden von turkischen Reitern in die Sklaverei entfuhrt um 1530 Niklas Stor Obwohl z B der Karntner Chronist Jakob Unrest ein Zeitgenosse der Turkeneinfalle fur Karnten die funf realen Turkeneinfalle von 1473 1476 1478 1480 und 1483 sowie fur Krain und Steiermark auch Einfalle in den Folgejahren von 1491 bzw 1494 bis 1499 zuverlassig dokumentiert hatte erwahnte er fur 1492 keinen weiteren Turkeneinfall in Karnten und keine Schlacht bei Villach 2 5 8 Dennoch schilderte der Geschichtsschreiber Hieronymus Megiser 1612 in seinen Annales Carinthiae den Turkeneinfall und die Schlacht ausfuhrlich und berief sich dabei auf den protestantischen Prediger Gothard Christalnick der schon 1588 im Dienste verschiedener Karntner Adeliger eine Chronik geschrieben hatte 5 Megiser schmuckte seine Schilderungen mit den damals ublichen 6 aber historisch abwegigen 8 Schauergeschichten angeblicher turkischer Graueltaten aus aufgespiesste Kinder abgeschlagene Kopfe ausgeweidete und gebratene Folteropfer und sogar Kannibalismus 4 11 nbsp Anfang des Kapitels uber den Turkeneinfall 1492 in den Annales Carinthiae nbsp Megisers Darstellung der Schlacht von Villach in den Annales Carinthiae Nach einem Angriff auf Krain 1491 sollen Turken im folgenden Jahr mit drei Marschkolonnen erneut eingefallen sein 3 11 Eine der Kolonnen sei demnach in Krain bis Laibach vorgestossen eine weitere in der Untersteiermark bis Cilli Die grosste der drei Kolonnen soll Mihaloglu Ali Bey durch das Weissenfelsertal 14 nach Karnten gefuhrt haben 11 von Megiser als Hali Pascha bezeichnet Nach kurzem Kampf plunderten und brandschatzten die Turken angeblich zunachst Tarvis und das Kloster in Arnoldstein Auf ihrem Ruckmarsch sollen sie 15 000 christliche Gefangene fortgefuhrt haben Ihnen soll sich ein von Rudolf von Khevenhuller befehligtes Aufgebot aus mehreren Hundert oder einigen Tausend Karntnern und Steirern 11 14 entgegengestellt haben denen Maximilian weitere 5000 Landsknechte 14 und 2000 Reiter 8 15 zur Unterstutzung geschickt habe Als die mit Beute schwer beladenen Turken auf ihrem Ruckmarsch vor Villach rasteten 14 sollen sie zwischen Villach und dem Fluss Gail 7 von den kaiserlichen und innerosterreichischen Truppen angegriffen worden sein woraufhin sich sofort auch die mitgefuhrten Gefangenen erhoben und in den Kampf eingegriffen hatten In dem vermeintlichen Gemetzel seien 10 000 Turken 11 16 sowie 6000 8 bis 7000 11 16 Christen getotet worden und weitere 7000 verwundete Turken in Gefangenschaft geraten 11 14 Von den uberlebenden Christen soll fast jeder verwundet worden sein 8 Die verwundeten Turken seien vor allem deswegen gefangen genommen worden um sie spater gegen Losegeld eintauschen zu konnen 17 Auch Mihaloglu Ali Bey sei verwundet in Gefangenschaft geraten bald aber seinen Wunden erlegen 14 15 17 Nur wenige Turken sollen entkommen sein 18 Folgen BearbeitenSiehe auch Schlacht auf dem Krbava Feld und Turkenkriege nbsp Auch Zell in Karnten soll 1492 vom angeblichen Turkeneinfall getroffen worden sein Gedenkkapelle mit Erinnerungsmalerei Der vermeintliche Sieg uber die Turken hatte offenbar zumindest unmittelbar keinen nachhaltigen Erfolg denn schon fur 1493 und 1494 wurden in Krain und Steiermark sowie fur 1496 1497 1498 und 1499 angeblich auch in Karnten weitere angebliche turkische Angriffe uberliefert 2 8 11 Dennoch wurde der schliesslich sogar Maximilian selbst zugeschriebene Sieg von Villach zu einer Rettungsschlacht bzw Entscheidungsschlacht und zu einem ahnlichen Mythos 10 uberhoht wie einst die Schlacht von Tours 19 Ein wenn uberhaupt dann wahrscheinlich eher kleinerer Streifzug der Turken auf einem eher unbedeutenden Nebenkriegsschauplatz wurde ebenso aufgebauscht wie der einst vor Tours gescheiterte Streifzug der Araber Mihaloglu Ali Bey habe angeblich bis an den Rhein 14 oder bis nach Rom 20 vordringen wollen doch dass die einfallenden Osmanen in den Schluchten Karntens den Weg nach Rom gesucht hatten lasst sich nicht belegen 21 Durch Maximilian sei Europa damals vor den Muslimen gerettet worden Maximilian soll damals sogar Bayezid selbst geschlagen haben obwohl diese Behauptung nicht von Megiser stammte Die Turken seien so vernichtend geschlagen worden dass sie nie wieder zuruckgekommen seien Zumindest kamen sie nicht wieder nach Karnten wohl aber eben nach Krain und in die Steiermark 11 16 Nach weiteren Abwehrkampfen rief Maximilian 1494 sogar zu einem neuen Kreuzzug und zur Ruckeroberung Konstantinopels auf musste aber 1495 und 1499 Waffenstillstand mit Bayezid schliessen der Osterreich dann tatsachlich rund drei Jahrzehnte relative Ruhe brachte 16 22 Stattdessen ruckten die Turken weiter nach Westen vor beispielsweise 1499 unter Iskender Pascha bis Vicenza 1 11 Historisch kritische Zweifel BearbeitenSiehe auch Schlacht bei Radkersburg und Schlacht bei Rudolfswerth Nahezu alle Angaben zur vermeintlichen Schlacht gehen auf Megiser zuruck 8 Megisers Darstellungen sind von spateren Geschichtsschreibern wie z B Johann Valvasor und Aquilin Caesar unkritisch ubernommen und auch noch 1828 von dem Orientalisten Joseph von Hammer Purgstall nacherzahlt worden 3 4 23 doch ebenfalls noch im 19 Jahrhundert ausserten selbst Kirchenhistoriker wie Heinrich Hermann oder Regionalhistoriker wie Franz Ilwof starke Zweifel an Megisers poetischem Gemalde 3 4 5 8 Fur einen Turkeneinfall zu dieser Zeit gibt es keinen Beweis und auch ob 1492 Rudolf von Khevenhuller uberhaupt noch gelebt habe 5 8 beziehungsweise ob Mihaloglu Ali Bey wirklich 1492 umgekommen sei 24 ist umstritten Hermann hielt bestenfalls noch einen kleinen turkischen Streif oder Durchzug fur nicht vollig ausgeschlossen 5 doch Wilhelm Neumanns Studien zu Wahrheit und Dichtung in der Karntner Geschichtsschreibung widerlegten 1955 auch das 8 Spatestens seit dem 20 Jahrhundert gilt die Schlacht von Villach als reine Dichtung geschichtswidriger Unsinn unhaltbare Erfindung und Geschichtsluge Megisers 3 7 8 9 10 Dennoch wurde die offensichtlich erfundene Schlacht auch noch zu Beginn des 21 Jahrhunderts in einigen nichtosterreichischen Nachschlagewerken als historisches Faktum erwahnt 25 26 27 28 Literatur BearbeitenMunchner DigitalisierungsZentrum Digitalisierte Ausgabe der Annales Carinthiae des Michael Gothard Christalnick herausgegeben von Hieronymus Megiser 1612 Einzelnachweise Bearbeiten a b c David Nicolle Die Osmanen 600 Jahre islamisches Weltreich S 112 f Tosa Verlag Wien 2008 a b c d Donald Edgar Pitcher An Historical Geography of the Ottoman Empire S 91 ff Brill Leiden 1972 a b c d e f Franz Ilwof Die Einfalle der Osmanen in die Steiermark In Mittheilungen des Historischen Vereins Steiermark Zehntes Heft S 207 264 August Hesse Graz 1861 a b c d e f Fran Levec Die Einfalle der Turken in Krain und Istrien in Jahresbericht der k k Staats Oberrealschule in Laibach S 9 58 Verlag der k k Staats Oberrealschule Laibach 1891 a b c d e f Heinrich Hermann Handbuch der Geschichte des Herzogthums Karnten II Abteilung S 233 ff und 253 J Leon Klagenfurt 1843 a b Der Standard online vom 17 April 2020 Blutrunstige Turken und heldenhafte Steirer Turkensagen in der Steiermark a b c d Dieter Neumann Neues aus Alt Villach Beitrage zur Stadtgeschichte 47 Jahrbuch S 1 6 Museum der Stadt Villach Villach 2010 a b c d e f g h i j k l Wilhelm Neumann Die Turkeneinfalle nach Karnten Wahrheit und Dichtung in der Karntner Geschichtsschreibung von Jakob Unrest bis zur Gegenwart PDF Leibniz Institut fur Ost und Sudosteuropaforschungen Regensburg 1955 a b Arno Strohmeyer Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa S 242 Franz Steiner Verlag Stuttgart 1999 a b c Hans Ake Persson Reflections on Europe Defining a Political Order in Time and Space S 221 Peter Lang Brussel 2007 a b c d e f g h i j k l Joseph von Hammer Purgstall Geschichte des Osmanischen Reiches Zweiter Band S 79 304 ff 321f und 610 f Hartleben Pest 1828 Hans Pirchegger Geschichte der Steiermark Seiten 48 und 105 Leykam Graz 1996 Dusan Necak Bozo Repe Slowenien S 40 44 Wieser Verlag Klagenfurt 2006 a b c d e f g M Unterweger Viel Ach in Villach In Urania Wochenschrift fur Volksbildung Nr 38 vom 20 September 1913 S 620 Urania Wien 1913 a b Aquilin Julius Caesar Staat und Kirchengeschichte des Herzogthum Steyermarks Sechster Band S 269 Weingand und Ferstl Graz 1788 a b c d M A Cook Hrsg A History of the Ottoman Empire to 1730 S 57 f Cambridge University Press Cambridge 1976 a b Julius Franz Schneller Staatengeschichte des Kaiserthums Osterreich von der Geburt Christi an bis zum Sturze Napoleon Bonapartes Dritter Teil S 423 f Verlag Muller Graz 1818 Ausgerechnet diese verwundeten und versprengten Turken sollen sich auf dem langeren Weg uber das Lavanttal in die Steiermark zuruckgezogen und dabei noch die Pfarrkirche Kamp entweiht haben Samuel Gosnell Green Pictures from the German Fatherland S 165 William Clowes and Sons London 1880 James Jackson Jarves Italian Rambles S 337 f G P Putnam s Sons New York 1883 Zsuzsa Barbarics Hermanik Turkengedachtnis Graz Gottesplagenbild Gesteuerte Gedachtnisbildung versus historische Fakten Osterreichische Akademie der Wissenschaft 2010 Manfred Hollegger Die Zeit Maximilians I in Gerhard Pferschy Hrsg Die Steiermark im Spatmittelalter S 81 ff Bohlau Verlag Wien 2018 Ethbin Heinrich Costa Rezension von Ilwofs Einfalle der Osmanen in die Steiermark In Mittheilungen des Historischen Vereins fur Krain Sechzehnter Jahrgang S 96 f Verlag des historischen Vereins fur Krain Laibach 1861 Turkische Chroniken erwahnten Mihaloglu Ali Bey stattdessen 1492 und auch noch in den Folgejahren bei Feldzugen in Ungarn und Siebenburgen erst 1507 soll er gestorben sein Hermann Kinder Werner Hilgemann dtv Atlas zur Weltgeschichte 37 Auflage Band 1 ISBN 3 423 03001 1 S 208 Deutscher Taschenbuch Verlag Munchen 2004 Gunter Kettermann Atlas zur Geschichte des Islam ISBN 978 3 534 14118 0 S 100 Primus Verlag Darmstadt 2001 Tony Jacques Dictionary of Battles and Sieges Teil 3 P Z S 1075 Greenwood Westport 2007 Walter Leisering Hrsg Putzger historischer Weltatlas Seite 65 Cornelsen Velhagen amp Klasing Berlin 1979 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schlacht bei Villach amp oldid 238770461