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Das gemeindliche Schiedswesen in Deutschland dient der Beilegung weniger bedeutsamer strafrechtlicher und zivilrechtlicher Angelegenheiten Die betreffenden Einrichtungen werden Schiedsamter oder in den ostlichen Bundeslandern Schiedsstellen genannt und fungieren in der Regel sowohl als Vergleichsbehorden im Sinne der Straf und als auch als Gutestellen im Sinne der Zivilprozessordnung Die ehrenamtlich tatigen Schlichter werden als Schiedspersonen oder in Sachsen als Friedensrichter bezeichnet das Verfahren als Schlichtungsverfahren Amtsschild eines Schiedsamtes in Nordrhein WestfalenEtymologisch gehen die Bildungen mit Schieds auf das Verb scheiden in der Bedeutung trennen zuruck 1 Sachlich ist das gemeindliche Schiedswesen von der privaten Schiedsgerichtsbarkeit bzw dem schiedsrichterlichen Verfahren zu unterscheiden ebenso von privaten Schlichtungsstellen und dem staatlichen Guterichter Baden Wurttemberg Bayern und Bremen haben keine Schiedsamter Hier werden die Gemeinden Baden Wurttemberg 2 Bayern 3 bzw Suhnebeamte bei den Amtsgerichten Bremen 4 als Vergleichsbehorden nach der Strafprozessordnung tatig In Bayern sind daneben die Notare und bestimmte Rechtsanwalte Gutestellen im Sinne der Zivilprozessordnung 5 Die hessischen Ortsgerichte sind ebenfalls gemeindliche Einrichtungen ihr Wirkungskreis aber ist die freiwillige Gerichtsbarkeit Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Rechtsgrundlagen 3 Schiedsverfahren 4 Osterreich 5 Schweiz 6 Literatur 7 Siehe auch 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenAls nach dem Wiener Kongress 1814 15 die europaischen Territorien neu geordnet wurden blieb in den vordem franzosisch besetzt gewesenen linksrheinischen deutschen Gebieten das Institut des Friedensrichters bestehen wahrend daran anlehnend das Konigreich Preussen mit Ausnahme von Rheinpreussen 1827 das Institut des Schiedsmanns einfuhrte Dessen Aufgabe war es bei kleinen Privatrechtsstreitigkeiten und Ehrverletzungen vor einem Gang zu den ordentlichen Gerichten einen Suhneversuch zwischen den streitenden Parteien zu unternehmen Dem Beispiel Preussens folgten andere deutsche Lander die Vergleichs und Friedensrichter beriefen so dass dieses Institut schliesslich zunachst fur private Beleidigungen als Vergleichsbehorde Eingang in die deutsche Strafprozessordnung von 1877 fand 6 Mit der preussischen Schiedsmannsordnung von 1879 7 erfolgte eine Ausdehnung auf ganz Preussen und sachlich wurde das Aufgabenspektrum um weniger bedeutsame burgerliche Rechtsstreitigkeiten erweitert dem wiederum andere deutsche Lander sich anschlossen In Preussen lag die Zahl der strafrechtlichen Verfahren zwischen 1880 und 1924 jahrlich bei etwa 200 000 in burgerlichen Rechtsstreitigkeiten sank sie im gleichen Zeitraum von ca 90 000 auf unter 6 000 8 Mit der Emminger Novelle 9 wurde 1924 zeitweise ein obligatorisches Guteverfahren in die Zivilprozessordnung eingefuhrt 495a ZPO aufgehoben 1944 10 endgultig 1950 11 und der dabei abgeschlossene Vergleich als Vollstreckungsgrundlage anerkannt 794 ZPO In den neuen Bundeslandern wurden die Schiedskommissionen der DDR 12 aufgrund des noch von der Volkskammer beschlossenen Gesetzes uber die Schiedsstellen in den Gemeinden 13 1990 von Schiedspersonen abgelost in Sachsen 1999 14 wieder wie schon 1879 15 Friedensrichter genannt 15a des Einfuhrungsgesetzes zur Zivilprozessordnung 16 ermoglicht dem Landesgesetzgeber seit 2000 in bestimmten Fallen eine obligatorische Schlichtung vor einer staatlich eingerichteten oder anerkannten Gutestelle vorzusehen Rechtsgrundlagen BearbeitenDem Bund steht die Kompetenz zur Regelung der ehrenamtlichen aussergerichtlichen Streitbeilegung nur insoweit zu als ein aussergerichtliches Vorverfahren als Voraussetzung fur ein gerichtliches Verfahren geschaffen wird Art 74 Abs 1 Nr 1 GG 380 StPO und 15a EGZPO im Ubrigen liegt die Regelungskompetenz bei den Landern 17 In 12 Landern bestehen Schiedsamter bzw stellen 10 Lander haben von der Ermachtigung zur Einfuhrung eines obligatorischen Schlichtungsverfahrens in burgerlichen Rechtsstreitigkeiten Gebrauch gemacht Land strafprozessualeVergleichsbehorde 380 StPO zivilprozessualeStreitbeilegungsstelle vgl 204 BGB Beilegungsversuchobligatorisch 15a EGZPO Anerkennungalternativer Gutestellen vgl 794 ZPO BW nbsp BW Gemeinde 37 AGGVG 22 AGGVGBY nbsp BY Gemeinde Art 49 AGGVG Gutestelle insbes Notar Rechtsanwalt BaySchlG Art 1 BaySchlG Art 22 AGGVGBE nbsp BE Schiedsamt BlnSchAG 18 BB nbsp BB Schiedsstelle SchG SchG VV BbgSchlG BbgGuteStGHB nbsp HB Suhnebeamte des Amtsgerichts SuhneVfV HH nbsp HH Offentliche Rechtsauskunft und Vergleichsstelle 19 ORA Gesetz ORA Verordnung HE nbsp HE Schiedsamt HSchAG 1 SchlichtG HE 6 SchlichtG HEMV nbsp MV Schiedsstelle SchStG M V 34a SchStG M V NI nbsp NI Schiedsamt NSchAG NSchlG 97 NJGNW nbsp NW Schiedsamt SchAG NRW 53 JustG NRW 45 JustG NRWRP nbsp RP Schiedsamt SchO LSchlG SL nbsp SL Schiedsperson SSchO 37a AGJusG 37d AGJusGSN nbsp SN Schiedsstelle SachsSchiedsGutStG 55 SachsSchiedsGutStGST nbsp ST Schiedsstelle SchStG 34a SchStG 40 SchStGSH nbsp SH Schiedsamt SchO 1 LSchliG 6 LSchliGTH nbsp TH Schiedsstelle ThurSchStG Schiedsverfahren BearbeitenDas Amt der Schiedsperson ist ein auf Zeit ausgeubtes Ehrenamt mit der Aufgabe zwischen den streitenden Parteien zu schlichten Schiedspersonen entscheiden nicht sondern fuhren rechtlich einen Vergleich herbei das heisst einen Vertrag zwischen den sich einigenden Parteien aus dem gegebenenfalls auch unmittelbar die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann 794 Abs 1 Nr 1 ZPO Die Zivilsachen fur die eine Schlichtung nach 15a EGZPO obligatorisch vorgesehen werden kann sind vermogensrechtliche Streitigkeiten deren Wert die Summe von 750 Euro nicht ubersteigt Streitigkeiten uber Anspruche aus dem Nachbarrecht nach den 906 910 911 923 BGB und Art 124 EGBGB sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt Streitigkeiten uber Anspruche wegen Verletzung der personlichen Ehre sofern nicht in Presse oder Rundfunk begangen Streitigkeiten uber Anspruche nach Abschnitt 3 des AGG Auch in anderen Zivilsachen kann je nach Landesrecht das Schiedsamt angerufen werden Der Antrag hemmt die Verjahrung 204 Abs 1 Nr 4 BGB In Strafsachen ist die Schlichtung bei Privatklagedelikten wie Hausfriedensbruch Beleidigung Verletzung des Briefgeheimnisses einfacher und fahrlassiger Korperverletzung Bedrohung Sachbeschadigung und auf ein solches Delikt bezogenem Vollrausch obligatorisch 380 StPO wenn kein offentliches Interesse der Staatsanwaltschaft an der Strafverfolgung besteht Die Gesamtzahl der Verfahren lag 1980 fur die alten Bundeslander bei unter 1 000 Zivil und etwa 28 500 Strafsachen 20 fur die gesellschaftlichen Gerichte der DDR bei 48 600 Zivilsachen uberwiegend Arbeitssachen vor den Konfliktkommissionen und bei 29 000 Strafsachen 21 35 Jahre spater 2015 fielen bei den Schiedsamtern bzw stellen uber 12 600 Zivil und uber 2 100 Strafsachen an In etwa 80 der Falle sind beide Parteien vor der Schiedsperson erschienen uber 50 der Zivilsachen und uber 40 der Strafsachen wurden durch Vergleich erledigt Hinzu kommen ca 20 000 sog Tur und Angelfalle Inanspruchnahmen ohne Protokoll 22 Osterreich BearbeitenZur Rechtslage in Osterreich siehe Gemeindevermittlungsamt Schweiz BearbeitenZur Rechtslage in der Schweiz siehe Schlichtungsbehorde Literatur BearbeitenTheodor Christian Fachtmann Das aussergerichtliche Suhneverfahren in Norddeutschland durch Friedensrichter Schieds und Vertrauensmanner Rackhorst Osnabruck 1849 Volltext in der Google Buchsuche Paul Florschutz Die Schiedsmannsordnung vom 29 Marz 1879 15 Auflagen Meyers Konversationslexikon Verlag des Bibliografischen Instituts 4 Aufl Bd 14 Leipzig 1890 S 443 f 6 Aufl Bd 17 Leipzig 1909 S 752 Carl Creifelds Rechtsworterbuch C H Beck sche Verlagsbuchhandlung 15 Aufl Munchen 1999 S 1124 f ISBN 3 406 44300 1 Hans Andreas Schonfeldt Vom Schiedsmann zur Schiedskommission Normdurchsetzung durch territoriale gesellschaftliche Gerichte in der DDR Klostermann Frankfurt am Main 2002 ISBN 3 465 03176 8 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Bele Carolin Peters Der Gutegedanke im deutschen Zivilprozessrecht Eine historisch soziologische Untersuchung zum Gutegedanken im Zivilverfahrensrecht seit 1879 Jena 2004 db thueringen de PDF 1000 kB BDS SchiedsamtsZeitung SchAZtg seit 1926 ZDB ID 1160357 4 Siehe auch BearbeitenOmbudsmann Schiedsgerichtsbarkeit Bund Deutscher Schiedsmanner und Schiedsfrauen Bundesschiedsamt LandesschiedsamtWeblinks BearbeitenBundesverband Deutscher Schiedsmanner und Schiedsfrauen e V Schiedsverfahren Einzelnachweise Bearbeiten DWDS Etymologisches Worterbuch des Deutschen scheiden 37 AGGVG Art 49 AGGVG Verordnung uber das Suhneverfahren in Privatklagesachen Art 5 BaySchlG 420 der Strafprozessordnung vom 1 Februar 1877 ab 1924 380 StPO Schiedsmannsordnung vom 29 Marz 1879 Gunther Jahn Lasst sich die Inanspruchnahme des Schiedsmanns auf dem Gebiete der burgerlichen Rechtsstreitigkeiten beleben Schiedsamtszeitung 1960 S 103 133 167 135 Verordnung uber das Verfahren in burgerlichen Rechtsstreitigkeiten vom 13 Februar 1924 RGBl I S 135 5 der Zweiten Kriegsmassnahmeverordnung vom 27 September 1944 RGBl I S 299 Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung der burgerlichen Rechtspflege des Strafverfahrens und des Kostenrechts vom 12 September 1950 BGBl S 455 siehe Gesetz uber die gesellschaftlichen Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik GGG vom 11 Juni 1968 GBl I Nr 11 S 229 und vom 25 Marz 1982 GBl I Nr 13 S 269 vom 13 September 1990 GBl I Nr 61 S 1527 Fortgeltung gemass Einigungsvertrag Anlage II Kap III Sachg A Abschn I Nr 3 nach Massgabe von Art 9 Gesetz uber die Schiedsstellen in den Gemeinden des Freistaates Sachsen Sachsisches Schiedsstellengesetz SachsSchiedsStG vom 27 Mai 1999 SachsGVBl S 247 Verordnung die Bestellung von Friedensrichtern betreffend vom 16 Mai 1879 GVBl S 209 eingefugt durch das Gesetz zur Forderung der aussergerichtlichen Streitbeilegung vom 15 Dezember 1999 BGBl I S 2400 Materialien BT Drs 14 980 BT Drs 14 1306 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Gesetzgebungskompetenz des Bundes fur ein Schiedsamtsgesetz WD 3 3000 062 19 ECLI DE BGH 2013 290513BIVAR VZ 3 12 0 Reinhard Greger Anerkannte Gutestellen anerkannte Gutestelle mit ortlicher Allzustandigkeit vgl BGHZ 123 337 1993 BT Drs 11 3967 1989 Britta Schubel Geschichte und Gegenwart aussergerichtlicher Erledigung von Strafsachen durch ehrenamtliche Schiedsinstanzen in den neuen Bundeslandern 1997 S 316 319 Schiedsamtszeitung 2017 S 282Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Normdaten Sachbegriff GND 4315713 0 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gemeindliches Schiedswesen amp oldid 237243649