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Samuel Mitja Rapoport 14 Novemberjul 27 November 1912greg in Wolotschysk Russisches Kaiserreich 7 Juli 2004 in Berlin war ein osterreichischer Arzt und Biochemiker Direktor des Instituts fur Biologische und Physiologische Chemie an der Humboldt Universitat in Ost Berlin Samuel Mitja Rapoport 1953 bei einer Tagung in Leipzig Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Wissenschaftliche Leistungen 3 Einsatz fur den Kommunismus 4 Privates 5 Schriften Auswahl 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseLeben BearbeitenSamuel Rapoport war Sohn eines Kaufmanns Seine judische Familie zog wahrend des Ersten Weltkrieges 1916 von Wolhynien nach Odessa wo sie die Oktoberrevolution und den russischen Burgerkrieg erlebte Die Familie floh 1920 nach Wien sodass bereits die fruhe Kindheit Rapoports von Bedrohung und Exil gepragt war In Wien besuchte er die Mittelschule und schloss sich dem Verband Sozialistischer Mittelschuler VSM an Fruhzeitig wurde Rapoport in sozialistisch und kommunistisch ausgerichteten Organisationen aktiv Er studierte Chemie und Medizin und wurde promoviert 1933 trat er in das Institut fur Medizinische Chemie ein und debutierte wissenschaftlich mit der Bestimmung von Aminosauren im Blutserum Einige Monate vor dem Anschluss Osterreichs an das nationalsozialistische Deutschland vermittelte ihm Otto von Furth 1937 ein Stipendium an das Cincinnati Children s Hospital in Ohio USA Rapoport liess seine erste Frau Maria Szecsi mit der er von 1937 bis 1946 verheiratet war nach Cincinnati nachkommen Rapoport arbeitete als Kinderarzt am Kinderkrankenhaus in Cincinnati und erwarb sein zweites Doktorat Im Krankenhaus in Cincinnati lernte Rapoport 1944 die deutsche Emigrantin und Arztin Ingeborg Syllm kennen sie heirateten 1946 Wahrend sich Rapoport 1950 zu einem Kinderarztkongress in der Schweiz aufhielt fiel vor dem McCarthy Untersuchungsausschuss sein Name Die Folge war eine Hetzkampagne der Presse in Cincinnati Unter anderem wurde der Vorwurf erhoben er habe einen Anschlag auf die Wasserversorgung von Cincinnati geplant 1 Rapoport sah nicht nur die Existenz seiner Familie bedroht sondern auch den Ruf der Klinik Bei einer Vorladung hatte er dem Ausschuss unter Strafandrohung personenbezogene Angaben zu seinen kommunistischen Aktivitaten machen mussen Deshalb entschied er sich in der Schweiz zu bleiben Seine schwangere Frau folgte ihm mit den drei Kindern im August 1950 nach Zurich Die Familie Rapoport zog nach Wien wo Samuel Rapoport zeitweise wieder am Institut fur Medizinische Chemie arbeitete die Universitat aber seine Bewerbung auf eine Professur aufgrund einer Intervention der Vereinigten Staaten ablehnte Bewerbungsversuche in anderen europaischen Staaten wie in Frankreich und Grossbritannien verliefen ebenso erfolglos 1952 wurde ihm die Leitung des Instituts fur Physiologische und Biologische Chemie an der Humboldt Universitat in Ost Berlin angeboten was bedeutete dass er ohne Ressourcen aus Trummern ein neues Institut aufbauen sollte 2 Sein drittes Exil Land wurde so die Deutsche Demokratische Republik DDR In Berlin diktierte er in nur drei Monaten das Buch Medizinische Biochemie das zu einem Standardlehrbuch wurde neun Auflagen mit 60 000 Exemplaren erreichte und in mehrere Sprachen ubersetzt wurde Samuel Mitja Rapoport galt als bedeutendster Vertreter der Biochemie der DDR und gehorte zu den markantesten Personlichkeiten der Charite Seine Schuler Eberhard Hofmann Sinaida Rosenthal und Reinhart Heinrich wurden auf Lehrstuhle an verschiedenen Universitaten der DDR berufen Nach der deutschen Wiedervereinigung ubernahm Rapoport bereits im Ruhestand die Prasidentschaft der neu gegrundeten Leibniz Sozietat der Wissenschaften zu Berlin Seiner Meinung nach sollten Lehrer die Naturwissenschaften im Geiste eines Francis Bacon lehren der Logik Ethik und die wissenschaftliche Methode als Einheit betrachtete Wissenschaftliche Leistungen BearbeitenRapoport forschte vor allem auf den Gebieten des Wasser und Elektrolythaushaltes sowie des Stoffwechsels der Erythrozyten Rapoport beschrieb die Rolle des 2 3 Diphosphoglycerats fur die anaerobe Energiebereitstellung in den roten Blutkorperchen ein Prozess der nach Rapoport und seiner Mitarbeiterin Janet Luebering als Rapoport Luebering Zyklus benannt wurde Er erkannte die herausragende Bedeutung der Aufrechterhaltung eines ausreichenden ATP Gehalts fur die Uberlebensfahigkeit der Erythrozyten Vor dem Hintergrund des grossen Bedarfs an Bluttransfusionen im Zweiten Weltkrieg trug Rapoport damit neben anderen Wissenschaftlern wesentlich zur Verbesserung der Blutkonservierung bei Dies fuhrte zur Etablierung des ACD Mediums Zusatz von Citrat und Dextrose zum Blut zum Einsatz weiterer Zusatze zur Optimierung des pH Milieus zur Ermittlung der optimalen Lagerungstemperatur zur Verbesserung der Sterilisierungs und Verarbeitungstechniken und insbesondere auch zu Untersuchungen der Transportvertraglichkeit der Konserven vor allem beim Lufttransport Unterstutzt wurde Rapoport von Paul Hoxworth der schon 1938 in Cincinnati eine der ersten Blutbanken gegrundet hatte die bis heute uberregional einen hervorragenden Ruf geniesst So konnte die Haltbarkeit der Vollblutkonserven von einer auf drei Wochen verlangert werden mit unschatzbarem Wert fur die Rettung tausender kriegsbedingt Verwundeter aber auch anderer Transfusionsbedurftiger Rapoport erhielt fur seine Leistungen vom US Prasidenten Harry S Truman das Certificate of Merit den hochsten an Zivilisten vergebenen Orden der Vereinigten Staaten von Amerika Im Jahr 1948 berichtete Rapoport uber seine mit zwei Kollegen in Japan durchgefuhrten Untersuchungen zur Ekiri Erkrankung die bei schlechten hygienischen Verhaltnissen epidemisch auftrat Es handelt sich dabei um eine lebensbedrohliche und hochinfektiose Bakterienruhr die bei Sauglingen und Kleinkindern zu Durchfallen Austrocknung und Bewusstseinsstorungen mit Krampfen fuhrt Infusionen unter Zugabe von Calcium konnten vielfach Leben retten Rapoport kannte zwar nicht alle pathogenetischen Grundlagen der Erkrankung erkannte aber bereits die bakterielle Atiologie und die Bedeutung von hygienischen Massnahmen und Kalziumgabe Ab 1952 baute Rapoport an der Charite ein biochemisches Institut auf und pragte jahrzehntelang die Lehre und Forschung auf diesem Gebiet in der DDR Sein wissenschaftliches Interesse lag weiter auf klinisch biochemischem Gebiet insbesondere der Erforschung der Retikulozyten und der Lipoxygenase Fruhzeitig vertrat er die These dass der Eiweissabbau energieabhangig ist was sich spater bestatigte Die pharmazeutische Herstellung von Insulin in der DDR geht auf seine Anregung zuruck wobei sein altester Sohn an der Umsetzung mitarbeitete Dem Anfang der 1970er Jahre von ihm als Mitarbeiter eingestellten Physiker Reinhart Heinrich stellte er die Aufgabe zusammen mit seinem Sohn Tom Rapoport die Kontrolle zu quantifizieren die die verschiedenen Enzyme eines Stoffwechselweges auf den Durchfluss durch diesen Weg ausuben Dies fuhrte zur Entwicklung der Metabolic Control Analysis Rapoport veroffentlichte mehr als 180 wissenschaftlichen Arbeiten Sein Lehrbuch Medizinische Biochemie wurde zum Standardwerk 1969 wurde er zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR gewahlt Er erhielt mehrere Ehrendoktorate Zahlreiche staatliche Auszeichnungen wurdigten seine Leistungen in der DDR Der Film Die Rapoports Unsere drei Leben von Sissi Huetlin und Britta Wauer wurde 2005 mit dem Adolf Grimme Preis ausgezeichnet Ausserdem widmet sich die in Hamburg ansassige Rapoport Gesellschaft e V der Pflege und Verbreitung des Erbes des Paares 3 Seit 1977 war er Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft fur Hamatologie und Medizinische Onkologie 4 Einsatz fur den Kommunismus BearbeitenVon Bedeutung fur Rapoport war die Freundschaft zum Schriftsteller Jura Soyfer der im Konzentrationslager Buchenwald ums Leben kam Als Jugendlicher trat er dem Verband Sozialistischer Mittelschuler in Wien bei spater war er in der illegalen kommunistischen Bewegung Osterreichs aktiv Ab 1934 gehorte er der Kommunistischen Partei Osterreichs KPO an von der er 1956 in die SED uberfuhrt wurde Seine Frau schrieb uber seine Orientierung Mitjas Prioritaten waren klar An erster Stelle stand der Sozialismus an zweiter die Wissenschaft und erst an dritter Stelle ich und alles andere Ich habe diese Reihenfolge gebilligt obgleich mir oft weh ums Herz gewesen ist 5 In den USA bekannte er sich offen zur gewerkschaftlichen und kommunistischen Bewegung verteilte an Wochenenden mit seiner Frau die Zeitung The Worker der kommunistischen Partei Er engagierte sich gegen die Diskriminierung der Afroamerikaner und fur die Verbesserung der Lage der Arbeiter 6 Die Presse von Cincinnati unterstellte dem Ehepaar zunehmend subversive Aktivitaten 7 1950 unterschrieben er und seine Frau den Stockholmer Appell zur Achtung von Atomwaffen 8 Als sich 1982 in der DDR das Komitee Arzte der DDR zur Verhutung eines Nuklearkrieges konstituierte wurde Rapoport zum Vorsitzenden gewahlt Eberhard Hofmann schrieb im Nachruf Inge und Mitja Rapoport traten stets fur die zu ihrer Wahlheimat gewordene DDR ein die fur sie die einzige Alternative zu dem Deutschland war das die Welt in zwei Kriege gesturzt und mehr als sechs Millionen Angehorige ihres Volkes ermordet hatte Den Untergang der DDR empfanden beide schmerzhaft als das Ende ihres dritten Lebens 7 Privates Bearbeiten nbsp Grab auf dem Friedhof Pankow III in BerlinSeine Frau Ingeborg Rapoport war ab 1952 als Kinderarztin in Berlin tatig und hatte von 1969 bis zu ihrer Emeritierung 1973 den Lehrstuhl fur Neonatologie an der Charite inne Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor der Biochemiker Tom Rapoport der 1995 vom Berliner Max Delbruck Centrum an die Harvard University wechselte und der Mathematiker Michael Rapoport der an der Universitat Bonn lehrte Rapoports Tochter Susan Richter Fufu studierte Medizin und arbeitete in eigener Praxis als Kinderarztin in Berlin Lisa die kurz nach der Flucht aus Amerika fast blind geboren wurde arbeitete trotz ihrer Behinderung als Kinderkrankenschwester Das Grab von Samuel Mitja Rapoport befindet sich auf dem Friedhof Pankow III im Berliner Bezirk Pankow Schriften Auswahl Bearbeitenmit M Wing Dimensional osmotic and chemical changes of erythrocytes in stored blood Blood preserved in sodium citrate neutral and acid citrate glucose ACD mixtures In J Clin Invest 26 Juli 1947 Heft 4 S 591 ff mit K Dodd G J Buddingh The etiology of Ekiri a highly fatal disease of Japanese children In Pediatrics Bd 3 Nr 1 Januar 1949 S 9 ff mit J Luebering An Optical Study Of Diphosphoglycerate Mutase From the Childrens s Hospital Research Foundation Cincinnati Ohio and the Institute of Medical Chemistry of the University of Vienna Austria In J Biol Chem 1952 S 196 ff mit Gisela Jacobasch Molecular Diseases Pergamon Press 1978 mit Lothar Rohland Hrsg Medizin und globale Menschheitsprobleme Vortrage In Veroff Med Ges 1997 Heft 9 S 1 ff Die Erfahrungen des Exils In TRANS Internet Zeitschrift fur Kulturwissenschaften Nr 15 November 2003 Medizinische Biochemie Lehrbuch fur Studierende und Arzte Verlag Volk und Gesundheit Berlin Mehrere uberarbeitete Auflagen 6 Aufl 1974 mit H J Raderecht Physiologisch chemisches Praktikum unter Berucksichtigung biochemischer Arbeitsmethoden und klinisch chemischer Gesichtspunkte VEB Verlag Volk und Gesundheit Berlin 1989 8 Auflage Lizenz Nr 210 700 189 89 ISBN 3 333 00194 2Literatur BearbeitenPeter Notzold Samuel Mitja Rapoport In Wer war wer in der DDR 5 Ausgabe Band 2 Ch Links Berlin 2010 ISBN 978 3 86153 561 4 Brunhild Folsch Walter Grunzweig Marxismus Exil und judische Identitat Der Biochemiker Samuel Mitja Rapoport In Das Judische Echo Heft 49 Wien 2000 S 337ff Ingeborg Rapoport Meine ersten drei Leben die Erinnerungen von Ingeborg Rapoport Nora Berlin 2002 ISBN 3 935445 81 4 H Goldenberg Nachruf Univ Prof Dr Samuel Mitja Rapoport 1912 2004 In Newsletter vom 20 Juli 2004 Gesammelt vom Informationsmanagement der medizinischen Universitat Wien Gisela Jacobasch und Lothar Rohland Hrsg Samuel Mitja Rapoport 1912 2004 In Medizin und Gesellschaft Bd 52 Berlin 2005 S 103 ISBN 3 89626 536 9 Medizin eine Biowissenschaft Zum 100 Geburtstag des Forscherehepaares Ingeborg und Mitja Rapoport Mit Beitragen von Werner Binus Rita Gurtler Herbert Horz Gisela Jacobasch Burkhard Schneeweiss Claus Wagenknecht Pankower Vortrage Heft 174 Hrsg Helle Panke e V Rosa Luxemburg Stiftung Berlin 2013 DNB 1033006750 Leseprobe Regine Otto Das Medizinerehepaar Ingeborg und Samuel Mitja Rapoport und die akademische Remigration in die SBZ DDR in Kim Christian Priemel Hrsg Transit Transfer Politik und Praxis der Einwanderung in der DDR Berlin Bebra 2011 ISBN 978 3 937233 87 1 S 75 97 Rapaport Samuel Mitja in Werner Roder Herbert A Strauss Hrsg International Biographical Dictionary of Central European Emigres 1933 1945 Band 2 2 Munchen Saur 1983 S 940Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Samuel Mitja Rapoport Sammlung von Bildern Literatur von und uber Samuel Mitja Rapoport im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Thomas Schonfeld Samuel Mitja Rapoport 1912 2004 In memoriam In Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft Nr 3 2004 Archiviert vom Original am 26 Marz 2020 abgerufen am 7 August 2022 Nachruf Hans Mikosch Gerhard Oberkofler Uber die zweimalige Emigration von Samuel Mitja Rapoport 1937 und 1952 In Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft Nr 3 2008 Online PDF Die Rapoports Unsere drei Leben TV Dokumentation D 2004 Eintrag auf IMDb Die Rapoports Unsere drei Leben Doku 2004 Nachlass Bundesarchiv N 2658 Karlen Vesper Der Humanitat verpflichtet Notizen von einer Gedenkveranstaltung an ein beeindruckendes Wissenschaftlerpaar In nd aktuell 5 September 2022 abgerufen am 14 September 2022 Informationen zu und akademischer Stammbaum von Samuel Mitja Rapoport bei academictree orgEinzelnachweise Bearbeiten STANDARD Verlagsgesellschaft m b H Kindermedizinerin Ingeborg Rapoport gestorben In derStandard at derstandard at abgerufen am 31 Marz 2017 Ingeborg Rapoport Meine ersten drei Leben Berlin 1997 S 263 Zitiert nach Barbara Einhorn Heimkehren nach Ostdeutschland Judische Ruckkehrerinnen Internetseite der Rapoport Gesellschaft abgerufen am 5 Juni 2021 Ubersicht der DGHO Ehrenmitglieder In DGHO Deutsche Gesellschaft fur Hamatologie und Medizinische Onkologie e V abgerufen am 6 Oktober 2023 Samuel Mitja Rapoport tagesspiegel de abgerufen am 31 Marz 2017 Wolfgang Hachtel Als Wessi in der DDR Reisen und Begegnungen Books on Demand 2011 ISBN 978 3 8448 6714 5 S 64 google de abgerufen am 31 Marz 2017 a b Nachruf Eberhard Hofmann Jochanan Shelliem Die drei Leben der Arztin Ingeborg Rapoport Deutschlandfunk Kultur 13 Marz 2021Normdaten Person GND 121534987 lobid OGND AKS LCCN n83829100 VIAF 64055129 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Rapoport Samuel MitjaKURZBESCHREIBUNG osterreichischer Arzt und Biochemiker der in der DDR arbeiteteGEBURTSDATUM 27 November 1912GEBURTSORT Wolotschysk Russisches KaiserreichSTERBEDATUM 7 Juli 2004STERBEORT Berlin Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Samuel Mitja Rapoport amp oldid 237937419