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Richard Stumpf 20 Februar 1892 nach anderer Quelle 21 Februar 1892 in Grafenberg Bayern 23 Juli 1958 in Heiligenstadt Eichsfeld katholisch war ein Zinngiesser und Mitglied einer christlichen Gewerkschaft Von 1912 bis 1918 diente er in der Hochseeflotte der Kaiserlichen Marine Von kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs bis zu dessen Ende fuhrte er ein personliches Kriegstagebuch Weil das Tagebuch umfassend die inneren Verhaltnisse in der Flotte aus Sicht eines einfachen Matrosen darstellte wurde es vom Untersuchungsausschuss des Deutschen Reichstages in voller Lange in seinem Untersuchungsbericht dokumentiert Inhaltsverzeichnis 1 Ausbildung Dienst in der kaiserlichen Marine Mitgliedschaften und Kriegstagebuch 2 Inhalt des Tagebuchs 3 Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss 4 Veroffentlichung des Tagebuchs 5 Einschatzungen des Tagebuchs 6 Die Zeit wahrend und nach der Weimarer Republik 7 Rezeption des Tagebuchs im Nachkriegsdeutschland 8 Veroffentlichungen 9 Literatur 10 EinzelnachweiseAusbildung Dienst in der kaiserlichen Marine Mitgliedschaften und Kriegstagebuch BearbeitenStumpf verfugte uber die elementare Schulbildung eines Arbeiters Er war aber belesen und vielseitig interessiert war als Wanderbursche bis ins Veneto und nach Sudtirol gekommen und bildete sich bestandig weiter Er diente von 1912 bis zum November 1918 in der deutschen Kaiserlichen Marine Die meiste Zeit davon namlich von kurz vor Ausbruch des Krieges bis zum Marz 1918 war er auf der SMS Helgoland vom I Geschwader als Matrose und spater als Obermatrose eingesetzt In einer Eintragung im Jahr 1916 merkte er an dass er es immer noch nicht zum Obermatrosen gebracht habe weil er immer offen seine Meinung gesagt habe Im Marz 1918 beschrieb er sich dann als Obermatrosen vermutlich aufgrund seiner Versetzung auf die SMS Wittelsbach nbsp Linienschiff SMS Helgoland Indienststellung August 1911 Besatzung 1113 MannStumpf war Mitglied einer christlichen Gewerkschaft und war noch wahrend des Krieges der rechtsradikalen Deutschen Vaterlandspartei beigetreten 1 2 Sein Kriegstagebuch umfasste sechs Hefte Es erschien dem Untersuchungsausschuss zur Kriegsschuldfrage als derart wichtig zur Erhellung der inneren Zustande und insbesondere der Vorgesetztenverhaltnisse in der Hochseeflotte dass es in voller Lange allerdings unter Anonymisierung verschiedener Namen in seinen Untersuchungsbericht aufgenommen wurde 3 Huck Pieken und Rogg bemerken in ihrem Katalog zur Wilhelmshavener Ausstellung Die Flotte schlaft im Hafen ein in der neben einem weiteren Tagebuch Stumpfs Notizen lebendig prasentiert werden Es handele sich nicht um Tagebucher im engeren Sinne sondern die sechs Hefte enthielten Niederschriften die auf Grundlage nicht erhaltener Tagebuchaufzeichnungen erstellt worden seien Die Niederschriften enthielten zahlreiche Korrekturen in fremder Handschrift die der Bearbeitung fur die Veroffentlichung 1927 s u zuzurechnen seien 1 Stumpf wurde ausserdem am 29 April 1926 als Sondersachverstandiger uber die Marinevorgange von dem Ausschuss bestellt Inhalt des Tagebuchs BearbeitenStumpf trug fast taglich seine Erlebnisse Beobachtungen und Einschatzungen in sein Kriegstagebuch ein Er las diverse Bucher war Leser verschiedener Zeitungen und diskutierte die politischen und militarischen Entwicklungen ausfuhrlich mit seinem Umfeld was sich in entsprechenden Gedanken und Kommentaren in seinem Tagebuch widerspiegelt Stumpf war zu Beginn des Krieges konservativ eingestellt identifizierte sich mit den Kriegszielen der Mittelmachte und beschrieb mehrfach die auch von ihm geteilte begeisterte Stimmung zu Beginn des Krieges Schon bald jedoch empfand er sich durch die Offiziere ungerecht behandelt und begann den Krieg mit anderen Augen zu sehen Wiederholt beschrieb er dass die Offizierskaste neben ihrem guten Gehalt noch eine hohe Kriegszulage beziehen wurde dass sie auch wahrend des Krieges in Saus und Braus lebte wahrend die Matrosen grosse Entbehrungen erleiden mussten Daruber hinaus wurden die Mannschaften durch die Offiziere gedemutigt einem sinnlosen Drill ausgesetzt und durch standige Schikanen der Offiziere drangsaliert Nur wahrend Gefechten wie zum Beispiel bei der Skagerrakschlacht fuhlten sich die Matrosen und Heizer von den Offizieren ernst genommen und vernunftig behandelt Solche Auseinandersetzungen gab es aber nur wenige weil die Strategie der Marine auf einer Fehleinschatzung des englischen Vorgehens basierte Diese katastrophale militar strategische Fehlplanung 4 die eine grosse Seeschlacht gegen England vor Helgoland als seekriegsentscheidend ansah fand ihre Widerspiegelung in Stumpfs Tagebuch Er schrieb Wir alle haben nach und nach einsehen mussen dass selbst eine fur Deutschland siegreiche Seeschlacht uns keinen Zugang zur offenen See garantieren wird 5 Die erlebte Arroganz bei gleichzeitigem strategischem Unvermogen bringt Stumpf zum Wunsch die Offizierskaste eines Tages zwingen zu konnen einen ehrbaren Beruf zu ergreifen und eine nutzliche Tatigkeit zu verrichten Die Matrosen wunschten sich den Offizieren die standigen Demutigungen und Schikanen die diese im Schutz der strikten militarischen Disziplin veruben konnten heimzahlen zu konnen Letztlich hatten nur die Offiziere ein Interesse an der Fortfuhrung des Krieges wobei Soldaten und Arbeiter fur die Interessen der Junker Geldschranke und Militararistokratie die Priester sieht er dabei als Offiziere in Zivil an ihr Leben einsetzen und grosse Entbehrungen auf sich nehmen wurden Dass diesen Menschen dann auch noch ein demokratisches Wahlrecht verweigert wurde erregte Stumpfs besondere Erbitterung Etwa Mitte 1917 schrieb Stumpf dass die Matrosen so schnell wie moglich Frieden mochten und es herrsche die Meinung vor dass nur die Offiziere und die Kriegsgewinnler den Krieg fortsetzen wollen An anderer Stelle schrieb er dass die Offizierskaste Deutschland in den Krieg getrieben hatte Als im Februar 1917 eines Morgens ein Flugblatt der USPD an Bord auftauchte rief dies grosse Aufregung hervor Stumpf schrieb dass dieses Blatt neben vielem Wahren eine buntscheckige Mischung alberner Plattheiten und Phrasen enthielte Viele Blatter scheinen nach Stumpfs Darstellung bei den Vorgesetzten abgeliefert worden zu sein Die Marineunruhen im Sommer 1917 finden ebenfalls ihre Widerspiegelung in Stumpfs Tagebuch Er beschreibt die Ereignisse detailliert und merkt an Ich hatte jeden fur einen Narren erklart der behauptet hatte dass in meinem Vaterlande ein Mensch zu Zuchthaus und zum Tode verurteilt werden kann ohne dass er etwas Unrechtes getan hat 6 An einigen Stellen erwahnt Stumpf den SPD Abgeordneten Karl Liebknecht spater USPD und dann KPD Mitglied als Juden Liebknecht Die Behauptung dass Liebknecht Jude sei wurde von der konservativen und rechtsradikalen Seite erhoben der viele Seeoffiziere ideologisch nahestanden 7 8 um den Antisemitismus gegen die linke Bewegung zu instrumentalisieren Diese Behauptung entbehrte jeglichen Wahrheitsgehalts Die Familie Karl Liebknechts kam aus Sachsen und hatte einen christlich protestantischen Hintergrund Karl Liebknecht wurde 1871 in Leipzig geboren und in der Thomaskirche evangelisch getauft Ein Grossonkel des Vaters war evangelischer Pastor Anlasslich der Marineunruhen im Sommer 1917 sieht Stumpf den Arbeiterfuhrer in einem anderen Licht Allmahlich geht mir eine ganze Bogenlampe auf warum manche Menschen das Militar und sein System mit solcher Leidenschaft bekampfen Armer Karl Liebknecht Wie tust du mir heute leid 9 Stumpf thematisiert auch einmal das Gebot der Bibel Du sollst nicht toten und lasst hier pazifistische Tone anklingen Er aussert aber immer wieder auch deutlich konservative Ansichten wenn er etwa uber das perfide Albion England oder gegen Frankreichs Raublust wettert sich daruber freut dass England endlich Strome von Blut geben muss und er die letzten Krafte zur Verteidigung des Vaterlandes zusammenfassen mochte Die innere Zerrissenheit Stumpfs kommt u a in folgendem Eintrag gegen Ende des Tagebuchs zum Ausdruck weshalb mussten wir so schuftige gewissenlose Offiziere haben die uns alle Liebe zum Vaterland die Freude am deutschen Wesen den Stolz auf unsere vorbildlichen Einrichtungen genommen haben Noch heute kocht mir das Blut wenn ich der vielen Demutigungen denke 10 Am Ende des Krieges folgte Stumpf wenn auch widerwillig der roten Fahne der Revolution unter donnerndem Hurra fiel die riesige Kriegsflagge vom Maste der Kaserne und das rote Tuch der Freiheit Gleichheit und Bruderlichkeit stieg auf Die Massensuggestion gegen die ich immer ankampfte nahm mich nun auch gefangen 11 Nach Bekanntwerden der Waffenstillstandsbedingungen ruft er aus Das ist was ihr bekommt fur eure Gott verdammte Bruderschaft der Nationen 12 Doch als die Flotte spater ausgeliefert werden muss ausserte sich Stumpf erleichtert dass diese Instrumente der Zerstorung aus den deutschen Gewassern verschwinden Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss BearbeitenVor dem Untersuchungsausschuss diskutierte Stumpf auch mit Adolf von Trotha der am Ende des Ersten Weltkriegs Chef des Stabes der Hochseeflotte war und der den geplanten Flottenvorstoss gegen England Operationsbefehl Nr 19 hauptsachlich entworfen hatte Der Vorstoss sollte ohne Wissen der Regierung und gegen deren erklarten Willen unternommen werden Diese Absichten der Marineleitung hatten zur Meuterei der Matrosen vor Wilhelmshaven und zum Kieler Matrosenaufstand gefuhrt Trotha versuchte Stumpfs Vorwurfe als Einzelfalle darzustellen Stumpf antwortete ihm dass er immer noch das Gefuhl habe dass hier zwei durch eine chinesische Mauer getrennte Welten sich gegenuber stunden Er habe extra noch Fritz Betz der damals ebenfalls auf der SMS Helgoland diente befragt Dieser habe ihm ausdrucklich bestatigt dass die grosse Mehrheit der Seeoffiziere in der Hochseeflotte die Matrosen und Heizer mit standigen Schikanen und beleidigenden Ausserungen misshandelt und gedemutigt hatten 13 Veroffentlichung des Tagebuchs Bearbeiten nbsp Buchausgabe des Verlags J H W Dietz Nachfolger Berlin 1927 Das Tagebuch schrieb Stumpf aus personlichem Interesse um eine Gedachtnisstutze fur seine Kriegserinnerungen zu haben Als jedoch Anfang der 1920er Jahre eine intensive Debatte uber die Dolchstosslegende einsetzte realisierte Stumpf dass seine Tagebucher zur Erhellung der Rolle der Seeoffiziere beitragen konnten und er ubergab sie an Joseph Joos von der Zentrumspartei der den Wert der Aufzeichnungen erkannte und dafur sorgte dass sie vorm Untersuchungsausschuss verlesen wurden Im Jahr 1927 veroffentlichte der USPD Abgeordnete Wilhelm Dittmann im Dietz Verlag eine stark gekurzte Version unter dem Titel Warum die Flotte zerbrach Kriegstagebuch eines christlichen Arbeiters 14 In seinem Vorwort schrieb Dittmann dass nicht irgendwelche revolutionaren Einflusse von aussen sondern die Verhaltnisse in der Flotte selbst zur Katastrophe gefuhrt hatten Ausserdem fugte er Uberschriften und eine Inhaltsubersicht ein Im Jahre 1967 veroffentlichte Daniel Horn damals Assistenz Professor fur Geschichte am Douglas College der Rutgers State University New Brunswick im US Staat New Jersey das Tagebuch in voller Lange in englischer Sprache 15 Er fugte eine Einfuhrung viele erklarenden Anmerkungen und einen Index hinzu und restaurierte soweit moglich die anonymisierten Namen Horn geboren in Wien war im Rahmen seiner Forschungsarbeit uber die Unruhen in der kaiserlichen Flotte und die Novemberrevolution 16 auf die Tagebucher gestossen Einschatzungen des Tagebuchs BearbeitenDaniel Horn bewertete die geschichtliche Bedeutung in seinen einleitenden Bemerkungen indem er die Grunde benannte die den Untersuchungsausschuss bewogen Stumpfs Tagebuch als einzige personliche Erinnerung in seinen Bericht aufzunehmen Wahrend die anderen Personen die vor dem Ausschuss Zeugnis ablegten Offiziere und Politiker waren die bestrebt waren ihre Handlungsweise bzw Position zu verteidigen oder zu untermauern war Stumpf ein Arbeiter der als gemeiner Matrose in der Marine gedient hatte und dessen Aufzeichnungen seine damaligen Gefuhle und Ansichten wiedergaben ohne von den spater entstandenen Diskussionen beeinflusst zu sein Stumpf der eigentlich ein privates Tagebuch fuhren wollte hatte jedoch durch seine aktive und intensive Einbindung in die Diskussionen der Matrosen und Heizer nicht nur der SMS Helgoland sondern auch vieler anderer Schiffe sowie durch sein feines Gespur fur die Stimmungen seiner Kameraden auch die allgemeine Stimmung zum Ausdruck gebracht und somit stelle das Tagebuch eine unschatzbare geschichtliche Quelle der individuellen aber auch der kollektiven Mentalitat der unteren Dienstgrade in der Kaiserlichen Marine dar 15 Nach Ansicht Horns liefert das Tagebuch eine schlussige Erklarung nicht nur warum die eingezogenen Matrosen gegen ihre Offiziere meuterten sondern auch warum Deutschland den Krieg verlor warum das Kaiserreich kollabierte und warum es durch die Revolution gesturzt wurde Matrosen und Heizer rebellierten weil sie unter Hunger und Entbehrungen litten weil sie von ihren Offizieren misshandelt wurden weil sie Frieden wollten und weil ihnen demokratische Rechte verweigert wurden Die Offiziere versuchten rucksichtslos gegen ihre Untergebenen den Krieg hinauszuzogern um Weltgeltung und Annexionen durchzusetzen Die Matrosen und Heizer sahen die Fortfuhrung des Krieges als nur im Interesse der Offiziere an die keinerlei Mitgefuhl fur sie aufbrachten sondern sie im Gegenteil noch absichtlich schikanierten 15 Horn sieht nur zwei andere Veroffentlichungen die mit dem Tagebuch Stumpfs verglichen werden konnten Zum einen Joachim Ringelnatz Werk Als Mariner im Krieg 17 das Horn allerdings als nicht annaherungsweise so authentisch aufregend und ergreifend not nearly as authentic stirring and poignant ansieht 15 Zum anderen handelt es sich um die Erinnerungen von Willy Sachse 18 die jedoch durch spatere entgegengesetzte Aussagen z B in seinem Werk Rost an Mann und Schiff an Glaubwurdigkeit eingebusst hatten 15 Huck und Rogg sehen Anklange an ein klassisches Drama indem das Tagebuch Hybris Uberheblichkeit und Fall der in der Flottenrustung manifestierten Weltmachtambitionen des Deutschen Kaiserreichs schildere Das Tagebuch beschreibe auch die Erosion der wilhelminischen Klassengesellschaft in der Kaiserlichen Marine 1 In der Tat zeigt sich in der Person Richard Stumpfs dass die gut ausgebildeten Arbeiter die geradezu nach Bildung hungerten dies zeigt sich auch in der Arbeiterjugend jener Zeit und sich standig weiterbildeten sich nicht langer von Schnoseln mit beschranktem geistigen Horizont die manchmal nur durch das Geld ihrer Eltern auf ihren Offiziersposten gelangt waren als Kinder oder Tiere behandeln lassen wollten 14 Die Zeit wahrend und nach der Weimarer Republik BearbeitenDie Informationen aus dieser Zeitspanne stammen hauptsachlich von Daniel Horn In einem Aufsatz aus dem Jahre 1978 beschreibt er dass er von der Familie Stumpf vermutlich handelt es sich hier um den Sohn Hans der 1950 in die USA ausgewandert war 19 Unterlagen von Richard Stumpf erhalten habe Diese habe er an das Archiv der Rutgers Universitatsbibliothek ubergeben 2 Inzwischen wurden die Unterlagen oder ein Teil davon jedoch im Archiv des Leo Baeck Instituts ausfindig gemacht 20 Nach Ende des Ersten Weltkriegs war Stumpf arbeitslos und lebte in Neunkirchen nahe Nurnberg Im Jahre 1919 trat er den Freicorps zur Bekampfung der bayerischen Rateregierung bei dies ware der Wunsch der Regierung und der Diozese Ohne bereits zum Kampfeinsatz gekommen zu sein wurde er Zeuge eines Massakers an Angehorigen des katholischen Gesellenvereins St Joseph Die Freicorpsler sperrten sie in einen Keller und warfen Handgranaten hinein Daraufhin verliess Stumpf die Freicorps Er resumierte dass die Regierungsstreitkrafte etwa 18 Mann verloren wahrend sie etwa 5000 Menschen toteten wobei es sich bei einer grossen Zahl um kaltblutigen Mord handelte 2 Stumpf heiratete 1921 Anna Birzle und lebte zunachst bei seiner Schwester Von 1922 bis 1924 arbeitete er als Polierer in einer Nurnberger Metallfabrik Dies ermoglichte es ihm einen eigenen Haushalt zu grunden und ihre vier Sohne kamen zur Welt 1 2 Im Jahre 1925 besuchte Stumpf Versammlungen der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei und erhielt durch Vermittlung des Nurnberger Burgermeisters Hermann Luppe eine Stelle in seinem alten Beruf und eine Wohnung Er begann eine schriftstellerische Tatigkeit und veroffentlichte zu marinegeschichtlichen und politischen Themen wobei er sich auch kritisch zum Aufstieg der Nationalsozialisten ausserte Einer seiner Artikel fiel Dr Joos auf der dann den Kontakt zum Untersuchungsausschuss vermittelte Ein langerer Aufenthalt in Berlin anlasslich seiner Gutachtertatigkeit folgte Danach arbeitete Stumpf wieder in seinem alten Beruf und setzte seine schriftstellerische Tatigkeit fort Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus versuchte Stumpf die Volkerverstandigung mit Frankreich zu intensivieren auf der Basis der gemeinsamen religiosen Uberzeugungen 2 Unter der Nazidiktatur wurden seine Tagebucher verbrannt und er erhielt nach Aussagen seines Sohnes Richard keine angemessene Arbeit 21 22 Nach der Arbeitslosigkeit infolge der Weltwirtschaftskrise fand Stumpf schliesslich eine Anstellung als Herbergsvater des Mainzerhofes des Kolpingwerks in Heiligenstadt in Thuringen Dort verbrachte er die gesamte Zeit des Zweiten Weltkriegs Wegen seines Alters und einem schlimmen Rheuma wurde er nicht eingezogen hatte aber gelegentliche Arbeits und Wachdienste zu leisten 1 2 Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte er weiterhin in Heiligenstadt das nun zur sowjetischen Besatzungszone gehorte Er wurde Polizist und beteiligte sich an Aktionen zur Verhaftung von Nazis und deren Uberstellung an die Besatzungsmacht Er wurde ein Mitglied der Antifa Ausschusse und trat 1946 in die CDU ein der Nachfolgepartei des katholischen Zentrums der Stumpf wegen seiner Religionszugehorigkeit nahestand Er kannte den Vorsitzenden Jakob Kaiser aus seiner Nurnberger Gesellenzeit 1 2 Als die sowjetischen Truppen in Heiligenstadt einruckten versteckte Stumpf seine Dienstpistole die er als Herbergsvater besass Sie wurde spater entdeckt und ein Pachter einer zum Kolpinghaus gehorenden Gaststatte wurde daraufhin verhaftet Als Stumpf davon erfuhr zeigte er sich selbst an obwohl fur solche Vergehen die Todesstrafe moglich war Er wurde misshandelt kam jedoch im Marz 1946 frei 1 2 Unter dem DDR Regime wurde er nach dem Aufstand des 17 Juni 1953 wegen antidemokratischer Betatigung verhaftet er habe Beziehungen zu dem in Westberlin lebenden Jakob Kaiser aufgenommen und dem Bischof in Fulda Angaben uber die Besatzungsmacht und andere Organisationen gemacht Wahrend der Haftzeit schrieb er ein weiteres Tagebuch uber seinen letzten Lebensabschnitt das vermutlich auch in dem oben genannten Archiv der Rutgers University in New Jersey USA aufbewahrt wird Das Verfahren wurde eingestellt und Stumpf wurde ohne Verurteilung entlassen Auf Betreiben seines altesten Sohnes Lothar wurde Stumpf 1993 rehabilitiert 1 Im November 1953 erhielt Stumpf auf Anfrage die Erlaubnis das Kriegerdenkmal im Heinrich Heine Park im Gedenken an die Gefallenen zu schmucken Als im folgenden Jahr die Graber sowjetischer Gefallener geschandet wurden wurde Stumpf verdachtigt und wegen antisowjetischer Umtriebe verhaftet Er wurde aber nach langwierigen Verhoren wegen erwiesener Unschuld freigelassen 23 24 Stumpf starb am 23 Juli 1958 Rezeption des Tagebuchs im Nachkriegsdeutschland BearbeitenIn der offiziellen DDR Geschichtsschreibung wurde sein Tagebuch erst Ende der 1970er Jahre in Arbeiten des Militarjournalisten Robert Rosentreter beschrieben 25 Auch in der BRD wurde es erst relativ spat von Historikern gewurdigt Wilhelm Deist fuhrte das Tagebuch an verschiedenen Stellen seiner geschichtlichen Arbeiten an erstmals 1966 in seinem Werk Die Politik der Seekriegsleitung und die Rebellion der Flotte Ende Oktober 1918 26 In einem spateren Vortrag beschreibt Deist den tiefgreifenden Einfluss den Anfang Oktober 1918 die Raumung Flanderns auf die Matrosen gehabt hatte was in Stumpfs Tagebuch deutlich zum Ausdruck gebracht worden ware Weil nun auch noch eine wichtige Basis fur den U Boot Krieg weggefallen war wurde den Matrosen und Heizern endgultig klar dass der Krieg verloren war 27 Im Jahr 1992 veroffentlicht der Freiburger Historiker und Friedensforscher Wolfram Wette Beitrage zur Geschichte des Kriegsalltags im deutschen Militar seit der fruhen Neuzeit und brachte darin Auszuge aus Stumpfs Tagebuch 28 Seit Anfang der 1990er Jahre wird das Stumpf Tagebuch auch in der Lehrausstellung der Marineschule Murwik gezeigt eingebracht vom Marinehistoriker Dieter Hartwig als Farbkopie des Originals und im dortigen Marinegeschichtsunterricht erwahnt Im Jahr 2014 widmete das Deutsche Marinemuseum in Wilhelmshaven Stumpf eine grosse Ausstellung Die Flotte schlaft im Hafen ein Kriegsalltag 1914 1918 in Matrosentagebuchern in der Stumpfs Aussagen anhand von eindrucksvoll konstruierten Exponaten lebendig wurden Stumpfs Notizen wurden dabei einem erst 2013 entdeckten Erinnerungstyposkript von Carl Richard Linke der ebenfalls auf der SMS Helgoland Dienst tat gegenubergestellt 1 Veroffentlichungen BearbeitenRichard Stumpf Warum die Flotte zerbrach Kriegstagebuch eines christlichen Arbeiters Hrsg Wilhelm Dittmann Verlag J H W Dietz Nachfolger Berlin 1927 DNB 577485938 gekurzte Ausgabe Tagebuch des Matrosen Richard Stumpf Erinnerungen aus dem deutsch englischen Seekriege auf S M S Helgoland Das Werk des Untersuchungsausschusses des Deutschen Reichstages Vierte Reihe Zehnter Band Zweiter Halbband Deutsche Verlagsgesellschaft fur Politik und Geschichte Berlin 1928 DNB 368526399 ungekurzte Ausgabe Daniel Horn Hrsg War Mutiny and Revolution in the German Navy The World War I Diary of Seaman Richard Stumpf Rutgers University Press New Brunswick New Jersey USA 1967 DNB 578170930 Richard Stumpf Reichpietsch und Kobis mahnen In Illustrierte Reichsbanner Zeitung 40 1928 S 626 627 Literatur BearbeitenStephan Huck Ein getreues Bild meiner Erlebnisse und Beobachtungen Uber die Erinnerungen der Matrosen Stumpf und Linke und ihre Autoren in Jurgen Elvert Lutz Adam Heinrich Walle Hg Die Kaiserliche Marine im Krieg Eine Spurensuche Stuttgart Franz Steiner Verlag 2017 S 201 218 ISBN 978 3515118248 Paul Lauerwald Richard Stumpf 1892 1958 und sein Wirken auf dem Eichsfeld In Eichsfeld Jahrbuch 26 2018 Duderstadt 2018 S 285 300 ISBN 978 3 86944 190 0Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e f g h i S Huck G Pieken M Rogg Hrsg Die Flotte schlaft im Hafen ein Kriegsalltag 1914 1918 in Matrosen Tagebuchern Militarhistorisches Museum Deutsches Marinemuseum Wilhelmshaven Sandstein Verlag 2014 ISBN 978 3 95498 095 6 a b c d e f g h D Horn The Diarist revisited The Papers of Seaman Stumpf In The Journal of the Rutgers University Libraries 40 Nr 1 1978 S 32 48 online auf researchgate net Das Werk des Untersuchungsausschusses der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung und des Deutschen Reichstages 1919 1928 Vierte Reihe Die Ursachen des Deutschen Zusammenbruches Zweite Abteilung Der innere Zusammenbruch 12 Vol Volume X Teil 2 WUA W Rahn Hrsg Deutsche Marinen im Wandel R Oldenbourg Verlag Munchen 2005 D Horn Hrsg War Mutiny and Revolution in the German Navy The World War I Diary of Seaman Richard Stumpf Rutgers University Press New Brunswick New Jersey USA 1967 S 163 R Stumpf Warum die Flotte zerbrach Kriegstagebuch eines christlichen Arbeiters Hrsg W Dittmann Verlag J H W Dietz Nachfolger Berlin 1927 S 167 G Mehnert Evangelische Kirche und Politik 1917 19 Droste Verlag Dusseldorf 1959 K Kuhl Die Rolle der deutschen Seeoffiziere wahrend der Ereignisse im Oktober November 1918 Literaturstudie 2013 S 12 Abgerufen 17 Nov 2014 unter http www kurkuhl de docs flottenbefehl und seeoffiziere pdf R Stumpf Warum die Flotte zerbrach Kriegstagebuch eines christlichen Arbeiters Hrsg W Dittmann Verlag J H W Dietz Nachfolger Berlin 1927 S 167 R Stumpf Warum die Flotte zerbrach Kriegstagebuch eines christlichen Arbeiters Hrsg W Dittmann Verlag J H W Dietz Nachfolger Berlin 1927 S 208 R Stumpf Warum die Flotte zerbrach Kriegstagebuch eines christlichen Arbeiters Hrsg W Dittmann Verlag J H W Dietz Nachfolger Berlin 1927 S 213 D Horn Hrsg War Mutiny and Revolution in the German Navy The World War I Diary of Seaman Richard Stumpf Rutgers University Press New Brunswick New Jersey USA 1967 S 428 WUA Reihe 4 Band 10 1 Gutachten der Sachverstandigen Alboldt Stumpf v Trotha zu den Marinevorgangen 1917 und 1918 1928 a b R Stumpf Warum die Flotte zerbrach Kriegstagebuch eines christlichen Arbeiters Hrsg W Dittmann Verlag J H W Dietz Nachfolger Berlin 1927 a b c d e D Horn Hrsg War Mutiny and Revolution in the German Navy The World War I Diary of Seaman Richard Stumpf Rutgers University Press New Brunswick New Jersey USA 1967 D Horn German Naval Mutinies of World War I Rutgers University Press New Brunswick New Jersey USA 1969 Joachim Ringelnatz H Botticher Als Mariner im Krieg Karl H Hensel Verlag 1955 W Sachse Antinautikus Deutschlands revolutionare Matrosen Verlag Karl Schulzke Hamburg 1925 Das Tagebuch des Richard Stumpf In Sonntagspost 31 August 1974 Schwabische Post Archiv des Leo Baeck Instituts 2009 Guide to the Daniel Horn Collection 1881 1976 AR 6411 Retrieved 24 February 2015 from http digifindingaids cjh org pID 475721 Aussage seines Sohnes Richard Stumpf in einem Brief an den Marinehistoriker Dieter Hartwig Oberkochen 2004 Das Tagebuch des Richard Stumpf In Sonntagspost 31 August 1974 Schwabische Post Aussage seines Sohnes Richard Stumpf in einem Brief an den Marinehistoriker Dieter Hartwig Oberkochen 2004 Das Tagebuch des Richard Stumpf In Sonntagspost 31 August 1974 Schwabische Post Unter anderem in R Rosentreter Blaujacken im Novembersturm Rote Matrosen 1918 1919 Dietz Verlag Berlin 1988 W Deist Die Politik der Seekriegsleitung und die Rebellion der Flotte Ende Oktober 1918 In H Rothfels T Eschenburg Hrsg Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 4 Heft Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1966 online W Deist Die Ursachen der Revolution von 1918 19 unter militargeschichtlicher Perspektive In Wilhelmshavener Museumsgesprache Texte zur Geschichte der Stadt Band 2 Die Revolution 1918 19 70 Jahre danach Vortragsveranstaltung der Stadt Wilhelmshaven am 28 und 29 Oktober 1988 bearbeitet und herausgegeben von Norbert Crede im Auftrag der Stadt Wilhelmshaven Stadt Wilhelmshaven Kusten Museum 1991 W Wette Hrsg Der Krieg des Kleinen Mannes Militargeschichte von unten Munchen Zurich 1992 Normdaten Person GND 1038442087 lobid OGND AKS LCCN n2016180292 VIAF 69057667 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Stumpf RichardKURZBESCHREIBUNG deutscher Matrose Sachverstandiger vor dem Untersuchungsausschuss der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung und des Deutschen Reichstages 1919 1928 GEBURTSDATUM 20 Februar 1892GEBURTSORT Grafenberg Bayern STERBEDATUM 23 Juli 1958STERBEORT Heilbad Heiligenstadt Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Richard Stumpf amp oldid 231574123