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Pseudoautosomale Regionen PAR sind Abschnitte im Genom mancher Lebewesen die auf verschiedenen Geschlechtschromosomen der entsprechenden Art homologe DNA Sequenzen haben 1 Bei Saugern liegen sie entsprechend auf dem X und dem Y Chromosom PAR sind also in beiden Geschlechtern gleich oft vorhanden so wie dies sonst bei Autosomen der Fall ist daher der Name Durch die PAR wird die Paarung der ansonsten unterschiedlichen Geschlechtschromosomen wahrend der Meiose ermoglicht Dabei findet eine Rekombination im Bereich der PAR durch Crossing over statt Ausschnitt aus einer menschlichen Metaphase Spreitung Eine Region in der pseudoautosomalen Region auf den kurzen Armen des X Chromosoms links und des Y Chromosoms rechts oben wurde mit Fluoreszenz in situ Hybridisierung nachgewiesen grune Doppelpunkte je ein Punkt pro Chromatid Chromosomen sind rot dargestellt Menschliches X ChromosomMenschliches Y Chromosom Inhaltsverzeichnis 1 Pseudoautosomale Regionen des Menschen und der Saugetiere 1 1 Genetische Besonderheiten 1 2 Gene in PAR1 und PAR2 im Humangenom 1 3 Mit PAR assoziierte Krankheiten des Menschen 1 4 Evolutionare Aspekte 1 4 1 Das Y Chromosom 1 4 2 Der autosomale Ursprung des X Chromosoms 1 4 3 Das Alter der Geschlechtschromosomen 2 PAR bei Pflanzen 3 Literatur 4 Siehe auch 5 EinzelnachweisePseudoautosomale Regionen des Menschen und der Saugetiere BearbeitenAuf den Geschlechtschromosomen der Saugetiere gibt es zwei PAR PAR1 ist beim Menschen 2 7 Millionen Basenpaare Mb gross befindet sich am Ende des kurzen Arms des sogenannten p Arms der Geschlechtschromosomen und heisst auch p PAR Hier findet wahrend der Meiose bei mannlichen Individuen ein obligatorisches Crossing over statt PAR2 ist beim Menschen 0 33 Mb gross befindet sich am Ende des langen Armes q Arm der Geschlechtschromosomen und heisst auch q PAR Hier ist ein Crossing over wahrend der Meiose bei mannlichen Individuen nicht obligatorisch und sogar relativ selten Bislang wurden im Bereich der beiden PAR insgesamt ca 30 Gene identifiziert 2 Die Untersuchung der PAR im Y Chromosom von Pferden ECAY Equus caballus Y Chromosom war hilfreich bei der Herstellung der ersten Genomkarten der sog euchromatischen Regionen von ECAY Solche Untersuchungen sind in tiermedizinischer Hinsicht fur die Untersuchung der mannlichen Fruchtbarkeit Fertilitat von Pferden und deshalb auch fur Zuchtungsfragen bedeutsam 3 Bei zahlreichen Untersuchungen zu sogenannten Quantitative Trait Loci werden auch die PAR in die Suche mit eingeschlossen Dabei werden zum Beispiel Marker fur die Anfalligkeit Vulnerabilitatsmarker fur BSE 4 Marker fur Verhalten und Korperbau von Rindern 5 oder Resistenzen gegen Krankheitserreger gesucht 6 Neben den PAR kann es auf Geschlechtschromosomen auch noch weitere homologen Regionen geben bei denen sich die Sequenzen ahneln und somit einen gemeinsamen Ursprung haben aber nicht mehr identisch sind Beim Menschen sind dies Xq21 3 und Yp11 1 Genetische Besonderheiten Bearbeiten Fur die PAR1 ist bekannt dass es dort sehr viel haufiger als in anderen Bereichen des Genoms zu Rekombinationen kommt Dabei nimmt die Haufigkeit der Rekombinationen zu je weiter die betroffenen Genabschnitte in Richtung der Chromosomenenden also der Telomere liegen 7 Das Ausmass der Rekombinationshaufigkeit scheint dabei bei verschiedenen Spezies deutlich zu differieren 8 Da man davon ausgeht dass Genabschnitte die oft von Rekombinationen betroffen sind auch haufig von Mutationen betroffen sind wurden die PAR auf Mutationshaufigkeit untersucht Zumindest im Falle von Menschen und anderen Primaten sind die PAR sehr viel seltener als erwartet von Mutationen betroffen 9 Was die Haufung von Rekombinationen innerhalb der PAR1 betrifft gibt es einen bemerkenswerten Unterschied zwischen den Verhaltnissen bei Menschen und Mausen welcher als PAR Boundary Paradox bezeichnet wird Wenn man beim Menschen die Genregion untersucht die die PAR1 von den weiter zur Mitte also zum Zentromer hin gelegenen Gen Abschnitten trennt zeigt sich dass innerhalb der PAR1 die Rekombinationshaufigkeit 20 mal hoher ist als im ubrigen Genom Gleichzeitig finden sich dort uberdurchschnittlich viele GC Abschnitte 10 Dabei wird die Haufung an GC reichen Sequenzen in der PAR1 als evolutionare Folge der gehauften Rekombinationen in diesen Genabschnitten interpretiert 11 Bei Mausen hingegen gibt es in diesem Chromosomabschnitt keine positive Korrelation von Rekombinationsraten und GC Gehalt 12 Gene in PAR1 und PAR2 im Humangenom Bearbeiten Folgende Gene liegen in den pseudoautosomalen Regionen beim Menschen ASMT ASMTL CD99 CRLF2 CSF2RA SFRS17A DHRSXY GTPBP6 IL3RA P2RY8 PLCXD1 PPP2R3B SHOX SLC25A6 XG ZBED1 SPRY3 SYBL1 IL9R 13 Mit PAR assoziierte Krankheiten des Menschen Bearbeiten nbsp Amelogenesis imperfecta Beim Menschen gibt es eine erbliche Erkrankung die mit Kleinwuchsigkeit und einer Deformation der Speiche Madelung Deformitat einhergeht die sog Dyschondrosteose Leri Weill LWD Diese Krankheit ist eine pseudoautosomal dominante Erkrankung Das heisst dass die Gene die fur die Erkrankung verantwortlich sind in der pseudoautosomalen Region der Geschlechtschromosomen sitzen und der Erbgang dominant ist Bei der Leri Weill Dyschondrosteosis LWD gibt es Deletionen im Bereich der PAR1 14 Das bei dieser Erkrankung beteiligte SHOX Gen ist vermutlich auch an anderen genetischen Erkrankungen die sog Langer mesomelic dysplasia und das Turner Syndrom mitbeteiligt 15 Deletionen im Bereich der PAR stehen bei Mannern im Zusammenhang mit einer Unfruchtbarkeit Infertilitat die auf eine Azoospermie Fehlen von Spermien im Ejakulat zuruckgeht 16 17 Eine Besonderheit stellen die sogenannten R Y Elemente dar Es handelt sich dabei um DNA Sequenzen die eine Dreifachhelix bilden Diese Triplexe verhindern die Transkription und Replikation der DNA und erhohen die Wahrscheinlichkeit von genetischen Rearrangements Auf den Geschlechtschromosomen dienen diese Sequenzen zum Abschalten von Genen Sie finden sich gehauft in den Intronen von Genen die im Gehirn exprimiert werden und moglicherweise eine Rolle bei der Entstehung psychischer Erkrankungen spielen Da diese Genabschnitte in der Umgebung von schnell mutierten Genen gefunden werden vermutet man dass sie bei der Evolution des Genoms eine Rolle spielen 18 Defekte im Amelogenin Gen in PAR1 verursachen eine Storung der Zahnschmelzbildung die Amelogenesis imperfecta genannt wird 19 Evolutionare Aspekte Bearbeiten nbsp DerbywallabyPAR2 auf dem Y Chromosom enthalt vier Gene 20 und wurde wahrend der Entwicklung der Saugetiere vermutlich verdoppelt Untersuchungen uber die Lage der PAR2 Gene bei Lemuren Katzen und dem Derbywallaby ergaben dass die dafur verantwortlichen Mutationen vor 70 bis 130 Mio Jahren und vor 60 bis 70 Mio Jahren erfolgten 20 Auch scheint die Grenze der PAR2 zu den ubrigen Abschnitten auf dem X und Y Chromosom nicht ganz scharf zu sein da bei Saugetieren das Amelogenin Gen diese Grenze uberspannt Diese Beobachtung wird so interpretiert dass die Evolution der Geschlechtschromosomen die bei Saugetieren vor ca 300 Mio Jahren begann 21 mit Veranderungen in den Genen SRY zu tun hat die den mannlichen Phanotyp determinieren 22 Das Y Chromosom Bearbeiten Beim Menschen ist das Y Chromosom etwa 65 Mb gross und enthalt etwa 78 aktive Gene Das Y Chromosom der Schmalfuss Beutelmause ist mit ca 10 Mb noch kleiner Es enthalt keine PAR allerdings findet sich auf ihm auch das SRY Gen Dieser Befund stutzt die Vermutung dass es zumindest im Falle der Beutelsauger Marsupialia und der Hoheren Saugetiere Eutheria einen gemeinsamen Vorfahren des Y Chromosoms gibt 23 Der autosomale Ursprung des X Chromosoms Bearbeiten nbsp SchnabeltierSchon seit langerem wird vermutet dass sich die Geschlechtschromosomen der Saugetiere aus autosomalen Regionen entwickelt haben Genetische Untersuchungen haben gezeigt dass der lange Arm des X Chromosoms allen Saugetieren gemeinsam ist Erste Hinweise fur einen sukzessiven Prozess der Entstehung des X Chromosoms fand man bei Vergleichen von Genregionen auf dem kurzen X Arm bei Schnabeltieren und Beuteltieren Marsupialia fehlen dort Abschnitte die beim menschlichen X Chromosom vorhanden sind Daraus schliesst man dass der gesamte kurze X Arm erst kurzlich Teil des X Chromosoms bei den Hoheren Saugetieren Eutheria wurde 24 Bei allen drei Saugetierunterklassen Hohere Saugetiere Beuteltiere und Ursauger gibt es ubereinstimmende Regionen des X Chromosoms allerdings haben Beuteltiere Marsupialia und Kloakentiere Monotremata eine autosomale Region gemeinsam die sich bei den Hoheren Saugetieren auf dem X Chromosom befindet Dies spricht dafur dass zumindest Teile des X Chromosoms ursprunglich ein autosomes Chromosom waren Ahnliches gilt fur das Y Chromosom nur dass dort der Anteil an genetischem Material der wohl von Autosomen stammt noch wesentlich umfangreicher ist 25 Das Alter der Geschlechtschromosomen Bearbeiten Fur einen autosomalen Ursprung des kurzen X Armes spricht auch die Untersuchung der chromosomalen Lokalisation des Amelogenin Gens AMG beim Derbywallaby Marsupialia dem Schnabeltier Monotremata und dem Menschen Eutheria Bei Wallaby und Schnabeltier sitzt AMG auf den Autosomen 5q und 1q sowie 1 und 2 und beim Menschen auf Xp22 und Yp11 also jeweils in der PAR1 26 Aus der Vermutung dass die Radiation der Saugetiere aus einem gemeinsamen Vorfahren vor ca 150 Mio Jahren stattfand schliesst man dass AMG vor 80 bis 150 Mio Jahren den PAR hinzugefugt wurde und dass X und Y Chromosomen mindestens so alt sind 27 PAR bei Pflanzen Bearbeiten nbsp Weisse Lichtnelke Silene latifolia PAR sind auch bei Pflanzen gefunden worden Studien zur Meiose bei der Weissen Lichtnelke Silene latifolia haben gezeigt dass die Rekombination nicht zwischen den beiden langen Armen der Geschlechtschromosomen stattfindet sondern zwischen dem kurzen Arm des X Chromosoms und dem langen Arm des Y Chromosoms 28 Da die Geschlechtschromosomen bei dieser Art sehr jung sind sie entstanden erst vor etwa 10 20 Mio Jahren gilt die Untersuchung der PAR der Weissen Lichtnelke als besonders informativ Detaillierte Untersuchungen dieser PAR stutzen die Hypothese dass Geschlechtschromosomen aus Autosomen hervorgehen 29 30 Literatur BearbeitenRaudsepp T Chowdhary BP The Eutherian Pseudoautosomal Region In Cytogenet Genome Res 2015 doi 10 1159 000443157 PMID 26730606 Siehe auch BearbeitenChromosomen Geschlechtsbestimmung Geschlechtsdetermination Genetisches Geschlecht Gonosom Sex determining region of Y X Chromosom Y ChromosomEinzelnachweise Bearbeiten J A Graves M J Wakefield R Toder The origin and evolution of the pseudoautosomal regions of human sex chromosomes In Hum Mol Genet 7 13 Dez 1998 S 1991 1996 PMID 9817914 R J Blaschke G Rappold The pseudoautosomal regions SHOX and disease In Curr Opin Genet Dev 16 3 Jun 2006 S 233 239 Epub 2006 May 2 PMID 16650979 T Raudsepp u a A detailed physical map of the horse Y chromosome In Proc Natl Acad Sci U S A 101 25 22 Jun 2004 S 9321 9326 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