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Unter dem Titel Perversionen der Frau erschien 2003 die Ubersetzung des 1988 erschienenen anthropologischen und sexualwissenschaftlichen Sachbuches Mother Madonna Whore der britisch argentinischen Psychoanalytikerin Estela Welldon Eine fruhere Ausgabe auf Deutsch erschien 1992 unter dem Titel Mutter Madonna Hure Verherrlichung und Erniedrigung der Mutter und der Frau Welldon ist Grunderin der Internationalen Vereinigung fur Forensische Psychotherapie IAFP 1 spezialisiert auf die Behandlung von sexuell auffalligen und straffalligen Menschen und war 1988 eine der ersten die uber weibliche Perversionen forschte lehrte und publizierte 2 In ihrem Buch konzipierte sie eine Psychopathologie der Frau die unter anderem mit Kindesmisshandlung Inzest Prostitution oder selbstverletzendem Verhalten einhergehen kann Diese Phanomene wurden lange Zeit nicht als mogliche Symptome einer Perversion verstanden Zwar liegt bei Frauen einer Perversion dieselbe Psychodynamik wie bei Mannern zugrunde in Erscheinungsbild Phanomenologie und Symptomatik unterscheidet sie sich jedoch erheblich von der mannlichen Perversion wie sie beispielsweise Robert Stoller in seinem Buch Perversion Die erotische Form von Hass beschrieb Inhaltsverzeichnis 1 Historische Einordnung 2 Aufbau des Buches 3 Inhalt 3 1 Vorwort 3 2 Sexuelle Perversion der Frau 3 3 Sexualitat und weiblicher Korper 3 4 Die Macht der Gebarmutter 3 5 Mutterlichkeit als Perversion 3 6 Mutter die Inzest begehen 3 7 Die Hure als symbolische Mutter 3 8 Die Hure als Ersatzmutter 3 9 Epilog 4 Rezension und Rezeption 5 Buchausgaben 6 Anmerkungen 7 EinzelnachweiseHistorische Einordnung BearbeitenBis in die spaten 1980er Jahre war uber die Perversion der Frau kaum etwas bekannt Erst seit etwa 20 Jahren so die Sexualwissenschaftlerin Sophinette Becker im Jahr 2002 sei die weibliche Perversion zu einem Thema in Sexualwissenschaft und Psychoanalyse geworden In dieser auffalligen Verspatung drucke sich die lange aufrechterhaltene Uberzeugung aus dass es von wenigen Ausnahmen abgesehen Perversionen bei der Frau nicht gebe 3 Unter dem Titel Das weibliche Korperselbst und die Perversion teilte Becker im Jahr 2005 mit Perversionen bei Frauen seien nicht erkannt worden weil sie am falschen Ort gesucht wurden Inzwischen sei bekannt dass die Perversion eben keine Domane des Mannes sei 4 sie habe nur ein anderes Gesicht 5 Frauen wurden sexualisierte Aggression anders externalisieren als Manner 4 Und weil dem Korper in der Entwicklung von Frauen eine besondere Bedeutung zukomme musse diese Besonderheit bei der Erforschung weiblicher Perversionen Berucksichtigung finden Anm 1 Aufbau des Buches BearbeitenDas Buch hat sieben Kapitel Das Vorwort von Sophinette Becker der ehemaligen Leiterin der Institutsambulanz des inzwischen geschlossenen Frankfurter Instituts fur Sexualwissenschaft 6 greift in drei Abschnitten eine Auswahl der zentralen Thesen auf In ihrer Danksagung die Welldon ihren wissenschaftlichen Betrachtungen voran stellt dankt sie nicht nur Menschen die sie auf ihrem Weg durch dieses Thema fachlich und personlich begleiteten sondern auch ihren Patientinnen denen sie dieses Buch widmete Einem Epilog schliessen sich eine umfangreiche Bibliographie und ein Stichwortverzeichnis an Unter den zahlreich von Welldon zitierten Autoren finden sich eine Reihe prominenter Frauen wie die Feministin Simone de Beauvoir Marie Bonaparte Janine Chasseguet Smirgel und Helene Deutsch die sich als erste Psychoanalytikerin speziell mit der weiblichen Sexualitat befasste Karen Horney war eine der ersten Frauen die in Deutschland Medizin studierten Sie stellte Freuds Lehre vom Penisneid ein Konzept von mannlichem Neid auf Schwangerschaft Geburt und Mutterschaft entgegen Joyce McDougall schlug in ihrem Buch Pladoyer fur eine gewisse Anormalitat eine Revision der Freudschen Auffassung von Perversion vor 7 Sie alle kommen bei Welldon zu Wort Inhalt Bearbeiten Die Mutterlichkeit ist das zentrale Thema dieses Buches die Mutterlichkeit mit all ihrer Macht zum Guten und zuweilen zu Perversionen 8 Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Betrachtungen von Welldon ist die Macht mit der Mutter ausgestattet seien und die aufgrund der hohen gesellschaftlichen Erwartungen einerseits und wegen eigener emotionaler Probleme andererseits zu Uberforderung und in der Folge zu Missbrauch der mutterlichen Macht fuhren konne Dieses Buch ist eine Studie uber das vernachlassigte Gebiet weiblicher Perversionen schreibt Welldon und es beruhe auf zwanzigjahriger Erfahrung in der klinischen Arbeit mit Frauen 9 Theoretisch orientiere sich Welldon an den Konzepten der Objektbeziehungstheorie von Melanie Klein und anderen 10 Sie verbinde mit der Veroffentlichung ihres Buches die Hoffnung es konnte als Anregung fur diagnostische Erwagungen nutzlich sein und dazu beitragen dass Frauen ihre grosse Scham uberwinden und zu sprechen beginnen woruber sie lieber schweigen 11 Vorwort Bearbeiten Das Vorwort der Ausgaben unter dem neuen Titel Perversionen der Frau verfasste Sophinette Becker 12 Sie bringt die zunachst geringe Rezeption von Welldons Buch u a mit dem Titel der deutschen Erstausgabe in Verbindung Mutter Madonna Hure Verherrlichung und Erniedrigung der Mutter und der Frau der keinen unmittelbaren Ruckschluss auf das Thema Perversion nahelegte und mit der Auflage 2003 geandert wurde Auf die 1975 von Stoller vorgelegten Erwagungen 13 greife Welldon ebenso zuruck wie auf das Bild von der Plombe im seelischen Gleichgewicht das Fritz Morgenthaler fur ein Verstandnis der Perversionen 1974 zur Verfugung gestellt hatte 14 Fur Stoller bringe die Perversion des Mannes erotisierten Hass zum Ausdruck und dieses deutende Verstandnis teile Welldon fur die Psychodynamik der weiblichen Perversion Neu und zentral fur Welldons Verstandnis der Perversion ist ihr Korper Kriterium das besagt dass bei perversen Handlungen der Korper besetzt werden muss und dies bei Frauen etwas anderes als bei Mannern bedeutet Bei Frauen wird der ganze Korper der Uterus das Kind als Teil ihres Korpers bzw der Korper des Kindes fetischisiert Sophinette Becker Perversionen der Frau 15 Sexuelle Perversion der Frau Bearbeiten Welldon beginnt ihr erstes Kapitel mit Betrachtungen uber die fruhe Zeit der Psychoanalyse und deren Verstandnis der weiblichen Sexualitat Freud sei so Welldon zwar ein Genie gewesen doch nicht in der Lage in die Komplexitat der Libidoentwicklung der beiden Geschlechter eine zureichende Einsicht zu geben 16 Die fruhen psychoanalytischen Annahmen uber die Sexualitat des Menschen hatten sich auf den Phallus als das Geschlechtsorgan schlechthin bezogen und auf die Situation des Kindes in einer Dreiecksbeziehung 17 Die Frau war gleichsam als Nicht Mann konzipiert Als Freud einraumte die weibliche Sexualitat sei ihm ein Ratsel hatten einige Analytikerinnen durchaus fruchtbare und auch originelle Ideen beigesteuert jedoch seien sie stets auf Missbilligung gestossen Nicht anders sei es Karen Horney ergangen die sich gegen die implizite Annahme stellte eine Halfte des Menschengeschlechts musse unzufrieden mit ihrer Geschlechtsrolle sein 18 Fur sie und ihre Kolleginnen war ein Madchen eben nicht ein Wesen dem ein Penis fehle Deshalb hatten sie uber vaginale Empfindungen von Madchen schreiben und bei ihm von Anfang an ein Gefuhl der Weiblichkeit anerkennen konnen Horney und ihre Kolleginnen hatten ein alternatives theoretisches Gebaude errichtet bewirken konnten sie damit jedoch nichts die Herrschaft des Phallus war uneingeschrankt akzeptiert worden und galt fortan als unbestreitbar und unwiderlegbar 19 Der Sozialpsychologe Rolf Pohl sprach davon dass die gesamte mannliche Sexualitat gewissermassen penifiziert und phallokratisiert worden sei 20 Spater wurden die fruhen theoretischen Ansatze wieder aufgegriffen wobei diese Initiative in erster Linie von der Frauenbewegung und nicht von der psychoanalytischen Welt ausging 21 Erst in den 1980er Jahren wurden u a von Chasseguet Smirgel oder McDougall Theorien uber weibliche Sexualitat und weibliche Perversionen veroffentlicht die in psychoanalytischen Fachkreisen dann auch ernst genommen wurden Sie losten die bis dahin gangige Ansicht ab bei der Frau konne es keine Perversion geben weil sie keinen Penis habe 22 Als wichtigsten Unterschied zwischen mannlicher und weiblicher Perversion benennt Welldon das Ziel des perversen Verhaltens Beim Mann richte es sich auf ein ausseres Objekt Partialobjekt genannt bei der Frau auf ein inneres also gegen sich selbst den eigenen Korper oder gegen ein Objekt das sie als von sich selbst erschaffen betrachtet ihr Kind 23 Unabhangig vom Geschlecht ist Menschen mit einer Perversion gemeinsam die mehr oder weniger bewusste Uberzeugung man habe ihnen die Freude an der Entwicklung zu einer eigenstandigen Personlichkeit mit einer eigenen Identitat verwehrt Sie hatten die Freiheit sie selbst zu sein nicht erlebt Das Gefuhl nicht erwunscht zu sein keinen Schutz zu haben und keine Beachtung zu erlangen habe sich schon fruh in ihrem Leben eingestellt und einen grossen Hass gegen die Mutter heraufbeschworen Mit zunehmendem Verstandnis sei den Muttern Schuld zugesprochen worden Dabei werde jedoch ubersehen dass diese Mutter einst selbst Opfer waren Durch ihr Verhalten machen sie andere zu Opfern und erniedrigen sie genau wie man es fruher mit ihnen getan hatte 23 Um die weibliche Perversion zu verstehen gelte es sich von einer Reihe von Annahmen frei zu machen die aufzugeben offenbar schwer falle Die Gesellschaft verherrliche Mutterlichkeit und noch immer werde die Moglichkeit eines mutterlichen Inzests selten eingestanden wahrend der vaterliche Inzest nicht in Zweifel stehe 24 Welldon versteht die weibliche Perversion gleichsam als einen Mehrgenerationenprozess und halt es fur erforderlich bei der Untersuchung des Phanomens stets drei Generationen im Blick zu haben 25 In der Regel mussen Frauen wenn sie Mutter werden ihr Muttersein bewaltigen ohne hinreichend darauf vorbereitet worden zu sein und oft genug ohne die eigenen Note als Kind verarbeitet zu haben Die Gesellschaft erwarte von der Mutter so Welldon dass sie sich so verhalt als verfuge sie uber einen Zauberstab der sie in die Lage versetzt mit unfehlbarem Geschick mit den neuen Noten der Mutterschaft fertig zu werden 26 Doch die Grausamkeit der Verzweiflung der Mutlosigkeit und der Unzulanglichkeit kann nur allzu leicht in Hass und Rache gegen das neugeborene Kind umschlagen so Welldon 27 Sie schliesst ihr erstes Kapitel mit einem Blick auf Brucken die erst noch gebaut werden mussen Je mehr Frauen ich zuhore wie sie sich mit ihren besonderen Problemen zumeist aussichtslos abmuhen desto grosser wird meine Uberzeugung dass wir als humane Gesellschaft die tiefe Kluft zwischen dem was wir bereits uber die weibliche Sexualitat wissen und der ganzen Wahrheit uber die Frauen und ihre wechselhaften sexuellen Erlebnisse uberbrucken mussen Estela Welldon Perversionen der Frau 27 Sexualitat und weiblicher Korper Bearbeiten Im Verhaltnis der Menschen zu ihren Geschlechtsorganen unterscheiden sich Manner und Frauen fundamental Die Frau sei so Welldon in einer vollig anderen Situation als der Mann denn sie wisse seit Herausbildung der Geschlechtsidentitat dass ihr Fortpflanzungsorgan beim Geschlechtsverkehr eine Schwangerschaft verursachen konne die ihren Korper drastisch wenn auch nur vorubergehend verandern und ihr ganzes Leben nachhaltig beeinflussen wurde 28 Fur die Frau habe der Geschlechtsakt eine andere Dimension als fur den Mann 29 und deshalb stehe sie eindeutiger auf dem Boden des Realitatsprinzips wahrend der Mann in diesen Zusammenhangen eher zum Lustprinzip neige 30 Weiblichkeit werde gemeinhin bevorzugt mit der Verwendung des Korpers und Mannlichkeit eher mit intellektuellen Leistungen assoziiert Gross sei im Verhaltnis zum Intellekt die bittere Macht die dem weiblichen Korper und der Feminitat zugewiesen werde 31 Der Korper der Frau sei dafur vorgesehen einen anderen lebenden Korper in sich zu bergen 32 deshalb sei Weiblichkeit nur schwer von der Mutterfunktion zu trennen Welldon zitiert Luce Irigaray die den Reichtum der weiblichen Sexualitat mit der Fahigkeit von Frauen in Zusammenhang bringe an fast jeder Stelle ihres Korpers Lust empfinden zu konnen womit die Landschaft ihrer Lust abwechslungsreicher und vielfaltiger sei komplexer und subtiler als es allgemeiner Vorstellung entspreche 33 Bei perversen Frauen konnten diese vielfaltigen Lustquellen dann im Rahmen des sich entwickelnden Krankheitsprozesses zum Zentrum selbst zugefugter Schmerzen werden 34 Durch die Macht der Gebarmutter unterscheide sich die Frau vom Mann so Welldon und ebenso wie diese Macht im besten Fall Liebe Erfullung und Sicherheit hervorbringen konne sei im schlimmsten Fall auch das Gegenteil moglich 35 Die Macht der Gebarmutter Bearbeiten Die Perversion der Frau konne nur verstanden werden wenn sie nicht langer als eine Parallele zur Psychopathologie des Mannes betrachtet wurde Die Fahigkeit der Frau Kinder zu gebaren unterscheide sich grundlegend von all dem was der Mann erlebt Jungen wurden so Welldon sich auf Erikson beziehend meistens den ausseren Raum benutzen wahrend Madchen das Schwergewicht auf den inneren Raum legten 36 Der innere Raum in diesem Fall die Gebarmutter stelle der Frau ein nur ihr mogliches Erleben zur Verfugung das als ein Phanomen neben ihrer biologischen Uhr als das zweite bedeutungsvolle Phanomen stehe 37 Mit der biologischen Uhr spricht Welldon auf Menarche Menses und Menopause an deren Erleben ebenfalls exklusiv sind und deren Auswirkungen ineinander greifen 38 In verschiedenen kritischen Phasen der Entwicklung einer Frau stehe eher der innere Raum im Vordergrund des Erlebens wie u a in der Pubertat in anderen wie der Zeit der Menarche eher die biologische Uhr Sie zitiert die russisch britische Psychoanalytikerin Dinora Pines 39 die auf den Unterschied zwischen dem Wunsch schwanger zu werden und dem Wunsch ein Kind auf die Welt zu bringen und Mutter zu werden aufmerksam machte 38 Der Wunsch schwanger zu werden rege sich sehr fruh im Leben eines Madchens sei aber nicht identisch mit dem Wunsch Mutter zu werden Der Entwicklung der weiblichen Geschlechtsidentitat widmet Welldon besondere Aufmerksamkeit Ihr Kern werde massgeblich durch die fruhe Beziehung des Sauglings zur Mutter gepragt und durch die Frage ob diese sein Geschlecht von Geburt an anerkennen konnte oder nicht 40 Jungen hatten es leichter mit der Losung aus der Identifikation mit der Mutter als Madchen und der oft berufene Penisneid beziehe sich weniger auf das physische Organ als vielmehr auf die dominierende Stellung die der Mann in der Welt einnehme 41 Mit ihrem jugendlichen Sohn wurden sich Mutter allzu gern zeigen wahrend sie sich in Begleitung ihrer moglicherweise gar attraktiven Tochter herabgesetzt und unbeachtet fuhlten insbesondere wenn sich die Mutter der Menopause nahern 42 Diese Krankung lassen sie ihre Tochter spuren was ggf uber Generationen hinweg im Wege einer sogenannten transgenerationalen Weitergabe tradiert werde nach Welldons Beobachtungen mitunter uber drei Generationen hinweg 43 Dieses mutterliche Erleben das an die Tochter nicht aber an die Sohne weitergegeben wird nehme Einfluss auf die Frage was es fur eine Frau bedeute in ihrem eigenen Korper das andere Geschlecht zu tragen und was es demgegenuber bedeute wenn in diesem inneren Raum eine Rivalin heranwachse 44 Von der Menarche bis zur Menopause werde das Leben einer Frau durch die innere Uhr beherrscht welche die Hoffnung auf eine Schwangerschaft bzw die Furcht davor auslose Deshalb stehe die Frau fest auf dem Boden des Realitatsprinzips 45 Die erste Blutung kundige die Fruchtbarkeit an und danach werde eine Frau hoffend oder bangend alle vier Wochen daran erinnert Entsprechend werde das Ende der reproduktiven Funktion begrusst oder aber als schwerer Verlust erlebt 46 Mit der Menopause wurden sich so Welldon die beiden Phanomene des inneren Raums und der biologischen Uhr in besonderer Weise miteinander verknupfen Die Menopause sei eine Belastung die ausschliesslich der Frau eigen ist Verliere die Frau mit dem Alter ihre Fortpflanzungsfahigkeit bleibe der Mann in seiner eigenen unangetastet 47 Das bringe eine gegenuber dem Mann erhohte narzisstische Verletzlichkeit der Frau mit sich weil die Zeugungsfahigkeit des Mannes nicht aufhore Ein Mann konne wenn er wolle in fortgeschrittenem Alter eine neue Familie mit Kindern grunden eine Frau nicht Welldon schliesst dieses Kapitel mit einigen Bemerkungen uber das oft traumatisch empfundene Erleben anlasslich des Verlustes der Gebarmutter durch eine Hysterektomie das Manner oft nicht verstehen konnten weil ihnen dieser so wichtige innere Raum fehle Der Gebarmutter beraubt zu werden komme dem Erleiden eines wahrhaften Machtverlustes gleich wie nur eine Frau dies erleben konne 8 Mutterlichkeit als Perversion Bearbeiten Frauen konnen zahlreiche Formen einer Perversion entwickeln Eine stehe mit der Mutterschaft in Zusammenhang und mit der Reaktion einer Frau auf das Geschlecht ihres Kindes Dabei seien drei Generationen involviert Es gehe zentral um die Frage ob die Mutter das Geschlecht ihres Kindes anerkennen konne oder nicht 48 Welldon beruft sich auf Winnicott wenn sie die Abhangigkeit der kindlichen Entwicklung von der Fursorge einer Mutter betont der es Freude bereite ihren Kindern dabei zu helfen sich zu unabhangigen und selbstsicheren Menschen mit ihren eigenen einzigartigen Eigenschaften zu entwickeln 49 Nicht allen Kindern wird eine solche Fursorge zuteil und manche mussen das Gegenteil erleiden Die Existenz perverser Mutterlichkeit sei lange nicht anerkannt worden Welldon wurde darauf aufmerksam durch mannliche Patienten die berichteten was ihnen in Kindertagen widerfahren war und durch Frauen die uber ihre Beziehung zu ihren Kindern sprachen 50 Greenson hatte betont wie sehr die Sicherheit in der eigenen Geschlechtsidentitat in den fruhen Identifizierungen des Kindes wurzelt und diese konnen von der Mutter gefordert oder behindert werden So musse die Mutter eines Jungen seine Loslosung von ihr fordern und bereit sein ihm zu erlauben sich mit der Vaterfigur zu identifizieren Leslie Martin Lothstein beispielsweise hatte in einer Studie an 125 Patienten zeigen konnen dass Mutter weiblicher wie mannlicher transsexueller Personen die geschlechtliche Gleichheit ihrer Tochter im einen Fall wie die geschlechtliche Verschiedenheit ihrer Sohne im anderen Fall als Bedrohung ihrer personlichen Integritat erlebt hatten 51 Margaret Mahler verwies auf die wichtige Rolle welche dem Vater bei diesen Entwicklungsschritten eines Kindes zukomme die der Loslosung und Individuation dienen 52 Phyllis Greenacre habe in ihrer Arbeit mit sexuell perversen Patienten erfahren dass es in deren ersten zwei Lebensjahren eine deutliche Entwicklungsstorung gegeben habe und die Individuation unterminiert worden sei Welldon teilt mit dass ihren Beobachtungen zufolge Mutter die ihren Kindern gegenuber perverse Tendenen zeigen dies innerhalb der ersten zwei Lebensjahre ihrer Kinder tun 53 Nach Jessica Benjamin ist gerade diese Zeit sehr bedeutsam fur die Herausbildung einer sicheren geschlechtlichen Identitat und zwar jenes Anteils der als geschlechtliche Kernidentitat bezeichnet wird 54 Fur Frauen die schmerzhafte und traumatische Erlebnisse gehabt haben biete die Mutterfunktion die Moglichkeit nun eine Situation vollkommen zu beherrschen und damit einen Nahrboden fur die Ausbeutung und Misshandlung ihrer Kinder Auf diese Weise entstehen Mutter verprugelter Kinder Mutter von Transsexuellen und vor allem von mannlichen sexuellen Perversen 55 Diese Mutter seien nicht in der Lage das Geschlecht ihrer Kinder anzuerkennen weil sie als Baby selbst erleben mussten wegen ihrer Weiblichkeit erniedrigt zu werden Der Anerkennung des Geschlechts eines Kindes durch seine Mutter komme fur die Entwicklung seiner Geschlechtsidentitat eine sehr grosse Bedeutung zu 56 Suchen Mutter mit einem als pervers zu bezeichnenden mutterlichen Verhalten um Hilfe nach wurden sie nach Einschatzung Welldons oft nicht richtig diagnostiziert weil die Gesellschaft die Mutterlichkeit glorifiziert und es ablehnt uberhaupt in Erwagung zu ziehen dass sie auch ihre Schattenseiten haben konne 57 Von Frauen wird vieles erwartet aber auf keinen Fall dass sie sich am Korper eines Kindes sexuell befriedigen schrieb die Soziologin Barbara Kavemann 58 Schliesslich erinnert Welldon an literarische Vorlagen uber Frauen mit abweichender Mutterlichkeit wie beispielsweise Iokaste oder Medea Allerdings habe sich die Literatur mit seltenen Ausnahmen eher mit dem Verstehen der Psychopathologie der Sohne als mit der Pathologie ihrer Mutter befasst 59 Perverse Mutterlichkeit musse als Produkt einer emotionalen Instabilitat und inadaquaten Individuation angesehen werden die durch einen zumindest drei Generationen umfassenden Prozess verursacht wurde fasst Welldon zusammen Weder den Muttern noch ihren Kindern helfe es wenn wir die Mutterlichkeit so blind glorifizieren und die Augen davor verschliessen dass Mutter sich in manchen Fallen pervers verhalten konnen 60 Mutter die Inzest begehen Bearbeiten Im Vergleich mit inzestuosen Vatern sind Mutter die Inzest begehen selten Objekt wissenschaftlicher Forschung und Theorieentwicklung Dies bringt Welldon zu der Frage warum wir den Gefahren des vaterlichen Inzests gegenuber so wachsam sind diejenigen des mutterlichen Inzests hingegen uberhaupt nicht wahrnehmen 61 Es sei eine halsstarrige Neigung wenn Frauen stets als das schwache Geschlecht betrachtet immer als Opfer eines sexuellen Ubergriffs und nie als Taterin gesehen wurden 62 Diese unterschiedliche Wahrnehmung konnte durch mogliche Einflusse der Gegenubertragung verursacht sein uber die es in diesen Zusammenhangen praktisch keine Veroffentlichungen gebe 63 Ramon Ganzarain und Bonnie Buchele hatten im International Journal of Group Psychotherapy darauf aufmerksam gemacht 64 Wer ein Kind verfuhre sei haufig fruher selbst Opfer einer Verfuhrung gewesen schreibt Welldon in dem Bemuhen das Geschehen in seiner prozesshaften Gestalt kenntlich zu machen 65 Von den beim Inzest beteiligten Abwehrmechanismen hebt sie Spaltung Projektive Identifikation und Sexualisierung hervor 66 Enttauschend fande sie es immer wieder wenn uber inzestuose Mutter publiziert aber weder die perverse psychopathologische Situation der Mutter erkannt wurde noch Uberlegungen in dieser Hinsicht erfolgten 67 Selma Kramer beispielsweise habe mutterlichen Inzest definiert 68 jedoch nach Welldons Einschatzung in Wirklichkeit eine Spielart weiblicher Perversion beschrieben 69 Auch Kramer habe sich mit der Frage beschaftigt warum unter den Autoren einschlagiger Veroffentlichungen einerseits eine einhellige Bereitschaft bestehe vaterlichen Inzest anzuerkennen und andererseits zugleich unverkennbar eine Abneigung bestehe sexuelle Stimulierungen durch die Mutter als Inzest zu bezeichnen Mutterlicher Inzest komme oft erst ans Tageslicht wenn die Kinder beginnen offen Gewalt zu zeigen und in Beratungsstellen gebracht wurden weil die Eltern es mit der Angst zu tun bekamen 70 Mutter wurden relativ bereitwillig uber inzestuose Gefuhle und Handlungen gegenuber ihren Tochtern berichten wahrend vom Mutter Sohn Inzest eher aus der Vergangenheit der Sohne zu erfahren sei 71 Weil sich die Folgen mutterlichen Inzests je nach Geschlecht des kindlichen Opfers unterscheiden geht Welldon sowohl auf den Mutter Tochter Inzest als auch kurz auf den Mutter Sohn Inzest ein Als Beispiel fur den Mutter Tochter Inzest wahlte sie die Krankengeschichte einer Patientin deren Mutter sehr aufdringlich war sie nie in Ruhe lassen konnte und sie von sehr klein auf manuell befriedigt hatte Im Rahmen einer Fremdanamnese habe die Mutter die Mitteilungen ihrer Tochter mit der Bemerkung bestatigt sie habe sie auf diese Weise beruhigen wollen und so sei es einfacher als mit einem Schnuller gegangen 66 Die Tochter entwickelte sich zu einer Frau die andere Frauen auf eine sehr zudringliche Weise belastigte und sich dabei vor ihnen entblosste Fur das exhibitionistische Verhalten der Frau betont Welldon den Unterschied zum mannlichen Exhibitionismus der zwar ebenfalls zwanghaft aber fast ausnahmslos vor fremden Frauen praktiziert wurde wahrend Welldons Patientin ausschliesslich ihr bekannte Frauen und zugleich weibliche Autoritaten als Opfer wahlte fur die sie starke Zuneigung empfand ihnen aber ausserordentlich lastig fiel 72 Eine andere Patientin verarbeitete den Hass ihrer Mutter der sie einzig deshalb ereilte weil sie ein Madchen war durch ihren spateren Beruf als Prostituierte und damit durch ein Gewerbe das ihr dazu verhalf wegen ihres weiblichen Korpers geschatzt zu werden wahrend sie sich zuvor um seinetwillen erniedrigt gefuhlt hatte 73 Als Beispiel fur einen Mutter Sohn Inzest wahlte Welldon die Geschichte eines Jungen der vom sechsten Lebensjahr an von der Mutter beim Baden masturbiert wurde 74 und spater eine polymorph perverse sexuelle Psychopathologie entwickelte 61 Die Hure als symbolische Mutter Bearbeiten Es sei unmoglich das Phanomen der Prostitution zu verstehen wenn das Augenmerk lediglich auf eine der beteiligten Personen gelegt wurde 75 Zu der Frage warum sich mehr Frauen als Manner prostituieren hatte der franzosische Psychoanalytiker Bela Grunberger darauf hingewiesen 76 dass sich die Frau in sexueller Weise anbiete um geliebt zu werden wahrend der Mann liebe um befriedigt zu werden 77 Welldon ist der Uberzeugung dass unbewusst eine fruhe Mutter Sohn Beziehung reinszeniert wurde wenn sich Manner und Frauen in der Prostitution begegnen wobei es beiden Beteiligten um den symbolischen Gehalt der Reinlichkeitserziehung gehe 78 In der Wahrnehmung nicht weniger Manner seien Frauen entweder Madonna oder Hure und einige von ihnen suchen Prostituierte auf um mit ihren Frauen guten Sex haben zu konnen 79 Ein tiefsitzender Hass auf die Mutter sei meist nicht bewusst und werde ebenso unbewusst bei der Prostituierten gleichsam deponiert 80 Andere Manner suchen eine Prostituierte auf um ihre Ehefrauen vor den phantasierten sadistischen Attacken gegen die eigene Mutter zu schutzen 81 Bei der Prostitution wurden beide Seiten eine Machtstellung einnehmen wollen und beide seien uberzeugt auch tatsachlich das Sagen zu haben 82 Eine illusorische und auf geheimem Einverstandnis gegrundete Situation werde geschaffen und dabei versucht 83 die fruhe Mutter Kind Einheit symbolisch wiederherzustellen Ich behaupte dass die Prostituierte und der Freier in einer von Rache und Erniedrigung bestimmten Handlung gegen die Mutter psychisch wie physisch zu Partnern werden Diese intime und anonyme Mittaterschaft vermittelt beiden ein gewisses Mass an Befriedigung und Beruhigung 84 Das Selbstwertgefuhl wurde in Kindertagen beschadigt Um es zu regulieren gehen Prostituierte auf Kundensuche weil das der Selbstwertregulierung dienen konne Neben Frauen die der Prostitution mehr oder weniger regelmassig nachgehen oder sich damit ihren Lebensunterhalt verdienen gebe es andere die sich dem lediglich in Phantasien und Tagtraumen hingeben 85 Davon wurden Frauen aus allen Bevolkerungsschichten berichten 86 Wenn die Prostituierte mit ihrem Freier zusammen ist erlebe sie wie es fur eine Perversion typisch sei und von Stoller auch fur die mannliche Perversion beschrieben wurde 13 ein Hochgefuhl Allerdings wurden Niedergeschlagenheit und Verzweiflung nicht lange auf sich warten lassen Von den beteiligten Abwehrmechanismen werden Verleugnung Spaltung Depersonalisation und Derealisation hervorgehoben Rache gegen Manner hege eine Prostituierte nicht wie im allgemeinen behauptet werde stattdessen empfinde sie Verachtung fur sich selbst und fur ihr Geschlecht 87 Die Hure als Ersatzmutter Bearbeiten Menschen die in Kindertagen Opfer inzestuoser Ubergriffe wurden nennt Welldon Uberlebende des Inzests 88 Um Missverstandnissen vorzubeugen betont sie mehrfach aus ihren Mitteilungen sei nicht zu schliessen dass alle Inzestopfer Prostituierte wurden oder umgekehrt alle Prostituierten Inzesterfahrungen hatten Auch mussten nicht alle Madchen mit einer Inzestvorgeschichte mit schwerwiegenden Folgeschaden kampfen Die meisten aber wurden entweder mit einer Ubersteigerung der Libido oder mit der vollstandigen Unterdruckung der Sexualitat reagieren 88 Dabei seien Promiskuitat und sexuelle Kalte als die beiden haufigsten Folgeschaden nicht etwa entgegengesetzte Erscheinungen sondern miteinander verknupft meist gehe Promiskuitat mit Frigiditat und Prostitution mit sexueller Kalte einher 89 Der Anteil von Prostituierten mit fruhem Inzest in der Vorgeschichte schwanke in verschiedenen wissenschaftlichen Studien zwischen 20 und 70 Prozent Das weise die Zahlen entweder als fragwurdig aus oder zeige wie schwierig es sei sie zu erheben 90 Vom Inzest gehe eine ungeheure Wirkung aus weshalb fur helfende Beziehungen die Gegenubertragung also die eigene innere Antwort der helfenden Person besondere Aufmerksamkeit erfordere 91 Auch konne die Bedeutung der Familiendynamik nicht uberschatzt werden In dem Zusammenhang wird uber Mutter berichtet die Bescheid wussten und gleichzeitig doch nichts wussten 92 uber Mutter die ihren Tochtern nicht glaubten oder sie misshandelten nachdem sie sich anvertraut hatten und uber das Schweigetabu Oft werde das Geschehen sowohl von den Beteiligten als auch von den Mitwissern teils uber lange Jahre beschwiegen Mit der Verschwiegenheit werde nach dem Zusammenbruch des Inzesttabus an dessen Stelle gleichsam ein neues Tabu errichtet 93 wie die Ciba Foundation im Rahmen ihrer Forschungen mitteilte 94 Zur Enthullung komme es wenn der Inzest fur die Familiendynamik nicht mehr erforderlich sei 95 Weil der Inzest im Bemuhen zu sehen sei die Familie zusammenzuhalten stelle sich die Frage ob es sich bei der Prostitution um einen symbolischen Akt handeln konnte die Familie oder auch die eigene Personlichkeit zusammenzuhalten 96 Anhand zahlreicher Einzelschicksale stellt Welldon den von ihr beobachteten Zusammenhang zwischen dem Erleben der Madchen in Kindertagen und den Auswirkungen fur die erwachsenen Frauen dar die nicht selten eine teils bizarre Gegensatzlichkeit in den Kompetenzen zu erkennen geben im Beruf ggf als Akademikerin erfolgreich konnen sich gleichwohl Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit breit machen mit der Folge sich erbarmlich zu fuhlen 97 Fur gewohnlich schreibt Welldon wurden die von ihr beschriebenen Falle als neurotische Storungen diagnostiziert 98 Weil sich diese Frauen aber oft so grosse physische und psychische Schaden zufugen ihren Korper geradezu und mitunter bis zur Selbstverstummelung misshandeln wurden lege sich doch eher eine Perversion als diagnostische Kategorie nahe Zum typischen Hintergrund gehore eine zuruckgezogene und depressive Mutter einerseits und ein unsicherer fordernder gewalttatiger und sexuell bedurftiger Vater andererseits In einer solchen familiaren Situation laufe die Tochter Gefahr in die Rolle der Mutter ihrer eigenen Mutter und der Geliebten ihres Vaters zu schlupfen 99 Die innere Welt eines solchen Kindes konne nur Chaos offenbaren Und auf eine solche Weise konne ein Madchen emotional nicht wachsen obwohl es sexuell reife 100 Wenn die Prostituierte nun ihr Selbstwertgefuhl durch Anwerben neuer Kunden zu regulieren versuche sei dies von vornherein zum Scheitern verurteilt weil der Beziehungsaufnahme nicht Liebe sondern Hass zugrunde liege 101 Der Inzest gebe zunachst viel nehme dann aber alles weg mit einem Mal Eine Patientin Welldons druckte es so aus Ich hasse Frauen und misstraue Mannern Und in der Folge verachten diese Frauen sich und verabscheuen ihren Korper 102 Epilog Bearbeiten Estela Welldon beschliesst ihr Buch mit einigen allgemeinen Bemerkungen zum Thema und zu ihren Mitteilungen Wichtig sei ihr ein Verstandnis des Wortes Perversion als eines anerkannten klinischen Begriffs der darauf verweist dass die betroffene Person sich einem zwanghaften Verhalten unterworfen fuhlt bei dem unbewusste Feindseligkeit eine Rolle spielt 103 Wiederholend betont sie nicht jedes Inzestopfer gehe spater der Prostitution nach und nicht jede Prostituierte sei Inzestopfer Auch musse sich nicht jedes Opfer perverser Handlungen spater selbst pervers verhalten Und bei der perversen Mutter handele es sich selbstverstandlich um eine Ausnahme Doch werde noch immer zu selten an solche Konstellationen gedacht Welldon hofft mit ihrem Buch einige Voraussetzungen fur treffsichere Diagnostik und fur ein Verstehen der Psychodynamik des noch immer in vielen Facetten ratselhaften Phanomens der weiblichen Sexualitat einerseits und der weiblichen Perversion andererseits geschaffen zu haben Ihr letzter Satz Unterschatze nie die Macht einer Mutter 104 Rezension und Rezeption BearbeitenMonika Gsell Psychoanalytikerin und Mitarbeiterin im Fachbereich Gender Studies an der Universitat Zurich 105 verfasste eine ausfuhrliche Rezension die sie mit der Bemerkung einleitete das Vorwort von Sophinette Becker wurde Erwartungen wecken die das Buch in keiner Weise einzulosen vermag 106 Welldon vermochte sie nicht zu uberzeugen Fur Gsell sei es ratselhaft wie es moglich sei dass zwei gescheite und therapeutisch erfahrene Sexualwissenschaftlerinnen so biologistisch argumentieren konnten Zweifel an ihrem eigenen Verstandnis tragt sie nicht vor Gsell halt es fur falsch dass sowohl Becker als auch Welldon das Konzept des Phallus fur ihre Betrachtungen nicht bemuhen das nach ihrem Verstandnis fur eine genuin psychoanalytische Begrundung von Geschlechterdifferenz unverzichtbar sei In ihrer Kritik wird sie polemisch wenn sie unterstellt die Frau solle sich in Welldons Konzept gefalligst auf ihre Korperlichkeit beschranken Sie wirft Welldon vor die weibliche Phantasie zu unterschatzen Sie schliesst man brauche das Buch nicht zur Hand zu nehmen Beckers Vorwort genuge und das sei auch in der Zeitschrift fur Sexualforschung nachzulesen 106 Zehn Jahre spater sah sich die Psychoanalytikerin Sabine Cassel Bahr im Jahr 2013 noch immer veranlasst darauf hinzuweisen wie sehr die evidenten Unterschiede zwischen mannlicher und weiblicher Perversion im psychoanalytischen Diskurs uber Jahrzehnte hinweg nur wenig thematisiert wurden Welldons Konzept einer Perversion der Mutterlichkeit in dem die reproduktiven Funktionen fetischisiert wurden blieben zwar letztlich im Bereich der unterschiedlichen korperlich biologischen Gegebenheiten der Geschlechter waren Cassel Bahr jedoch Anlass sie unter Berucksichtigung der geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Ausgestaltung des positiven und negativen Odipuskomplexes neu zu interpretieren Dafur wahlte sie den Titel The First Cut Is the Deepest 107 Buchausgaben BearbeitenEstela V Welldon Mother Madonna Whore Idealization and Denigration of Motherhood Free Association Books London 1988 ISBN 1 85343 039 0 englisch Estela V Welldon Mutter Madonna Hure Verherrlichung und Erniedrigung der Mutter und der Frau Bonz Waiblingen 1992 ISBN 3 87089 352 4 englisch Mother madonna whore London 1988 Ubersetzt von Detlev Rybotycky Estela V Welldon Perversionen der Frau Mit einem Vorwort von Sophinette Becker Beitrage zur Sexualforschung Band 82 Psychosozial Verlag Giessen 2003 ISBN 3 89806 164 7 englisch Mother madonna whore London 1988 Ubersetzt von Detlev Rybotycky Erstausgabe Free Association Books Estela V Welldon Perversionen der Frau Mit einem Vorwort von Sophinette Becker Beitrage zur Sexualforschung Band 82 2 Auflage der Neuauflage 2003 Psychosozial Verlag Giessen 2014 ISBN 978 3 8379 2366 7 Anmerkungen Bearbeiten Welldon verfasste ihr Buch in einer Zeit in der eine binare Betrachtung der Geschlechter in der Wissenschaft der Regelfall war und Personen mit diverser Geschlechtsidentitat gemeinhin nicht gesondert erwahnt wurden Siehe in diesem Zusammenhang u a auch Angela More Zur Geschlechtsspezifik bei neuro psychologischen und psychosomatischen Storungen aus der Sicht der padiatrischen Psychologie In Anita Rieder Brigitte Lohff Hrsg Gender Medizin Geschlechtsspezifische Aspekte fur die klinische Praxis 2 uberarb und erw Auflage Springer Wien New York 2008 ISBN 978 3 211 68289 0 S 89 106 Die Registrierung von Geschlechterdifferenzen in der Medizin bewege sich bislang noch in den Kinderschuhen so More im Jahr 2008 auf S 90 ihrer Veroffentlichung Eine Erforschung der reproduktiven Funktionen und ihrer Bedeutung fur Personen mit diverser Geschlechtsidentitat steht ebenso aus wie die Erforschung ihrer eventuellen Perversionen Einzelnachweise Bearbeiten International Association for Forensic Psychotherapy Abgerufen am 3 Juni 2020 englisch Estela V Welldon Mother Madonna Whore Idealization and Denigration of Motherhood Free Association Books London 1988 ISBN 1 85343 039 0 englisch dem Artikel liegt die deutsche Ausgabe von 2003 zugrunde Sophinette Becker Weibliche Perversion In Zeitschrift fur Sexualforschung Band 15 Nr 4 2002 S 281 301 doi 10 1055 s 2002 36615 a b Sophinette Becker Das weibliche Korperselbst und die Perversion Warum Frauen sexualisierte Aggression anders externalisieren als Manner In Forum der Psychoanalyse Nr 3 2005 doi 10 1007 s00451 005 0248 3 Workshop Weibliche Perversionen mit Sophinette Becker Frankfurt Wien 25 April 2015 meduniwien ac at PDF 255 kB abgerufen am 26 Januar 2020 Klaus Podak Institut fur Sexualwissenschaft am Ende Ohne Perversion ware die Liebe Odnis In Suddeutsche Zeitung 19 Mai 2010 sueddeutsche de abgerufen am 3 Juni 2020 Joyce McDougall Pladoyer fur eine gewisse Anormalitat Psychosozial Verlag Giessen 2001 ISBN 3 89806 113 2 a b Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 88 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 19 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 25 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 29 Sophinette Becker Vorwort In Estela Welldon Perversionen der Frau Beitrage zur Sexualforschung Band 82 Psychosozial Verlag Giessen 2003 ISBN 3 89806 164 7 S I XIII a b Robert J Stoller Perversion Die erotische Form von Hass Bibliothek der Psychoanalyse 3 durchgesehene Auflage Psychosozial Verlag Giessen 2014 ISBN 978 3 8379 2391 9 englisch Perversion The erotic Form of Hatred New York 1975 Ubersetzt von Maria Poelchau Fritz Morgenthaler Die Stellung der Perversionen in Metapsychologie und Technik In Psyche Band 28 1974 S 1077 1098 Sophinette Becker Vorwort In Estela Welldon Perversionen der Frau Beitrage zur Sexualforschung Band 82 Psychosozial Verlag Giessen 2003 ISBN 3 89806 164 7 S VI Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 13 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 14 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 15 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 16 Rolf Pohl Feindbild Frau Mannliche Sexualitat Gewalt und die Abwehr des Weiblichen Offizin Hannover 2004 ISBN 3 930345 36 6 S 229 f Zitiert nach Isabelle Hannemann Uber das Dunkle im dunklen Kontinent Leerstellen im Konstrukt weibliche Identitat In Psychologie und Gesellschaftskritik Band 36 37 Nr 4 1 S 137 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 17 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 20 a b Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 22 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 24 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 31 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 34 a b Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 35 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 37 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 38 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 39 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 42 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 45 Luce Irigaray Das Geschlecht das nicht eins ist Merve Verlag Berlin 1979 ISBN 3 88396 001 2 S 28 franzosisch Ce sexe qui n en est pas un Ubersetzt von Eva Meyer Heidi Paris Zitiert nach Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 54 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 55 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 63 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 64 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 65 a b Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 66 Dinora Pines The relevance of early psychic development to pregnancy and abortion In The international Journal of Psychoanalysis Band 63 Nr 3 1982 S 311 319 PMID 7129777 englisch Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 67 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 68 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 69 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 85 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 77 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 79 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 80 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 86 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 92 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 89 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 91 Leslie Martin Lothstein Psychodynamics and sociodynamics of gender dysphoric states In American Journal of Psychotherapy Band 33 1979 S 214 238 doi 10 1176 appi psychotherapy 1979 33 2 214 englisch Zitiert nach Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 95 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 92 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 92 Jessica Benjamin Phantasie und Geschlecht Studien uber Idealisierung Anerkennung und Differenz Stroemfeld Basel 1993 ISBN 3 86109 101 1 S 16 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 103 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 104 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 108 Barbara Kavemann Das bringt mein Weltbild durcheinander Frauen als Taterinnen in der feministischen Diskussion sexueller Gewalt In Michele Elliot Hrsg Frauen als Taterinnen Sexueller Missbrauch an Madchen und Jungen Donna Vita Ruhnmark 1995 ISBN 3 927796 41 7 S 17 englisch Female sexual abuse of children Ubersetzt von Karin Ayche zitiert nach Isabelle Hannemann Uber das Dunkle im dunklen Kontinent Leerstellen im Konstrukt weibliche Identitat In Psychologie und Gesellschaftskritik Band 36 37 Nr 4 1 S 127 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 113 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 114 a b Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 137 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 116 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 123 Ramon Ganzarain Bonnie Buchele Countertransference when incest is the problem In International Journal of Group Psychotherapy Band 36 Nr 4 1986 S 549 566 doi 10 1080 00207284 1986 11490925 englisch youtube com abgerufen am 30 Juli 2020 Vortrag auf YouTube Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 127 a b Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 129 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 124 Selma Kramer Object coercive doubting A pathological defensive response to maternal incest In Journal of the American Psychoanalytic Association Band 31 1980 S 325 351 englisch Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 132 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 126 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 133 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 128 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 135 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 138 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 142 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 144 Bela Grunberger Outline for a study of narcissism in female sexuality In Janine Chasseguet Smirgel Hrsg Female Sexuality Karnac London 1985 S 68 83 englisch Zitiert S 70 nach Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 144 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 146 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 147 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 148 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 149 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 152 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 154 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 155 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 156 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 168 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 170 a b Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 171 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 172 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 173 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 174 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 175 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 176 Ciba Foundation Child Sexual Abuse Within the Family Hrsg Ruth Porter Social science paperbacks Band 287 Tavistock Publications London 1984 ISBN 978 0 415 04292 5 S 13 englisch Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 180 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 177 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 187 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 193 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 196 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 198 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 199 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 202 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 203 Estela Welldon Perversionen der Frau 2003 S 206 Monika Gsell Dr In Asien Orient Institut Universitat Zurich abgerufen am 3 August 2020 a b Monika Gsell Weibliche Perversion und die Verleugnung des Phallus Rezension In Freie Universitat Berlin Hrsg Querelles Net Rezensionszeitschrift fur Frauen und Geschlechterforschung Nr 11 2003 ISSN 1862 054X querelles net de abgerufen am 3 August 2020 Sabine Cassel Bahr The first cut is the deepest Die Bedeutung des negativen Odipuskomplexes fur die Perversion der Frau In Psyche Band 67 Nr 4 2013 ISSN 0033 2623 klett cotta de abgerufen am 3 August 2020 Zitate dem Abstract entnommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Perversionen der Frau amp oldid 232312806