www.wikidata.de-de.nina.az
Der Begriff Personalismus leitet sich von der Person im philosophischen Sinn ab Man versteht darunter eine philosophische Denkrichtung insbesondere des 20 Jahrhunderts die aus dem christlich humanistischen Weltbild hervorgegangen ist Diese sieht das Personsein des Menschen als Kern des Humanismus Damit versteht sich der Personalismus als kritische Alternative zu einseitig individualistischen und kollektivistischen kommunistischen und faschistischen Theorien Personalistische Ansatze suchen einen dritten Weg neben naturalistischen und sozialistischen Theorien indem sie die Freiheit der Entscheidung zum Grundprinzip menschlichen Lebens erklaren Daruber hinaus betonen sie die geistige Dimension des menschlichen Lebens das an Werten orientierte Wollen und Handeln des Einzelnen sowie die Gemeinschaft als Fundament der Entwicklung jeder Person Ihr Ziel ist durchaus praktischer Natur die Veranderung der Gesellschaft Ihr Verhaltnis zur Autoritat ist in der Regel positiv wenn diese hohere geistige Werte vertritt Inhaltsverzeichnis 1 Philosophie 2 Personalisten 3 Siehe auch 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweisePhilosophie BearbeitenIm Kern der personalistischen Idee steht die Uberzeugung dass der Mensch sich wesentlich durch die Fahigkeit zu freier Entscheidung und Verantwortlichkeit fur sein Handeln auszeichnet und diese strukturelle Freiheit einen unverausserlichen hochsten Wert und Selbstzweck darstellt Indem der Mensch von seiner Freiheit Gebrauch macht bestimmt er sich selbst als Person und wird zum Autor seiner Lebensgeschichte Winfried Bohm Die Person ist kein unsterblicher unveranderlicher Wesenskern i S v Seele sie offenbart sich nur in der gemeinschaftlichen Praxis menschlichen Denkens und Handelns Personalitat bedeutet in diesem Sinn die dynamische Seinsverfassung des Subjekts das sich selbst durch Arbeit hervorbringt Der Unterschied zu einer reinen Subjekttheorie liegt darin dass sich die Person erst und ausschliesslich durch ihre Bezogenheit auf eine andere Person d h in ihren sozialen Bezugen konstituieren und realisieren kann Daher sind der Dialog die Zusammenarbeit in Handlungsgemeinschaften insbesondere aber der lebenslang zu gestaltende Bildungsprozess 1 von personaler Erziehung und Sozialisation konstitutive Funktionen in der Theorie des Personalismus In Abgrenzung von empirischen Ansatzen die den Menschen z B als biologisches Individuum oder als gesellschaftlichen Rollenspieler definieren entzieht sich der Mensch als Person der Fremdbestimmung durch Natur und Gesellschaft er erschafft sich selbst durch sein Handeln Menschliche Freiheit und die damit einhergehende Verantwortung sind unverausserlich d h der Einzelne kann sich nicht von ihnen trennen Diese Ansicht hat der Personalismus mit dem Existenzialismus gemeinsam Wahrend der Existenzialismus sich aber teilweise auf eine Beschreibung der Sinnlosigkeit des Daseins konzentriert kommt es dem Personalismus darauf an Werte hervorzubringen die ein sinnvolles Dasein begrunden konnen Auf der Grenze stehen christliche Existenzialisten wie Blondel und Gabriel Marcel Die ethischen Dimensionen der Person erstrecken sich nach Paul Ricœur auf drei Ebenen dem Wunsch nach einem erfullten Leben mit und fur die anderen in gerechten Institutionen 2 Der bekennende Katholik Jacques Maritain bietet eine umfassende Theorie des Personalismus Besonders bei ihm stellt sich die Frage ob der Personalismus von religiosen Voraussetzungen ablosbar ist Tatsachlich sind die meisten Personalisten stark religios 3 Auch beziehen sie sich oft auf die Methode der inneren Erfahrung so Paul Ludwig Landsberg 4 womit sie fur alle Empiriker nicht nachvollziehbare Aussagen machen Ein kritischer Personalismus verlegt sich auf die phanomenologische Bewertung empirischer Theorien Erkenntnisse der Personlichkeits Entwicklungs und Sozialpsychologie werden auf ihre Bedeutung fur personales Leben hin untersucht 5 Personlichkeitsentwicklung erscheint als Weg Verantwortung zu ubernehmen Personalisten BearbeitenEine der einflussreichsten Quellen der personalistischen Bewegung im 20 Jahrhundert die den Begriff des Personalismus etablierte war die Gruppe um Emmanuel Mounier in Frankreich der als Verfasser des Personalistischen Manifests 1936 wie als Herausgeber der Zeitschrift Esprit bekannt wurde Zum Kreis engagierter Denker um Mounier gehorten Jacques Maritain Gabriel Marcel Nikolai Berdjajew Rene Biot Jean Lacroix Paul Ludwig Landsberg Louis Lavelle Alexandre Marc und Louis Meylan Besonders in der christlichen Padagogik waren personalistische Konzepte nach 1945 haufig vertreten Nach der empirischen Wende der Erziehungswissenschaften in den 1960er Jahren sind sie inzwischen aber seltener geworden Genauso verhalt es sich auch in der Psychologie Personalistische Positionen wurden in unterschiedlichen Zusammenhangen der Philosophiegeschichte vertreten durch vor dem 20 Jahrhundert Friedrich Schleiermacher Antonio Rosmini John Henry Newman Charles Renouvier im 20 Jahrhundert Martin Buber judisch Max Scheler Romano Guardini Bostoner Personalismus Borden Parker Bowne Ralph Tyler Flewelling Edgar Sheffield Brightman Karol Wojtyla Erich Fromm psychoanalytisch Joseph Seifert Josef Speck Paul Ricœur Robert Spaemann in psychologischen padagogischen oder weiteren Zusammenhangen William Stern Giuseppe Flores d Arcais Giuseppe Catalfamo Karl Lugmayer Daniel Rops Paulo Freire Winfried Bohm Martin Luther King Jr Humberto Maturana mit der Autopoiesis Theodore Roszak Okopsychologie Mensch und Erde auf dem Weg zur Einheit Gerhard Danzer Personale Medizin 6 Siehe auch BearbeitenAnthropologie Autonomie Diskurs PersonlichkeitLiteratur BearbeitenWilliam Stern Grundgedanken der personalistischen Philosophie Philosophische Vortrage 20 ZDB ID 973461 2 Reuther amp Reichard Berlin 1918 Martin Buber Ich und Du 1923 Mit einem Nachwort und Anmerkungen von Bernhard Lang Reclam Ditzingen 2021 ISBN 978 3 15 014171 7 Reclams Universal Bibliothek 14171 Emmanuel Mounier Manifeste au service du personnalisme Collection Esprit Fernand Aulier Editions Montaigne Paris 1936 deutsch Das personalistische Manifest Jean Christophe Verlag Zurich 1936 Josef M Seifert Essere e persona Verso una fondazione fenomenologica di una metafisica classica e personalistica Pubblicazioni del Centro di Ricerche di Metafisica Sezione di metafisica e storia della metafisica 6 Vita e pensiero Mailand 1989 ISBN 88 343 0278 8 Theo Kobusch Die Entdeckung der Person Metaphysik der Freiheit und modernes Menschenbild 2 durchgesehene und um ein Nachwort und um Literaturerganzungen erweiterte Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1997 ISBN 3 534 13377 3 Robert Spaemann Personen Versuche uber den Unterschied zwischen etwas und jemand Klett Cotta Stuttgart 1998 ISBN 3 608 91813 2 Ulrich Diehl Personalitat und Humanitat C Winter Heidelberg 1999 ISBN 3 8253 0876 6 Zugleich Wurzburg Universitat Dissertation 1994 Peter Bieri Das Handwerk der Freiheit Uber die Entdeckung des eigenen Willens Carl Hanser Munchen u a 2002 ISBN 3 446 20070 3 Waltraud Harth Peter Ulrich Wehner Frithjof Grell Hrsg Prinzip Person Uber den Grund der Bildung Winfried Bohm zum 22 Marz 2002 Bibliotheca Academica Padagogik Bd 2 Ergon Verlag Wurzburg 2002 ISBN 3 89913 236 X Max Scheler Die Stellung des Menschen im Kosmos 15 unveranderte Auflage Bouvier Bonn 2002 ISBN 3 416 02592 X Karl Lugmayer Philosophie der Person Mit einer Einleitung von Erwin Bader und Paul R Tarmann Herausgegeben von Erwin Bader und Franz Lugmayer Peter Lang Frankfurt am Main u a 2009 ISBN 978 3 631 58390 6 Peter Heinrich Person und Padagogik In Katharina Nowotny Padagogik in der Sonderpadagogik Schneider Baltmanssweiler 2010 S 92 103 ISBN 978 3 8340 0744 5 Weblinks BearbeitenThomas D Williams und Jan Olof Bengtsson Personalism In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Thomas O Buford Personalism In J Fieser B Dowden Hrsg Internet Encyclopedia of Philosophy http www personnalisme org http www personalism pl englische Website http www personalismo org La Vie Nouvelle Homepage Einzelnachweise Bearbeiten Vgl Siegbert A Warwitz Sinnsuche im Wagnis Leben in wachsenden Ringen Baltmannsweiler 2016 S 260 295 Paul Ricœur Das Selbst als ein Anderer 1990 Waltraud Harth Peter Religion und Bildung im Licht des modernen Personalismus In Heitger Wenger Hrsg Kanzel und Katheder Zum Verhaltnis von Religion und Padagogik seit der Aufklarung Paderborn 1994 urn nbn de bvb 20 opus 42832 uni wuerzburg de PDF Birgitta Fuchs Urteilskraft und Padagogik Beitrage zu einer padagogischen Handlungstheorie Lutz Koch zum 65 Geburtstag Konigshausen amp Neumann 2007 ISBN 978 3 8260 3597 5 google de abgerufen am 28 August 2020 Geiselhart Klaus 2021 Der Wille zur Verantwortung Velbruck Wissenschaft Abgerufen am 1 Februar 2022 Personale Medizin doi 10 1007 978 3 662 63135 5 springer com abgerufen am 13 November 2022 Normdaten Sachbegriff GND 4135692 5 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Personalismus amp oldid 231422515