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Unter dem Namen Paris Geschutz wurde im Ersten Weltkrieg ein deutsches Fernkampfgeschutz der Firma Krupp vom Kaliber 21 cm bekannt Es hatte eine aussergewohnliche Reichweite von etwa 130 Kilometern Zwischen dem 23 Marz 1918 und dem 8 August 1918 feuerten drei spater zwei Paris Geschutze zusammen 206 Granaten auf Paris ab dabei starben 256 Menschen ausschliesslich Zivilisten Paris Geschutz vermutlich 1917 auf dem Schiessplatz Altenwalde aufgenommen Inhaltsverzeichnis 1 Aufbau und Daten 2 Einsatz und Verbleib 3 Nachwirkung und spatere Entwicklungen 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseAufbau und Daten BearbeitenDas Geschutz das bis zu einem Winkel von 55º Hohe schiessen konnte hatte eine Rohrlange von 37 Metern d h von 176 Kalibern L 176 Das Rohr war eine Konstruktion aus einem 17 m langen Mantel Rohr mit 38 Zentimetern Innendurchmesser vom Marinegeschutz 38 cm SK L 45 in das ein 30 m langes gezogenes 21 cm Rohr Seelenrohr eingesetzt wurde Schliesslich wurde noch ein 6 m langes glattes Rohr die sogenannte Tute angefugt Die uberlange Konstruktion wurde durch ein charakteristisches hangebruckenartiges Spannwerk gegen Durchhangen geschutzt Dieses Geschutzrohr wurde als Kaiser Wilhelm Rohr bezeichnet Es verschoss Sprenggranaten von 106 Kilogramm Masse Sprengladung etwa 7 kg mit einer ballistischen Haube und einer Mundungsgeschwindigkeit v 0 displaystyle v 0 nbsp von bis zu 1645 Metern pro Sekunde Das Geschutz hatte eine Gesamtmasse von rund 140 Tonnen und wurde mit der Eisenbahn an den Einsatzort transportiert Trotzdem war es aber kein Eisenbahngeschutz sondern schoss aus stationaren aber drehbaren sogenannten Bettungsschiessgerusten aus Stahl die auf einem Betonsockel gelagert waren Die drei verschiedenen Geschutzstellungen lagen etwas abseits bestehender Eisenbahnstrecken jeweils in Deckung eines grosseren Waldes In die Stellung wurde ein mehrgleisiger Anschluss gebaut Abseits der eigentlichen Stellung wurden Scheinstellungen gelegt sogar mit Gleisanschluss Die Reichweite von circa 130 km beruhte auf einer ballistischen Besonderheit Mit einem hohen Abgangswinkel von bis zu 55 einer sehr starken Treibladung und dem uberlangen Rohr konnte die Gipfelhohe in den oberen Teil der Stratosphare in etwa 38 bis 40 km Hohe gelegt werden Dadurch flog das Geschoss lange durch sehr dunne Luftschichten so dass die Flugbahn weitgehend der eines Schusses im luftleeren Raum glich Alle anderen im Ersten Weltkrieg verwendeten Ferngeschutze erzielten eine Reichweite von nur etwa 40 km Mit der Entwicklung der Paris Geschutze wurde 1916 begonnen Massgeblich daran beteiligt war der Artillerie Konstrukteur Major Fritz Rausenberger von der Firma Krupp welcher bereits die Dicke Bertha entworfen hatte Die Entwicklung erfolgte auf dem Schiessplatz der Firma Krupp nahe Meppen der heutigen Wehrtechnischen Dienststelle 91 Da das Testgelande im Emsland zu klein war und durch eine Fehlberechnung bereits eine Granate im Wester Moor bei Saterland ausserhalb des Erprobungsgelandes einschlug musste man auf den Schiessplatz Altenwalde ausweichen da man hier bis auf die offene Nordsee schiessen konnte Am 20 November 1917 wurde das erste fertiggestellte Paris Geschutz in Altenwalde bei Cuxhaven an der Nordsee mit westlicher Schussrichtung entlang den ostfriesischen Inseln erfolgreich getestet Bis Anfang 1918 wurden zwei weitere Paris Geschutze gebaut die zusammen im Rahmen der deutschen Fruhjahrsoffensive am 23 Marz 1918 erstmals aus der 1 Stellung dem Wald von Saint Gobain bei Crepy en Laonnois eingesetzt wurden Die Geschosse erreichten eine Flughohe von etwa 40 km und eine Flugzeit von 3 Minuten Die mehrteilige Treibladung bestehend aus einer Hulsenkartusche aus Messing mit Treibladung und zwei Teilladungen in seidenen Treibladungsbeuteln als sog Vorkartusche wog bis zu 196 kg Um eine gleichmassige Leistung zu erreichen wurden die hochbrisanten Treibladungen aus Rohrpulver C 12 bei konstant 15 C temperiert nahe der Geschutzstellung gelagert Wahrend der etwa durchschnittlich 20 Minuten zwischen den Schussen mussten der jeweils vergrosserte Ladungsraum ausgemessen die Gasdruck Messungen ausgewertet und zahlreiche Berechnungen ausgefuhrt werden Neben den ublichen Einflussen beim Artillerieschiessen waren weitere bedeutende bisher unbekannte Faktoren zu berucksichtigen Die Schussweite von etwa 130 km gemessen auf dem Umfangskreis der Erdkugel verkurzte sich als Sehne betrachtet um etwa 800 Meter Aufgrund der uberlangen Geschossflugzeit war sogar die Drehung der Erdkugel wahrend dieser Zeit bei den Schusswerten zu berechnen sodass der Beschuss eigentlich ein Schiessen mit Vorhalt auf ein sich bewegendes Ziel war Eine richtige Feuerleitung war aufgrund der Entfernung nicht moglich dazu mussten andere Moglichkeiten gefunden werden Die Lage der Einschlage soll unter anderem von deutschen Spionen in Paris beobachtet und weitergemeldet worden sein Anfangs fanden sich auch Berichte in den Zeitungen der Stadt die ins europaische Ausland geliefert und dort von deutschen Stellen ausgewertet wurden so lange bis die franzosische Zensur das unterbinden konnte Hilfsweise wurde die Lage der Einschlage in Langsrichtung des Schiessens uber die Messung des Gasdruckes beim Schuss durch in den Ladungsraum eingelegte sogenannte Kruppsche Mess Eier Kupfer Stauchkorper geschatzt Durch die enorme Abschussenergie der Treibladung mit einer Temperatur von 2 000 C und einem Gasdruck bis zu 4 800 bar wurde das Geschutzrohr beim Schiessen regelrecht ausgezehrt Bei jedem Schuss vergrosserte sich das Kaliber etwas was mittels nummerierter Granaten mit entsprechend steigendem Durchmesser und einer standigen Steigerung der Treibladung ausgeglichen werden musste Beim Abschuss verbrannte der grosste Teil der Messingkartusche Auch die ersten Kupferfuhrungsbander zur Aufnahme des Dralls hielten der Temperatur und dem Druck nicht stand Es mussten deshalb zusatzlich Drallnuten in die Stahlhulle der Granaten eingeschnitten werden mit dem Ergebnis dass auch davon die Geschutzrohre vorzeitig verschlissen wurden Die Granaten waren beim Laden mit den Nuten regelrecht in die Zuge und Felder des Rohres einzuschrauben Die Nutzungsdauer eines Rohres aus der 1 Stellung lag bei nur etwa 65 Schuss Nach dieser ersten Leistung mussten die Rohre dann jeweils bei Krupp in Essen auf Kaliber 22 4 und dann 23 8 cm weiter aufgebohrt werden Durch das Aufbohren erweiterte sich das Rohrvolumen und beim Abschuss sank der Gasdruck Diese Rohre konnten nur noch aus der naher an Paris gelegenen 2 Beaumont en Beine und 3 Stellung Bruyeres sur Fere eingesetzt werden Insgesamt waren sieben Rohre vorhanden Nicht nur die Stellung sondern auch der Abschuss selbst musste getarnt werden Um die franzosische Schallmessortung zu erschweren schossen abgestimmt gleichzeitig mit einem der Paris Geschutze jeweils etwa 30 andere schwere deutsche Batterien aus benachbarten Stellungen Geschossen wurde auch meist nur am Tage da allein das riesige Mundungsfeuer nachts die Stellung verraten hatte Der Beschuss wurde ebenfalls wahrend franzosischer Fliegergefahr eingestellt Die Paris Batterie wurde durch ein Infanteriebataillon und zehn Fliegerabteilungen gesichert Einsatz und Verbleib BearbeitenAuch wenn in der Fachliteratur mitunter von dem Paris Geschutz geschrieben wird wurden insgesamt drei derartige Geschutze eingesetzt Durch die Treffer in Paris wurde der gewunschte psychische Effekt mit Verwirrung und Angst zunachst erzielt der aber wegen der geringen Sprengladung der Granate und der erkennbar mangelnden Prazision der Feuerleitung nach kurzer Zeit verpuffte Insgesamt wurden 256 Zivilisten getotet und 620 verwundet davon allein 88 Tote und 68 Verwundete bei einem Treffer auf die Pariser Pfarrkirche Saint Gervais Saint Protais wahrend des Karfreitags Gottesdienstes am 29 Marz 1918 nachmittags Die deutsche Propaganda nutzte diese angeblichen Erfolge jedoch um die Moral der Heimatfront zu starken nbsp Montage eines Paris GeschutzesObwohl es eine Artillerieverwendung an Land war lag die Bedienung in den Handen der Marine da diese mit grosseren Kalibern mehr Erfahrung besass Eine Geschutzmannschaft bestand aus 60 bis 80 Marinesoldaten zuzuglich einer Gruppe ziviler Ingenieure fur Technik und Vermessung Die Gesamtleitung des Schiessens lag bei Vizeadmiral Maximilian Rogge Auf deutscher Seite waren die Erwartungen so gross dass am ersten Einsatztag sogar Kaiser Wilhelm II die Stellung besuchte und das Schiessen beobachtete Bereits in der 1 Stellung gab es am 25 Marz beim Abschuss eines der drei Geschutze einen Rohrkrepierer wobei siebzehn Soldaten der Bedienungsmannschaft starben Die verbliebenen Paris Geschutze feuerten aus den drei verschiedenen Stellungen bis zum 8 August 1918 zuletzt wieder bei Beaumont en Beine insgesamt 194 Schuss mit Kal 20 93 cm und 12 Schuss mit Kal 23 2 cm ab 97 Granaten trafen Paris 62 Stuck die Vorstadte 1 Aufgrund der sich standig verschlechternden militarischen Lage und des deutschen Ruckzuges war das Ziel bald nicht mehr zu erreichen Die zwei verbliebenen Geschutze wurden mit ihren Ersatzrohren von der Front zuruckgezogen und verschrottet Auch die Konstruktionsplane wurden von den Deutschen versteckt oder vernichtet So liess sich nach der Kapitulation trotz Suche bei Krupp fur die Alliierten nicht mehr nachvollziehen wie eine derartige Haubitze hatte gebaut werden konnen Ein Relikt blieb die Betonbettung des ersten Geschutzes in der Stellung bei Crepy en Laonnois Ein weiteres Relikt findet sich am Ort der letzten Stellung im Wald von Chatel nordlich von Chateau Thierry Hier wurde eine Metallbettung verwendet Sie hinterliess ein im Wald bis heute erhaltenes kreisrundes Loch Auch finden sich Reste von Erdarbeiten in Form von Wallen fur die Schienenzufuhrung ostlich des Loches im Wald in Richtung der vorhandenen Bahnlinie Nachwirkung und spatere Entwicklungen BearbeitenDie grosse Reichweite wurde spater von keinem konventionellen Geschutz mit Einzelladungen wesentlich ubertroffen Nach dem Ersten Weltkrieg baute Frankreich eine etwa gleiche Haubitze das Eisenbahn Ferngeschutz Modell 23 mit Kaliber 21 cm Reichweite 120 km Geschossgewicht 108 kg und v0 1450 m s Im Zuge der Wiederaufrustung gab die deutsche Wehrmacht dann die K 12 in Auftrag In den 1940er Jahren waren derartige Geschutze uberholt da ihr Einsatzzweck nun einfacher durch Luftangriffe erreichbar war Die Gipfelhohe des Parisgeschutzes wurde erst von der V2 mit Raketentechnik ubertroffen Die Kanone V3 war ein weiterer Losungsansatz der mit Mehrfachladungen betrieben wurde Eine spate Fortsetzung des uberdimensionalen Geschutzbaus fand sich in den sechziger Jahren im Projekt HARP des Kanadiers Gerald Bull In den 1980er Jahren wurde im Irak das Projekt Babylon erprobt Die Anlagen erzielten 1990 Test Reichweiten uber 200 Kilometer und Gipfelhohen bis 62 Kilometer Diese Geschutze wurden im November 1991 unter der Aufsicht von UN Inspektoren zerstort 2 Im 21 Jahrhundert wurden Reichweiten bis 100 Kilometer mit Vulcano Munition mit Marinegeschutzen oder in Waffensystemen wie der Panzerhaubitze 2000 realisiert Literatur BearbeitenThierry Ehret Gunter Schalich Paris Kanonen Die Fernbeschiessung der Festung Paris im Jahr 1918 IBA Informationen Sonderheft 28 Aachen 1997 ISBN 978 2 9510795 0 2 Henry W Miller Die Paris Geschutze Die Beschiessung von Paris durch deutsche weittragende Geschutze und die Offensiven des Jahres 1918 Wilhelm Limpert Berlin Dresden 1936 Gerhard Taube Deutsche Eisenbahn Geschutze Rohrartillerie auf Schienen Motorbuch Verlag Stuttgart 2001 ISBN 3 613 01352 5 Tafel am Modell in der Wehrtechnischen Studiensammlung Koblenz Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Paris Geschutz Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien The Paris Gun bei FirstWorldWar com englisch Einzelnachweise Bearbeiten Ehret Schalich S 110 UNMOVIC Chapter IV Missile Programme PDF 39 7 MB Artillerie der Artillerietruppe des Deutschen Heeres im Ersten WeltkriegPanzerabwehr MG 18 TuF 3 7 cm TAKFlugabwehr 3 7 cm Sockel Flak L 14 5 3 7 cm Maxim Flak M14 7 7 cm leichte Kw Flak L 27 M 1914 8 8 cm Flak 16Infanterie undGebirgsgeschutze 5 7 cm Maxim Nordenfelt 7 62 cm Infanteriegeschutz L 16 5 7 7 cm Infanteriegeschutz L 20 7 7 cm Infanteriegeschutz L 277 5 cm Gebirgskanone L 17 M 08Morser Granatenwerfer 16 Leichter Minenwerfer 7 58 cm Leichter Minenwerfer System Lanz 9 15 cm Mittlerer Minenwerfer 17 cm Ladungswerfer Ehrhardt 24 cm Schwerer Flugelwerfer Iko 24 cm Schwerer Minenwerfer 25 cm Schwerer Minenwerfer AlbrechtFeld mittlere undschwere Geschutze 7 62 cm Feldkanone Putilow M 02 7 7 cm Feldkanone 96 7 7 cm Feldkanone 96 n A 7 7 cm Feldkanone 16 7 7 cm Kanone in Haubitzlafette 9 cm Feldkanone C 73 91 10 5 cm leichte Feldhaubitze 98 10 5 cm leichte Feldhaubitze 98 09 10 5 cm leichte Feldhaubitze 16 10 5 cm leichte Feldhaubitze Krupp 10 cm Kanone 04 10 cm Kanone 14 10 cm Kanone 17 13 cm Kanone 15 cm Kanone L 40 i R 15 cm schwere Feldhaubitze 15 cm Versuchshaubitze 99 15 cm schwere Feldhaubitze 02 15 cm Schwere Versuchs Feldhaubitze L 13 Erhardt 15 cm schwere Feldhaubitze 13 15 cm lange schwere Feldhaubitze 13 15 cm lange schwere Feldhaubitze 13 02 15 cm Kanone 16 15 cm Versuchshaubitze L 30 Rheinmetall Leichte Kartaune 18 5 cm Versuchshaubitze L 22 Krupp Kartaune 20 cm Haubitze M 77Belagerungsgeschutzeund Kustenartillerie 21 cm Morser 99 21 cm Morser 21 cm Morser 16 Lange 21 cm Kanone in 38 cm Schiessgerust Paris Geschutz 28 cm Haubitze L 12 30 5 cm schwere Kustenmorser 38 cm Schnelladekanone L 45 Kurze Marine Kanone 12 L 16 Gamma Gerat Dicke BerthaEisenbahngeschutze internationale Liste 15 cm Schnelladekanone L 45 Nathan 17 cm Schnelladekanone L 40 Samuel 21 cm Schnelladekanone Peter Adalbert 24 cm Eisenbahnkanone L 30 Theodor Otto 24 cm Eisenbahnkanone L 35 24 cm Eisenbahnkanone L 40 Theodor Karl 28 cm Schnelladekanone L 40 Bruno 28 cm Eisenbahnkanone L 40 Kurfurst 38 cm Schnelladekanone L 45 Max Normdaten Sachbegriff GND 4211608 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lange 21 cm Kanone in 38 cm Schiessgerust Paris Geschutz amp oldid 236415229