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Mukhavina auch mukha vina Sanskrit म खव ण aus mukha Mund Gesicht und vina Saiten instrument ist ein kurzes kegelformiges Doppelrohrblattinstrument der indischen Musik das in Sudindien uberwiegend in einigen Formen hinduistischer Tempelmusik haufig zusammen mit der Kesseltrommel dhanki gespielt wird Allgemein bezeichnet mukhavina zusammenfassend die Gruppe der indischen Doppelrohrblattinstrumente zu denen neben der grosseren sudindischen nadaswaram die nordindische shehnai und weitere in der regionalen Volksmusik gespielte Kegeloboen gehoren Diese stammen aus altindischer Zeit oder kamen mit mehreren muslimischen Eroberungswellen nach Sudasien Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Bauform und Spielweise 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseHerkunft Bearbeiten nbsp Irulas eine Adivasi Gruppe in den sudwestindischen Nilgiri Bergen mit mukhavina und der Zylindertrommel dappu Aufnahme von 1871 72In der Sangam Literatur die in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten auf Tamil verfasst wurde finden sich zahlreiche Beschreibungen uber die sudindische Musikkultur jener Zeit Im Epos Silappadigaram wird die Einteilung der Stadtviertel nach Berufsgruppen die Lage der Tempel und Palaste und die hoch entwickelte Musizierpraxis beschrieben Aus den grossen Tempeln war vor allem das Schlagen der Trommeln zu horen Tanzdarbietungen wurden laut dem Silappadigaram und Reliefdarstellungen an religiosen Bauwerken etwa am Stupa von Amaravati aus dem 2 Jahrhundert n Chr von Gesang Bogenharfen oder Lauten Floten Rohrentrommeln und Handeklatschen begleitet Ein konisches Blasinstrument vermutlich mit Doppelrohrblatt sorgte fur einen Bordun der auf die Tonhohe der Trommeln gestimmt war 1 Blasinstrumente sind in Indien gegenuber den Saiteninstrumenten von zweitrangiger Bedeutung da sie nach den religiosen Gesetzen nicht von Brahmanen gespielt werden durfen und daher zur Musik der niedrigen Kasten gehoren Einzige Ausnahme ist die mit dem jungen Hirtengott Krishna verbundene Querflote bansuri murali die als Gotterinstrument eine besondere Wertschatzung geniesst Doppelrohrblattinstrumente begleiteten in Sudindien haufig die Melodieinstrumente mit einem Bordunton Zu ihnen gehoren auch die Sackpfeifen denen nach sudindischer Tradition eine weit zuruckreichende Geschichte zugesprochen wird 2 Wie Krishna mit der Flote wird die Gottin Sarasvati mit dem Saiteninstrument vina gezeigt Vina bezeichnet seit dem Mittelalter mit entsprechenden Prafixen unterschiedliche Stabzithern Rudra vina und vichitra vina und Langhalslauten Sarasvati vina Demgegenuber steht mukha vina die mit dem Mund gespielte also geblasene Vina fur die Gruppe der indischen Kegeloboen die entweder aus altindischer Tradition stammen mit den ersten muslimischen Eroberern gebracht wurden die Anfang des 8 Jahrhunderts die nordwestindische Region Sindh erreichten oder zur zentralasiatisch persischen Kultur gehoren die sich ab dem 13 Jahrhundert und besonders im 16 Jahrhundert wahrend der Mogulzeit verbreitete Die ersten Blasinstrumente die vermutlich ein Doppelrohrblatt besassen sind mit der Einwanderung zentralasiatischer Volker um die Zeitenwende verbunden Das alteste indische Wort fur ein Doppelrohrblattinstrument mohori geht auf den Musikgelehrten Matanga zuruck der zwischen dem 6 und 8 Jahrhundert auf Sanskrit die Abhandlung Brihaddeshi verfasste Er erwahnt das Rohrblattinstrument madhukari auch madhukali entsprechend heisst dieses auf Telugu mahudi und magudi Beides sind heute sudindische Bezeichnungen fur pungi ein von Schlangenbeschworern gespieltes einfaches Rohrblattinstrument Mohori kommt in unterschiedlichen Schreibweisen in spateren Texten vor Der kanaresische Komponist Purandara 1484 1564 schreibt mourya der Dichter Govindavaidya erwahnt um 1650 das Blasinstrument mouri Die Khasi im Nordosten Indiens spielen heute die namensverwandte tangmuri Andere Schreibweisen fur eindeutig als solche zu identifizierende Doppelrohrblattinstrumente in Sanskrittexten des 10 bis 13 Jahrhunderts sind mahvari madvari muhuri und muhari Diese Namen und der damit bezeichnete Oboentyp gehen vermutlich auf die arabische mizmar zuruck die zur Militarmusik der arabischen Eroberer des Sindh gehorte Die in Nordindien auch in der klassischen Musik gespielte shehnai ist mit Instrumenten der Volksmusik wie der kleineren sundri in Maharashtra verwandt Die shahnai gehort seit Einfuhrung ihrer Vorlaufer in Indien nach Grundung des Sultanats von Delhi Anfang des 13 Jahrhunderts zum orientalischen Kegeloboentyp surnay surna 3 Der Zusammenklang von surna verschiedenen Trompeten karna und nafir und grossen Trommeln naqqara in einem naubat genannten arabischen Zeremonialorchester lasst sich bis ins 10 Jahrhundert zuruckverfolgen 4 Die sudindische nadaswaram bildet gegenuber der shehnai das andere Ende im Spektrum der indischen Oboentypen Sie ist deutlich langer als die einteilige shehnai und besitzt einen abnehmbaren Schallbecher Die nadaswaram wird im 14 Jahrhundert in einem auf Telugu verfassten Text erwahnt Die in der Volksmusik in Odisha gespielte mohori die auch mukhavina genannt wird nimmt eine Zwischenstellung ein Sie entspricht einer etwas grosseren shehnai mit einem abnehmbaren Schallbecher Ahnlich gross wie die shehnai ist die besonders schrill klingende kuzhal von Kerala Ottu olagu naferi tota sundari pipori pipahi und pipani heissen weitere indische Doppelrohrblattinstrumente 5 Die pipani von Maharashtra besteht aus einer Holzrohre mit sieben Fingerlochern und einem Daumenloch und ist mit aufgesetztem Metallbecher etwa 45 Zentimeter lang 6 In Assam wird die kali in Ensembles der religiosen Musik zusammen mit grossen Paarbecken bartal und Doppelkonustrommeln khol verwendet Die etwa 60 Zentimeter lange kali oder kalia besitzt eine Spielrohre aus Holz oder Bambus mit einem breiten Messingschallbecher und mit sechs oder sieben Fingerlochern 7 Die mit rund 30 Zentimetern Lange kurzeste Kegeloboe in Sudasien ist die horanewa in Sri Lanka Mit funf bis sieben Fingerlochern ohne Daumenloch hat sie nur eine Oktave Tonumfang Die Bezeichnung mukhavina kommt erstmals im Werk Panditaradhya Charitra des Telugu Dichters Somanatha vor der im 12 13 Jahrhundert lebte in einigen auf Telugu verfassten Balladen die aus dem 14 Jahrhundert stammen sollen und ferner im Werk Abhinava Bharata Sarasangraha von Mummadi Chikkabhupala einem Autor des 17 Jahrhunderts Die Abhandlung uber Musik Sangita Parijata verfasst im 17 Jahrhundert vom nordindischen Musiktheoretiker Ahobala beschreibt die mukhavina als eine Schilfgrasrohre von einer Spanne Lange die mit Birkenblattern Sanskrit bhurja umwickelt ist Eine Aussage uber die Art der Tonerzeugung fehlt 8 Allenfalls aus dem Zusammenhang lasst sich erschliessen welches Blasinstrument mit mukhavina jeweils gemeint ist Bauform und Spielweise Bearbeiten nbsp Nayyandi melam mit einer mukhavina einer Fasstrommel tavil rechts und dahinter einer Doppeltrommel pambai Die sudindische mukhavina ist eine konische Kegeloboe aus Holz von etwa 35 Zentimetern Lange Anders als die zylindrischen Oboen mit Schallbecher der persischen Naubat Orchester surnay entsprechend in der Turkei zurna sind die Spielrohren von shehnai nadaswaram und mukhavina leicht konisch Bei manchen Instrumenten ist der holzerne Schallbecher am Rand mit einem Kupferring umgeben Das silberne dunne Mundstuck mit mittelgrossen freien Rohrblattern ist abnehmbar Der Klang ist weicher und gedampfter als bei der nadaswaram 9 Die mukhavina hat sieben 10 oder acht Fingerlocher Sie wird wie andere indische Oboen stets zusammen mit einem ahnlichen einfacher gebauten Borduninstrument gespielt das allgemein sruti in Tamil Nadu ottu heisst Das Borduninstrument ist grifflochlos besitzt aber vier oder funf kleine Locher die entsprechend der gewunschten Tonhohe bis auf ein Loch mit Wachs verschlossen werden 11 Bis zum 19 Jahrhundert gehorten kleine mukhavina Ensembles cinnamelam Tamil kleines Ensemble 12 zusammen mit einer Doppelkonustrommel mridangam oder einer Kesseltrommel dhanki zur Begleitmusik von Tanztheatern wie dem Yakshagana in Karnataka Anfang des 20 Jahrhunderts wurde die mukhavina als Begleitinstrument der Bharatanatyam Tanze durch eine westliche Klarinette ersetzt 13 und die mridangam ist heute an die Stelle einer kleinen Version der maddalam getreten Bereits im Jahr 1891 stellte der britische Infanterist Charles Russel Day 1860 1900 fest dass gelegentlich die europaische Klarinette anstelle der mukhavina verwendet wird Zu seiner Zeit bestand ein sudindisches Ensemble zur Begleitung von Tanzdramen ungefahr aus zwei sarangis Streichlauten einer tanpura Zupflaute einer mukhavina einer tabla Kesseltrommelpaar und einer nagasara Doppelrohrblattinstrument fur einen Bordunton sruti Ahnliche kleine Musikgruppen die im Kern mit mukhavina und dhanki besetzt waren traten bei Tempelfesten anderen offentlichen Festen und Hochzeiten auf 14 Die mukhavina Spieler reisten fruher in der Festspielsaison zu Jahresfesten wie Diwali und Pongal und gingen zu den Hausern von Grundbesitzern die als Forderer der Kunste Einladungen aussprachen Dem cinna melam Ensemble mit einer mukhavina entsprach das lauter klingende periamelam Ensemble perya melam mit einer spielfuhrenden nadaswaram einem Doppelrohrblattinstrument ottu fur den Bordunton einer Fasstrommel tavil und Zimbeln Melam Sanskrit mela Versammlung Zusammentreffen bezeichnet in Sudindien ein Musikensemble genauer ein Ensemble mit mukhavina oder nadaswaram das nach der Tradition bei keiner Tempelprozession oder Hochzeit fehlen darf Das am weitesten verbreitete Ensemble in dem die mukhavina fuhrend ist heisst nayyandi melam 15 Diese Ensembles bestehen aus einer mukhavina einer in Tamil Nadu sruti upanga ansonsten in Sudindien tutti genannten Sackpfeife die fur einen Bordunton sorgt und einer mridangam oder einer dhanki als rhythmische Begleitung Ensembles mit mukhavina und dhanki sind heute selten geworden Die laut tonenden Hochzeitsbands verwenden zusatzlich oder anstelle von shehnai im Norden oder nadaswaram im Suden Klarinette Trompete und Saxofon 16 Sie stehen in der Tradition britischer Militarblasorchester Beim hinduistischen Jahresfest Panguni Uthiram tritt in Tamil Nadu das Instrumentalensemble nayyandi melam bei einem reichhaltigen Rahmenprogramm auf 17 Die Rhythmusinstrumente sind hierbei eine Doppeltrommel pambai eine Fasstrommel tavil und Zimbeln thalam Die Musiker tanzen beim Spielen Das nayyandi melam Ensemble begleitet auch Karakattam Tanze zu denen mit Wasser gefullte Tontopfe auf dem Kopf der Akteure und andere akrobatische Ubungen gehoren Sie werden besonders im Thanjavur Distrikt in Tamil Nadu zu Ehren der Pestgottin Mariamman aufgefuhrt 18 Die mukhavina gehort besonders zu vishnuitischen Tempelzeremonien Mukhavina und dhanki werden regelmassig am Udupi Sri Krishna Matha gespielt einem sehr verehrten Krishna Tempel in Udupi Karnataka 19 Die Kota sind wie die Irulas eine Adivasi Gruppe die in den Nilgiri Bergen im Sudwesten Indiens lebt Ihr traditionelles Orchester bei festlichen Anlassen besteht aus halbprofessionellen Musikern die mukhavina mit einem entsprechenden Borduninstrument und kombu zusammenspielen Kombu regional auch kahalay sind grosse gebogene Naturtrompeten aus Kupfer die stets paarweise eingesetzt werden Eine hoher klingende kombu ist rechts eine tiefere kombu links am Rand des Orchesters positioniert Hinzu kommen mehrere grosse mit Stocken geschlagene Zylindertrommeln dappu 11 Literatur BearbeitenReis Flora Mukhavina In Laurence Libin Hrsg The Grove Dictionary of Musical Instruments Bd 3 Oxford University Press Oxford New York 2014 S 525 Charles Russel Day The music and musical instruments of southern India and the Deccan Novello Ewer amp Co London New York 1891 bei Internet Archive Weblinks BearbeitenDavid Courtney Mukhavina small nadaswaram chandrakantha comEinzelnachweise Bearbeiten Walter Kaufmann Altindien Musikgeschichte in Bildern Band II Musik des Altertums Lieferung 8 Hrsg Werner Bachmann VEB 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palanitemples com Karakattam Memento vom 22 Oktober 2012 im Internet Archive folkloremuseum org Geetha Rajagopal Music Rituals in Temples of South India Vol 1 D K Print World New Delhi 2009 S 148 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mukhavina amp oldid 204987815