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Moderatos von Gades altgriechisch Moderatos Moderatos lateinisch Moderatus war ein antiker Philosoph Er war in der zweiten Halfte des 1 Jahrhunderts tatig und gehorte zur Richtung der Neupythagoreer In der Ontologie nahm er Gedanken vorweg die spater von Plotin ausgearbeitet wurden und daher als spezifisch neuplatonisch gelten Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Verlorene Werke und ihre Rezeption 3 Lehre 4 Quellen 5 Literatur 6 AnmerkungenLeben BearbeitenModeratos stammte aus Gades dem heutigen Cadiz in Andalusien Vermutlich war er ein Verwandter des Schriftstellers Columella Lucius Iunius Moderatus Columella der dasselbe Cognomen trug und ebenfalls Gaditaner war 1 Uber sein Leben ist fast nichts bekannt Den einzigen konkreten Anhaltspunkt liefert Plutarch der berichtet dass ein aus Etrurien stammender Schuler des Moderatos namens Lucius an einem Gastmahl teilnahm das Sextius Sulla ein Freund Plutarchs veranstaltete als Plutarch nach langer Abwesenheit nach Rom zuruckkehrte Da das Gastmahl in den neunziger Jahren des 1 Jahrhunderts n Chr stattfand ist davon auszugehen dass die Lehrtatigkeit des Moderatos in die zweite Halfte des 1 Jahrhunderts fallt Anscheinend lebte er zumindest zeitweilig in Rom Der Schilderung Plutarchs zufolge hielt sich Lucius an die Regeln der pythagoreischen Lebensweise legte also Wert auf die Praxis einer an philosophischen Zielen orientierten Lebensfuhrung Ob dies auf den Einfluss seines Lehrers Moderatos zuruckzufuhren ist und somit einen Ruckschluss auf dessen Haltung gestattet ist unklar 2 Verlorene Werke und ihre Rezeption BearbeitenDie Schriften des Moderatos sind bis auf Fragmente verloren Der Neuplatoniker Porphyrios zitiert oder paraphrasiert in seiner Lebensbeschreibung des Pythagoras eine Passage aus einem Werk des Moderatos in dem Lehrmeinungen der Pythagoreer zusammengestellt waren die anscheinend in erster Linie die pythagoreische Zahlenlehre betrafen Unsicher ist ob diese Schrift aus zehn oder elf Buchern bestand Wohl aus ihr stammt ein Moderatos Fragment das der Neuplatoniker Simplikios uberliefert der es einer verlorenen Abhandlung des Porphyrios uber die Materie entnommen hat Zwei Fragmente uber die Zahlenlehre uberliefert der spatantike Gelehrte Johannes Stobaios Der ostromische Autor Stephanos von Byzanz erwahnt eine Schrift Pythagoreische Vortrage in funf Buchern die Moderatos verfasst habe Der Neuplatoniker Iamblichos berichtet von einer Lehrmeinung des Moderatos uber die Seele auf welches Werk er sich dabei bezieht ist unbekannt Auch die Neuplatoniker Syrianos und Proklos erwahnen Ansichten des Moderatos Der Kirchenvater Hieronymus nennt ihn einen hervorragenden Schriftsteller virum eloquentissimum den Iamblichos nachgeahmt habe 3 Lehre BearbeitenEine Schwierigkeit bei der Bestimmung der Lehrmeinungen des Moderatos ergibt sich daraus dass Porphyrios der in seiner Lebensbeschreibung des Pythagoras einen Text des Moderatos zitiert oder paraphrasiert nicht angibt wo genau bei ihm die Wiedergabe von Ausfuhrungen des Moderatos beginnt und endet Ein weiteres Problem besteht darin dass Porphyrios einzelne Textstucke eingefugt oder geandert haben kann so dass damit zu rechnen ist dass in seiner Darstellung die Denkweise und Terminologie des Moderatos neuplatonischer wirkt als sie tatsachlich war Je nachdem wie viel von dem bei Porphyrios uberlieferten Text man Moderatos zuschreibt andert sich das Bild das sich von dessen Philosophie ergibt So ist unklar und in der Forschung umstritten ob Porphyrios seine Darstellung einer Meinung von Pythagoreern uber das Verhaltnis spaterer Philosophen zu den pythagoreischen Lehren einer Schrift des Moderatos entnommen hat Nach dieser von Porphyrios mitgeteilten Ansicht die nach Auffassung einiger Forscher dem Standpunkt des Moderatos entspricht sind die wesentlichen Errungenschaften der griechischen Philosophie Pythagoras zu verdanken Spatere Philosophen wie Platon die Platoniker Speusippos und Xenokrates sowie Aristoteles und Aristoxenos hatten nicht mehr geleistet als sich die fruchtbaren Inhalte der pythagoreischen Lehre anzueignen wobei sie nur geringfugige Anderungen vorgenommen hatten Von all demjenigen hingegen was in der pythagoreischen Tradition fragwurdig und angreifbar erscheinen konnte hatten sie sich distanziert indem sie es als das spezifisch pythagoreische Gedankengut ausgaben Zu dieser Vorstellung von der Philosophiegeschichte gelangte Moderatos wohl dadurch dass er pseudepigraphe pythagoreische Traktate las in denen er platonisches und aristotelisches Gedankengut fand Er hielt diese Schriften irrtumlich fur authentische Werke von Pythagoreern die vor Platon gelebt hatten und folgerte die Pythagoreer der Fruhzeit hatten die in Platons Dialogen dargelegten philosophischen Einsichten schon besessen 4 Moderatos fasste die pythagoreische Zahlenlehre als Versuch auf Aussagen uber metaphysische Gegebenheiten aus didaktischem Grund in eine eingangige Sprache zu kleiden Die Funktion der Zahlen in den Darlegungen der Pythagoreer entspreche derjenigen gezeichneter Figuren in der Geometrie so wie die Zeichnungen nicht selbst die geometrischen Figuren sind sondern diese nur veranschaulichen so seien die Zahlen fur die Pythagoreer Hilfsmittel und Sinnbilder die das Gemeinte verbal schlecht Ausdruckbare verstandlich machen sollen So stehe die Eins fur das Prinzip der ewigen Einheit und Gleichheit des Fortbestands des stets mit sich selbst Identischen Sie deute auf die wesensmassige Zusammengehorigkeit aller Dinge die sich aus deren gemeinsamem Ursprung ergebe Die Zweiheit sei das Prinzip der Verschiedenartigkeit und Ungleichheit der teilbaren Dinge und des in standigem Wandel Begriffenen Die Drei drucke das Wesen von etwas aus was einen Anfang eine Mitte und ein Ende habe und sich damit als vollendet erweise Auf diese Weise konne man auch die ubrigen Zahlen bis zur Zehn der vollkommensten Zahl deuten Unsicher ist ob eine weitere Passage bei Porphyrios ebenfalls auf Ausfuhrungen des Moderatos fusst Dort wird berichtet Pythagoras habe seinen Schulern einen Weg zur Gluckseligkeit gezeigt indem er sie in kleinen Schritten von der Befassung mit Materiellem und Verganglichem zur Betrachtung des Unkorperlichen Unverganglichen und Wirklichen hingefuhrt habe 5 Der Neuplatoniker Simplikios berichtet von einer metaphysischen Lehre des Moderatos die er aus einer Abhandlung des Porphyrios kennt In diesem System bezeichnet der Begriff das Eine auf drei verschiedenen ontologischen Ebenen drei unterschiedliche Gegebenheiten Auf der hochsten Ebene ist das Eine uberseiend also jenseits des Bereichs der seienden Dinge und der Substanz Darunter befindet sich eine Ebene auf der das Eine fur das wahre Sein oder die Welt der platonischen Ideen steht das ist das intelligible Eine Darunter folgt eine dritte Ebene diejenige eines seelischen Einen das einerseits am ersten und am zweiten Einen Anteil hat und andererseits den Ausgangspunkt fur das Dasein der sinnlich wahrnehmbaren Dinge bildet Das Eine es ist unsicher welches Eine gemeint ist enthalt das Prinzip der an sich leeren form und gestaltlosen Quantitat deren Dasein dadurch ermoglicht wird dass das Eine sich seiner eigenen Prinzipien und Formen entaussert Die Quantitat ist somit negativ gedacht sie verdankt ihre Existenz dem Umstand dass ein Logos aller seiner Inhalte beraubt wird 6 Den Sinnesobjekten billigt Moderatos ausdrucklich keine Teilhabe am uberseienden Einen und an der intelligiblen Welt zu sondern betrachtet sie nur als Widerspiegelung der Ideen Die materielle Welt ist vom Guten weit entfernt und erscheint Moderatos daher als schlecht Ihre Schlechtigkeit ist aber nicht absolut denn ihr sind durch die ordnenden Gesetzmassigkeiten denen sie unterliegt Grenzen gesetzt sie ist mathematisch strukturiert und damit dem Einfluss des Guten nicht ganzlich entzogen Offenbar ist diese Lehre von dem unechten zweiten der Platon zugeschriebenen Briefe beeinflusst In einer 1928 erschienenen Untersuchung hat Eric Robertson Dodds seine Hypothese vorgetragen wonach das ontologische Modell des Moderatos das Ergebnis einer metaphysischen Interpretation von Ausfuhrungen in Platons Dialog Parmenides ist und die neupythagoreische Metaphysik Elemente des neuplatonischen Denkens insbesondere der neuplatonischen Parmenides Deutung vorwegnimmt 7 Diese Auffassung hat in der Forschung Anklang gefunden obwohl die von Simplikios uberlieferten Formulierungen moglicherweise zum Teil nicht von Moderatos sondern von dem Berichterstatter Porphyrios stammen und dessen neuplatonische Vorstellungen spiegeln Inwieweit Moderatos als Vorlaufer von Plotins Neuplatonismus zu betrachten ist ist strittig 8 In seiner Auffassung von der Seele folgte Moderatos einer Richtung welche die Seele im Rahmen der Zahlenlehre definierte und ihre Funktion als die eines zwischen unterschiedlichen Elementen Harmonie erzeugenden Faktors beschrieb Dieser Ansatz war aus seiner Sicht mit der fur die Neupythagoreer selbstverstandlichen Lehre von der Unsterblichkeit der Seele vereinbar 9 Quellen BearbeitenMarie Luise Lakmann Hrsg Platonici minores 1 Jh v Chr 2 Jh n Chr Prosopographie Fragmente und Testimonien mit deutscher Ubersetzung Philosophia antiqua Band 145 Brill Leiden Boston 2017 ISBN 978 90 04 31533 4 S 183 190 618 629 kritische Edition Cornelia J de Vogel Hrsg Greek Philosophy A collection of texts with notes and explanations Bd 3 The Hellenistic Roman Period 3 Auflage Brill Leiden 1973 ISBN 90 04 03743 8 S 348 351Literatur BearbeitenBruno Centrone Constantinos Macris Moderatus de Gades In Richard Goulet Hrsg Dictionnaire des philosophes antiques Bd 4 CNRS Editions Paris 2005 ISBN 2 271 06386 8 S 545 548 Franco Ferrari Moderatos von Gades In Christoph Riedweg u a Hrsg Philosophie der Kaiserzeit und der Spatantike Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 5 1 Schwabe Basel 2018 ISBN 978 3 7965 3698 4 S 639 641 699 Harold Tarrant Thrasyllan Platonism Cornell University Press Ithaca N Y 1993 ISBN 0 8014 2719 3 S 150 177 Christian Tornau Die Prinzipienlehre des Moderatos von Gades In Rheinisches Museum fur Philologie Neue Folge Bd 143 2000 S 197 220Anmerkungen Bearbeiten Enrique A Ramos Jurado Moderato de Gades estado de la cuestion Cronologia y forma de vida In Habis 34 2003 S 149 160 hier 157 159 Den Ruckschluss befurwortet John Dillon The Middle Platonists London 1977 S 345 anderer Meinung ist Bruno Centrone Introduzione a i pitagorici Rom und Bari 1996 S 174 Siehe dazu Gregor Staab Pythagoras in der Spatantike Leipzig 2002 S 79 Anm 177 Charles H Kahn Pythagoras and the Pythagoreans A Brief History Indianapolis 2001 S 105 Porphyrios Vita Pythagorae 46 f siehe dazu Gregor Staab Pythagoras in der Spatantike Leipzig 2002 S 80 f Siehe dazu Heinrich Dorrie Matthias Baltes Der Platonismus in der Antike Bd 4 Stuttgart Bad Cannstatt 1996 S 176 179 Text der Simplikios Stelle mit Ubersetzung 478 481 Kommentar Eric Robertson Dodds The Parmenides of Plato and the Origin of the Neoplatonic One In The Classical Quarterly 22 1928 S 129 142 hier 136 140 Gegen eine Vorwegnahme der neuplatonischen Metaphysik argumentieren Henri Dominique Saffrey und Leendert Gerrit Westerink Hrsg Proclus Theologie platonicienne Bd 2 Paris 1974 S XXXII XXXIV anderer Meinung sind Harold Tarrant Thrasyllan Platonism Ithaca N Y 1993 S 177 Anm 53 und Jens Halfwassen Speusipp und die metaphysische Deutung von Platons Parmenides In Ludwig Hagemann Reinhold Glei Hrsg EN KAI PLH8OS Einheit und Vielheit Festschrift fur Karl Bormann zum 65 Geburtstag Wurzburg Altenberge 1993 S 339 373 hier 346 f John Dillon The Middle Platonists London 1977 S 350 Normdaten Person GND 102399778 lobid OGND AKS VIAF 57001789 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Moderatos von GadesALTERNATIVNAMEN ModeratusKURZBESCHREIBUNG antiker Philosoph NeupythagoreerGEBURTSDATUM 1 JahrhundertSTERBEDATUM 1 Jahrhundert oder 2 Jahrhundert Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Moderatos von Gades amp oldid 227090111