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Der minder schwere Fall des Totschlags ist nach herrschender Meinung eine Strafzumessungsregel innerhalb der Totungsdelikte des deutschen Strafrechts die in 213 des Strafgesetzbuches normiert ist Die Vorschrift sieht fur den Tater einen reduzierten Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vor wenn er von dem Getoteten ohne eigene Schuld provoziert und hierdurch zur Tat hingerissen wurde oder ein sonstiger minder schwerer Fall vorliegt Nach standiger Rechtsprechung gilt die Vorschrift nur fur den Totschlag gem 212 StGB nicht hingegen fur den Mord Inhaltsverzeichnis 1 Entwicklung 2 Provokation 2 1 Misshandlung 2 2 Beleidigung 2 3 Ohne eigene Schuld 2 4 Handlungszusammenhang 3 Sonstiger minder schwerer Fall 4 EinzelnachweiseEntwicklung BearbeitenDie Vorschrift wurde mit Wirkung vom 1 April 1998 durch Art 1 Nr 34 des sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts 6 StrRG geandert und verscharft Nach der alten Fassung lag der Strafrahmen noch zwischen sechs Monaten und funf Jahren Freiheitsstrafe Dies fuhrte mitunter zu ausserst milden Strafen die dem Wert des Rechtsgutes Leben nicht gerecht wurden und sich aus dem Gegensatz zum Normalstrafrahmen des Totschlags ergaben So kam es vor dass Totungsdelikte innerhalb partnerschaftlicher Beziehungen unangemessen bestraft wurden da allein die Behauptung des Taters ausreichte er sei vom Opfer bei einem heftigen Streit massiv beleidigt worden 1 Im Zuge der Strafrechtsreform wurde auch der privilegierende 217 StGB Kindestotung aufgehoben der gegenuber dem Totschlag einen milderen Strafrahmen vorsah und die besondere psychische Situation der Mutter unmittelbar bei der Geburt eines nichtehelichen Kindes berucksichtigen sollte Um diese Konstellation auch weiterhin nicht zu ubersehen wurde der Anwendungsbereich der zweiten Alternative des 213 StGB erweitert Wenn eine Totung auf Verlangen nach 216 StGB vorliegt die einen eigenen Privilegierungstatbestand bildet kann auf den minder schweren Fall des Totschlags nicht zuruckgegriffen werden Provokation BearbeitenDie Vorschrift nennt zwei Falle der Provokation gegenuber dem Tater oder dessen Angehorigen eine Misshandlung oder eine schwere Beleidigung Sein Vorsatz muss sich auf die jeweiligen Voraussetzungen der Provokation erstrecken er muss somit ihre tatsachlichen Umstande kennen und eine eigene Wertung vornehmen Misshandlung Bearbeiten Unter einer Misshandlung konnen nur schwere Beeintrachtigungen etwa im Sinne der Korperverletzung des 223 StGB verstanden werden die das korperliche Wohlbefinden oder die korperliche Unversehrtheit erheblich beeintrachtigen Zu einer eigentlichen Gesundheitsbeschadigung muss es nicht gekommen sein Seelische Beeintrachtigungen die zu korperlichen Reaktionen fuhren werden vom Tatbestand ebenfalls umfasst so etwa ein fehlgeschlagener wenn auch bedrohlicher Angriff 2 Beleidigung Bearbeiten Der hohe Rang des Lebens als geschutztes Rechtsgut der Totungsdelikte lasst eine mildere Bestrafung nur bei besonders schweren Beleidigungen zu Nach der Rechtsprechung liegt eine derartige Beleidigung nur bei Provokationen vor die man nicht nur aus der Perspektive des jeweiligen Taters sondern unter objektiver Betrachtung als schwerwiegend beurteilen kann Hierbei mussen alle massgebenden Umstande der Tater Opfer Beziehung und der jeweiligen Tatentwicklung berucksichtigt werden So kann nach standiger Rechtsprechung auch eine fur sich genommen nicht gravierende Beleidigung den Strafrahmen des 213 StGB eroffnen wenn sie gleichsam der Tropfen war der nach einer langen Entwicklung das Fass zum Uberlaufen brachte Seit jeher sind sexualbezogene Krankungen und Untreue wichtige Anwendungsfalle dieser Vorschrift Nach der Lebenserfahrung neigen viele Tater gerade in diesen Fallen dazu zweifelhafte Angaben zu machen die das Gericht deswegen ausserst kritisch prufen muss Die Einlassung des Taters das Opfer habe sich von ihm trennen wollen oder sich nach einer langeren Entfremdung einem anderen zugewandt gilt in der Regel nicht als schwere Beleidigung An diesem Merkmal fehlt es auch wenn die Provokation von einem offensichtlich psychisch Erkrankten ausging 3 Ohne eigene Schuld Bearbeiten Die Provokation muss zudem ohne eigene Schuld des Taters erfolgt sein er darf sie somit nicht vorwerfbar veranlasst oder zur Verscharfung der Situation beigetragen haben und muss zur Tat auf der Stelle hingerissen worden sein Hat er sich lediglich ungeschickt verhalten oder dem Opfer begrundete Vorhaltungen gemacht kann noch nicht von eigener Schuld gesprochen werden Die Reaktion des Getoteten muss allerdings unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit uberpruft werden So kann dem Tater vorgeworfen werden sein vorhergendenes Fehlverhalten nicht beachtet zu haben das letztlich zur heftigen Reaktion des Opfers fuhrte 4 Handlungszusammenhang Bearbeiten Die Provokation muss den Tater auf der Stelle zur Tat hingerissen haben Die Beleidigung oder Misshandlung mussen hierbei nicht die einzigen Beweggrunde gewesen sein Wenn nicht andere Motive den Zorn verdrangt haben kann auch ein Motivbundel genugen Das Merkmal auf der Stelle setzt nicht in allen Fallen Spontaneitat im Sinne eines unmittelbaren Handlungszusammenhangs voraus Der Richter muss deswegen prufen ob der durch die Krankung hervorgerufene Zorn fortgewirkt und sich spater entladen hat was auch noch nach einigen Stunden moglich ist 5 Der Zusammenhang fehlt wenn der Tater bereits vor der Tat grundsatzlich entschlossen war das Opfer zu toten Sonstiger minder schwerer Fall BearbeitenWenn der Tater nicht provoziert wurde kann ein sonstiger minder schwerer Fall vorliegen Nach standiger Rechtsprechung kommt es auch hier auf eine Gesamtbewertung an Das Gewicht der schuldmindernden Umstande muss in diesem Fall mit der Affektlage vergleichbar sein Hierbei ist nicht der einzelne Milderungsgrund entscheidend sondern das Gewicht aller Grunde die in einer Situation zusammentreffen 6 Derartige Falle wurden etwa beim Handeln in Bedrangnis oder Flucht in notstandsahnlichen Konfliktlagen Totung eines schwerstbehinderten Sauglings wahrend oder unmittelbar nach der Geburt oder beim Uberschreiten der Grenzen der Notwehr angenommen wenn der Affekt die Grenzen des 33 StGB noch nicht erreicht Handelte der Tater aus Mitleid war er Glied einer Befehlskette Mauerschutzenprozesse oder in ein staatliches Unrechtssystem eingebunden wurde der reduzierte Strafrahmen ebenfalls angewendet 7 Eine mildere Strafe kommt auch in Frage wenn ein vertypter Milderungsgrund gem der 21 23 Abs 2 oder 27 Abs 2 StGB vorliegt Treffen mehrere Milderungsgrunde zusammen sind die Grundsatze des 50 StGB zu beachten Einzelnachweise Bearbeiten Thomas Fischer 213 Minder schwerer Fall des Totschlags Rn 1 in Strafgesetzbuch und Nebengesetze C H Beck Munchen 2012 S 1414 Thomas Fischer 213 Minder schwerer Fall des Totschlags Rn 4 in Strafgesetzbuch und Nebengesetze C H Beck Munchen 2012 S 1415 Thomas Fischer 213 Minder schwerer Fall des Totschlags Rn 6 in Strafgesetzbuch und Nebengesetze C H Beck Munchen 2012 S 1415 Thomas Fischer 213 Minder schwerer Fall des Totschlags Rn 8 in Strafgesetzbuch und Nebengesetze C H Beck Munchen 2012 S 1416 Thomas Fischer 213 Minder schwerer Fall des Totschlags Rn 9 9a in Strafgesetzbuch und Nebengesetze C H Beck Munchen 2012 S 1417 Thomas Fischer 213 Minder schwerer Fall des Totschlags Rn 12 in Strafgesetzbuch und Nebengesetze C H Beck Munchen 2012 S 1418 Thomas Fischer 213 Minder schwerer Fall des Totschlags Rn 13 in Strafgesetzbuch und Nebengesetze C H Beck Munchen 2012 S 1418Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Minder schwerer Fall des Totschlags amp oldid 207879326