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Die Luftangriffe auf Hildesheim in den letzten zehn Monaten des Zweiten Weltkrieges zerstorten die niedersachsische Stadt Hildesheim zu grossen Teilen In der Zeit von Juli 1944 bis Marz 1945 war Hildesheim siebenmal Ziel von Einheiten der United States Army Air Forces USAAF der Royal Air Force RAF und der Kanadischen Luftstreitkrafte RCAF Beim letzten und schwersten Angriff von RAF und RCAF der in der Mittagszeit des 22 Marz 1945 dem Zentrum und der Altstadt galt kamen 824 Menschen ums Leben 1 Der Hildesheimer Dom wurde vollig zerstort Nach zehnjahrigem Wiederaufbau wurde er 1960 neu geweiht Speziell das Flachenbombardement ziviler Ziele Innenstadt Wohngebiete durch das RAF Bomber Command erfolgte aufgrund der vom britischen Air Ministry am 14 Februar 1942 erteilten Area Bombing Directive 1 Der Luftkrieg des Zweiten Weltkriegs forderte in Hildesheim insgesamt 1 511 Opfer 1 Andere Quellen geben eine Zahl von 1 736 an 2 Inhaltsverzeichnis 1 Wirtschaftliche Bedeutung der Stadt 2 Luftangriffe 2 1 1944 2 2 Februar 1945 2 3 Marz 1945 3 Nach dem Krieg 4 Gedenken 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseWirtschaftliche Bedeutung der Stadt BearbeitenBis auf das letzte Kriegsjahr galt die 1939 knapp 72 500 Einwohner zahlende Mittelstadt als unbedeutendes Ziel weil nach Ansicht des britischen RAF Bomber Command die dortige Industrie nur eine geringe militarische Bedeutung hatte 3 Von militarischem Wert wurde allenfalls der westlich des Hildesheimer Hauptbahnhofs liegende Guter und Rangierbahnhof eingeschatzt 4 nbsp Bosch Magnetzunder und Starter aus Hildesheim waren u a in den V12 Maybach Ottomotoren vom Typ HL 230 der Tiger Panzer eingebautEntgegen dieser Bewertung wurden in den 1930er Jahren im Zuge der Aufrustung der Wehrmacht neue kriegswichtige Betriebe in der Stadt geschaffen So war die 1934 gegrundete VDM Halbzeugwerke GmbH am Romerring umgangssprachlich Metallwerk Hildesheim genannt mit der Fertigung von Komponenten fur Verstellpropeller Fahrwerke und Flugmotoren Zylinderkopfe Kurbelgehause und Olwannen ein wichtiger Zulieferer der Flugzeugindustrie Das alteingesessene Senkingwerk in unmittelbarer Nachbarschaft fertigte neben seinen bekannten Feldkuchen unter anderem auch Zunder und Teile fur Panzerwagen der Wehrmacht Nicht weit entfernt baute die Eduard Ahlborn AG heute Kelvion PHE in Sarstedt in ihrem 1938 39 neu errichteten Werk am Cheruskerring Torpedos fur die Kriegsmarine Die Wetzell Gummiwerke AG ab 1968 Teil der Hamburger Phoenix Gummiwerke stellte am Moritzberg Gasmasken sowie Schwimmwesten und Schlauchboote fur Marine bzw Luftwaffe her Im Dezember 1937 5 begannen die Planungen fur das Werk mit dem Tarnnamen ELFI Elektro und Feinmechanische Industrie GmbH unter Leitung der Robert Bosch GmbH siehe auch Neuhof ELFI Werk Sudwestlich der Stadt im Hildesheimer Wald sollten Starter Lichtmaschinen Magnetzunder und Schwungkraftanlasser fur grosse Lkw und Panzermotoren gefertigt werden Die 1940 begonnene Produktion bei ELFI erreichte ihren vollen Umfang zwei Jahre spater Der Ende 1942 in Trillke Werke umbenannte Betrieb war ab Herbst 1943 alleiniger Hersteller dieser wichtigen Komponenten da deren Fertigungseinrichtungen im Bosch Stammwerk Feuerbach durch die Luftangriffe auf Stuttgart stark gefahrdet waren und in die Trillke Werke Hildesheim geschafft wurden Zusatzlich verlagerte die Bosch Tochter Blaupunkt im Januar 1945 ihre durch die Weichsel Oder Operation der Roten Armee gefahrdete Fertigung von Korfu Funkmessgeraten in Kustrin Tarnname Udo Werke GmbH nach Udo Werr einem Mitarbeiter von Blaupunkt Geschaftsfuhrer Paul Goerz ebenfalls zu Trillke in den Hildesheimer Wald Luftangriffe Bearbeiten nbsp Luftaufnahme von Hildesheim nach der Zerstorung vom 22 Marz 1945 Hauptartikel Liste von Luftangriffen der Alliierten auf das Deutsche Reich 1939 1945 1944 Bearbeiten Bei dem ersten direkten Angriff auf die Stadt am 29 Juli 1944 wurden 34 Menschen getotet Die Zuckerraffinerie am Romerring gegenuber dem Senkingwerk erhielt schwere Schaden 4 In der Nacht zum 13 August 1944 fielen 20 Spreng und 80 Brandbomben 4 in das Industriegebiet Romerring Es entstanden leichte Schaden an der Zuckerraffinerie und dem VDM Metallwerk Einige Bomben trafen ein Wohngebiet in der Sudstadt dort wurden ein Haus zerstort und funf weitere schwer beschadigt Mehrere Bomben trafen ein Kriegsgefangenenlager im Bereich der Strassen Am Pferdeanger Vor der Lademuhle Zehn Kriegsgefangene starben dort 4 Am 26 November 1944 wurde die Stadt vermutlich als Ausweichziel Target of Opportunity in der Zeit von 11 bis 13 30 Uhr erneut angegriffen Es gab keine Personenschaden im Zentrum wurden einige Hauser in der Burgstrasse Ecke Alter Markt beschadigt Ein Haus in der Matthiaswiese in der Weststadt wurde zerstort 4 Februar 1945 Bearbeiten Am 13 Februar 1945 fiel nachts eine Luftmine auf den Tennisplatz an der Johanniswiese wodurch zahlreiche Hausdacher beschadigt wurden aber keine Menschen zu Schaden kamen 4 Am Nachmittag des 22 Februar 1945 erfolgte im Rahmen der alliierten Operation Clarion der Zerstorung von Verkehrswegen wie Eisenbahnknoten Bahnhofen Hafen Brucken und ahnlichen Anlagen ein Angriff auf den Hildesheimer Guter und Rangierbahnhof der starke Schaden davontrug Dabei wurden in der Stadt 102 Hauser vollig zerstort 106 Hauser und die beiden Kirchen St Bernward und St Lamberti wurden schwer weitere 998 Hauser der Dom und die Michaeliskirche sowie St Jakobi und St Andreas leicht beschadigt 4 Bei diesem Angriff starben etwa 250 Menschen 6 Zur Beseitigung der entstandenen Schaden errichtete die SS das KZ Aussenlager Hildesheim das vom 2 Marz bis 26 Marz 1945 bestand Marz 1945 Bearbeiten Am 3 Marz 1945 wurde Hildesheim zum Ausweichziel target of opportunity fur einen geplanten Luftangriff auf Braunschweig Insgesamt fielen 583 Sprengbomben auf die Oststadt wobei 51 Hauser vollstandig zerstort wurden Von den 58 beschadigten Hausern waren 22 nur leicht getroffen 52 Menschen kamen ums Leben 4 nbsp Das rekonstruierte Fachwerkhaus Umgestulpter Zuckerhut 2014 nbsp Ruckseite des Doms mit Tausendjahrigem Rosenstock in Blute Juni 2016Am 14 Marz 1945 bombardierten Teile der First Air Division mehrere Ziele in der Gegend um Hannover darunter in Hildesheim das VDM Metallwerk und den Guter und Rangierbahnhof Wahrend letzterer erneut schwer getroffen wurde und fur mehrere Tage stillgelegt werden musste verfehlten die Bomber das VDM Werk und trafen stattdessen die Hallen des benachbarten Senkingwerkes das vollig zerstort wurde Uber 150 Menschen starben darunter 60 Kriegsgefangene 4 Am 22 Marz 1945 war Hildesheim das wichtigste Tagesziel der alliierten Bomberflotten Einheiten der britischen Royal Air Force flogen zusammen mit Bombern der Kanadischen Luftstreitkrafte einen Angriff auf das Stadtzentrum 7 Das RAF Bomber Command wendete eine Kombination von Spreng und Brandbomben an Diese Kombination sollte einen Feuersturm erzeugen Die genaue Auswahl des zu bombardierenden Gebietes wurde anhand von Luftbildern Statistiken uber die Bevolkerungsdichte und Brandversicherungs Katasterkarten getroffen die von deutschen Feuerversicherungen vor dem Krieg bei britischen Ruckversicherungsgesellschaften hinterlegt worden waren Die Hildesheimer Altstadt wurde als Kerngebiet des Angriffs ausgewahlt da in den alten Fachwerkhausern der Anteil an brennbaren Materialien am hochsten war Von 14 00 Uhr bis 14 15 Uhr warfen uber 250 Bomber laut Kriegstagebuch des RAF Bomber Command 227 Lancasters und 8 Mosquitos insgesamt 438 8 Tonnen Spreng und 624 Tonnen Brandbomben ab 8 75 Prozent aller Gebaude wurden durch den Angriff zerstort oder beschadigt einschliesslich fast der gesamten historischen Altstadt 9 Der Tausendjahrige Rosenstock an der Apsis des Doms eines der Wahrzeichen Hildesheims verbrannte und lag unter Trummern begraben Das Zentrum mit seiner als Nurnberg des Nordens bekannten mittelalterlichen Bebauung wurde fast vollig zerstort wahrend die kriegswichtigen Trillke Werke im Hildesheimer Wald und der Ahlborn Torpedobau am Cheruskerring nicht getroffen wurden Bei den Angriffen im Marz 1945 kamen etwa 1500 Zivilisten ums Leben davon konnten etwa 500 nicht identifiziert werden 4 1 Das Kriegstagebuch des RAF Bomber Command berichtet 1645 people were killed 10 Von 24 Wagen der Stadtischen Strassenbahn Hildesheim brannten 19 aus sodass der Betrieb eingestellt werden musste und auch nach dem Krieg nicht wieder aufgenommen werden konnte Die Einwohnerzahl Hildesheims im Mai 1939 lag sie bei 72 500 war zum 1 Mai 1945 auf ca 39 500 Personen gefallen und stieg bis Jahresende wieder auf knapp 59 000 Menschen 1950 war der Vorkriegsstand wieder erreicht Nach dem Krieg Bearbeiten nbsp Weihnachtsmarkt 2007 Das Knochenhaueramtshaus hinten rechts am Marktplatz wurde ab 1986 rekonstruiert Rund 34 000 Einwohner 46 waren am Kriegsende obdachlos 9 Der Wiederaufbau begann am 12 Juni 1945 mit dem Abriss der ersten Ruinen und ab dem 26 Juni 1945 wurden die ersten Hauser wieder aufgebaut 11 Im Februar 1947 waren 350 Wohnhauser wieder aufgebaut 12 Der schnelle Wiederaufbau in den 1950er Jahren pragt mit seinen schlichten Gebauden das heutige Stadtbild Alle Kirchen von denen zwei spater in die UNESCO Weltkulturerbe Liste aufgenommen wurden waren bis 1960 wieder aufgebaut In den 1980er Jahren begann eine Teilrekonstruktion des historischen Marktplatzes Einige der in den 1950 60er Jahren errichteten Betonbauten darunter das Hotel Rose wurden abgerissen und durch rekonstruierte historische Gebaude wie das Knochenhaueramtshaus ersetzt Im Herbst 2007 fiel die Entscheidung fur den Wiederaufbau des Umgestulpten Zuckerhutes eines Fachwerkhauses der im Oktober 2010 fertiggestellt war Gedenken BearbeitenAlljahrlich wird im Rahmen einer Gedenkveranstaltung am 22 Marz an die Zerstorung der Stadt erinnert 2016 wurde sie infolge innen und aussenpolitischer Ereignisse neu ausgerichtet wobei die Friedensbewahrung in den Mittelpunkt ruckte Seitdem beginnt der Hildesheimer Friedenstag um 13 10 Uhr mit dem traditionellen Glockengelaut und einer anschliessenden Feierstunde in der St Andreas Kirche Danach wird der Hildesheimer Friedenspreis an eine ortsansassige Einrichtung oder Initiative uberreicht die sich in besonderer Weise fur Frieden und Versohnung eingesetzt haben bzw einsetzen 2017 kam als weiterer Hohepunkt die Hildesheimer Friedensrede hinzu die die Menschen sensibilisieren und darin bestarken soll fur demokratische Werte fur Toleranz und fur Nachstenliebe einzutreten Die bisherigen Redner waren in chronologischer Reihenfolge Felix Finkbeiner Shida Bazyar David McAllister und Heiner Wilmer 13 Siehe auch BearbeitenLuftkrieg im Zweiten WeltkriegLiteratur BearbeitenHermann Meyer Hartmann Zielpunkt 52092 N 09571 O Der Raum Hildesheim im Luftkrieg 1939 1945 Schriftenreihe des Stadtarchivs und der Stadtbibliothek Hildesheim Band 14 Bernward Verlag Hildesheim 1985 ISBN 3 87065 352 3 Hermann Seeland Zerstorung und Untergang Alt Hildesheims Chronik vom 30 Juli 1944 bis 8 Mai 1945 Lax Verlag Hildesheim 1947 Jorg Friedrich Der Brand Deutschland im Bombenkrieg 1940 1945 2 Auflage Propylaen Berlin 2002 ISBN 3 549 07165 5 Manfred Overesch Bosch in Hildesheim 1937 1945 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2008 ISBN 978 3 525 36754 4 Karl Heinz Heineke Target Hildesheim Die Luftangriffe 1944 45 Dokumentation der Geschichte Hildesheims im Bombenkrieg Hildesheim Gebruder Gerstenberg 2020 ISBN 978 3 8067 8852 5 und ISBN 3 8067 8852 9 InhaltsverzeichnisWeblinks BearbeitenBild vom zerstorten Hildesheim 1947 Einzelnachweise Bearbeiten a b c d Overesch S 290 Friedrich Der Brand 2002 S 215 The Bomber s Baedeker PRO London AIR 14 2662 a b c d e f g h i j Meyer Hartmann Zielpunkt 1985 ELFI Trillke Werke auf www zwangsarbeit bosch de Lagemeldung 1379 vom 25 Februar 1945 Chef der Ordnungspolizei Berlin Bundesarchiv Koblenz R 19 341 Targets and A P s for day 22nd Mar 45 Air Historical Branch RAF London Bomber Command Summary of Operations 22nd Mar 45 Serial No 1042 Air Historical Branch London a b Statistisches Jahrbuch fur die Hauptstadt des Regierungsbezirks Hildesheim Jg 1960 61 2 Band Hildesheim 1961 The Bomber Command War Diary Midland Publishing 2011 ISBN 978 1 85780 335 8 S 685 Menno Aden Hildesheim lebt S 168 Hildesheim 1994 Menno Aden Hildesheim lebt S 199 Hildesheim 1994 Hildesheimer Friedenstag Stadt gedenkt ihrer Zerstorung Stadt Hildesheim abgerufen am 7 Juli 2021 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Luftangriffe auf Hildesheim amp oldid 238807768