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Die Lilienvente in alten Urkunden auch als Lilienventhe oder ahnlich bezeichnet 1 war eine Waffenbruderschaft die am 23 April 1384 2 in Braunschweig gegrundet wurde Die Vereinigung wurde zunachst lediglich auf ein Jahr geschlossen bestand aber tatsachlich uber viele Jahrzehnte wahrscheinlich sogar uber Jahrhunderte Wann unter welchen Umstanden und ob sie sich uberhaupt jemals wieder aufloste ist unbekannt Grundungsurkunde der Lilienvente vom 23 April 1384 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Vorgeschichte 1 2 23 April 1384 Grundung der Lilienvente 1 2 1 Zusammensetzung 1 2 2 Wappen 1 2 3 Namensdeutung 2 Sonstiges 3 Quellen 4 Literatur 5 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenVorgeschichte Bearbeiten Hauptartikel Braunschweiger Schichten nbsp Schichtbuch Hermann Botes von 1514 Die Wappen der wahrend der Grossen Schicht von 1374 getoteten acht Ratsherren v l n r und v o n u Brun van Gustidde Cort Doring irrtumlich als Tile Doringe bezeichnet Henning Gustidde Henning Lusske Tile van dem Damme Hans Himstidde Ambrosius Sunnenberge und Hans Gottinge Im 13 und 14 Jahrhundert war Braunschweig mehrfach Schauplatz zum Teil sehr gewalttatiger innerstadtischer Auseinandersetzungen Braunschweiger Schichten genannt Seit etwa Mitte des 13 Jahrhunderts war die Stadt Mitglied der Hanse wurde jedoch am 24 Juni 1375 auf dem Hansetag in Lubeck wegen der Grossen Schicht von 1374 bei der acht Ratsherren von Aufstandischen getotet wurden 3 und etliche andere ins Exil fliehen mussten verhanst das heisst bis auf Widerruf von der Mitgliedschaft in der Hanse ausgeschlossen 4 Erst funf Jahre spater am 12 August 1380 5 wurde Braunschweig auf einem weiteren Hansetag in Lubeck wieder in die Hanse aufgenommen 23 April 1384 Grundung der Lilienvente Bearbeiten Die funfjahrige Verhansung hatte nicht nur negative wirtschaftliche Folgen fur die Stadt sondern schwachte sie auch militarisch aufgrund des damit gleichzeitig ausgesetzten militarischen Beistandes durch andere Hansestadte In der Folge der Verhansung kam es immer haufiger zu Fehden Wegelagerei Brandschatzung und Diebstahl durch in der Umgegend Braunschweigs ansassige Landadelige Das fuhrte dazu dass man in Braunschweig energische Gegenmassnahme ergriff um die eigene Wehrhaftigkeit zu steigern und zu starken Eine davon war die am 5 Februar 1384 zwischen Braunschweig Aschersleben Goslar Halberstadt Hannover Hildesheim Luneburg und Quedlinburg zunachst auf zehn Jahre beschlossene Landfriedenseinigung sowie der Ausbau der 1376 bereits bei Olper begonnenen Braunschweiger Landwehr 6 Am 23 April 1384 schlossen sich mit Zustimmung des Rates 60 7 Burger der Stadt zusammen um sich gegenseitig Waffenhilfe bei Bedrohung der Stadt oder ihrer Burger von aussen zu leisten 8 Ihr Ziel war aber gleichzeitig auch eine Sicherung gegen innerstadtische Unruhen wie zum Beispiel die Schichten und somit auch die Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen und ihres Eigentums inner und ausserhalb der Stadtmauern Daruber hinaus verpflichteten sie sich zu jeder Zeit beritten und in Waffen der gesamten Stadt zur Verfugung zu stehen 9 Es durfte sich dabei um das erste stehende Heer auf deutschem Boden gehandelt haben 10 Je nach Lesart und Interpretation der im Stadtarchiv Braunschweig erhaltenen Grundungsurkunde schwankt die Anzahl der Grundungsmitglieder zwischen 60 7 62 bei Rotz 1970 11 und 63 die Ribbentrop 1789 in seinem Werk angab 12 Zusammensetzung Bearbeiten Im Gegensatz zu der zum Beispiel von Hermann Durre in seinem Standardwerk Geschichte der Stadt Braunschweig im Mittelalter von 1861 und spater bis ins fruhe 20 Jahrhundert weit verbreiteten Meinung die Mitglieder der Lilienvente seien ausschliesslich Patrizier gewesen ahnlich der 1379 in Lubeck gegrundeten Zirkelgesellschaft wies Rhiman A Rotz 1970 in seiner Dissertation nach dass sich die Mitglieder der Lilienvente neben Patriziern auch aus Handwerkern und Kaufleuten aus den funf Weichbilden Braunschweigs Altewiek Altstadt Hagen Neustadt und Sack zusammensetzten und Patrizier in keinem Fall die Mehrheit hatten 13 Es handelte sich bei den Lilienvente Mitgliedern wie Matthias Puhle unter Bezug auf Werner Spiess ausfuhrt um die nach den Unruhen der Grossen Schicht an die Macht gekommenen homines novi 14 die zum Teil aus Familien stammten die schon vor der Unruhen der Grossen Schicht an der Macht waren aber auch aus solchen die erst jetzt uber die Mitgliedschaft in der Lilienvente an die Macht kamen Es handelt sich also um keine klassische Patriziergesellschaft wie sie in anderen spatmittelalterlichen Stadten gegrundet wurden Eines der Grundungsmitglieder der Lilienvente war Herman von Vechelde der von 1386 bis 1420 als Grosser Burgermeister der Braunschweiger Altstadt 15 und spater der Gesamtstadt die Entwicklung Braunschweigs uber Jahrzehnte entscheidend und erfolgreich beeinflusste 16 Der Zusammenschluss sollte zunachst fur die Dauer eines Jahres befristet sein Die Vereinigung unterstand der Oberaufsicht des sogenannten Gemeinen Rates oder Magistrates Die Bruderschaft bestand schliesslich aber wesentlich langer was Berichte von Kampfhandlungen an denen sie in spateren Jahrhunderten teilnahm belegen 6 So kampfte sie unter anderem wahrend des Luneburger Erbfolgekrieges erfolgreich fur Friedrich von Braunschweig und Luneburg gegen dessen Vormund Otto den Quaden und siegte schliesslich zusammen mit den Braunschweigischen Truppen am 28 Mai 1388 in der Schlacht von Winsen an der Aller 17 18 1435 stellte die Lilienvente 400 Berittene 6 Bei der Belagerung Braunschweigs durch Herzog Wilhelm I von Braunschweig Wolfenbuttel Mitte 1440 half die Lilienvente bei der Verteidigung was schliesslich zum Ruckzug des feindlichen Heeres fuhrte 19 Wappen Bearbeiten nbsp Die Sachsenchronik von 1492 Abbildung der Stadt Braunschweig brunschwig Im Vordergrund zwei Ritter der Lilienvente auf ihren Schilden der Braunschweiger Lowe und im Zentrum die Lilie Als Wappen fuhrte die Lilienvente eine Lilie als Zeichen der Reinheit und Unschuld die zwischen zwei Braunschweiger Lowen platziert war 20 Am wohl Ende des 18 Jahrhunderts abgerissenen Michaelistor soll sich auf der Sudseite der Brucke uber den inneren Stadtgraben die romische Jahreszahl MCCCCXXXV fur 1435 sowie eine Lilie flankiert von zwei Lowen als Zeichen der Lilienvente befunden haben 21 Nach anderer Quelle soll die Jahreszahl 1385 dort gestanden haben 22 Namensdeutung Bearbeiten Die Deutung des Namens Lilienvente gibt seit Jahrhunderten Spielraum fur unterschiedlichste Spekulationen So gab Philip Christian Ribbentrop 1789 im ersten Band seiner Beschreibung der Stadt Braunschweig an die Benennung sei auf die heraldische Lilie im Wappen und auf Vente von lateinisch conventiculum fur kleine Zusammenkunft oder aber Fent fur Streiter zu Fuss Infanterist zuruckzufuhren 23 Carl Wilhelm Sack hingegen fuhrte 1858 an die zweite Silbe des Namens solle von dem Wort Fante fur Junggeselle oder Jungling stammen 24 25 26 Werner Spiess wiederum zitierte 1951 einen Beitrag von Luise von Winterfeld in dem diese darauf hinwies dass capiatis vente spottisch im Sinne von jugendlicher Wegelagerer oder Freibeuter gebraucht wurde 27 Sonstiges BearbeitenNach den Schutzennachrichten der Stadt Braunschweig aus dem 18 Jahrhundert 28 soll die Lilienvente am 24 Juni 1441 dem Johannistag erste Vogelschiessen in Braunschweig mit Armbrusten auf der Neustadtmasch abgehalten haben Pfingsten 1446 folgte das erste Burgerschiessen auf Scheiben mit Rohren und Buchsen 29 Nach der Unterwerfung der Stadt Braunschweig durch die Welfen Herzoge im Sommer 1671 soll die Lilienvente allerdings nur noch eine Schutzengilde gewesen sein Wann bzw ob sie aufgelost wurde ist unbekannt Anlasslich der 1000 Jahr Feier der Stadt Braunschweig im Jahre 1861 verfasste Karl Schultes ein Theaterstuck mit dem Titel Brunswick s Leu stark und treu in dem die Lilienvente mehrfach vorkommt 30 Quellen BearbeitenJosef Dolle Hrsg Urkundenbuch der Stadt Braunschweig Band 7 1375 1387 Veroffentlichungen der Historischen Kommission fur Niedersachsen und Bremen Band 215 Hahnsche Buchhandlung Hannover 2003 ISBN 3 7752 6015 3 Literatur BearbeitenHermann Durre Geschichte der Stadt Braunschweig im Mittelalter Braunschweig 1861 Digitalisat Manfred R W Garzmann Hrsg Rat und Verfassung im mittelalterlichen Braunschweig Festschrift zum 600jahrigen Bestehen der Ratsverfassung 1386 1986 Braunschweiger Werkstucke Band 64 Stadtarchiv und Stadtbibliothek Braunschweig 1986 ISBN 3 87884 032 2 Manfred R W Garzmann Stadtherr und Gemeinde in Braunschweig im 13 und 14 Jahrhundert Braunschweiger Werkstucke Band 53 Braunschweig 1976 ISBN 3 87884 003 2 Norman Mathias Pingel Lilienvente In Manfred Garzmann Wolf Dieter Schuegraf Hrsg Braunschweiger Stadtlexikon Erganzungsband Joh Heinr Meyer Verlag Braunschweig 1996 ISBN 3 926701 30 7 S 88 Hans Leo Reimann Unruhe und Aufruhr im mittelalterlichen Braunschweig Braunschweiger Werkstucke Band 28 Waisenhaus Buchdruck und Verlag Braunschweig 1962 Philip Christian Ribbentrop Beschreibung der Stadt Braunschweig Band 1 gedruckt bei Johann Christoph Meyer Braunschweig 1798 S LXXXXI ff Rhiman Alfred Rotz Urban Uprising in Fourteenth Century Germany A Comparative Study of Brunswick 1374 1380 and Hamburg 1376 Dissertation Princeton University 1970 Einzelnachweise Bearbeiten Josef Dolle Hrsg Urkundenbuch der Stadt Braunschweig Band 7 1375 1387 Nr 805 S 677 Als lilien vente in einer Kammereirechnung des Gemeinen Rates vom 20 September 1384 bezeichnet oder der Mitglieder als lylyen knappen in einer Kammerrechnung der Altstadt vom 13 Januar 1385 In Josef Dolle Hrsg Urkundenbuch der Stadt Braunschweig Band 7 1375 1387 Nr 856 S 741 766 hier S 750 Josef Dolle Hrsg Urkundenbuch der Stadt Braunschweig Band 7 1375 1387 Nr 753 S 661 Nach der Wappenabbildung in Hermann Botes Schichtbuch von 1514 waren die Getoteten Brun van Gustidde Cort Doring irrtumlich als Tile Doringe bezeichnet Henning Gustidde Henning Luzeke Tile van dem Damme Hans Himstidde Ambrosius Sunnenberge und Hans Gottinge Josef Dolle Hrsg Urkundenbuch der Stadt Braunschweig Band 7 1375 1387 S 48 Josef Dolle Hrsg Urkundenbuch der Stadt Braunschweig Band 7 1375 1387 S 321 a b c Hermann Durre Geschichte der Stadt Braunschweig im Mittelalter S 173 a b Nach Josef Dolle Hrsg Urkundenbuch der Stadt Braunschweig Band 7 1375 1387 Nr 753 Memento vom 4 Mai 2014 im Internet Archive werden in der Urkunde namentlich genannt jungge Holtnicker Cord van Brostidde Ecgheling unde Hilmar van Strobeke Fricke van deme Damme Hans van Evensen Cord unde Hans syne sone Herman van Vechtelde Achacius Grube Ludeke van dem Haghene Hermen Plate Brand Ruotze Henning van Adenstidde Hans Kale Hinrik Kerchoff de eldere Bertram van dem Damme Hans van Ghustidde Ghereke unde Hans Pawel Herman unde Cord Ursleve Eylard van der Heyde unde syne broedere Brand van Hoene Meynardus Tyle van Kalve Ludeman Kale unde Bernd van Remmelinge Tyle van Odenem Ludeleff van Ingheleve Eggeling van Schanleghe Tyle van Peyne Hans de rode Gherlach van dem Brovke Henning Repeners Herman Ghereken Henning Horneborch Hans Weddeghen Herwich Kale Thyle Hamborch Eggheling Wacgen Cord Stapel Hinrik Ruoscher unde Herman van Ghust idde Hans Grotejan Hans Stapel Ludeleff Rebeen Cord van Kyssenbrucghe Hinrik unde Ludeleff van Enghelmestidde Fricke Twedorp Ludeke Witte unde Hinrik Gherwens Luder unde Henning Schiltreme Roleff van Schepenstidde Bertram van Bornem Cord van Bansleve Bertold Smeed unde Bertold van Dengkte Hermann Durre Geschichte der Stadt Braunschweig im Mittelalter S 652 Hans Leo Reimann Unruhe und Aufruhr im mittelalterlichen Braunschweig S 79 Friedrich von Bulow Theodor Hagemann Ernst Peter Johann Spangenberg Hrsg Practische Eroerterungen aus allen Theilen der Rechtsgelehrsamkeit Band 9 Hannover 1831 S 133 Rhiman A Rotz Urban Uprising in Fourteenth Century Germany A Comparative Study of Brunswick 1374 1380 and Hamburg 1376 S 154 Philip Christian Ribbentrop fuhrt alle Mitglieder auf Beschreibung der Stadt Braunschweig Band 1 S LXXXXI f Rhiman Alfred Rotz Urban Uprising in Fourteenth Century Germany A Comparative Study of Brunswick 1374 1380 and Hamburg 1376 S 156 Werner Spiess von Vechelde Die Geschichte einer Braunschweiger Patrizierfamilie 1332 1864 S 21 Thomas Scharff Herman von Vechelde In Henning Steinfuhrer Claudia Bohler Hrsg Die Braunschweiger Burgermeister Von der Entstehung des Amtes im spaten Mittelalter bis ins 20 Jahrhundert Appelhans Verlag Braunschweig 2013 ISBN 978 3 941737 68 6 S 39 43 Werner Spiess von Vechelde Die Geschichte einer Braunschweiger Patrizierfamilie 1332 1864 Braunschweiger Werkstucke Band 13 Waisenhaus Buchdruckerei und Verlag Braunschweig 1951 S 20 36 OCLC 5261981 Philip Christian Ribbentrop Beschreibung der Stadt Braunschweig Band 1 S LXXXXVI Thomas Scharff Herman von Vechelde In Henning Steinfuhrer Claudia Bohler Hrsg Die Braunschweiger Burgermeister Von der Entstehung des Amtes im spaten Mittelalter bis ins 20 Jahrhundert 2013 S 41 Friedrich Karl von Vechelde Braunschweigische Geschichten Helmstedt 1835 S 18f Philip Christian Ribbentrop Beschreibung der Stadt Braunschweig Band 1 S LXXXXIII Carl Wilhelm Sack Die Befestigung der Stadt Braunschweig In Archiv des Historischen Vereins fur Niedersachsen Jahrgang 1847 S 282 Braunschweigische Anzeigen Jahrgang 1757 S 1286 Philip Christian Ribbentrop Beschreibung der Stadt Braunschweig Band 1 S LXXXXIII f Carl Wilhelm Sack Das Gewandhaus am Altstadtmarkte zu Braunschweig und die Verhaltnisse der Stadt selbst im Jahre 1590 In Braunschweigisches Magazin 49stes Stuck Sonnabends den 4ten December 1858 Braunschweig 1858 OCLC 258672365 S 483 Meyers Grosses Konversations Lexikon Band 6 Leipzig 1906 S 312 Johann Christoph Adelung Grammatisch kritisches Worterbuch der Hochdeutschen Mundart Band 2 Leipzig 1796 S 41 zitiert nach Werner Spiess von Vechelde Die Geschichte einer Braunschweiger Patrizierfamilie 1332 1864 S 62 FN 72 dort Verweis auf Luise von Winterfeld Ruten und roven Ein Beitrag zur Geschichte des Fehdeunwesens und Strassenraubes in Westfalen In Beitrage zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark Band 46 1940 S 70f Hansjorg Potsch Das Braunschweiger Schutzenwesen 450 Jahre Geschichte der Braunschweiger Schutzengesellschaft 1545 Joh Heinr Meyer Verlag Braunschweig 1995 ISBN 3 926701 25 0 S 36 Otto von Heinemann Das Konigreich Hannover und das Herzogthum Braunschweig Darmstadt 1858 Band 2 S 13 Carl Schultes Brunswick s Leu stark und treu Historisches Schauspiel in 4 Acten Friedrich Wagner Braunschweig 1861 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lilienvente amp oldid 223945436