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Das Leipziger Handelsburgertum bezeichnet eine historische soziale Untergruppierung der Bourgeoisie die sich aus dem stadtischen Patriziat ab dem Mittelalter formierte und ungefahr von Mitte des 16 Jahrhunderts bis zu ihrer Auflosung 1945 als herausragende soziale Schicht existierte Den Aufstieg verdankte das Handelsburgertum der Lage der Stadt am Schnittpunkt zweier bedeutender Handelsstrassen Via Regia und Via Imperii fur den Fernhandel und dem kaiserlichen Messeprivileg von 1497 das die Stadt zur Reichsmesse erhob Die Auflosung der stadtischen Sozialklasse erfolgte durch ubergeordnete Umformungsprozesse mit der Zielsetzung einer Etablierung einer sozialistischen Gesellschaft in der DDR Inhaltsverzeichnis 1 Gruppen 2 Handel Kultur und Kunst 3 Geschichte 4 EinzelnachweiseGruppen BearbeitenDas Leipziger Handelsburgertum vertrat die grosste Gruppe der gesamten Leipziger Oberschicht Das waren Handelskaufleute Manufakturisten Bankiers Verleger im weiteren Sinne auch Grossgrundbesitzer Daneben gab es noch die Elite der akademischen Lehrkrafte vornehmlich Professoren die zur burgerlichen Oberschicht gehorten Beide Gruppen waren eng liiert mit den stadtischen Ratsmitgliedern und den reichsten Leipziger Familien Zum gebildeten Stand der gesamten burgerlichen Oberschicht gehorten auch die Beamten der Landesherrlichen Verwaltung Arzte Pfarrer Offiziere Schulmeister Eine Vermischung der Stande fand statt 1 Die Schicht wies eine hohe Kohasion als auch starke verwandtschaftliche Vernetzungen auf Als fuhrende Vertreter ihrer sozialen Klasse im Kurfurstentum Sachsen und nachfolgenden Konigreich Sachsen gestalteten sie und pragten sie in hohem Masse fast alle gesellschaftlichen und politischen Felder ihrer Zeit Als Vertreter des Handelskapitalismus und damit Lobbyisten bedeutsamer Leipziger Finanzinstitutionen wie der Leipziger Bank Handelseinrichtungen wie der Alten Borse und spater der Neuen Borse sowie von Industrie Unternehmen lenkten sie in hohem Masse faktisch und informell die Gesellschafts und Wirtschaftsstrome im sachsischen Staatswesen Durch ihre hervorragende internationale Vernetzung wirkte sich ihr gesamtes Tun auch im Ausland aus Sie nutzten ihre Familiennetzwerke auch branchenubergreifend 2 Handel Kultur und Kunst Bearbeiten nbsp Wilhelm Gause Im Foyer des Gewandhauses zu Leipzig 1909Die musterhaften Handlungsformen umfassten unter anderen Investitionen Spekulationen Kaufe Verkaufe Hilfen Schenkungen Mazenentum und weitere soziale Austauschformen die fur Vertreter der Oberschicht Europas typisch gewesen sind Burgerliche Institutionen umfassten auch das Presse und Bucherwesen Die Gestaltung der offentlichen Meinung gehorte auch zum Einflussbereich des Leipziger Handelsburgertums Hierunter zahlt auch die Leipziger Buchmesse und der Leipziger Buchhandel Bedeutendste Plattform blieb bis zur sozialistischen Umwalzung nach 1945 die Leipziger Messe Das Leipziger Handelsburgertum betatigte sich bei der Forderung von Kunst und Kultur vor allem aber mit Schwerpunkt auf die Musik Dies fuhrte zur Errichtung von international bedeutsamen Hochkultureinrichtungen die wiederum Engagements bekannter Musikstars ihrer Zeit nach sich zogen Dazu gehorte beispielsweise Johann Sebastian Bach Philipp Telemann Felix Mendelssohn Bartholdy Robert Schumann Albert Lortzing Gustav Mahler die zumindest zeitweise in der wohlhabenden Messestadt wirkten Die Mazene wollten damit das Ansehen ihrer Stadt heben Diese Verhaltensform der finanziellen Grosszugigkeit fur das Leipziger Gemeinwesen galt als Selbstverstandlichkeit in den oberen Kreisen 3 Geschichte Bearbeiten nbsp Carl Lampe in der Ratsstube des Alten Rathauses zusammen mit Burgermeister Otto Koch am runden Tisch im Hintergrund sitzend etwa 1858 Fern vom Sachsischen Hof und furstlicher Bevormundung ausgestattet mit Messeprivilegien gelegen an einer international bedeutsamen Strassenkreuzlage von Via Regia und Via Imperii erwuchs das Leipziger Handelsburgertum das aus dieser gunstigen Ausgangssituation seinen Nutzen zog Im 16 Jahrhundert hatte das Leipziger Handelskapital entscheidend zur Entfaltung der Produktivkrafte in Sachsen vor allem auf dem Gebiet der Textilerzeugung beigetragen 4 Auch uber den Erwerb von Kuxen und Anteilen beim Berggeschrey im Erzgebirge zogen die Leipziger Kaufleute ihren Gewinn Die Beeinflussungen und Einwirkungen auf Sachsen begannen bereits im Mittelalter und setzten sich bis zum Ende des Bestehens der Sozialklasse Leipzigs fort Nikolaus Krell Kanzler am Ende des 16 Jahrhunderts versuchte eine calvinistische Revolution in Sachsen durchzufuhren scheiterte aber Seine Machtbasis beschrankte sich auf das Vertrauen des Kurfursten eine kleine Gruppe reformierter Prediger und eine Minderheit Intellektueller die wie der Kanzler selbst zumeist aus dem Leipziger Handelsburgertum stammten 5 Sachsens bedeutendster Herrscher August der Starke fand im Leipziger Handelsburgertum eine wirtschaftliche wichtige Fundierung fur seine machtpolitischen ehrgeizigen Ziele Diese schuf durch Kreditvergabe in Osteuropa zuverlassige Partnerschaften 6 1678 entstand die Leipziger Handelsborse 1699 erfolgte die Grundung der ersten eigenen Bank Leipzigs und Sachsens der Banco di Depositi Die Grundzuge der politischen Interessen waren stets dieselben Der Handel sollte weder durch Zollschranken noch durch Monopole behindert werden Die Grosskaufleute sollten bei der Gestaltung ihres auswartigen Handels vollig freie Hand haben Handelsvertrage sollten die freie Entfaltung des sachsischen Handels absichern und den Absatz sachsischer Erzeugnisse ermoglichen 7 Das sachsische Grossburgertum das im zweiten Viertel des 18 Jh durch die finanzielle Misswirtschaft in der Ara Bruhl in seiner okonomischen Entwicklung gehemmt war vermochte zu dieser Zeit keinen wesentlichen politischen Einfluss auszuuben Die Krise Sachsens nach dem Siebenjahrigen Krieg fuhrte aber dazu dass auch burgerliche Krafte aus den Kreisen des sachsischen Grosshandels und der Manufakturunternehmer fur die Gestaltung der zukunftigen Politik und Wirtschaftsfuhrung Sachsens mit herangezogen wurden 8 Die Restaurationskommission unter der Leitung des aus dem Leipziger Handelsburgertum hervorgegangenen Geheimen Rates Thomas von Fritsch erhielt den Auftrag Reformplane auszuarbeiten Die Grundung der Leipziger Okonomischen Sozietat fallt in die Jahre des kursachsischen Retablissements Initiator dieser Gesellschaft war der dem Leipziger Handelsburgertum entstammende Peter von Hohenthal 9 Das Leipziger Handelsburgertum dessen Gewerbe von der Gunst des Kurfursten abhing war feindlich gegenuber der franzosischen Revolution eingestellt 10 Unter anderen Carl Lampe Gustav Harkort Gustav Moritz Clauss Adolf Heinrich Schletter und Heinrich Brockhaus gehorten dem Leipziger Handelsburgertum an Die meisten von ihnen waren in einer oder der anderen Weise in der beginnenden industriellen Revolution der 1830er Jahre beteiligt 11 Vor allem im Infrastrukturbereich investierten die Leipziger Handelsburger Mit dem Bau einer Eisenbahnverbindung zur Elbe hatte das Leipziger Handelsburgertum seine Magdeburger Kontrahenten in Zugzwang gebracht die nun ihrerseits ein vitales Interesse an einer Zugverbindung nach Leipzig entwickelten 12 Bei der Vorbereitung und dem Bau der Leipzig Hofer Eisenbahnstrecke kam es zu einer wesentlich engeren Zusammenarbeit zwischen Staat und dem Leipziger Handelsburgertum 13 Einzelnachweise Bearbeiten Peter Ufer Leipziger Presse 1789 bis 1815 eine Studie zu Entwicklungstendenzen und Kommunikationsbedingungen des Zeitungs und Zeitschriftenwesens zwischen Franzosischer Revolution und den Befreiungskriegen LIT Verlag Munster 2000 S 74f Michael Schafer Familienunternehmen und Unternehmerfamilien zur Sozial und Wirtschaftsgeschichte der sachsischen Unternehmer 1850 1940 Schriftenreihe zur Zeitschrift fur Unternehmensgeschichte Band 18 C H Beck 2007 S 68 Die Alte Stadt Band 26 W Kohlhammer 1999 S 98 Handelsbeziehungen zwischen Sachsen und Italien 1740 1874 eine Quellenveroffentlichung Schriftenreihe des Staatsarchivs Dresden Band 9 H Bohlaus 1974 S 18 Frank Muller Kursachsen und der Bohmische Aufstand 1618 1622 Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte Band 23 Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte Aschendorff 1997 S 48 Wolfgang Stellmacher Statten deutscher Literatur Studien zur literarischen Zentrenbildung 1750 1815 Lang 1998 S 76 Handelsbeziehungen zwischen Sachsen und Italien 1740 1874 eine Quellenveroffentlichung Schriftenreihe des Staatsarchivs Dresden Band 9 H Bohlaus 1974 S 50 Gerd Helge Vogel Hermann A Vogel von Vogelstein Christian Leberecht Vogel Christian Leberecht Vogel Gutenberg 2006 S 5 Jahrbuch fur Geschichte des Feudalismus Band 2 Akademie Verlag 1978 S 359 Jahrbuch Des Instituts Fur Deutsche Geschichte Band 8 Institut fur Deutsche Geschichte 1979 S 48 Die Alte Stadt Band 26 W Kohlhammer 1999 S 87 Rainer Karlsch Michael Schafer Wirtschaftsgeschichte Sachsens im Industriezeitalter Edition Leipzig 2006 S 40 Rolf Bayer Gerd Sobek Der bayerische Bahnhof in Leipzig Entstehung Entwicklung und Zukunft des altesten Kopfbahnhofs der Welt Transpress VEB Verlag fur Verkehrswesen 1985 S 12 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Leipziger Handelsburgertum amp oldid 215847134