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Als Sachsisches Retablissement wird der Wiederaufbau Kursachsens und das Wiedererstarken der kursachsischen Wirtschaft nach dem Ende des Siebenjahrigen Krieges 1756 1763 bezeichnet Innerhalb weniger Jahre wandelte sich das vollig verwustete und finanziell ruinierte Land wieder zum fuhrenden deutschen Wirtschaftsstandort Umfassende Staats und Verwaltungsreformen begrundeten zugleich die fur Sachsen bis zur Mitte des 19 Jahrhunderts massgebliche Aussen und Innenpolitik Das Kurfurstentum setzte dabei auf eine Mischung aus strenger Ausgabendisziplin Verwaltungsreformen und Wirtschaftsforderung Das Sachsische Retablissement zahlt zu den bedeutendsten Aufbauleistungen in der deutschen Geschichte Die Trummer der ehemaligen Kreuzkirche zu Dresden Gemalde von Canaletto 1765Graf Heinrich von Bruhl Kupferstich von Jean Joseph Balechou 1750 Inhaltsverzeichnis 1 Ausgangslage 2 Vorbereitung und Durchfuhrung 3 Ergebnisse 4 Personen 5 Ausgabe von Papiergeld 6 Literatur 7 AnmerkungenAusgangslage Bearbeiten Hauptartikel Siebenjahriger Krieg Der Siebenjahrige Krieg hatte das Kurfurstentum Sachsen sehr stark belastet Preussen war Ende August 1756 ohne formelle Kriegserklarung in drei Heeressaulen mit insgesamt 70 000 Mann uberraschend in Sachsen einmarschiert Die Starke der sachsischen Armee betrug weniger als 30 000 Mann Sachsen kapitulierte im Oktober des Jahres Der Dresdner Hof durfte nach Erlaubnis Friedrichs nach Polen ausreisen samtliche Offiziere der sachsischen Armee wurden in die preussische Armee gepresst wo allerdings viele wieder desertierten Sachsen war nach dem Krieg verwustet und ausgeplundert Die Kriegskosten werden auf 250 bis 300 Millionen Taler geschatzt Die Bevolkerung ging um 140 000 ca 8 Prozent zuruck Durch die Beschiessung Dresdens wurden Teile der Stadt darunter Kreuzkirche und Teile der Bruhlschen Terrasse zerstort Schloss Hubertusburg und samtliche Besitzungen des Friedrich II besonders verhassten sachsischen Premierministers Graf Bruhl 1700 1763 wurden geplundert und zerstort Stadtkassen Magazine und Zeughauser wurden geleert und der preussischen Armee zugeschlagen Die preussische Armee wurde wahrend der Besatzung aus den aus Sachsen gepressten Einnahmen finanziert und hinterliess bei ihrem Abzug im Marz 1763 ein verwustetes und ruiniertes Land Preussen hatte kein Interesse an einer nachhaltigen Entwicklung Sachsens sondern bediente sich lediglich seiner Ressourcen und plunderte das Land aus Die Zeit verschwenderischer barocker Hofhaltung teurer aussenpolitischer Strategien wie dem Erwerb der polnischen Krone der Matressenwirtschaft und der Protegierung von Gunstlingen war nun vorbei Sachsens Versuch zu einer der europaischen Hegemonialmachte aufzusteigen war auch an der naiven Bruhlschen Aussenpolitik die Preussen unterschatzte gescheitert Vorbereitung und Durchfuhrung Bearbeiten nbsp Thomas von Fritsch Gemalde von Anton Graff 1772 Das Retablissement wurde noch wahrend des Krieges 1762 mit Berufung einer Restaurierungskommission durch Konig August III 1733 1763 und Premierminister Graf Bruhl ins Leben gerufen und unter den kursachsischen Herrschern Friedrich Christian Kurfurst 1763 und Friedrich August dem Gerechten Kurfurst 1768 1806 Konig 1806 1827 sowie dem kurfurstlichen Administrator Prinz Xaver 1763 1768 im konfliktreichen Zusammenwirken mit der vormundschaftlichen Regentin Maria Antonia Walpurgis Regentin 1763 1768 ins Werk gesetzt und fortgefuhrt Mitglieder der Kommission waren unter anderem Thomas von Fritsch 1700 1775 Vorsitzender Hans Heinrich von Heringen 1697 1773 Friedrich Ludwig von Wurmb 1723 1800 Christian Gotthelf von Gutschmid 1721 1798 Gottlieb Wilhelm Rabener 1714 1771 SekretarVon Fritsch kann dabei als klarer Gegner der verschwenderischen Haushaltsfuhrung und gescheiterten Grossmachtambitionen unter Graf Bruhl gelten Mit der Kommission wurde der erfolgreiche Versuch unternommen die Staatsfinanzen zu stabilisieren die Wirtschaft zu stimulieren und sich vornehmlich auf innenpolitische Themen zu konzentrieren Von Fritsch war zweimal in Gegnerschaft von Bruhl aus dem kursachsischen Staatsdienst ausgeschieden und war seit 1746 Privatmann Er war wie viele Rittergutsbesitzer von den ihm auferlegten preussischen Kontributionen stark betroffen Briefe die er an den nach Warschau geflohenen Herrscher schrieb und in denen er auf rasche Massnahmen zur Stabilisierung Sachsens drangte fuhrten dazu dass er den Vorsitz der Kommission erhielt die dann diverse Staatsreformen durchfuhrte Ebenso leitete er auf sachsischer Seite die Friedensverhandlungen mit Preussen in Hubertusburg und fuhrte sie zu einem fur Sachsen gunstigen Abschluss ohne Gebietsverluste Nach dem Krieg musste Sachsen etwa 65 Prozent der jahrlichen Steuereinnahmen fur Zinsen und Abtragung des Schuldenberges aufwenden Ebenfalls mussten betrachtliche Kriegszerstorungen in Dresden Wittenberg und Zittau beseitigt werden Um die Wirtschaft des Landes wieder aufzubauen erarbeitete die Restaurationskommission bis zu ihrem Abschlussbericht im November 1763 insgesamt 34 Gutachten die nahezu alle Bereiche der Gesellschaft betrafen So zum Beispiel die Lage der Landwirtschaft und der Stadte zur Gleichstellung der franzosischen Kolonie Hugenotten in Leipzig zum Wiederaufbau der Stadt zur Forderung des Handels und der Manufakturen und auch zur Verbesserung von Strassen und Verkehrswesen In seinem politischen Testament von 1765 fasste Thomas von Fritsch zehn Jahre vor seinem Tod die gewunschten Leitlinien kunftiger sachsischer Politik noch einmal zusammen innenpolitische Toleranz und gegenseitige Achtung in Religionssachen ordentliche Fuhrung des Staatshaushaltes keine uberzogene Belastung der Untertanen geordnete Justiz und Polizei ein den Moglichkeiten angepasstes Militar keine Opposition zum Kaiser trotzdem ein gutes Verhaltnis zu Preussen und keine Fokussierung auf den weiteren Erwerb der polnischen Krone um aussenpolitische Abenteuer zu vermeiden Eines Kurfursten von Sachsen Interesse erfordert es dass er gute Haushaltung einfuhrt und die Untertanen nicht plagen lasst Thomas Freiherr von Fritsch Zufallige Betrachtungen in der EinsamkeitErgebnisse Bearbeiten nbsp Bergakademie Freiberg 1866Hauptziel war die Unterstutzung der Wirtschaft um diese wieder in Gang zu bringen Dabei wurde sich an den Auffassungen des Nationalokonoms Johann Heinrich Gottlob von Justi orientiert Dazu wurde im April 1764 die Landesokonomie Manufaktur und Kommerziendeputation eingerichtet Direktor bis 1800 wurde Friedrich Ludwig von Wurmb Die Behorde uberwachte Bevolkerungsbewegungen Erziehung Unterricht Agrarwesen Forstwirtschaft und Jagdwesen Fischerei Handel Manufakturen und Fabriken Um die Fortentwicklung der Wirtschaft zu stimulieren wurden fur Erfindungen und Verbesserungen Pramien ausgesetzt Unternehmer wurden mit Krediten unterstutzt Dafur wurden bis 1827 2 25 Mio Taler aufgewendet Auch private Vereinigungen von Kaufleuten Handwerkern Beamten und Grundherrschaftsbesitzern unterstutzten die Kreditvergabe mit eigenen Zusammenschlussen Die 1764 gegrundete Leipziger Okonomische Sozietat forderte die Verbesserung von landwirtschaftlichen und gewerblichen Produktion mit Hilfe neuer technischer Erkenntnisse und Methoden Ende des 18 Jahrhunderts lebten zwei Drittel der Bevolkerung Kursachsens auf dem Land dementsprechend war die Weiterentwicklung des bauerlichen Ertrags ein wichtiges Ziel Versuche mit verschiedenen Getreidearten wurden unternommen der Anbau von ertragreichen Futterpflanzen propagiert zahlreiche Verbesserungen in Schaf und Bienenzucht sowie bei Tabak und Hopfenanbau vorgestellt Bis 1800 hatte sich in der bauerlichen Wirtschaft Sachsens der Anbau von Klee Lupine Esparsette und Futterrube auf der Brache als Futterpflanzen und ganzjahrige Stallhaltung durchgesetzt Neben der intensivierten Tierhaltung wurde durch Verbesserungen in der Dreifelderwirtschaft Fruchtfolge und verbesserten Geraten auch der Ertrag der Feldfruchte gesteigert und somit der sich erhohende Bedarf der wachsenden Stadte gedeckt Unabhangig von der Restaurationskommission war hier Johann Christian Schubart auf seinem Mustergut Wurchwitz bei Zeitz im letzten Drittel des 18 Jahrhunderts Vorreiter und Beispiel Einen beispiellosen Aufschwung erlebte auch die Schafzucht Ausgehend von 300 Merinoschafen die 1763 aus Spanien eingefuhrt wurden wurde Sachsen durch planmassige Zucht und Veredelung in wenigen Jahren zum in Europa fuhrenden Wollproduzenten Bereits nach einem Jahrzehnt erreichte der Staatshaushalt des zu Kriegsende durch die preussische Besatzung finanziell ruinierten hoch verschuldeten Kursachsens wieder einen Uberschuss von 380 000 Talern Die Steuerscheine der Steuerkredit und Staatsschuldentilgungskasse erzielten 1775 87 Prozent ihres Nennwertes und stiegen bis 1798 auf 106 Prozent Sachsen wurde so schnell wieder zu einem der wirtschaftlich starksten Gebiete des Heiligen Romischen Reiches Das erfolgreiche Beispiel des Kurfurstentums veranlasste William Pitt den Jungeren beim Abbau der englischen Staatsschulden nach dem amerikanischen Unabhangigkeitskrieg nach gleichem Beispiel vorzugehen In rascher Folge entstanden bis 1800 etwa 150 neue Manufakturen im Land Leipzig Leipziger Messe behauptete seinen Rang als Umschlagplatz fur den interkontinentalen Aussenhandel und setzte sich dabei weiterhin gegen Frankfurt durch das Leipzig schon seit etwa 1700 zum Beispiel im Verlagswesen uberflugelt hatte Der Wiederaufbau kriegszerstorter Stadte und Stadtgebiete Dresden Wittenberg Zittau ging zugig voran Neue Bildungseinrichtungen wie die Bergakademie Freiberg 1765 oder die erste Realschule 1785 in Dresden wurden eroffnet Der staatliche Verwaltungsaufbau wurde modernisiert ein Finanzplan fur die Verwaltung aufgestellt 1769 und das staatliche Finanzwesen mit Schaffung der sogenannten Generalhauptkasse zentralisiert 1773 Die 1763 begonnene Reform des sachsischen Forstwesens unter Carl Ludwig von Lassberg scheiterte jedoch Die angestossenen Reformen und eingefuhrten Verbesserungen wirkten bis in die erste Halfte des 19 Jahrhunderts und legten den Grundstein fur die erfolgreiche Industrialisierung des Landes im 19 Jahrhundert als Sachsen zu einem der Industriezentren des Deutschen Reiches aufstieg Im Unterschied zum eher dirigistischen Preussen das Ende des 18 Jahrhunderts mehr auf staatliche Bevorzugung bestimmter Unternehmen und Wirtschaftszweige setzte forderte das Kurfurstentum Sachsen eher Unternehmertum und Konkurrenz Personen BearbeitenFuhrender Wegbereiter und Organisator des Retablissements war der kursachsische Verwaltungsbeamte Diplomat und spatere Minister Thomas Freiherr von Fritsch 1700 1775 Die wichtigsten Mitarbeiter waren Friedrich Ludwig von Wurmb 1723 1800 der 1764 als Direktor die neu eingerichtete Landesokonomie Manufaktur und Kommerziendeputation eine Behorde zur Beobachtung der Wirtschaftsentwicklung und Forderung von Unternehmensgrundungen ubernahm sowie der Verwaltungsbeamte und spatere leitende Minister Christian Gotthelf von Gutschmid 1721 1798 und dessen Schuler Friedrich Wilhelm von Ferber 1 Die Erfolge Sachsens bei der Wiederbelebung und Weiterentwicklung der Wirtschaft erregten uber die Landesgrenzen hinaus Aufmerksamkeit Viele der Mitglieder der Restaurierungskommission erhielten gutdotierte Angebote in preussische russische oder englische Dienste zu treten Darunter Kabinettsminister Johann Georg von Einsiedel Peter von Hohenthal oder Friedrich Anton von Heynitz Letzterer wechselte in den preussischen Staatsdienst wo er den Bergbau und das Huttenwesen grundlegend modernisierte Hier zahlten Freiherr vom Stein von Hardenberg und Alexander von Humboldt zu seinen Schulern und erwarben Kenntnisse in rationeller Staatslenkung im Sinne des aufgeklarten Absolutismus Ironischerweise zahlten vom Stein und Hardenberg einige Jahrzehnte spater nach der Niederlage Napoleons in der Volkerschlacht 1813 zu den grossten Verfechtern einer kompletten Annexion Sachsens durch Preussen was wahrend des Wiener Kongresses abgewendet wurde jedoch noch immer in eine Abtretung von grossen Teilen des sachsischen Staatsgebietes an Preussen mundete Ausgabe von Papiergeld Bearbeiten nbsp wertstabiles Papiergeld von 1772 Sachsischer 1 Taler Schein 1855Die Sachsischen Cassenbillets die erstmals 1772 ausgegeben wurden sind beruhmt als relativ wertstabiles Papiergeld 2 Ursprunglich im Gesamtwert von 1 5 Millionen Talern ausgegeben widerstand der sachsische Staat allen Versuchen die Menge beliebig auszuweiten so dass die Papiere wertstabil blieben Ein falliger Abschlag beim Umtausch der Cassenbillets in Munzgeld trug ebenso dazu bei Die Ausgabe war Teil der Massnahmen zur Bewaltigung der Hungersnot 1770 72 als drei Missernten in Folge in weiten Teilen Nord und Mitteleuropas zu einer okonomischen Krise und spurbaren Bevolkerungsverlusten fuhrten Das ausgegebene Papiergeld sollte helfen die Wirtschaft nach der Krise zu stimulieren und folgte somit als Massnahme den Prinzipien des Retablissement Erst 1876 wurden die letzten Cassenbillets in Reichswahrung umgetauscht Literatur BearbeitenHorst Schlechte Die Staatsreform in Kursachsen 1762 1763 Quellen zum kursachsischen Retablissement nach dem Siebenjahrigen Kriege Berlin Ost 1958 Schriftenreihe des Sachsischen Landeshauptarchivs Dresden Bd 5 Uwe Schirmer Hg Sachsen 1763 bis 1832 Zwischen Retablissement und burgerlichen Reformen 2 Aufl Beucha 2000 Schriften der Rudolf Kotzschke Gesellschaft Bd 3 Dresdner Geschichtsverein Hg Dresdner Hefte Beitrage zur Kulturgeschichte Nr 114 Sachsen zwischen 1763 und 1813 Dresden 2013 Reiner Gross Geschichte Sachsens Edition Leipzig 4 Auflage Leipzig 2012 Anmerkungen Bearbeiten Zieht man den Kreis etwas weiter und bezieht jene ein die die Vorarbeiten der Restaurationskommission in der sogenannten Kommerziendeputation weiterfuhrten und umzusetzen versuchten ware noch der Gutschmid Schuler Friedrich Wilhelm Ferber zu nennen der bis zum Jahrhundertende Hervorragendes in der Innen und Finanzpolitik leistete Winfried Muller Das sachsische Retablissement nach 1763 in Dresdner Hefte Nr 114 S 16 17 Wertstabiles Papiergeld im 18 Jahrhundert Die sachsischen Cassenbillets bundesbank de PDF 4 7 MB S 36ff mit Abb 1 Reichs Thaler von 1772 Abb ebenso in August Ludwig von Schlozer Briefwechsel meist historischen und politischen Inhalts Band 2 Gottingen 1780 S 265 s a S 320ff Jorg Titze Die koniglich sachsische Infanterie IV Verlag BoD Books on Demand 2015 S 73 Anlage 7 4 Die Cassenbillets siehe auch S 5 von Kapitel uber Friedrich August der Gerechte in Deutscher Ehren Tempel Band 10 Gotha 1829 Edict wegen derer bey Dero Cassen auszugebenden und anzunehmenden Cassen Billets De Dato Dressden den 6 Maii 1772 digitale bibliothek uni halle de Edict wegen der mit Anfange des Jahres 1804 zu emittirenden neuen Cassen Billets Dresden 1803 digital slub dresden de abgerufen am 26 Januar 2018 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Retablissement Kursachsen amp oldid 229945458