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Die Kettenschifffahrt auf dem Neckar war eine spezielle Art der Schleppschiffahrt bei der sich Kettendampfer mit mehreren angehangten Schleppkahnen entlang einer im Fluss verlegten Kette zogen Sie wurde ab 1878 zwischen Mannheim und Heilbronn ab 1884 bis Lauffen eingesetzt Die Kettenschifffahrt reduzierte die Transportkosten der Schiffer gegenuber dem bis dahin ublichen Treideln mit Pferden erheblich und machte den Schiffstransport gegenuber der Eisenbahn wieder konkurrenzfahig Durch fortschreitende Kanalisierung des Neckars und die dafur erforderlichen Staustufen wurde der Kettenschleppbetrieb erschwert und unwirtschaftlich Er wurde zunehmend durch Schlepper mit Schiffsschraube ersetzt und mit dem vollstandigen Ausbau des Neckars 1935 eingestellt Kettenschiff auf dem Neckar bei Heilbronn Inhaltsverzeichnis 1 Die Situation vor der Kettenschifffahrt 1 1 Der Fluss 1 2 Der Schiffstransport 2 Kettenschifffahrt 2 1 Planung und Konzession 2 2 Betrieb 3 Technische Beschreibung 3 1 Die Kette 3 2 Die Kettendampfer 4 Das Ende der Kettenschifffahrt 5 Kuriosa 6 Museen mit Ausstellungen zur Kettenschifffahrt auf dem Neckar 7 Literatur 8 EinzelnachweiseDie Situation vor der Kettenschifffahrt BearbeitenDer Fluss Bearbeiten Die Stromverhaltnisse des Neckars variierten entlang des Flusslaufs deutlich Auf der etwa 113 km langen Flussstrecke vom Hafen in Heilbronn bis zur Mundung in den Rhein wechselten Flussabschnitte mit einem starken Gefalle von 1 350 und seichte Abschnitte mit einem Gefalle von nur 1 10 000 Bezeichnet man Stellen mit einem Gefalle von mehr als 1 700 als Stromschnellen so betraf dies rund 7 der Strecke also etwa 7840 m Zu den Schwierigkeiten der Gefallevariation kamen starke Krummungen im Flussverlauf 1 Die Flusssohle bestand meist aus Geschieben von Muschelkalk und Buntsandstein an einigen Stellen des Flusslaufes waren jedoch Felsschwellen vorhanden Die Wasserstande des Neckars wechselten je nach Jahreszeit und Niederschlagsmenge stark Die hochsten Wasserstande lagen je nach Flussabschnitt zwischen 6 6 und 14 6 m wahrend der Neckar bei Niedrigwasser im Sommer auf unter 0 56 m fiel In dem sehr trockenen Jahr 1865 wurden an 210 Tagen Wasserstande unter 0 56 m gemessen wohingegen dieser Tiefstand im Jahr 1869 nur an einem Tag erreicht wurde Die niedrigen Wasserstande behinderten die Schifffahrt signifikant Zusatzlich kam im Winter eine Behinderung durch Frost mit einer durchschnittlichen Dauer von drei Wochen hinzu 1 Die Fliessgeschwindigkeit des Wassers lag abhangig vom Gefalle und vom Wasserstand im Stromschnellenbereich zwischen einem und drei Metern pro Sekunde Die Flussverhaltnisse waren damit fur die damaligen Verhaltnisse nicht besonders gunstig aber auch nicht ubermassig hinderlich 1 Der Schiffstransport Bearbeiten nbsp Karte des Neckars mit Landesgrenzen und Eisenbahnstrecken 1882 Traditionell erfolgte der Schiffstransport auf dem Neckar bis zum 18 Jahrhundert durch Menschen die ihre Boote vom Land aus auf Leinpfaden bergwarts zogen Talwarts liessen die Schiffer ihre Boote mit der Stromung treiben Mit dem Ausbau der Transportkapazitaten wurden die Schiffe immer grosser und die Schifffahrt war auf das Treideln mit Pferden angewiesen Ein typischer Schiffszug bestand aus einem Hauptschiff mit Mast einem Ankernachen und einem Rudernachen Die auf die drei Boote verteilte Ladung betrug dabei typischerweise etwa 120 150 t Die Besatzung bestand aus Schiffseigner zwei Matrosen und einem Schiffsjungen Hinzu kamen sechs bis zehn hintereinander gespannte Zugpferde die von vier bis funf Leinreitern geritten wurden 2 Taglich konnten so etwa 20 km in 5 Stunden zuruckgelegt werden daher wurden fur die Strecke Mannheim bis Heilbronn etwa 5 5 Tage gebraucht Dabei mussten die Pferde an funf Stellen von einem Ufer auf das andere ubergesetzt werden und an einzelnen Stellen waren zusatzliche weitere Vorspannpferde notig Der Lohn fur die Reiter wurde individuell mit dem Schiffseigner ausgehandelt und variierte in Abhangigkeit von Wasserstand und Nachfrage Die Betriebskosten waren somit kaum planbar Erst ab 1863 wurden Vertrage mit einer Laufzeit von jeweils einem Jahr geschlossen Diese konnten einen stetigen Anstieg der Kosten jedoch nicht verhindern Grosstenteils deckten die Erlose fur die Fracht kaum die Transportkosten Teilweise war die Bergfahrt defizitar und konnte durch die Talfahrt nur bedingt ausgeglichen werden 2 Die wesentlichen Transportguter zu Berg waren Kohle und Kolonialwaren und zu Tal bestand die Ladung in erster Linie aus Koch und Steinsalz aus den Salzwerken Friedrichshall und Wimpfen Bau und Nutzholz Steinen aus den Odenwaldbruchen sowie Getreide 2 Die Gesamttransportmenge auf dem Neckar erhohte sich in Heilbronn deutlich von 25600 t 1836 uber 79600 t 1854 auf etwa 115000 t 1872 1 Gleichzeitig entwickelte sich durch die Eisenbahn eine immer deutlichere Konkurrenz fur die Schiffer Der Ausbau der Eisenbahnrouten erfolgte vor allem auf den Strecken Mannheim Heidelberg 1840 Heidelberg Neckargemund Meckesheim Neckarelz Mosbach 1862 Meckesheim Rappenau 1868 und Rappenau Jagstfeld 1869 2 Die Bahn bot gunstige Preise und hohe Geschwindigkeit Fur die Schiffer standen somit geringeren Einnahmen immer hohere Kosten gegenuber so dass befurchtet wurde die Schifffahrt konnte in wenigen Jahren vollstandig zum Erliegen kommen 2 Erste Versuche die Schifffahrt auf Dampfbetrieb umzustellen gab es bereits 1841 mit einem Raddampfer Diese scheiterten jedoch an den schwierigen Verhaltnissen des Neckars Der geringe Wasserstand die engen Krummungen und die starke Stromung im Bereich der zahlreichen Stromschnellen machten einen Einsatz je nach Wasserstand unmoglich oder zumindest unrentabel 3 Kettenschifffahrt BearbeitenPlanung und Konzession Bearbeiten nbsp Zeichnung von Aktien der SchifffahrtsgesellschaftDurch die zunehmende Konkurrenz der Eisenbahn sahen die Heilbronner Kaufleute die Bedeutung ihrer Stadt als wichtigen Warenumschlagplatz am Endpunkt des schiffbaren Neckars gefahrdet und suchten nach einem wirtschaftlichen Transportmittel auf dem Wasserweg Ohne die Schifffahrt als einzigen Konkurrenten der Eisenbahn waren Preiserhohungen absehbar gewesen Ausserdem hatte sich die Gefahr eines Eisenbahn Verkehrsmonopols wahrend des Deutsch Franzosischen Krieges 1870 1872 gezeigt Durch die militarisch beanspruchte Eisenbahn kam der zivile Gutertransport auf dem Landweg zum Erliegen und konnte nur durch die Schifffahrt aufrechterhalten werden 2 Daraufhin grundete der Heilbronner Handelsvorstand 1872 ein provisorisches Komitee zur Einfuhrung der Kettenschifffahrt auf dem Neckar Zur Untersuchung der Situation am Neckar griff das Komitee auf die Hilfe des Direktors der Kettenschleppschiffahrt der Oberelbe Ingenieur Ewald Bellingrath des Strassen und Wasserbauinspektors Baurat von Martens aus Stuttgart und Max Honsell als Mitglied der badischen Oberdirektion des Wasser und Strassenbaus zuruck Alle drei kamen zu dem Ergebnis dass allein die Kettenschifffahrt wie sie bereits seit 1866 auf der Elbe praktiziert wurde aus technischer und finanzieller Sicht auf dem Neckar vorteilhaft ware Bei dieser Technik ziehen sich Kettendampfer zusammen mit einem angehangten Schleppzug entlang einer im Fluss versenkten Stahlkette Die Seilschifffahrt sei hingegen aufgrund der geringen Wassertiefe und der engen Kurven ungeeignet 4 Das Komitee beantragte am 2 Oktober 1872 die Konzession fur die Kettenschifffahrt bei der wurttembergischen Regierung die daraufhin offizielle Verhandlungen mit den Regierungen der beiden anderen Uferstaaten Baden und Hessen aufnahm 5 Als die Konzession Ende 1873 in sicherer Aussicht stand gab es jedoch Probleme das notwendige Aktienkapital aufzubringen Durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung der letzten beiden Jahre war viel freies Kapital in Unternehmen gebunden und die Bereitschaft in neue Projekte zu investieren war gering Aus diesem Grunde bat das Komitee um einen Zuschuss oder zumindest um die Ubernahme einer Staatsgarantie seitens des wurttembergischen Konigshauses In dem entsprechenden Schreiben des Heilbronner Schultheisses Karl Wust hob dieser im Mai 1874 5 hervor dass die Zukunft Heilbronns vom Erhalt der Schifffahrt abhange und der Staat Wurttemberg auch als Eigentumer von Salinen und Forst ein deutliches Interesse an einer konkurrenzfahigen Neckarschifffahrt haben sollte 2 Das daraufhin am 1 Juli 1876 beschlossene Garantiegesetz sah die Ubernahme einer Staatsgarantie fur eine Aktiengesellschaft zur Errichtung einer Ketten und Kabelschifffahrt auf dem Neckar durch den wurttembergischen Staat vor Der Staat garantierte fur die Dauer von 20 Jahren einen Jahreszuschuss von bis zu 5 des einbezahlten Aktienkapitals zu gewahren sofern die Jahresertrage der Gesellschaft nicht ausreichen sollten die Betriebskosten sowie eine funfprozentige Dividende fur die Aktionare zu decken Gleichzeitig verpflichtete sich die Aktiengesellschaft bei einem Reingewinn grosser 6 fruher geleistete Zuschusse zuruckzuzahlen Sofern fruhere Zuschusse nicht zu erstatten seien sei der Staat zu 50 am Uberschuss zu beteiligen 2 Im Sommer 1877 konnte eine Subskription von funfprozentigen Aktien festgesetzt werden Von den 6000 angebotenen Aktien mit einem Nennwert von jeweils 300 Reichsmark erwarb die Stadt Heilbronn 500 Stuck Nach der Sicherung des Grundkapitals wurde auf der konstituierenden Versammlung der Schleppschifffahrt auf dem Neckar AG der Vorstand der Aktiengesellschaft mit Leitung des Kaufmanns Louis Link und dem inzwischen zum Oberburgermeister ernannten Karl Wust gewahlt 4 Noch im selben Jahr erhielt die Gesellschaft die auf 34 Jahre festgesetzte Konzession von Hessen 27 August Baden 22 September und Wurttemberg 1 November Inhalt der gleichlautenden Konzessionen war insbesondere das Bestreben einer einseitigen Bevorzugung einzelner Schiffe vorzubeugen So seien alle fur den Schleppbetrieb tauglichen Fahrzeuge in der Reihenfolge ihrer Anmeldung zu befordern Der Tarif fur den Transport war in Absprache mit dem Ministerium festzulegen Dieser war aufgeteilt in eine Gebuhr zum Schleppen des leeren Kahns und einen gewichtsabhangigen Teil fur die Ladung 2 Betrieb Bearbeiten nbsp Kettenschleppschiff mit Lastkahnen auf dem Neckar bei Heilbronn vor 1885Am 23 Mai 1878 stand bei Wimpfen ein reich beflaggter Schleppzug das Kettenschiff Nr I mit einem Zug leerer Neckarfahrzeuge fur die wohl uber 500 geladenen Gaste bereit zur Festfahrt Unter den Gasten befanden sich Staatsminister von Sick sowie weitere hohe Beamte und Abgeordnete der Anliegerstaaten Am Folgetag fuhr der Kettendampfer nach Mannheim Von dort startete er mit neun Kahnen im Anhang Gesamtzuladung 360 t seine erste richtige Schleppfahrt und erreichte Heilbronn am 27 Mai Die Fahrzeit verkurzte sich gegenuber dem Pferdezug auf etwa die Halfte Gleichzeitig reduzierten sich die Kosten deutlich Die Schifffahrt wurde wieder konkurrenzfahig Am 15 Juni 1878 besichtigte Konig Karl I die Einrichtung und fuhr von Neckarsulm nach Heilbronn mit In den darauffolgenden Monaten wurde bis September je ein neuer Kettendampfer in Dienst gestellt Der funfte Kettendampfer kam 1880 dazu 4 Die Schiffer nahmen den neuen Kettenschleppdienst schnell an In den Jahren 1878 bis 1883 stieg die Zahl der geschleppten Fahrzeuge und die transportierte Ladung stetig Mitte der 1880er Jahre konnte der Bergverkehr auf dem Neckar gegenuber der Mitte der 70er Jahre etwa verdoppelt werden obwohl die neuen parallel zum Fluss verlaufenden Eisenbahnstrecken Neckargemund Eberbach Neckarelz Jagstfeld 1879 und Jagstfeld Heilbronn 1882 in Betrieb gingen 6 Die an die Aktionare ausgezahlten Renditen lagen bei steigenden Einnahmen der Gesellschaft zwischen 5 5 und 6 6 Im Jahre 1884 kam es zu einem leichten Einbruch im Schiffsverkehr Aufgrund einer langanhaltenden extremen Trockenheit war der Wasserspiegel das ganze Jahr uber sehr niedrig und erreichte zweimal den niedrigsten Stand von nur 45 cm Nicht nur der geringe Niederschlag sondern auch die Wasserentnahme durch Landwirte und das Aufstauen der Wasserwerke in der Nachtzeit sorgten dafur dass die Kettenschlepper ihre Fahrt wegen Wassermangels immer wieder unterbrechen mussten Kohle und Trossen der Kettendampfer wurden so weit als moglich auf Tenderschiffe ausgelagert um den Tiefgang zu reduzieren So konnte der Schifffahrtsbetrieb bis zu einer minimalen Wassertiefe von 50 cm aufrechterhalten werden 4 Die Schleppschifffahrtsgesellschaft achtete mit ihrer Preisgestaltung unter Wahrung ihrer eigenen Rentabilitat zu aller Zeit darauf dass die Schiffer ihre Dienste zu konkurrenzfahigen Preisen gegenuber der Eisenbahn anbieten konnten und gleichzeitig ein vernunftiges Auskommen hatten So gewahrte sie den Schiffern zum Beispiel Rabatte bei niedrigen Wasserstanden Der Staat Wurttemberg selbst hatte ein eigenes Interesse den Neckarhandel voranzutreiben Die Einnahmen vom Handel in Heilbronn wie auch die Einnahmen aus dem Kettenschleppdienst kamen dem Staat Wurttemberg direkt zugute Das fuhrte dazu dass bei gleichen Kosten die Schifffahrt bevorzugt wurde und so die wurttembergische Staatseisenbahn angewiesen wurde ihre Kohle per Schiff bis Heilbronn zu transportieren Dafur wurden von der Schleppschifffahrtsgesellschaft in Heilbronn eigens drei Dampfkrane zum Entladen der Schiffe gebaut 6 nbsp Heilbronn 1920 Blick nach Sudosten Links ein Arm des Neckars in der Bildmitte die Ein bzw Ausfahrt des Wilhelmskanals rechts die Einfahrt des Winterhafens Uber den Neckararm und den Wilhelmskanal fuhren Eisenbahnbrucken zwischen Neckararm und Wilhelmskanal ist die Bebauung der Neckarinsel Hefenweiler zu sehen Vor der Einfahrt des Wilhelmskanals liegt ein Kettenschiff Nachdem eine Kammer der 1821 errichteten Wilhelm Kanal Schleuse im Jahr 1884 fur die Durchfahrt eines Kettendampfers auf 48 m Lange und 7 m Breite vergrossert worden war 3 wurde auf Anregung des Aufsichtsrates des Zementwerks in Lauffen die Kettenschifffahrt bis 12 km oberhalb Heilbronns erweitert Technisch gesehen waren die Bedingungen fur diese zusatzliche Strecke einfacher als fur einzelne bereits fur die Kettenschifffahrt genutzten Flussabschnitte Finanziell erhoffte sich die Gesellschaft zusatzliche Einnahmen durch den in Aussicht gestellten Transport von Kalksteinen Kohle und Koks nicht nur fur die neue Strecke sondern auch auf bestehenden Streckenabschnitten Die Investitionskosten fur Betriebsmittel waren hingegen sehr gering Die benotigte Kettenlange stand noch als Lagerbestand zur Verfugung Durch die Abnutzung der Kettenglieder an deren Beruhrungsflachen kam es zu einer Langung der Kette die pro Kettenglied gering uber die Gesamtlange der Kette jedoch betrachtlich war Daher wurden innerhalb der Jahre immer wieder Kettenstucke herausgetrennt und gelagert Zusatzlich unterlag die Kette in Flussabschnitten mit sehr hoher Stromung und engen Kurven einer erhohten Belastung und Abnutzung Da gleichzeitig ein Kettenbruch in jenen Flussabschnitten wesentlich grossere Folgen hatte musste die Kette dort fruher ausgetauscht werden Diese Kettenabschnitte waren jedoch fur die neue Strecke mit einer geringeren Zahl von geschleppten Schiffen noch gut zu gebrauchen Somit rentierte sich die Erweiterung der Strecke bis Lauffen ohne neuerliche Staatsgarantie und wurde 1890 nach einer Erweiterung der Konzession umgesetzt 4 Im Jahre 1890 machte die Kohle bei der Bergladung etwa zwei Drittel der Ladung aus inklusive der Lieferungen nach Lauffen Die Talladung bestand zu etwa drei Vierteln aus Salztransporten davon etwa die Halfte aus der Saline Friedrichshall in Jagstfeld 6 In den Jahren 1892 93 bereitete die anhaltende Trockenheit der Neckarschifffahrt besondere Probleme Im ersten Jahr musste die Schifffahrt wegen Niedrigwasser teilweise eingestellt werden Da der Rhein nicht betroffen war wurde die Ladung in Mannheim direkt auf die Eisenbahn verladen 1893 war die Situation noch deutlich schlimmer Regenmangel und die Bewasserung mit Flusswasser liessen den Pegel des Neckars weiter sinken Der niedrige Wasserstand wurde ausserdem fur umfangreiche Raumungsarbeiten und Flussbauten genutzt so dass die Schleppschifffahrt nur etwa 60 der Arbeitstage ausnutzen konnte Das fuhrte dazu dass die Schleppschifffahrtsgesellschaft das erste Mal die Staatsgarantie in Anspruch nehmen musste 6 Einen ahnlichen Ruckschlag verzeichnete die Neckarschifffahrt im Jahr 1895 Auf einen lang anhaltenden strengen Winter folgte starkes Hochwasser so dass der Schleppbetrieb erst im April aufgenommen werden konnte Der trockene Sommer bedingte wiederum eine zeitweise Einstellung des Schleppbetriebs durch Niedrigwasser Hinzu kam dass niedrige Wasserstande am Rhein den Nachschub an Gutern teilweise ins Stocken geraten liessen Die Schleppschifffahrt konnte erneut nur etwa 60 der Arbeitstage nutzen und musste ein zweites Mal die Staatsgarantie in Anspruch nehmen Uber die Jahre gesehen waren diese Zuwendungen durch den Staat Wurttemberg jedoch erheblich geringer als die Gewinne die in anderen Jahren an den Staat abgefuhrt wurden 6 Wahrend der Zeit der Kettenschifffahrt hat sich der durchschnittliche Laderaum der gezogenen Schiffe deutlich erhoht Betrug die maximale Tragfahigkeit pro Schiff 1878 im Mittel noch 55 t steigerte sich diese bis 1892 93 auf etwa 100 t Die 130 t Grenze wurde um 1900 uberschritten Wegen der engen Flussbiegungen und der jahreszeitlich stark schwankenden Wasserfuhrung des Neckars blieben die meisten Schiffe jedoch unter 200 t Tragfahigkeit 6 Technische Beschreibung BearbeitenDie gesamten technischen Angelegenheiten ubernahm der bis dahin als Berater des provisorischen Komitees eingesetzte Ingenieur Ewald Bellingrath Er erarbeitete Plane beschaffte die Betriebsmittel und uberwachte die technische Ausfuhrung Er liess Neckarschiffer auf seinen Kettenschiffen auf der Elbe ausbilden 3 Die Kette Bearbeiten Die 115 km lange Schleppkette bestand aus 26 mm starken und 110 mm langen ovalen Kettengliedern und war auf eine Bruchfestigkeit entsprechend 2 5 t gepruft 3 70 km Kette lieferten zwei englische Werke 35 km kamen aus Frankreich und 7 5 km aus einem deutschen Werk 5 Hinzu kamen 2 km gebrauchte Kette von der Elbe Die Kette hatte ein Gesamtgewicht von 1760 t und kostete inklusive Verlegung 592 000 Reichsmark 3 Die Verlegung begann am 23 Marz 1878 in Heilbronn Das Ende der Kette wurde oberhalb der Eisenbahnbrucke im Neckar verankert Die Kette war durch Reibung und die Zugbelastung einer standigen Abnutzung ausgesetzt 5 Die Kette besass etwa alle 500 m ein Kettenschloss in Form eines Schakels an dem sie getrennt werden konnte ohne einzelne Kettenglieder zu zerstoren Je nach Stromungsverhaltnissen des jeweiligen Flussabschnitts musste die Kette nach 10 bis 15 Jahren ausgetauscht werden 3 Wahrend des Schleppbetriebs zieht sich die Kette im Bereich starker Flussbiegungen leicht Richtung Innenseite der Flusskrummung Der talfahrende Kettenschlepper kann die Lage der Kette im Flussbett jedoch korrigieren 5 Die Kettendampfer Bearbeiten Eine allgemeine Beschreibung von Kettenschleppdampfern befindet sich im Hauptartikel Kettenschleppschiff nbsp Zeichnung eines Kettendampfers vom Neckar 1878Der Auftrag fur den Bau der ersten vier Kettendampfer ging an die Sachsische Dampfschiffahrt und Maschinenbaugesellschaft in Dresden zu je 69800 Reichsmark Diese lieferte jedoch nur Kesselanlagen und Maschinen an den Neckar wahrend die Neckarwerft in Neckarsulm die Schiffskorper fertigte 3 Gleiches galt auch fur den baugleichen funften Kettendampfer der 1880 fertiggestellt wurde Die Neckarwerft wurde 1879 von der Schleppschifffahrt auf dem Neckar AG fur Instandhaltungsarbeiten des eigenen Betriebsmaterials gekauft Der sechste und siebte Kettendampfer 1884 85 wurden auf der Werft in Neckarsulm geplant und gebaut Beide Schiffe enthielten eine Kessel und Maschinenanlage der Maschinenfabrik J Wolf amp Co in Heilbronn 5 Die Kettendampfer wurden weitgehend nach dem Vorbild der Kettendampfer auf der Elbe konstruiert Die Kette wurde am Bug uber bewegliche Ausleger aus dem Wasser gezogen uber zahlreiche Leitrollen zum eigentlichen Antrieb gefuhrt und am Heck des Schiffes uber einen weiteren Ausleger wieder im Wasser abgelegt 3 Die Schiffskorper waren mit einer Lange von 42 bis 45 m und einer Breite von hochstens 6 5 m jedoch deutlich kleiner als auf der Elbe um den engen Flusskrummungen des Neckars besser folgen zu konnen Auch der Tiefgang von nur 47 cm war auf die niedrigeren Wasserstande des Neckars angepasst Der Schiffskorper war nur zum Teil aus Eisen Das Schiffsdeck und der ebene Boden des Schiffes waren aus Holz gefertigt da dieses bei Havarien als standhafter galt 3 Der Kettendampfer war durch zwei wasserdichte Schottwande im Inneren in drei Teile unterteilt die jeweils nur von oben zuganglich waren Im mittleren Teil befanden sich nebeneinander zwei Dampfkessel mit den dazugehorigen Kohlenbunkern Die Kessel versorgten die liegend angeordnete Zwillingsdampfmaschine mit Dampf Die Dampfmaschine mit einer Leistung von 81 kW 110 PS war wiederum uber ein Wechselgetriebe mit dem uber Deck befindlichen Kettenwindwerk aus zwei hintereinander angeordneten Trommeln verbunden Die Kette folgte abwechselnd jeweils dem halben Umfang einer Trommel und dem halben Umfang der anderen Trommel Insgesamt war die Kette sechs halbe Umfange um das Windwerk gewickelt Die Trommeln hatten einen Durchmesser von 1 3 m und waren mit je vier Laufrillen ausgestattet Uber das Wechselgetriebe waren zwei verschiedene Geschwindigkeiten einstellbar Zu Berg betrug die Geschwindigkeit 4 5 5 Kilometer pro Stunde und zu Tal 10 11 Kilometer pro Stunde 3 Die anderen beiden Bereiche am Bug und Heck des Schiffs enthielten die Betriebs und Aufenthaltsraume fur die Besatzung Die 7 kopfige Besatzung bestand aus Kapitan Steuermann Maschinist zwei Heizern und zwei Bootsleuten An Deck befand sich der uberdachte Steuerstand mit zwei Steuerradern von dem aus die beiden grossen Steuerruder an den beiden Bootsenden vorne und hinten bedient wurden Im Gegensatz zu Kettendampfern auf anderen Flussen konnten sich die Boote vom Neckar nur an der Kette fortbewegen und besassen keinen zusatzlichen von der Kette unabhangigen Antrieb wie Schraube Seitenrader oder Wasserstrahlantrieb Wahrend sie bergwarts Schiffe schleppten korrigierten sie wahrend der Talfahrt ohne Anhang die Lage der Kette im Flussbett 3 Begegneten sich zwei Kettenschiffe so war ein kompliziertes Ausweichmanover notwendig wobei der zu Tal fahrende Kettendampfer aus der Kette ging und den zu Berg fahrenden Kettendampfer passieren liess Dieses Manover bedeutete fur den Schleppverband auf Bergfahrt eine Verzogerung von mindestens 20 Minuten wahrend das talfahrende Schiff einen Zeitverlust von etwa 45 Minuten erlitt 7 Das Ende der Kettenschifffahrt Bearbeiten nbsp Aktie uber 20 RM der Schleppschiffahrt auf dem Neckar AG vom Januar 1925Durch die geringe Wassertiefe und die engen Krummungen blieb die Grosse der meisten Schiffe auf eine Tragfahigkeit von etwa 200 t beschrankt Nachhaltigen Erfolg durch Einsatz grosserer Schiffe bis 600 t Tragfahigkeit konnte nur eine Kanalisierung des Flusses ermoglichen Die interessierten Handelskammern und Gemeinden grundeten daher 1897 das Komitee fur die Hebung der Neckarschifffahrt Dieses plante nicht nur die Kanalisierung sondern dachte auch uber eine Grossschifffahrtsverbindung zwischen Rhein und Donau nach die uber die Flusse Neckar Rems Kocher und Brenz verlaufen sollte Die bis 1911 ausgestellte Konzession der Kettenschifffahrt wurde daraufhin nur um weitere 10 Jahre verlangert aber um zusatzliche Bestimmungen erweitert Die Kettenschleppschifffahrtsgesellschaft erhielt Entschadigungen fur die Behinderungen durch die Bauarbeiten und die Schleusen Gleichzeitig erhielten sie das Recht des alleinigen Schleppbetriebs auf den fertiggestellten Stauhaltungen 5 Nach Ende des Ersten Weltkriegs begann die Reichswasserstrassenverwaltung mit dem Ausbau des Neckars fur Schiffe von 80 m Lange 10 35 m Breite und 2 3 m Tiefgang was einer Tragfahigkeit von etwa 1200 t entsprach Mit der fortschreitenden Inbetriebnahme der einzelnen Staustufen reduzierte sich die Fliessgeschwindigkeit und erhohte sich die Wassertiefe Beides liess die Kettendampfer gegenuber anderen Schleppern unrentabel werden Als Ersatz fur zwei Kettendampfer setzte die Schleppschifffahrt auf dem Neckar AG ab 1925 zunachst zwei Schraubendampfschlepper auf den aufgestauten Teilstrecken ein Diese zogen die Binnenschiffe nicht nur bergwarts sondern auch talwarts Im Zuge des weiteren Ausbaus des Neckars folgten bis 1929 drei Motorschlepper Gleichzeitig wurde die Zahl der Kettendampfer weiter reduziert Mit der Fertigstellung der Grosswasserstrasse am 28 Juli 1935 war nach insgesamt 57 Jahren das Ende der letzten Kettendampfer auf der letzten Strecke zwischen Neckargerach und Kochendorf gekommen 5 Kuriosa BearbeitenEine humorvolle historische Dokumentation findet sich bei Mark Twain dem beruhmten Neckarreisenden Es war ein Schlepper und zwar einer von sehr merkwurdigem Bau und Aussehen Ich hatte ihn oft vom Hotel aus beobachtet und mich gefragt wie er wohl angetrieben werde denn offenbar besass er keine Schraube oder Schaufeln Jetzt kam er dahergeschaumt machte eine Menge Larm verschiedener Art und steigerte ihn ab und zu noch dadurch dass er ein heiseres Pfeifen ertonen liess Der Transport schwerer Lasten und das laute Pfeifen brachte den Kettendampfern auf dem Neckar bei der Bevolkerung den Spitznamen Neckaresel ein 8 Als Handschuhsheim noch ein reines Bauerndorf war erzahlte man sich diese Geschichte Die Bauern horten eines Tages auf ihren Feldern ein bedrohliches Gerausch das wie das Brullen eines Lowen klang Die Bauern ruckten mit Dreschflegeln und Sensen bewaffnet aus um den Lowen zu fangen Doch das vermeintliche Lowengebrull entpuppte sich als das Signal des ersten Dampfschleppers 1878 auf dem Neckar der mit seinem Schiffshorn die staunenden Anwohner grusste Die Handschuhsheimer tragen seither auch den Namen Die Lowen 9 Museen mit Ausstellungen zur Kettenschifffahrt auf dem Neckar Bearbeiten nbsp Modell eines Kettenschleppers im Mannheimer TechnoseumDas Haus der Stadtgeschichte und die Stadtischen Museen Heilbronn widmen sich in ihrer Ausstellung Heilbronn historisch Entwicklung einer Stadt am Fluss mit diversen Exponaten darunter einem Teil der originalen Kette der Kettenschifffahrt auf dem Neckar 10 Das Technoseum Landesmuseum fur Technik und Arbeit in Mannheim und die Stadtischen Museen Heilbronn besitzen Modelle von Neckar Kettenschiffen 11 Im Schifffahrtsmuseum des Schifferverein Germania Hassmersheim 1912 e V steht ein etwa 4 5 m langes Diorama das einen Kettenschleppverband darstellt Dieses stand ursprunglich im Schifffahrtsmuseum der Stadt Heilbronn 12 Literatur BearbeitenWilli Zimmermann Heilbronn der Neckar Schicksalsfluss der Stadt Verlag Heilbronner Stimme Heilbronn 1985 Reihe uber Heilbronn 10 ISBN 3 921923 02 6 Hanns Heiman Die Neckarschiffahrt seit Einfuhrung der Schleppschiffahrt Schmitz amp Bukofzer Berlin 1905 OCLC 674274956 Volltext online in Browser kostenfrei 118 Seiten diverse Formate zum Download 14 Dateien bei archive org Dissertation Universitat Heidelberg 20 Marz 1906 102 Seiten auch in Heiman Die Neckarschiffer Teil 2 Winter Heidelberg 1907 Helmut Betz Die Schleppschiffahrt auf dem Neckar In Navalis Nr 2 Knoll Maritim Verlag Berlin 2005 ISSN 1613 3646 Willi Zimmermann Uber Seil und Kettenschiffahrt In Beitrage zur Rheinkunde Rhein Museum Koblenz 1979 ISSN 0408 8611 Helmut Betz Historisches vom Strom Band V Die Neckarschiffahrt vom Treidelkahn zum Gross Motorschiff Krupfganz Duisburg 1989 ISBN 3 924999 04 XEinzelnachweise Bearbeiten a b c d Die Kettenschleppschiffahrt auf dem Neckar In Zentralblatt der Bauverwaltung 1885 S 363 365 Originalscan online a b c d e f g h i Kapitel 1 Die Schleppschiffahrt auf dem Neckar ihre Einfuhrung und Entwicklung In Hanns Heiman Die Neckarschiffahrt seit Einfuhrung der Schleppschiffahrt Inauguraldissertation zur Erlangung der Doktorwurde der Hohen Philosophischen Fakultat der Ruprecht Karls Universitat zu Heidelberg Schmitz amp Bukofzer Berlin 1905 S 7 26 a b c d e f g h i j k Willi Zimmermann Uber Seil und Kettenschifffahrt In Beitrage zur Rheinkunde herausgegeben vom Rhein Museum e V Koblenz Heft 31 1979 ISSN 0408 8611 S 3 26 a b c d e Max Harttung Die Kettenschleppschiffahrt auf dem Neckar In Wurttembergische Jahrbucher fur Statistik und Landeskunde Stuttgart 1894 S 303 327 a b c d e f g h Sigbert Zesewitz Helmut Duntzsch Theodor Grotschel Kettenschiffahrt VEB Verlag Technik Berlin 1987 ISBN 3 341 00282 0 S 137 142 a b c d e f Kapitel 2 Die Neckarschiffahrt 1871 1901 ihre Verkehrs und Tarifentwicklung In Hanns Heiman Die Lage der Neckarschiffer seit Einfuhrung der Schleppschifffahrt Carl Winter s Universitatsbuchhandlung Heidelberg 1907 S 20 56 Sigbert Zesewitz Helmut Duntzsch Theodor Grotschel Kettenschiffahrt VEB Verlag Technik Berlin 1987 ISBN 3 341 00282 0 S 224 Jan Burger Der Neckar Eine literarische Reise Verlag C H Beck o H G Munchen 2013 ISBN 978 3 406 64693 5 S 97 books google de 1 Rhein Neckar Zeitung vom 15 September 2018 Abgerufen am 15 August 2021 Peter Wanner u a Heilbronn historisch Entwicklung einer Stadt am Fluss Die Ausstellungen im Otto Rettenmaier Haus Haus der Stadtgeschichte und im Museum im Deutschhof Kleine Schriftenreihe des Archivs der Stadt Heilbronn 62 Stadtarchiv Heilbronn Stadtische Museen Heilbronn Heilbronn 2013 ISBN 978 3 940646 11 8 Weitere Reihe Museo 26 Weitere ISBN 978 3 936921 16 8 S 84 91 116 TECHNOSEUM Landesmuseum fur Technik und Arbeit Mannheim Sammlung EVZ 1989 1479 abgerufen am 4 Januar 2014 Internetseite Schifffahrtsmuseum des Schifferverein Germania Hassmersheim 1912 e V abgerufen am 28 Dezember 2015 Tauerei Seil und Kettenschifffahrt in Deutschland Kettenschifffahrt Elbe und Saale Main Neckar Donau Havel und Spree BraheSeilschifffahrt Rhein nbsp Dieser Artikel wurde am 5 Januar 2014 in dieser Version in die Liste der 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