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Jean de Mandeville auch Jehan de Mandeville Johannes von Mandeville oder John of Mandeville in englischen Ubersetzungen auch John Maundevylle 1 nennt sich der unbekannte Verfasser einer zwischen 1357 und 1371 aus verschiedenen Quellen zusammengestellten franzosischsprachigen Schilderung einer Reise ins Heilige Land den Fernen Osten und das Konigreich des Priesterkonigs Johannes Johannes de Montefilla Handschrift des Jahres 1459 New York Public LibraryInhaltsverzeichnis 1 Das Werk 1 1 Quellen 1 2 Formale Struktur 1 3 Wertungen 2 Biographie und Fiktion 2 1 Angaben im Werk 2 2 Angaben aus anderer Quelle 3 Rezeptionsgeschichte 3 1 Mittelalter 3 2 Fruhe Neuzeit 4 Literatur 4 1 Primarliteratur 4 2 Neuhochdeutsche Ubersetzungen 4 3 Sekundarliteratur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseDas Werk BearbeitenDie romanhafte Reiseschilderung in Ich Form tragt im Original keinen Titel Sie verbreitete sich unter Bezeichnungen wie Livre Buch Reisen oder Travels des Jean de Mandeville Der spatmittelalterliche Autor ging in Anlehnung an Claudius Ptolemaus und seine Geographia von einer Kugelgestalt der Erde aus wenn er deren Umfang auch um etwa ein Drittel unterschatzte Er bietet eine von Marchen und Anekdoten durchsetzte Schilderung die zahlreiche seit der Antike beliebte Motive aufgreift und auf die Unterhaltung des Lesers abzielt Quellen Bearbeiten Das Werk speist sich aus verschiedenen Quellen Es ist unwahrscheinlich dass der Autor selbst Konstantinopel Palastina und Agypten bereist hat Reisen daruber hinaus lassen sich ganz ausschliessen 2 Verarbeitet hat er teils nur mittelbar dagegen zahlreiche literarische Werke Enzyklopadien Petrus Comestor Historia Scholastica Evangelica Vinzenz von Beauvais Speculum Naturale Speculum Historiale Dieses Werk enthalt Texte von Herodot Plinius dem Alteren Solinus Isidor von Sevilla Junianus Justinus Quintus Curtius Seneca und der Geschichte Alexanders des Grossen Brunetto Latini Li Livres dou Tresor Jacobus de Voragine Legenda aurea Dichtungen Alexanderroman Artussage Dichtungen uber die Karolinger Nicht fiktionale Werke Flavius Josephus Bellum Judaicum Rhabanus Maurus De Universo Albert von Aachen Historia Hierosolemitanae Expeditionis Jacques de Vitry Historia orientalis sive hierosolymitana Johannes de Plano Carpini Itinerarius Wilhelm von Rubruk Itinerarium Wilhelm von Tripolis De statu sarracenorum Furst Hethum von Armenien Flos historiarumpartium orientalum Odorico da Pordenone Itinerarium Wilhelm von Boldensele Itinerarius oder Liber de quibusdam ultramarinis partibusDass Mandeville auch den Bericht Marco Polos Il Milione als Quelle benutzt hat wird von der Forschung mittlerweile weitgehend ausgeschlossen 3 4 Formale Struktur Bearbeiten nbsp Zwei Seiten aus dem englischen Fruhdruck des Jahres 1499 Athiopien und Indien mit Abbildung eines Einfusslers der zeigt wie er bei Hitze Schatten unter seinem grossen Fuss findet Der Reisebericht gliedert sich in zwei nahezu gleich umfangreiche Teile Den ersten bildet eine Schilderung der Pilgerwege nach Jerusalem und in den Nahen Osten besonders zu den Heiligen Statten und nach Kairo Der zweite Teil enthalt einen Bericht uber eine Entdeckungsreise in den Mittleren Osten Indien die Inselwelt des Indischen Ozeans China Afrika und das Reich des mongolischen Grosskhans sowie in das Reich des mythischen Priesters Johannes Je weiter sich die Beschreibung von Europa entfernt desto fantastischer werden die beschriebenen Lander und Phanomene So berichtet er etwa von Menschen die in Athiopien leben und nur einen grossen Fuss haben auf dem sie behande rennen und den sie bei Sonne und Regen zum Schutz uber sich halten Der Text deckte ein breites Spektrum bekannter Historien mit Berichten uber ikonographisch vertraute Wundertiere ab wie den Phonix mit Berichten aus der Heilsgeschichte der Geschichte der Martyrer und Informationen uber seit der Antike bekannte geographische Wunder Wertungen Bearbeiten Die Wertungen des Autors gegenuber fremden Kulturen und Gebrauchen sind ausserst zuruckhaltend Der Mensch darf sich uber keines der Volker der Erde entrusten aufgrund deren unterschiedlicher Gesetze noch uber sie richten noch fur sie beten denn wir wissen nicht welche davon Gott liebt und welche davon Gottes Hass furchten mussen Denn ER mochte nicht dass irgendeinem seiner Geschopfe Boses widerfahrt 5 Biographie und Fiktion BearbeitenInwieweit die internen Angaben uber die Person ihres Verfassers der Realitat entsprechen ist nicht klar Die uberlieferten biographischen Informationen sind widerspruchlich Moglicherweise gehort auch die Abstammung Mandevilles aus einem englischen Rittergeschlecht die Geburt in St Albans und der Aufbruch aus England 1322 zur literarischen Fiktion Hinter dem Pseudonym aber steht offensichtlich ein Mensch von hoher Kultur Bildung und umfangreichem Wissen Angaben im Werk Bearbeiten Folgt man den Angaben des Reiseberichts dann verliess Mandeville Ritter aus St Albans England 1322 mit dem Ziel einer Pilgerreise in das heilige Land 1343 liess er sich nach Europa zuruckgekehrt in Luttich nieder und begab sich gichtkrank in die Pflege eines ihm bereits aus Kairo bekannten Arztes Johann der Bartige der ihn anhielt einen Reisebericht niederzuschreiben Dies sei 1356 57 geschehen so eine fruhe lateinische Ausgabe die in diesen Angaben jedoch uber die vorangegangene franzosische hinausgeht die den Text auf das Jahr 1371 datiert und mit einem medizinischen Text uber die Pest zusammenbindet als dessen Autor ein gewisser Jehan de Bourgoigne autrement dit a la Barbe Burger Luttichs genannt wird Angaben aus anderer Quelle Bearbeiten Jean d Outremeuse 1338 1400 ein wiederum keineswegs zuverlassiger Chronist Luttichs verbreitete in seinem Myreur des Histors 11 dass ein Mann der nur als Jehan de Bourgogne oder Jean a la Barbe bekannt sein wollte ihm auf seinem Sterbebett 1372 anvertraut habe er sei in Wirklichkeit John de Mandeville gewesen comte de Montfort en Angleterre et seigneur de l isle de Campdi et du chateau Perous 1322 habe er vor einer gerichtlichen Verfolgung fliehen mussen Die Aussagen von Outremeuse sind widerspruchlich und offenbaren dass er selbst an dem Mythos Mandeville strickte was die Verfasser der Cambridge History of English and American Literature 6 wiederum mutmassen liess d Outremeuse konne selbst der Autor gewesen sein Dagegen argumentierte M C Seymour unter Verweis auf Jean le Long Monch der Benediktinerabtei St Bertin dessen Schriften unter jenen auftauchen die der Autor weiterverarbeitete Rezeptionsgeschichte BearbeitenMittelalter Bearbeiten nbsp In ungebrochener Tradition des Fruhdrucks Seiten aus einer englischen Ausgabe des Jahres 1696 mit einigen der typischen ikonographischen IllustrationenMandevilles Reisebericht fand schnell weite Verbreitung und wurde ins Lateinische sowie alle gelaufigen europaischen Sprachen ubersetzt ins Deutsche durch Otto von Diemeringen und Michel Velser Heute sind noch uber 200 Handschriften bekannt davon 58 in deutscher 57 in franzosischer 49 in lateinischer 36 in englischer 15 in flamischer 13 in italienischer 8 in tschechischer vier in danischer drei in irischer und zwei in spanischer Sprache Daruber hinausgibt es diverse Wiegendrucke 7 Christoph Columbus kannte das Werk ging davon aus dass es eine reale Darstellung der Gegebenheiten sei und legte es der Planung zu seiner Reise fur den westlichen Weg nach Indien zugrunde Das galt vor allem fur die Vorstellung von der Erde als Kugel und den von John de Mandeville angegebenen Erdumfang 8 Fruhe Neuzeit Bearbeiten Die Fruhdrucke brachten den Titel in das Marktsegment das heute unter dem Begriff Volksbuch von der Forschung erfasst wird Die Ausgaben blieben hier lange auf einem antiquierten Stand hinsichtlich Sprache und Druckbild So wurde im Englischen Fraktur bis in das ausgehende 17 Jahrhundert benutzt wahrend damals Antiqua langst den Markt beherrschte Die Illustrationen blieben grob Die Leser rekrutierten sich aus der einfachen Kundenschicht die den Text kannte und wegen der erbaulichen Historien und seiner Ausfluge in die Welt der Bibel und der sie begleitenden ikonographischen Uberlieferung schatzte Man fand hier die Erklarung zu vielem was gotische Altare abbildeten Leser der gehobenen Schicht lasen inzwischen seriose Reiseberichte in Ausgaben mit wissenschaftlichen Vorworten Mit dem 17 Jahrhundert setzte eine kritische Diskussion des Wahrheitsgehalts der Reisen ein Das einfache Publikum scheint sie davon unberuhrt weiter geschatzt zu haben Als Ende des 19 Jahrhunderts die enzyklopadische Arbeitsweise Mandevilles mit moderner Textkritik eingehend erforscht wurde unterzog die Literaturwissenschaft das Werk einer vernichtenden Kritik und bezichtigte den Autor des durchgehenden Plagiats Texte wie dieser zeigten die Geisteswelt des Mittelalters die zu keinem kritischeren Urteil fahig gewesen sei und sich mit einer alte Texte ungepruft kompilierenden Arbeitsweise zufriedengegeben habe Erst Mitte des 20 Jahrhunderts gelang eine Umorientierung der Bewertung Jetzt wurden die Reisen als einer der ersten fiktionalen Reiseromane gesehen eine Einordnung die allerdings an der spatmittelalterlichen und fruhneuzeitlichen Lekturepraxis vorbeigeht Der Text wurde weder zum Zeitpunkt seiner grossten Popularitat im 15 Jahrhundert noch im 18 Jahrhundert von dem damals ihn bevorzugenden Publikum als Fiktion betrachtet Der Bericht war als authentisch zu lesen geschrieben und wurde so auch aufgenommen Er sollte seine Wirkung in dem Staunen uber die Wunder der Schopfung und der Heilsgeschichte entfalten Literatur BearbeitenPrimarliteratur Bearbeiten Jean de Mandeville Reisen Reprint der Erstdrucke der deutschen Ubersetzungen des Michel Velser Augsburg bei Anton Sorg 1480 und des Otto von Diemeringen Basel bei Bernhard Richel 1480 81 hg und mit einer Einleitung versehen von Ernst Bremer und Klaus Ridder Olms Hildesheim u a 1991 ISBN 3 487 09430 4 Deutsche Volksbucher in Faksimiledrucken Reihe A 21 Sir John Mandevilles Reisebeschreibung In deutscher Ubersetzung von Michel Velser Nach der Stuttgarter Papierhandschrift Cod HB V 86 hg von Eric John Morrall Berlin 1974 Deutsche Texte des Mittelalters 66 Itinerarium Orientale Mandeville s Reisebeschreibung in mittelniederdeutscher Ubersetzung Mit Einleitung Varianten und Glossar hg v Sven Martinsson Lund 1918 Neuhochdeutsche Ubersetzungen Bearbeiten John Mandeville Reisen des Ritters John Mandeville vom Heiligen Land ins ferne Asien 1322 1356 Aus dem Mittelhochdt ubers und hrsg von Christian Buggisch Ed Erdmann Lenningen 2004 ISBN 3 86503 010 6 Das Reisebuch des Ritters John Mandeville Ins Neuhochdeutsche ubertragen und eingeleitet von Gerhard E Sollbach Frankfurt am Main 1989 Johann von Mandeville Von seltsamen Landern und wunderlichen Volkern Ein Reisebuch von 1356 Herausgabe Bearbeitung und Ubertragung aus dem Mittelhochdeutschen von Gerhard Grummer Leipzig 1986 John Mandeville Die Reisen des Ritters John Mandeville durch das Gelobte Land Indien und China Bearbeitet von Theo Stemmler nach der deutschen Ubersetzung des Otto von Diemeringen unter Berucksichtigung der besten franzosischen und englischen Handschriften Stuttgart 1966 The Marvellous Adventures of Sir John Maundevile Kt Being his Voyage and Travel which treateth of the Way to Jerusalem and of the Marvels of Ind with other Islands and Countries Edited and profusely illustrated by Arthur Layard With a Preface by John Cameron Grant Westminster Archibald Constable amp Co 1895Sekundarliteratur Bearbeiten Reinhard Berron Einige Bemerkungen zu ubersetzten Namen in der Diemeringen Version von Mandevilles Reisen In Christiane Ackermann u Ulrich Barton Hrsg Texte zum Sprechen bringen Philologie und Interpretation Festschrift fur Paul Sappler Tubingen 2009 S 219 229 Ernst Bremer Artikel Mandeville Jean de John Johannes von In Verfasserlexikon Bd 5 Sp 1201 1214 Josephine Waters Bennett The rediscovery of Sir John Mandeville New York MLA 1954 Christiane Deluz Le livre de Jehan de Mandeville Une Geographie au XIV siecle Louvain La Neuve Institut d Etudes Medievales 1988 W Gunther Ganser Die Niederlandische Version der Reisebeschreibung Johanns von Mandeville Rodopi Amsterdam 1985 Birthe Koch MANDEVILLE Sir John auch Jean de Mandeville In Biographisch Bibliographisches Kirchenlexikon BBKL Band 5 Bautz Herzberg 1993 ISBN 3 88309 043 3 Sp 658 659 Artikel Artikelanfang im Internet Archive Klaus Ridder Jean de Mandevilles Reisen Studien zur Uberlieferungsgeschichte der deutschen Ubersetzung des Otto von Diemeringen Munchen Zurich 1991 Susanne Rohl Der livre de Mandeville im 14 und 15 Jahrhundert Untersuchungen zur handschriftlichen Uberlieferung der kontinentalfranzosischen Version MittelalterStudien 6 Munchen Wilhelm Fink 2004 Miguel Angel Ladero Quesada Reale und imaginare Welten John Mandeville In Feliciano Novoa Portela Hrsg Legendare Reisen im Mittelalter Stuttgart 2008 S 55 76 Michael Charles Seymour Sir John Mandeville Aldershot Variorum 1993 ISBN 0 86078 371 5 Rosemary Tzanaki Mandeville s Medieval Audiences A Study on the Reception of the Book of Sir John Mandeville 1371 1550 Burlington Aldershot Ashgate 2003 ISBN 978 0 7546 0846 2Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Jehan de Mandeville Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Jean de Mandeville im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Werke von Jean de Mandeville im Gesamtkatalog der Wiegendrucke Digitalisate der Bayerischen Staatsbibliothek Angaben zu Jean de Mandeville in der Datenbank der Bibliotheque nationale de France Wer war John Mandeville Christian Buggischs Blog Einzelnachweise Bearbeiten The Voiage and Travaile of Sir John Maundevile Kt which Treateth of the Way to Hierusalem and of Marvayles of Inde with other Ilands and Countryes Reprinted from the Edition of A D 1725 With an Introduction additional Notes and Glossary by J O Halliwell London 1839 und Neudruck 1866 S 4 sowie The Voiage and Travaile of Sir John Maundeville Kt Which Treateth of the Way to Hierusalem and of Marvayles of Inde With other Ilands and Countryes Now publish d entire from an Original MS in the Cotton Library London 1725 S 5 Quesada S 60 Michael S Seymour Sir John Mandeville Aldershot Hants 1993 Authors of the Middle Ages 1 S 8 Ernst Bremer Art Jean de Mandeville In Die deutsche Literatur des Mittelalters Verfasserlexikon 2 vollig neu bearb Auflage Hg v Kurt Ruh u a Bd 5 1985 Sp 1201 1214 hier Sp 1204 Zitiert nach Quesada S 61 Cambridge History of English and American Literature 1907 21 Bd 2 III 7 Vgl Quesada S 59 Quesada S 72 Normdaten Person GND 118730606 lobid OGND AKS LCCN n80119371 VIAF 78770305 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Mandeville Jean deALTERNATIVNAMEN Mandeville John englisch KURZBESCHREIBUNG mittelalterlicher Autor Verfasser einer geografischen WeltdarstellungGEBURTSDATUM 13 Jahrhundert oder 14 JahrhundertSTERBEDATUM um 1372STERBEORT unsicher Luttich Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Jean de Mandeville amp oldid 237063325