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Hominiden Korridor Projekt engl Hominid Corridor Research Project HCRP ist die Bezeichnung fur ein internationales Langzeitprojekt zur Erforschung fossiler Menschenaffen Familie Hominidae und der Stammesgeschichte des Menschen im Grossen Afrikanischen Grabenbruch Die deutsch amerikanisch malawische Forschungskooperation im Sudosten Afrikas besteht seit 1983 und wird seitdem von Timothy Bromage New York University und Friedemann Schrenk Universitat Frankfurt am Main geleitet Zu den bekanntesten Funden gehoren der 2 5 Millionen Jahre alte Unterkiefer UR 501 eines Homo rudolfensis sowie das mit 2 3 bis 2 5 Millionen Jahren nahezu gleich alte Oberkiefer Fragment RC 911 eines Paranthropus boisei in Malawi Das Grabenbruch System im Gebiet von Kenia oben Tansania und Malawi unten Inhaltsverzeichnis 1 Auswahl des Forschungsgebiets 2 Fossiliensuche 3 Literatur 4 Weblinks 5 BelegeAuswahl des Forschungsgebiets Bearbeiten nbsp Friedemann Schrenk einer der beiden Projektleiter nbsp Blick aus dem Weltraum auf den MalawiseeAnfang der 1980er Jahre gab es in Afrika drei bedeutende Fundregionen fur Fossilien der Hominini Arten die am langsten bekannte im Bereich des heutigen UNESCO Weltkulturerbes Cradle of Humankind im Norden von Sudafrika bei Makapansgat 3000 km weiter nordlich in Kenia Laetoli in der Olduvai Schlucht und eine erst seit Anfang der 1970er Jahre erschlossene Fundstelle am nordostlichen Ende des Ostafrikanischen Grabens in der Afar Senke in Athiopien Aus den bis dahin bekannt gewordenen Fossilienfunden hatten Timothy Bromage und Friedemann Schrenk die Hypothese abgeleitet dass der langgestreckte Grabenbruch ein moglicher Verbreitungskorridor der Vor und Fruhmenschen Arten gewesen sein konnte Anhand von Satellitenaufnahmen und von alteren wissenschaftlichen Beschreibungen der geologischen Gegebenheiten suchten sie daher nach zu Tage getretenen rund funf bis zwei Millionen Jahre alten Sedimentschichten Als besonders geeignet erwies sich ein Gebiet am nordwestlichen Ufer des Malawisees im Bereich des Malawi Rifts Der Graben bildete sehr wahrscheinlich einen Wasser fuhrenden Korridor zwischen dem sudlichen und dem ostlichen Afrika so unsere Annahme in jedem Fall aber die schmalste mogliche Wanderroute zwischen den weit auseinander liegenden Hauptfundgebieten Da wir vor allem die Veranderungen des Lebensraums und der Tierwelt sowie die Ausbreitungswege rekonstruieren wollten gab es also zum Malawi Rift keine Alternative mochten seine Fossilien auch noch so durftig erhalten sein Unser Forschungsvorhaben tauften wir Hominiden Korridor Projekt 1 Das Malawi Rift entstand wie das gesamte Afrikanische Grabensystem durch das allmahliche Einsinken der Erdkruste infolge des Auseinanderdriftens von Kontinentalplatten Von den seitlichen Hangen und Hochflachen wurde uber hunderttausende Jahre hinweg Gestein abgetragen Richtung Talsohle gespult und dort als Sediment abgelagert Dabei uberdeckten die Sedimente Reste von Organismen und trugen so dazu bei dass unter anderem Pollen Knochen und Zahne vor der volligen Zerstorung bewahrt wurden Vor rund 500 000 Jahren wurde der nordliche Abschnitt des Malawi Rifts durch tektonische Prozesse jedoch eingeengt was zur Folge hatte dass zuvor abgesunkene Erdschichten wieder angehoben wurden und heute an der Erdoberflache liegen Die aus dem Ubergang von Pliozan zum Pleistozan stammenden sandfarbenen Sediment Hugel werden seit den 1920er Jahren als Chiwondo Beds bezeichnet 2 und reprasentieren drei aufeinander folgende Zeitabschnitte die unterste und alteste Schicht ist rund vier Millionen Jahre alt die oberste jungste 1 6 Millionen Jahre und dazwischen befindet sich eine auf ein Alter von 3 8 bis 2 Millionen Jahre datierte Schicht 3 Als nachteilig erwies sich jedoch die geringe Dichte der Fossilien die an der Erdoberflache zu Tage treten Auf einen Quadratkilometer kommt gewohnlich nur ein Fragment lediglich an einigen wenigen Stellen haufen sich Fossilien massiv 4 Fossiliensuche BearbeitenIn Kooperation mit malawischen Partnern darunter insbesondere der Archaologe Dr Yusuf Juwayeyi von der staatlichen Behorde fur Altertumer wurde das ausgewahlte rund 80 km lange und 10 km breite Gelande nordlich des Malawisees ab 1984 systematisch erkundet Als Anschubfinanzierung gewahrte die National Geographic Society hierfur zunachst 9000 US Dollar In Gruppen von 20 bis 30 geschulten meist lokalen Helfern wurden ausgewahlte Flachen Quadratmeter fur Quadratmeter abgeschritten und alle aus dem Boden herausgewitterten Fossilienreste aufgesammelt Nur an wenigen besonders fossilienreichen Stellen wurde zusatzlich gezielt gegraben Diese zum Teil jahrlich wiederholten Aufsammlungen machen sich den durch Niederschlage verursachten Prozess der Bodenerosion zunutze da nach jedem Regenfall ohne Zutun des Menschen neue Fossilien freigelegt werden und da das Gebiet wegen seiner vielen kalkhaltigen Sandsteine unbesiedelt und fur Ackerbau ungeeignet ist an Ort und Stelle uber Jahre hinweg liegen bleiben Besonders zahlreich unter den geborgenen Wirbeltierfossilien sind mit rund 75 Prozent die Saugetiere von denen wiederum die Halfte zu fossilen Antilopen gehort Die andere Halfte der Saugetier Funde lasst sich Pferden Schweinen Giraffen Elefanten Primaten und Flusspferden zuordnen Rund ein Viertel der Fossilien stammt von Fischen Schildkroten und Krokodilen 4 Die Chiwondo Beds enthalten zudem grosse Mengen an fossilen Schneckengehausen die der Malawisee in vorgeschichtlicher Zeit an seine damaligen Uferzonen gespult hat Anhand der in unterschiedlichen Bodenschichten entdeckten Wirbeltierfauna konnte rekonstruiert werden dass es in der Region vor rund 2 5 Millionen Jahren parallel zu einer Eiszeit in Europa zu einer deutlichen Klimaveranderung gekommen sein muss In den jungeren Schichten nimmt der Anteil von Tieren deutlich zu die in der offenen Savanne lebten doch auch in dieser Epoche gab es sowohl Bereiche mit standigem Zugang zum Wasser als auch geschlossenes trockenes Buschland Die Zusammensetzung der fossilen Saugetierfauna aus den Chiwondo Beds konnte zudem mit Fossilienfunden aus dem sudlichen und dem nordostlichen Afrika verglichen werden mit dem Ziel die biogeographischen Beziehungen zwischen diesen drei Regionen zu klaren Das Ergebnis 14 Arten kamen sowohl im ostlichen wie im sudlichen Afrika vor drei Arten waren rein sudafrikanischer Herkunft und 17 rein ostafrikanischer Herkunft Die grosste Gruppe bildete gewissermassen eine Rift Korridor Fauna die fur die Hoch und Tieflagen Ostafrikas typisch ist Somit konnen wir diesen Korridor als Bestandteil einer Aneinanderreihung verbundener Lebensraume Habitate verstehen die sich als Band vom nordostlichen Afrika bis in das sudostliche Afrika erstreckte 3 nbsp Der Unterkiefer UR 501 Original Dieser Befund wurde als indirekte Bestatigung der anfanglichen Hypothese bewertet dass der langgestreckte Grabenbruch auch ein Verbreitungskorridor der Vor und Fruhmenschen Arten gewesen sein konnte Eine unmittelbare Bestatigung der Hypothese erbrachten dann der 1991 ganz im Suden des Untersuchungsgebiets bei Uraha einem kleinen Dorf unweit Karonga gefundenen Unterkiefer UR 501 eines Homo rudolfensis sowie das im August 1996 nahe dem Dorf Malema von Stephen Mwanyongo geborgene Oberkieferfragment mit zwei erhaltenen Backenzahnen RC 911 eines Paranthropus boisei Neben dem mit 2 5 Millionen Jahren sehr hohen Alter von UR 501 bestand die besondere Bedeutung beider Funde darin dass erstmals durch nahezu gleich alte benachbarte Lokalitaten die Koexistenz von Homo und Paranthropus zweier ganz unterschiedlicher Hominini Arten im Sudosten Afrika belegt werden konnte Dies bestarkte die Theorie dass Umwelteinflusse eine Ausweitung der Savannen bei gleichzeitigem Verlust von Regenwaldern infolge eines Klimawandels zu einer Spezialisierung bei den fruhen Arten der Hominini gefuhrt haben konnten das Erschliessen von Nahrungsquellen durch eine zunehmende Spezialisierung auf den Verzehr hartfaseriger Pflanzen bei Paranthropus das Erschliessen von Nahrungsquellen durch den Gebrauch einfacher Steinwerkzeuge Gerollgerate bei Homo Der Fund von UR 501 hatte ferner zur Folge dass nunmehr die Art Homo rudolfensis wesentlich fruher fossil belegt ist als Homo habilis der bis dahin als die fruheste Art der Gattung Homo gegolten hatte Zudem weiteten die Fossilien UR 501 und RC 911 das nachgewiesene Verbreitungsgebiet von Homo rudolfensis und Paranthropus boisei um mehr als 1000 Kilometer nach Suden aus 5 Literatur BearbeitenFriedemann Schrenk Timothy Bromage Der Hominiden Korridor Sudostafrikas In Spektrum der Wissenschaft Nr 8 2000 S 46 53 Friedemann Schrenk Timothy Bromage Adams Eltern Expeditionen in die Welt der Fruhmenschen C H Beck Munchen 2002 ISBN 3 406 48615 0Weblinks BearbeitenOffizielle Webprasenz Zahn um Zahn Auf Fortbildung in Afrika In Impulse fur die Wissenschaft 2011 Aus der Arbeit der VolkswagenStiftung Hannover 2010 S 42 47 PDF 3 0 MB Senckenberg Forschungsinstitut Webseite von Friedemann Schrenk Belege Bearbeiten Friedemann Schrenk Timothy Bromage Der Hominiden Korridor Sudostafrikas In Spektrum der Wissenschaft Nr 8 2000 S 47 Oliver Sandrock Ottmar Kullmer Friedemann Schrenk Yusuf McDadlly Juwayeyi und Timothy G Bromage Fauna taphonomy and ecology of the Plio Pleistocene Chiwondo Beds Northern Malawi In Rene Bobe Zeresenay Alemseged und Anna K Behrensmeyer Hrsg Hominin Environments in the East African Pliocene An Assessment of the Faunal Evidence Springer Verlag Dordrecht 2007 S 315 332 ISBN 978 1 4020 3097 0 doi 10 1007 978 1 4020 3098 7 12 a b Schrenk amp Bromage Der Hominiden Korridor Sudostafrikas S 49 a b Schrenk amp Bromage Der Hominiden Korridor Sudostafrikas S 48 Eintrag HCRP RC 911 HCRP UR 501 in Bernard Wood Hrsg Wiley Blackwell Encyclopedia of Human Evolution Wiley Blackwell 2011 ISBN 978 1 4051 5510 6 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hominiden Korridor Projekt amp oldid 232731281