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Der Kujawische Bote polnisch Goniec Kujawski war von 1874 bis 1945 eine deutschsprachige Tageszeitung in Inowrazlaw Hohensalza Der Name leitete sich von der historischen Region Kujawien ab deren nordlicher Teil zur preussischen Provinz Westpreussen gehorte Unter Beibehaltung der Jahrgangszahlung erfolgte 1940 eine kurzlebige Umbenennung in Hohensalzaer Zeitung Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Bekannte Mitarbeiter 3 Siehe auch 4 Anmerkungen 5 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten nbsp Werbung Kujawischer Bote 1903Kujawien ist eine sehr fruchtbare und historische Region zwischen Weichsel und Netze deren nordlicher Teil ab 1772 als Netzedistrikt zur preussischen Provinz Westpreussen gehorte Das Gebiet hatte seit dem Mittelalter einen hohen deutschen Bevolkerungsanteil Kujawiendeutsche genannt der ab 1919 stark zuruckging 1 Zu dem Distrikt zahlte der Landkreis Inowrazlaw von 1904 bis 1919 Kreis Hohensalza mit der Regierungs und Kreisstadt Inowrazlaw Am 5 Dezember 1904 erhielt die Stadt den Namen Hohensalza ab dem 1 Januar 1920 polnisch Inowroclaw ab dem 11 September 1939 wieder Hohensalza und seit Ende des Zweiten Weltkriegs erneut Inowroclaw 2 nbsp Hohensalzaer Friedrichstrasse um 1904 rechts im Bild die Buchhandlung von Heinrich OlawskiAm 17 November 1868 eroffnete der aus Schlesien stammende deutsche Lithograf Heinrich Olawski 1840 1922 in Inowrazlaw in der Friedrichstrasse 30a heute ul Krolowej Jadwigi eine Buch Kunst und Musikalienhandlung nebst Druckerei 3 Nach der Ausgabe mehrerer Nullnummern im Jahr 1873 gab er ab dem 1 Januar 1874 den deutschsprachigen Kujawischen Boten mit dem Untertitel Tageblatt fur Stadt und Land heraus die erste Zeitung in Inowrazlaw Zunachst erschien das Blatt wochentlich dreimal jedoch bereits ab 1875 taglich 4 5 1896 folgte die Grundung der Kujawischer Bote Druckerei und Verlag GmbH und die Verlegung des Geschaftsitzes in die Friedrichstrasse 7 Gedruckt und vertrieben wurden fortan auch andere regionale Zeitungen Bucher von Vereinen und Schulen Chroniken beispielsweise von Inowrazlaw Strelno Kruschwitz und Argenau 5 6 Ab 1897 trug der Kujawische Bote den Untertitel Inowrazlawer Tageblatt beziehungsweise ab 1905 Hohensalzaer Tageblatt 7 Nach der Abtretung Westpreussens an Polen entwickelte sich das Blatt zu einem Sprachrohr der Kujawiendeutschen Mit finanzieller Unterstutzung des Deutschtumsbundes zur Wahrung der Minderheitenrechte erschien die Zeitung ab 1922 mit dem Untertitel Deutsche Volkszeitung fur Westpolen Wie alle deutschsprachigen Zeitungen unterlag der Kujawische Bote in der Folgezeit einer strengen polnischen Zensur 8 9 Die Anzahl der Deutschen im nunmehr Powiat Inowroclawski genannten Landkreis fiel bis zum Jahr 1921 auf 12 333 und bis zum Ende der 1930er Jahre auf 8 455 Damit belief sich der Prozentsatz der deutschen Bevolkerung in diesem Gebiet auf rund 11 5 Prozent In Inowroclaw selbst besassen die Polen ein noch deutlicheres Ubergewicht 1939 waren von den 40 520 Einwohnern 39 391 polnisch 965 deutsch und 173 judisch 10 Vor diesem Hintergrund lag die Auflage der Zeitung von Mitte der 1920er Jahre bis September 1939 bei lediglich 2500 Exemplaren wobei sich die Reichweite nahezu ausschliesslich auf den nordlichen Teil Kujawiens erstreckte Hauptschriftleiter wahrend dieser Zeit waren Hugo Kuss und Gustav Wagorwski 11 Um den Strom der aus Polen fliehenden deutschen Bevolkerung zu stoppen verfolgte die deutsche Politik bereits unter Gustav Stresemann das Ziel die deutschen Minderheiten vom Verbleib in Polen zu uberzeugen aber auch um sie als Hebel fur kunftige Grenzrevisionen benutzen zu konnen 12 Vor diesem Hintergrund war spatestens ab 1923 an der Kujawischer Bote Druckerei und Verlag GmbH die Konkordia Literarische Gesellschaft mbh beteiligt ein deutsches Tarnunternehmen geschaffen von Max Winkler der als Wirtschaftsberater den Regierungen in der Weimarer Republik im Dritten Reich und in der Bundesrepublik bei der Verschleierung von staatlichen Zeitungsbeteiligungen zu Diensten stand Beginnend ab 1920 bis September 1939 erhielten grundsatzlich alle deutschsprachigen Zeitungen in Polen uber die Konkordia Literarische Gesellschaft mbh Subventionen 13 Winkler sagte nach dem Krieg aus Von Riga bis Konstantinopel habe ich alles was deutsch gedruckt war mit der Zeit in die Hand bekommen Tatsachlich hatte sich ohne die finanzielle Forderung des Auswartigen Amtes keine einzige deutschsprachige Zeitung in Polen wirtschaftlich selbst tragen konnen 14 Bemerkenswert ist dass der Kujawische Bote in der Zwischenkriegszeit politisch dem linken Spektrum nahe stand explizit auch nach 1933 als nichtnationalsozialistische Zeitung galt 15 aber weiterhin vom deutschen Staat finanziert wurde 16 nbsp Titelseite Kujawischer Bote vom 1 September 1939Im Gegensatz zu anderen deutschsprachigen Zeitungen in Polen musste der Kujawische Bote nach Abschluss des Hitler Stalin Paktes im August 1939 sein Erscheinen nicht sofort einstellen Allerdings unterlag auch die Redaktion des Kujawischen Botens danach einer noch strengeren Zensur und durfte unter anderem uber die am 30 August 1939 erfolgte polnische Generalmobilmachung nichts veroffentlichen Laut Anweisung der polnischen Behorden handelte es sich um erganzende militarische Schutzmassnahmen aber um keine allgemeine Mobilmachung Obwohl die Redaktion selbst zwei Tage spater als der Krieg begann noch versuchte sich weitestgehend an diesen verordneten Euphemismus zu halten wurden die Druckerei von polnischen Sicherheitskraften in den Nachmittagsstunden des 1 September 1939 geschlossen zahlreiche Mitarbeiter des Verlags verhaftet und mit vielen anderen Angehorigen der deutschen Minderheit in Polen in das Gefangenenlager Lowicz verschleppt Darunter befand sich Hugo Kuss faktisch der letzte Chefredakteur des Kujawischen Botens 17 A 1 Am 8 September 1939 besetzte die Wehrmacht Inowroclaw Drei Tage spater kam die Stadt zum deutschen Militarbezirk Posen und wurde erneut in Hohensalza umbenannt Hugo Kuss wurde mit anderen deutschen Insassen des Lagers in Lowicz von der Wehrmacht befreit Bereits ab dem 18 September 1939 erschien der Kujawische Bote wieder nunmehr als Organ der deutschen Militar und Zivilbehorden 18 Im Oktober 1939 wurde der Regierungsbezirk Hohensalza gebildet und dem neu geschaffenen Reichsgau Posen ab 1940 Wartheland angegliedert Am 12 Dezember 1939 folgte die Umbenennung des Kujawischen Botens in Hohensalzaer Zeitung Die Jahrgangszahlung blieb jedoch bestehen genauso wie der Redaktionssitz der sich bis zur letzten Ausgabe in der Friedrichstrasse 7 befand 19 18 A 2 Dementsprechend geben polnische Historiker als Erscheinungsverlauf des Kujawischen Botens durchgehend 1874 bis 1945 an 20 Herausgeber der Hohensalzaer Zeitung blieb die Kujawischer Bote Druckerei und Verlag GmbH Der Satzspiegel einer Seite betrug Hohe 415 mm Breite 271 mm Die Zeitung erschien 6 wochentlich und hatte ab 1940 eine Auflage von 35 000 Exemplaren Verlagsleiter war Helmut Loeff und Hauptschriftleiter ab 1943 Hermann Strueb 19 Der Untertitel lautete nun Die grosse Heimatzeitung fur den Regierungsbezirk Hohensalza mit den amtlichen Bekanntmachungen Die letzte Ausgabe trug die Nummer 18 Jahrgang 72 und erschien am Wochenende 20 21 Januar 1945 21 18 Vollstandige Jahrgange der Zeitung sind der Forschung nicht zuganglich Deutsche Bibliotheken verfugen lediglich uber einige wenige Exemplare und nur als Papierkopien Den Raumungsbefehl fur die deutsche Zivilbevolkerung im Wartheland erteilten die NS Behorden erst am 20 Januar 1945 Nur einen Tag spater besetzte die Rote Armee Hohensalza Kurz vor der Flucht wurde das Archivmaterial der Stadt nebst 71 gebundenen Jahrgangen der Zeitung in einem 900 m tiefen Stollen eines Steinsalzbergwerks in Montwy rund 8 km sudlich von Hohensalza verborgen Der weitere Verbleib ist unbekannt 22 23 Mehrere originale Kujawischer Bote und Hohensalzaer Zeitung sind in der Stadtbibliothek von Inowroclaw Biblioteka Miejska im Jana Kasprowicza w Inowroclawiu einsehbar 24 Bekannte Mitarbeiter BearbeitenHugo Kuss Chefredakteur gelegentlich auch Kuss geschrieben Gustav Wagorwski Chefredakteur Karl Olma politischer Redakteur bekannt als Michael Zollner Georg Streiter politischer Redakteur vorher Pressechef beim Senat der Freien Stadt Danzig Helmut Loeff Verlagsleiter Hermann Strueb Chefredakteur Friedrich Ziemann Lokalredakteur Arthur Spahn AnzeigenleiterSiehe auch BearbeitenLodzer Zeitung Ostdeutscher BeobachterAnmerkungen Bearbeiten In einigen deutschsprachigen Publikationen insbesondere auch in der Zeitschriftendatenbank der Deutschen Nationalbibliothek ist aufgefuhrt dass das Erscheinen des Kujawischen Botens am 27 August 1939 eingestellt wurde Dieser Angabe stehen Publikationen polnischer Bibliotheken und Autoren vgl u a Andrzej Czarnik S 181 sowie die Zeitungsausgabe vom 1 September 1939 siehe Abbildung Titelseite entgegen womit eindeutig belegt wird dass am 1 September 1939 die Zeitung noch erschien Im Handbuch der deutschen Presse von 1944 sowie in der Zeitschriftendatenbank der Deutschen Nationalbibliothek ist angegeben dass die Hohensalzaer Zeitung ab dem 1 Januar 1940 erschien Dieser Angabe stehen Darstellungen polnischer Autoren und Bibliotheken aber auch deutscher Forscher entgegen wonach sich der Redaktionssitz der Hohensalzaer Zeitung seit dem 12 Dezember 1939 in der Friedrichstrasse 7 befand vgl Andrzej Czarnik S 181 Arani Fussnote 361 Ebenso wird auf Seite 9 der Wartheland Bibliographie von 1943 das Erscheinen mit Jg 66 1939 angegeben Einzelnachweise Bearbeiten Tanja Krombach Kulturlandschaft Ost und Westpreussen Deutsches Kulturforum ostliches Europa 2005 S 300 Michael Rademacher Deutsche Verwaltungsgeschichte von der Reichseinigung 1871 bis zur Wiedervereinigung 1990 Online Material zur Dissertation Osnabruck 2006 In eirenicon com Abgerufen am 4 Dezember 2021 Hermann Schulz Hrsg Allgemeines Adressbuch fur den deutschen Buchhandel den Antiquar Colportage Kunst Landkarten und Musikalien Handel sowie verwandte Geschaftszweige Leipzig Verlag Otto August Schulz 1871 S 204 Jozef Aleksandrowicz 75 lat Drukarni Zakladu Wydawnictw CRS w Inowroclawiu 1893 1968 Zaklad Wydawnictw CRS 1969 S 11 a b Olawskis als Verleger Ahnenforschung Gregor Olawsky abgerufen am 4 Dezember 2021 Historische Wertpapiere Kujawischer Bote Druckerei und Verlag GmbH Deutsche Wertpapierauktionen GmbH abgerufen am 4 Dezember 2021 Albert Weber Bibliographie deutschsprachiger Periodika aus dem ostlichen Europa Leibniz Institut fur Ost und Sudosteuropaforschung 2013 S 41 Kujawischer Bote Zeitschriftendatenbank der Deutschen Nationalbibliothek abgerufen am 4 Dezember 2021 Beata Dorota Lakeberg Die deutsche Minderheitenpresse in Polen 1918 1939 und ihr Polen und Judenbild Peter Lang 2010 S 41 Loyale Nachbarn oder Feinde Kujawiendeutsche etwas Geschichte Agentur fur Bildung Geschichte Politik und Medien e V Berlin abgerufen am 4 Dezember 2021 Walter Heide Handbuch der deutschsprachigen Zeitungen im Ausland Walter de Gruyter 1935 und 2020 S 161 Mark Mazower Hitlers Imperium Europa unter der Herrschaft des Nationalsozialismus C H Beck 2009 S 52 Helga Wermuth Max Winkler Ein Gehilfe staatlicher Pressepolitik in der Weimarer Republik Dissertation Munchen 1975 S 50 f Norbert Krekeler Revisionsanspruch und geheime Ostpolitik der Weimarer Republik Die Subventionierung der deutschen Minderheit in Polen 1919 1933 Walter de Gruyter 2010 S 25 f Julian Lubini Die Geschichte des Landes Lindau 2021 S 119 Tadeusz Kowalak Prasa niemiecka w Polsce 1918 1939 powiazania i wplywy Ksiazka i Wiedza 1971 S 63 f Helmut von Rosenstiel Die zehn letzten Tage Polska Erlebnisse eines Deutschen aus dem Kreise Hohensalza Druck und Verlag Kujawischer Bote GmbH Hohensalza 1939 S 3 f Digitalversion a b c Andrzej Czarnik Prasa w Trzeciej Rzeszy Organizacja i zakres dzialania Wydawnictwo Morskie 1976 S 181 a b Miriam Y Arani Fotografische Selbst und Fremdbilder von Deutschen und Polen im Reichsgau Wartheland 1939 45 Kovac 2008 S 278 nebst Fussnote 361 Inowroclawski Osrodek Prasy Lokalnej Biblioteka Uniwersytetu Kazimierza Wielkiego Bydgoszcz abgerufen am 6 Dezember 2021 Hohensalzaer Zeitung Zeitschriftendatenbank abgerufen am 6 Dezember 2021 Edith Schrader Polnischer Volkermord an Volksdeutschen im September 1939 in der ehemaligen preussischen Provinz Posen docplayer org 2009 S 16 Otto Heike Die ersten Opfer des Zweiten Weltkrieges Falschung und Wahrheit uber den Umfang der Gewaltmassnahmen gegen die Deutschen in Polen im September 1939 In Zeitschrift fur Ostforschung 18 1969 Heft 3 doi 10 25627 19691832181 Czytelnia Regionalna Biblioteka Miejska im Jana Kasprowicza abgerufen am 6 Dezember 2021 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kujawischer Bote amp oldid 233610434