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Die Heruler lateinisch Eruli bzw etymologisch nicht korrekt Heruli 1 waren ein ost germanischer Stamm der in den 60er Jahren des 3 Jahrhunderts n Chr am Schwarzen Meer zum ersten Mal geschichtlich in Erscheinung trat und bis ins 6 Jahrhundert in den Quellen belegt ist Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Herkunft Legenden und historische Realitat 1 2 Von der Reichskrise bis zum Ende des Herulerreichs im 6 Jahrhundert 1 3 Die westlichen Heruler 2 Literatur 3 AnmerkungenGeschichte BearbeitenHerkunft Legenden und historische Realitat Bearbeiten Die altere Forschung ging von einer Herkunft der Heruler aus Skandinavien aus Diese Annahme beruhte jedoch wohl auf einer fehlerhaften Lesung einer Passage in den um 551 52 veroffentlichten Getica des romanisierten Goten Jordanes der eine Ursprungsgeschichte der Heruler Origo gentis erzahlt Demnach seien diese von den Danen aus ihren Stammsitzen vertrieben worden 2 doch ist diese Erzahlung historisch kaum glaubhaft 3 Die Ethnogenese der Heruler fand vielmehr sehr wahrscheinlich auf dem Kontinent statt moglicherweise sogar erst in der Region in der die Romer sie erstmals wahrnahmen an der Nordkuste des Schwarzen Meeres 4 Neben der Legende uber die Herkunft der Heruler zirkulierte auch eine uber ihr Ende Der spatantike Geschichtsschreiber Prokop berichtet im 6 Buch seiner Historien um 550 veroffentlicht davon dass die schliesslich in ostromische Dienste ubergetretenen Heruler siehe unten sich nochmals gespalten hatten bevor sie die Donau uberschritten und sich ein Kontingent nach Norden wandte um in Thule dem sagenhaften Ende der Welt wie es Prokop nennt Zuflucht zu suchen 5 Worin genau der Kern dieser Nachricht besteht ist unklar Moglich ist dass Prokop hier eine literarische Anspielung darauf macht wie mit den Goten gegen die die Ostromer zu diesem Zeitpunkt in Italien noch Krieg fuhrten nach deren Niederlage umzugehen sei und er zu diesem Zweck gotische Erzahlungen in seinem Sinne umwandelte 6 Ahnlichkeit der Funde der Sosdalagruppe in Sudschweden wo zerbrochenes Sattel und Zaumzeug in der Nahe von Begrabnisstatten flach unter der Erde vergraben gefunden wurde mit entsprechenden Funden in Untersiebenbrunn und Pannonhalma wurde von einigen Forschern als Beleg fur Prokops Bericht gewertet was aber umstritten ist 7 Die auch fur andere germanische gentes oft in Anspruch genommene Herkunft aus Skandinavien wird daher als Topos angesehen gleiches gilt fur die eben erwahnte Annahme einer Ruckkehr in die Urheimat 8 Von der Reichskrise bis zum Ende des Herulerreichs im 6 Jahrhundert Bearbeiten nbsp Angriffe der Goten und Heruler im Schwarzen Meer und der Agais im 3 JahrhundertVon der Schwarzmeerregion aus nahmen Heruler in der zweiten Halfte des 3 Jahrhunderts zur Zeit der sogenannten Reichskrise des 3 Jahrhunderts an den Seezugen der Goten teil und gelangten so bis nach Griechenland 9 Der zeitgenossische Geschichtsschreiber Dexippos berichtete in seinen nur fragmentarisch erhaltenen Skythika von den Raubzugen dieser germanischen Invasoren die er in Anlehnung an die klassizistisch orientierten griechischen Autoren und im Ruckgriff auf die traditionelle Ethnographie als Skythai bezeichnete 10 Dexippos schildert wie Skythai im Jahr 267 68 vom Schwarzen Meer aus in die Agais eindrangen und mehrere Inseln angriffen 11 Belegt ist auch ein in dieser Zeit erfolgter Herulerangriff am strategisch wichtigen Thermopylen Pass 12 Die Invasoren landeten dann auf der Peloponnes und drangen weiter landeinwarts vor Sie griffen unter anderem Dexippos Heimatstadt Athen an und plunderten sie erlitten aber kurz darauf eine Niederlage In der Forschung wurde lange Zeit angenommen dass Dexippos an den erfolgreichen Abwehrkampfen einer athenischen Miliz vielleicht selbst beteiligt war die ohne Unterstutzung durch kaiserliche Truppen gegen die Angreifer vorgegangen waren 13 In der neueren Forschung gilt dies aufgrund neuerer Quellenfunde als widerlegt wenngleich einer der griechischen Befehlshaber Dexippos hiess ist dieser nicht mit dem gleichnamigen Historiker identisch 14 Traditionell werden die Angreifer Athens jedoch mit den Herulern identifiziert 15 und Jordanes setzte spater die von Dexippos erwahnten Erouloi mit den Herulern des 6 Jahrhunderts gleich 16 Die sich zuruckziehenden Angreifer wurden im Fruhjahr 268 von Kaiser Gallienus am Fluss Nestos in Thrakien geschlagen ihr Anfuhrer Naulobatus erhielt nach vollzogener deditio die Insignien eines romischen Konsuls moglicherweise wurden auch Heruler in das romische Heer ubernommen 17 Die Einfalle der Skythai aus der Schwarzmeerregion die von der damaligen Schwachephase des Imperiums profitierten hielten aber noch bis 275 76 an Wohl um die Mitte des 4 Jahrhunderts wurden die am Asowschen Meer siedelnden Heruler von den Goten unterworfen Uber die folgenden Jahre berichten die Quellen kaum etwas Als das Reich des greutungisch gotischen Konigs Ermanarich um 375 von den Hunnen erobert wurde die in dieser Zeit nach Westen vorstiessen und damit die Volkerwanderung auslosten wurden auch die gotischen Heruler zu hunnischen Vasallen 18 Erst nach dem Untergang des hunnischen Reiches um das Jahr 454 gelang es Herulern ein eigenes Reich im Raum der sudlichen heutigen Slowakei und des ostlichen Weinviertels zu errichten 19 In verstreuten Quellenaussagen wird auch in der Folgezeit auf die Heruler eingegangen die unter anderem um 480 die Region um Batavia Passau angriffen Heruler im Dienste des sich auflosenden westromischen Reiches nahmen an der Erhebung Odoakers 476 in Italien teil und dienten ihm anscheinend bis zu seiner Niederlage gegen den mit ostromischer Billigung 489 in Italien eingefallenen Gotenkonig Theoderich 20 Um 508 21 wurde das von Konig Rudolf Rodulf regierte Reich der Heruler das zu Theoderich gute Beziehungen unterhielt von den Langobarden vernichtet 22 Die verbleibenden Heruler teilten sich in mehrere Gruppen von denen sich eine den Langobarden anschloss und in ihnen aufging eine andere bei den Ostgoten in Italien Zuflucht fand und eine dritte nach langerer Wanderung zunachst zu den Gepiden floh dann aber schliesslich im Jahr 512 Aufnahme im Ostromischen Reich fand Beim heutigen Belgrad wurde ihnen gestattet ein kleines Foderatenreich zu errichten Diese Heruler spielten eine nicht geringe Rolle bei der restauratio imperii des ostromischen Kaisers Justinian I da sie vielfach in romischen Armeen dienten aber einen schlechten Ruf genossen Sie sollen zum Christentum konvertiert sein doch mag dies nur fur einen Teil der Heruler gegolten haben Bald nach der Mitte des 6 Jahrhunderts verschwinden auch diese Heruler aus den Quellen 23 doch nahm noch Kaiser Maurikios 582 602 zu Beginn seiner Regierungszeit als erster romischer Kaiser uberhaupt den Triumphalnamen Herulicus an Die westlichen Heruler Bearbeiten Neben den eben behandelten an der Nordkuste des Schwarzen Meeres und spater in Pannonien siedelnden Herulern werden in den Quellen noch andere Heruler erwahnt die in der Forschung oft als West Heruler bezeichnet Diese werden als unabhangige Gruppe angesehen wenngleich in den Quellen keine solche Trennung vorgenommen wird Man sollte sich diese Heruler daher auch nicht unbedingt als Gruppe vorstellen die irgendwo im nordwestlichen Barbaricum angesiedelt war wie teils angenommen 24 Heruler werden jedenfalls in westlichen Quellen im Zusammenhang mit Einfallen in Gallien im Jahr 286 erwahnt wobei sie von Kaiser Maximian abgefangen wurden und anschliessend wohl als romische Hilfstruppen gedient haben Herulische Hilfstruppen werden auch in der Folgezeit erwahnt ebenso wie herulische Seeuberfalle im Westen an der spanischen Kuste im fruhen 5 Jahrhundert Heruler waren auch moglicherweise am Rheinubergang von 406 beteiligt 25 Literatur BearbeitenArne Soby Christensen Cassiodorus Jordanes and the History of the Goths Studies in a Migration Myth Museum Tusculanum Press Kopenhagen 2002 ISBN 87 7289 710 4 Alvar Ellegard Who were the Eruli In Scandia Band 53 1987 S 5ff Walter A Goffart The narrators of barbarian history A D 550 800 Jordanes Gregory of Tours Bede and Paul the Deacon Princeton University Press Princeton 1988 ISBN 0 691 05514 9 Erich Kettenhofen Die Einfalle der Heruler ins Romische Reich im 3 Jh n Chr In Klio Band 74 1992 S 291 313 Pal Lakatos Quellenbuch zur Geschichte der Heruler Csukas Istvan a Jate BTK dekanja Szeged 1978 Acta Antiqua et Archaeologica Band 21 Opuscula Byzantina Band 6 Stephan Lehmann Der Herulersturm und die Kunstproduktion in der Provinz Achaia In E Walde B Kainrath Hrsg Die Selbstdarstellung der romischen Gesellschaft in den Provinzen im Spiegel der Steindenkmaler Tagungsakten des IX Internationalen Kolloquiums uber provinzialromisches Kunstschaffen Innsbruck 2007 S 45 54 Gunter Neumann Matthew Taylor Heruler In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde RGA 2 Auflage Band 14 Walter de Gruyter Berlin New York 1999 ISBN 3 11 016423 X S 468 474 Walter Pohl Die Gepiden und die gentes an der mittleren Donau nach dem Zerfall des Attilareiches In Herwig Wolfram Falko Daim Hrsg Die Volker an der mittleren und unteren Donau im funften und sechsten Jahrhundert Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 1980 ISBN 3 7001 0353 0 S 239 305 Bruno Rappaport Heruli In Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft RE Band VIII 1 Stuttgart 1912 Sp 1150 1167 Alexander Sarantis The Justinianic Herules From Allied Barbarians to Roman Provincials In Florin Curta Hrsg Neglected Barbarians Brepols Turnhout 2010 S 365 408 Studies in the Early Middle Ages Band 32 Roland Steinacher The Heruls Fragments of a History In Florin Curta Hrsg Neglected Barbarians Brepols Turnhout 2010 S 321 364 Studies in the Early Middle Ages Band 32 Roland Steinacher Rom und die Barbaren Volker im Alpen und Donauraum 300 600 Kohlhammer Stuttgart 2017 Anmerkungen Bearbeiten Zu den verschiedenen Namensformen siehe den Uberblick bei Rappaport Heruli 1912 Sp 1150 Zur Namensbedeutung vgl Neumann Heruler 1a 1999 S 468 Jordanes Getica 23 Vgl Steinacher The Herules 2010 S 359 Zur Problematik der Aussagen bei Jordanes allgemein und seiner Zuverlassigkeit vgl nun vor allem Sǿby Christensen Cassiodorus Jordanes and the History of the Goths 2002 Vgl auch Steinacher The Herules 2010 S 321 Prokop Historien 6 14f Vgl auch Sǿby Christensen Cassiodorus Jordanes and the History of the Goths 2002 S 293f Steinacher The Herules 2010 S 358 Zu dieser problematischen These siehe Charlotte Fabech Offerfundene fra Sosdala Fulltofta og Vennebo Eksempler pa rytternomadiske riter og ceremonier udfort i sydskandinaviske jernaldersamfund Die Opferfunde von Sosdala Fultofta und Vennebo Beispiele fur reiternomadische Riten und Zeremonien in der sudskandinavischen Eisenzeitgesellschaft In Nordisk Hedendom Et Symposium Odense 1991 S 103 112 Zusammenfassend siehe mit weiteren Belegen Steinacher The Herules 2010 S 356ff Siehe dazu Andreas Schwarcz Die Heruler am Schwarzen Meer In Bulgaria Pontica Medii Aevi 4 5 2 Sofia 2006 S 199 210 Steinacher The Herules 2010 S 322ff Vgl dazu David Potter The Roman Empire at Bay London u a 2004 S 241ff Zu Dexippos siehe nun vor allem Gunther Martin Dexipp von Athen Edition Ubersetzung und begleitende Studien Tubingen 2006 Allgemein Kettenhofen Heruler 1992 der den Beginn des Feldzugs in das Jahr 267 datiert ebd S 304 Gunther Martin Jana Gruskova Dexippus Vindobonensis Ein neues Handschriftenfragment zum sog Herulereinfall der Jahre 267 268 in Wiener Studien 127 2014 S 101 120 Vgl Dexippos Fragment 25 in Martins Edition Fragment 28a in der Edition von Felix Jacoby Christopher Mallan Caillan Davenport Dexippus and the Gothic invasions interpreting the new Vienna Fragment Codex Vindobonensis Hist gr 73 ff 192v 193r In The Journal of Roman Studies 105 2015 S 203 226 Vgl unter anderem Rappaport Heruli 1912 Sp 1155 Kettenhofen Heruler 1992 Martin Dexipp von Athen 2006 S 18 Jordanes Getica 117 vgl dazu aber Steinacher The Herules 2010 S 322 Zur Moglichkeit der Verwendung von Dexippos durch Jordanes ob direkt oder indirekt siehe knapp Martin Dexipp von Athen 2006 S 63 Vgl Steinacher The Herules 2010 S 324 Steinacher The Herules 2010 S 330ff Zur Lokalisation vgl Pohl Die Gepiden und die gentes an der mittleren Donau 1980 S 277 allgemein zum Herulerreich siehe Steinacher The Herules 2010 S 337ff Steinacher The Herules 2010 S 341ff Datierung nach Taylor Heruler 2b 1999 S 471 Steinacher The Herules 2010 S 345ff Steinacher The Herules 2010 S 349ff Vgl Steinacher The Herules 2010 S 326ff Taylor Heruler 2a 1999 S 470f Vgl Steinacher The Herules 2010 S 327f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Heruler amp oldid 209754614