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Harriet Ellen Siderovna von Rathlef Keilmann 22 Dezember 1886jul 3 Januar 1887greg in Riga Russisches Kaiserreich 1 Mai 1933 in Berlin war eine deutsch baltische Bildhauerin Harriet von Rathlef Keilmann 1927 28 Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Werk 2 Veroffentlichungen 3 Literatur 4 Archivbestande 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben und Werk BearbeitenHarriet Keilmann wuchs in Riga zu jener Zeit Hauptstadt des russischen Gouvernements Livland in einer assimilierten grossburgerlichen deutsch akkulturierten judischen Familie auf Ihr Vater Isidor Philipp Keilmann und ihre Mutter Eugenie Jakobovna geb Kantorowitz waren seit 1881 in Riga als Zahnarzte tatig Harriet hatte zwei jungere Bruder den Kaufmann Paul Otto Sidorowitsch 1888 in Riga April 1940 in Riga und den Kinderarzt Nikolai Alexander Sidorowitsch 24 Juli 1896 in Riga am 30 Marz 1942 im KZ Stutthof bei Danzig von den Nationalsozialisten ermordet Harriets Mutter Eugenie wurde im Herbst 1941 im Ghetto Riga von den Nationalsozialisten ermordet ihr Vater Isidor ging am 20 April 1942 in den Freitod um der Deportation in eines der Todeslager zu entgehen nbsp Gipsskulptur Hasenpaar Nommiko 1909 nbsp Terrakottarelief Enten Nommiko 1911 nbsp Lithographie Hockende Frau Bauhaus Weimar 1920 nbsp Holzrelief Pieta Bauhaus Weimar 1921 nbsp Harriet von Rathlef Keilmann bei der Arbeit in ihrem Schoneberger Bildhaueratelier Berlin 1929 nbsp Holzskulptur Sitzendes russisches Madchen Berlin 1930 nbsp Kaltnadelradierung Liebespaar Berlin 1932Isidor Keilmann liess sich auf Grund der antijudischen Repressionen im russischen Kaiserreich heimlich 1894 in der deutsch reformierten Burgkirche in Konigsberg i Pr taufen Seine Frau Eugenie und die beiden Kinder Harriet und Paul wurden im Jahr 1896 getauft 1 Die Familie konnte sich mit den Taufscheinen bei den russischen Behorden in Riga in das Verzeichnis der deutschen Einwohner eintragen lassen Nach ihrer Schulausbildung an der Reinschen Hoheren Tochterschule und Besuchen der Abendkurse an der privaten Jung Stilling schen Zeichenschule in Riga absolvierte Keilmann in Riga bei dem Bildhauer August Volz eine Bildhauerlehre Bildhauerstudien in Berlin als Schulerin des Tierbildhauers August Gaul auf den vom Bildhauer Arthur Lewin Funcke 1866 1937 begrundeten und geleiteten privaten Studienateliers fur Malerei und Plastik die auch Lewin Funcke Schule genannt wurden und in Munchen in dem von Wilhelm von Debschitz 1871 1948 und Hermann Obrist 1862 1927 gegrundeten und geleiteten Lehr und Versuchs Atelier fur angewandte und freie Kunst diese auch fur Frauen zugangliche private Kunstschule wurde auch als Debschitz Schule bezeichnet folgten 2 Nach der Ruckkehr von Munchen nach Riga arbeitete Keilmann als Bildhauerin in der Werkstatt von August Volz 1908 heiratete sie in der deutsch reformierten Kirche in Riga den deutsch baltischen Agronomen und Saatgutforscher Harald von Rathlef 1 Marz 1878 in Gut Lachmes Livland 15 Juli 1944 Konigsberg i Pr 1935 bis 1944 wissenschaftlicher Leiter der Zentralstelle fur Rosenforschung und des Rosariums in Sangerhausen Die Heirat erfolgte gegen den Widerstand der Eltern des Brautigams und weiterer Mitglieder der Familie von Rathlef die gegen eine Verbindung ihres Sohnes mit der aus einer judischen Familie stammenden Kunstlerin waren Das Ehepaar zog auf das kleine Saatversuchsgut Nommiko bei Dorpat in Nordlivland Dort arbeitete sie weiterhin als Bildhauerin und stellte zwischen 1908 und 1914 ihre Skulpturen und Tierreliefs auf den vom Rigaer Kunstverein im Kunstgewerbemuseum Riga organisierten Kunstausstellungen aus Zwischen 1909 und 1914 wurden ihre vier Kinder Monika 1909 in Riga Livland 1959 in Eisenach DDR Apothekerin Marianne 1910 Gut Nommiko Livland 2008 in Santiago de Chile Rep Chile Elisabeth genannt Liselotte 1912 Gut Nommiko Livland 1998 in Barcelona Spanien Scherenschnittkunstlerin und Malerin und Karl Ludwig Nikolai genannt Ulf 1914 Gut Nommiko Livland 1946 an Typhus in einem US Kriegsgefangenenlager im Rheinland Leutnant a D geboren Auf Grund der Burgerkriegswirren floh die Familie im Dezember 1918 nach Deutschland Dort ging Keilmann an die Grossherzogliche Kunsthochschule Weimar in die Klasse des deutsch judischen Bildhauers Richard Engelmann Das Staatliche Bauhaus in Weimar ubernahm sie dann als Freischulerin 3 1919 beteiligte sie sich mit ihren noch im naturalistischen Stil gefertigten Tierplastiken an der im Weimarer Museum fur Kunst und Gewerbe organisierten Ausstellung Gemalde und Skulpturen Weimarischer Kunstler 4 Unter den Einflussen der Werkmeister Gerhard Marcks Johannes Itten und Lyonel Feininger wandte sich die Kunstlerin vom bildhauerischen Naturalismus ab und hin zum Expressionismus Es entstanden expressive teilweise farbig gefasste Holzreliefs mit religiosem Inhalt sowie Radierungen Lithographien und Holzschnitte 1921 liess sie sich von ihrem Mann scheiden der die Kunstgewerblerin und Van de Velde Schulerin Charlotte Emilie Anna Veit Tochter des Gynakologen Johann Veit ehelichte Als Meisterschulerin des Bildhauers Richard Engelmann verliess sie 1922 die Hochschule fur Bildende Kunst Weimar Durch Vermittlung ihres ehemaligen Bauhaus Kommilitonen Reinhard Hilker ging sie fur kurze Zeit nach Hagen wo sie zusammen mit ihrer Kommilitonin vom Bauhaus Weimar Ise Bienert eigentlich Marie Luise Bienert Tochter der Dresdener Kunstsammlerin und Mazenin Ida Bienert im Folkwang Museum ihre expressionistischen Werke ausstellte Zahlreiche Ausstellungen im Rheinland folgten 5 Mitglied im Jungen Rheinland Der Umzug nach Berlin im Jahre 1924 erfolgte in der Hoffnung als bildende Kunstlerin in der pulsierenden Reichshauptstadt finanziell besser auszukommen Die erste Ausstellung im Kunst und Buchheim K und E Twardy und auf der Juryfreien Kunstausstellung fand noch im selben Jahr statt 1925 stellte sie ihre Werke im Graphischen Kabinett Maria Kunde im Bieberhaus in Hamburg aus Um ihre schlechte finanzielle Situation zu andern versuchte sich die Kunstlerin auch als Schriftstellerin 1926 wurde ihre mit zwei expressiven Holzschnitten illustrierte Nacherzahlung altrussischer Bauernlegenden im Furche Verlag Berlin publiziert 6 Im selben Jahr trat sie in den Schutzverband deutscher Schriftsteller ein Auf Bitten des katholischen Sozialtheologen Carl Sonnenschein unterbrach sie ihr kunstlerisches Schaffen um sich selbstlos der dreijahrigen Pflege der angeblichen Zarewna Anastasia Nikolajewna Romanowa alias Franziska Schanzkowska alias Anna Anderson zu widmen In ihrem Buch Anastasia Ein Frauenschicksal als Spiegel der Weltkatastrophe Ermittlungen uber die jungste Tochter des Zaren Nikolaus II 1928 machte die Kunstlerin das Schicksal der Anastasia in der Offentlichkeit bekannt Rathlef Keilmanns Recherchen wurde unter anderem in den Zeitungen des Scherl Verlages vorab gedruckt Alle dabei erzielten Einnahmen gab die Kunstlerin an die angebliche Zarentochter weiter Der Einfluss des engagierten Theologen Carl Sonnenschein auf die Kunstlerin war so gross dass er sie dazu brachte zur romisch katholischen Kirche zu konvertieren und dem von ihm begrundeten Kreis Katholischer Kunstler KKK beizutreten Mit dem Ubertritt zur romisch katholischen Kirche konnte die Kunstlerin ihre judische Herkunft weiter geheim halten Zu diesem Kreis der Katholischen Kunstler gehorten die Bildhauer Hans Perathoner Berthold Muller Oerlinghausen Jenny Wiegmann Mucchi Gabriele Mucchi und Hans Breinlinger die Maler Maximilian Habersetzer Rudolf Schlichter Elsa Eisgruber Josi Sander Anita Blum Otto Kainz Odo Tattenpach sowie die Architekten Josef Bachem Guido Goerres und Fritz Spannagel Sie war auch Teilnehmerin der von Walther Encke und seiner Ehefrau Bettina Encke von Arnim initiierten Sonnabend Abende eines kulturellen und politischen Salons der in der Schoneberger Wohnung des Ehepaars Encke stattfand Fast das gesamte kulturelle und politische Spektrum der spaten Weimarer Republik war unter den Gasten des Salons 7 Zwischen 1925 und 1933 prasentierte Keilmann ihre expressionistischen Holz Terrakotta und Bronzeplastiken Holzreliefs und Graphiken auf den Ausstellungen der Grossen Berliner Kunstausstellung der Juryfreien Kunstausstellung in Berlin der Ausstellung zur Jahrtausendfeier der Rheinlande in Koln der Ausstellung der Preussischen Akademie der Kunste in Berlin auf den Kunstausstellungen des Vereins der Berliner Kunstlerinnen den von Paul Westheim organisierten Wanderausstellungen Junger Kunstler u a im Haus des Hermann Reckendorf Verlags in Berlin Hedemannstrasse und der Sonderausstellung in der Galerie Nierendorf in Berlin 8 Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde Keilmann auf Grund ihrer judischen Herkunft am 3 April 1933 zwei Tage nach dem von den Nazis durchgefuhrten Boykott judischer Geschafte Arzte und Rechtsanwalte aus dem Vorstand des Vereins der Berliner Kunstlerinnen ausgeschlossen Mit ihr mussten ihre judischen Kunstlerkolleginnen Fanny Remak Julie Wolfthorn Alice von Niebelschutz Edda Wiese Knopf Lotte Laserstein sowie die mit dem deutsch judischen Chemiker Fritz Koref verheiratete Malerin Gertrud Koref Stemmler den Vorstand des VdBK verlassen 9 Keilmann war noch Jurymitglied der vom Verein der Berliner Kunstlerinnen organisierten Fruhjahrsausstellung Frauen im Beruf Marz April 1933 wo sie letztmals ihre expressiven Holzskulpturen und reliefs zeigte Ausserdem wurde sie vom Deutschen Lyceum Club fur die Messeausstellung Frau und Kind in der Kunst Marz 1933 in die Jury berufen Als Konsequenz auf die zunehmenden antisemitischen Ausschreitungen und die Kunstpolitik der Nazis zog sie ihre Werke von der von April bis Juni 1933 im Schloss Bellevue veranstalteten Grossen Berliner Kunstausstellung GroBeKa zuruck Wie einige ihrer Kunstlerkollegen bereitete sie sich auf die Emigration nach Paris vor Ein Blinddarmdurchbruch durchkreuzte ihre Plane Am 1 Mai 1933 verstarb sie im Westend Krankenhaus nachdem eine befreundete Arztin noch versucht hatte in ihrem Schoneberger Atelier An der Apostel Kirche 14 per Not OP ihr Leben zu retten Auf Grund der aufgelaufenen Schulden wurde das Inventar ihres Ateliers einige Monate nach ihrem Tode offentlich zwangsversteigert 10 Einige wenige Werke konnten ihre Rigaer Schulfreundin Monica Kuttner und die hinterbliebenen Tochter Monika und Liselotte zuvor noch sicherstellen angeblich sollen auch einige Kunstlerkollegen Werke der Verstorbenen in Obhut genommen und an ein Museum weitergegeben haben 11 Keilmanns expressionistischen Kunstwerke wurden wahrend der Nazizeit als entartet bezeichnet und aus offentlichen Sammlungen z B die Kaltnadelradierung Liebespaar aus dem Kunstgewerbemuseum Kaiserslautern entfernt 12 Veroffentlichungen BearbeitenAltrussische Bauernlegenden Furche Verlag Berlin 1926 Anastasia Ein Frauenschicksal als Spiegel der Weltkatastrophe Ermittlungen uber die jungste Tochter des Zaren Nikolaus II Verlag Grethlein amp Co Leipzig Zurich 1928 Faksimile PDF Anastasia Eine Unbekannte kampft um ihre Identitat Aktualisierte Neuausgabe unter neuem Titel hrsg Mondrian Graf v Luttichau Berlin 2019 ISBN 978 3 945980 33 0 PDFLiteratur BearbeitenRathlef Keilmann Harriet von In Hans Vollmer Hrsg Allgemeines Lexikon der bildenden Kunstler des XX Jahrhunderts Band 4 Q U E A Seemann Leipzig 1958 S 22 Familienbiographie der Familie von Rathlef Unveroffentlichte Erinnerungen von Elisabeth von Rathlef Kurschners Deutscher Literatur Kalender 1928 1933 Bildende Kunst in den Ostseeprovinzen 1907 1914 Der Cicerone 1924 Das Kunstblatt herausgegeben von Paul Westheim Kunst und Kunstler 1927 1932 Kuno Hagen Lexikon deutschbaltischer Kunstler Koln 1983 S 107 Anja Cherdron Prometheus war nicht ihr Ahne Berliner Bildhauerinnen der Weimarer Republik Jonas Verlag Marburg 2000 ISBN 3 89445 261 7 S 202 Carola L Gottzmann Petra Horner Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St Petersburgs Band 3 Verlag Walter de Gruyter Berlin 2007 ISBN 978 3 11 019338 1 S 1050 Archivbestande BearbeitenFamilienarchiv Keilmann Lithographie die Hockende Kaltnadelradierung Liebespaar und Holzskulptur sitzendes Madchen im Besitz von Robert Dupuis des Grossneffen der Kunstlerin Bauhaus Archive in Berlin und Weimar Landesarchiv Berlin Bundesarchiv Berlin Thuringisches Landesarchiv Karl Ernst Osthaus Archiv Hagen Stadtarchive Dusseldorf und Koln Latvias Valsts Vestures Archiv Riga Lettland Staatsarchive in Tartu Estland und Vilnius Litauen Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Harriet von Rathlef Keilmann Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Webseite Harriet v Rathlef Keilmann Chronik der Familie Keilmann Harriet Ellen Siderovna von Rathlef Keilmann im Museum of European Art United States Verschollene Werke von Harriet Ellen Siderovna von Rathlef Keilmann in der Koordinierungsstelle fur Kulturgutverluste Lost Art Internet Database Das Bauhaus in Weimar 1919 1925 S 291 klassik stiftung de Memento vom 24 April 2016 im Internet Archive PDF 152 kB Liste der Schuler am Weimarer Bauhaus Lewin Funcke Archiv Grafik von Harriet Ellen Siderovna von Rathlef Keilmann im Bauhaus Museum Weimar Kunsthandel der Moderne Ausstellung von Harriet Ellen Siderovna von Rathlef Keilmann im Kunst und Buchheim Twardy Memento vom 2 Oktober 2014 im Internet Archive Gemeinschaftsausstellung von Harriet Ellen Siderovna von Rathlef Keilmann in der Galerie Neumann Nierendorf zusammen mit Gertrud Koref Stemmler im Februar 1933 S 390 Suchanzeige verschollene Werke von Harriet von Rathlef Keilmann Baltische Historische Kommission Hrsg Eintrag zu Rathlef Keilmann Harriet In BBLD Baltisches biografisches Lexikon digitalEinzelnachweise Bearbeiten Taufschein der evangelisch reformierten Burgkirchengemeinde Konigsberg Ostpr Lebenslauf Schulerakte des Bauhauses Weimar Akten der Bauhaus Schuler Thuringisches Landesarchiv Weimar Volker Wahl Die Kontroverse um die moderne Kunst in Weimar 1919 S 291 1921 Graphisches Kabinett von Bergh und Co Dusseldorf Inhaber Israel Ber Neumann und Zinglers Kabinett Frankfurt am Main 1922 Ausstellung des Jungen 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