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Das Griechische Feuer mittelgriechisch Ὑgrὸn Pῦr Hygron Pŷr neugriechisch Ygro Pyr Ygro Pyr flussiges Feuer war eine im byzantinischen Reich seit dem 7 Jahrhundert n Chr verwendete militarische Brandwaffe Griechisches Feuer in der einzigen bekannten zeitgenossischen Darstellung 12 Jh Einsatz eines Handsiphons welcher Griechisches Feuer verschiesst Inhaltsverzeichnis 1 Begriffsherkunft 2 Funktionsweise 3 Entwicklung 4 Brandmittel 5 Anwendung 6 Geheimhaltung 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseBegriffsherkunft BearbeitenDer Name griechisches Feuer bzw lateinisch ignis graecus 1 ist nicht authentisch von den Byzantinern die sich selbst als Romer sahen und bezeichneten wurde es pῦr 8alassion pyr thalassion Seefeuer oder pῦr ῥwmaikon pyr rhomaikon romisches Feuer genannt Funktionsweise BearbeitenMit einer Spritze Siphon wurde die brennbare Flussigkeit gegen das Ziel gepumpt Die Reichweite betrug nur wenige Meter was aber fur die damaligen Seegefechte ausreichte Es existierten verschiedene Spritzensysteme Der sogenannte Siphon wurde im Seekrieg von den byzantinischen Kriegsschiffen den Dromonen aus eingesetzt Bekannt ist dass er aus Bronze bestand mit Zinn verlotet war und von unten befeuert wurde Ausserdem ist auf Abbildungen eine Duse sichtbar Es handelte sich hochstwahrscheinlich um einen Druckbehalter der uber ein Ventil mit der Duse verbunden war Moglicherweise wurde der Uberdruck im Behalter mit einer Pumpe aufrechterhalten Nur zwei Personen bedienten eine Waffe die anderen Besatzungsmitglieder besassen nicht die erforderliche Ausbildung Je nach Grosse waren die Dromonen mit bis zu drei Siphons ausgestattet Eine Abbildung eines sogenannten strepton zeigt dass es sich um ein Handgerat handelt Vorzugsweise sollte es gegen Holzkonstruktionen wie Belagerungsturme zum Einsatz kommen Der Name impliziert dass es sich um ein Gerat mit einer Art Pump oder Drehmechanismus handelt Vom cheirosiphon Handsiphon ist wenig mehr bekannt als das was der Name andeutet Er war zum Einsatz direkt gegen feindliche Soldaten gedacht Daruber hinaus existierte noch die konventionellere Methode mit Brandmittel gefullte Tonkruge mit verschiedenen Schleuder oder Katapultsystemen zu verschiessen Diese Systeme verfugten wahrscheinlich uber eine Zundflamme Entwicklung BearbeitenDie Erfindung der Waffe wird in den Quellen dem griechischen Architekten Kallinikos zugeschrieben der aus Heliopolis heute Libanon vor den Arabern nach Konstantinopel geflohen war Wahrscheinlich im Jahre 677 oder kurz zuvor gelang es ihm wahrend eines Krieges mit den Arabern das System des Griechischen Feuers fur die Dromone zu entwickeln Das war von entscheidender Bedeutung bei der Abwehr der arabischen Belagerung von Konstantinopel 674 678 Bereits in der Spatantike waren sowohl auf ostromischer byzantinischer Seite als auch bei den Gegnern Roms immer wieder standig weiterentwickelte Brandwaffen zum Einsatz gekommen So scheinen entsprechende Vorlaufer bereits kurz nach 500 unter Kaiser Anastasius im Kampf gegen den rebellischen Heermeister Vitalianus eingesetzt worden zu sein Auf diese Entwicklungen griff Kallinikos zuruck Seine wesentliche Neuerung die letztlich das Griechische Feuer ausmachte war der Siphon in moderner Terminologie eine Art Flammenwerfer Mit sifwn siphōn ist die von Ktesibios im 3 Jahrhundert v Chr erfundene doppeltwirkende Druckpumpe Feuerspritze gemeint 2 die einen konstanten Flussigkeitsstrahl lieferte Auch nach Kallinikos setzte sich die Entwicklung weiter fort So entstanden Handsiphon und Strepton Ende des 9 oder Anfang des 10 Jahrhunderts Brandmittel BearbeitenDie Zusammensetzung des Brandmittels wurde kontinuierlich verbessert Vermutlich wurde es auch an die unterschiedlichen Waffensysteme angepasst Es sind verschiedene Varianten uberliefert die jedoch alle Erdol oder Asphalt als Grundlage hatten Diese Stoffe traten im byzantinischen Reich in der Nahe des Schwarzen Meeres an der Erdoberflache auf Weitere nicht immer vorhandene Bestandteile waren Baumharz Schwefel und gebrannter Kalk ab dem 10 Jahrhundert wahrscheinlich auch Salpeter Die Details der Herstellung sind jedoch nicht uberliefert Die haufig angenommene Selbstentzundung des Gemisches im Wasser ist nicht belegt und wurde die Waffe auch unsicher in der Handhabung gemacht haben Es gab aber eine Variante die Pyr automaton genannt wurde und mit Wasser entzundbar gewesen sein soll da sie gebrannten Kalk enthielt Rezepte waren im Mittelalter zum Beispiel im Liber Ignium uberliefert Anwendung BearbeitenDer erste uberlieferte Einsatz erfolgte wahrend der von 674 bis 678 dauernden Belagerung von Konstantinopel gegen die Araber wahrscheinlich 677 Die neue Waffe trug offenbar entscheidend dazu bei dass Byzanz die Angreifer abwehren konnte trifft das zu so hatte sie einen wichtigen Einfluss auf den Verlauf der Weltgeschichte da Konstantinopel auf diese Weise noch uber Jahrhunderte als Sperrriegel das Vordringen des Islam nach Europa verhinderte Das Feuer entwickelte sich schnell zu einer der gefurchtetsten Waffen der mittelalterlichen Welt mit grossem psychologischen Effekt Zeitgenossischen Berichten zufolge muss der Einsatz von Griechischem Feuer auf den angegriffenen Schiffen ein unbeschreibliches Inferno verursacht haben Er war von einem donnernden Gerausch begleitet und angesichts der unloschbaren Brande die vom Spritzenschiff aus nach Belieben dirigiert werden konnten war keine militarische Disziplin an Bord mehr moglich Ein weiterer Effekt war dass brennende Schiffe die sich zuruckzogen auch ihre restliche Flotte in Gefahr bringen konnten Feindliche Schiffe vermieden es deshalb sich der byzantinischen Flotte zu nahern um nicht in die Reichweite des Feuers zu gelangen Sonst reichte auch oft der Anblick einer Spritze um den Feind in die Flucht zu schlagen Die Anwendung konnte aber unter Umstanden auch eigene Schiffe in Brand setzen Griechisches Feuer war in grossem Masse fur die jahrhundertelange Seeherrschaft der byzantinischen Flotte im ostlichen Mittelmeerraum verantwortlich es sicherte die Unabhangigkeit des Reiches noch als dieses wegen der abnehmenden Bevolkerung und Flache bereits keine schlagkraftigen Landstreitkrafte mehr aufstellen konnte Der letzte belegte Einsatz von Byzantinischem Feuer ist 1187 beim Aufstand von Alexios Branas Nach der osmanischen Eroberung von Konstantinopel 1453 ging das Wissen daruber definitiv verloren Das Fehlen einer Erwahnung trotz vieler bewaffneter Konflikte lasst jedoch bereits die beruchtigte Plunderung von Konstantinopel 1204 durch die Kreuzfahrer als plausiblen Ausloser fur diesen Verlust erscheinen Gemass der deutschsprachigen Reimchronik der Stadt Koln von Gottfried Hagen soll Erzbischof Konrad von Hochstaden bei seiner erfolglosen Belagerung Kolns 1252 auf Schiffen vom Rhein aus kreiʃche vuir 3 verwendet haben Das Wissen daruber ist nach dem Kreuzzug von Damiette ins Rheinland gekommen 4 Die praktische Anwendung soll durch die Auswertung antiker Kriegsliteratur des ehemaligen Kolner Domscholasters Oliver saxo eingefuhrt worden sein 5 Neben der obigen Darstellung der Anwendung im Seekrieg gibt es noch ein weiteres Bild das die Abwehr der Schiffe des Fursten Igor vor Konstantinopel im 10 Jahrhundert durch die Anwendung des flussigen Feuers zeigt Geheimhaltung BearbeitenDie Details der Waffen waren Staatsgeheimnis Das erklart auch warum genauere Informationen meist aus nicht byzantinischen Quellen stammen Zwar setzten Araber und Bulgaren selbst konventionelle Brandwaffen ein doch gelang es ihnen trotz erbeuteter Waffensysteme nicht selbst Griechisches Feuer zum Einsatz zu bringen Kopierte Versionen des flussigen Feuers sollen jedenfalls in ihrer Wirkung nie an das Original herangekommen sein weil das Gesamtsystem sehr komplex war Das Griechische Feuer gilt daher als ein Beleg dafur dass Wissen trotz zahlreicher Mitwisser uber viele Jahrhunderte geheim gehalten werden kann 6 Der byzantinische Kaiser Konstantin Porphyrogennetos nennt in einer fur seinen Sohn bestimmten Schrift Uber die Verwaltung des Reiches einmal Kallinikos als Erfinder des flussigen Feuers Kapitel 47 Zuvor erwahnt er die Legende uber die Offenbarung des flussigen Feuers durch einen Engel Gottes an den ersten christlichen Kaiser Konstantin den Grossen Kapitel 13 Zudem sei einmal ein vom Feind bestochener General beim Versuch das flussige Feuer zu verraten von Gott mit himmlischem Feuer vernichtet worden weshalb seither niemand mehr an einen derartigen Verrat zu denken gewagt habe Das Rezept fur die Herstellung des flussigen Feuers ging mit dem Byzantinischen Reich unter Literatur BearbeitenBart De Graeve Het Griekse vuur de realiteit achter de mythe 2001 Lizentiatsarbeit an der Katholischen Universitat Lowen kann als PDF 4 95 MB heruntergeladen werden Jochen Gartz Vom griechischen Feuer zum Dynamit Eine Kulturgeschichte der Explosivstoffe E S Mittler amp Sohn Hamburg u a 2007 ISBN 978 3 8132 0867 2 Erich Gabriel Griechisches Feuer In Robert Auty u a Hrsg Lexikon des Mittelalters Band 4 Erzkanzler bis Hiddensee Artemis Verlag Munchen u a 1989 ISBN 3 7608 8904 2 Sp 1711 f John Haldon Greek fire revisited recent and current research In Elizabeth Jeffreys Hrsg Byzantine style religion and civilization In honour of Sir Steven Ruciman Cambridge University Press New York NY u a 2006 ISBN 0 521 83445 7 S 290 325 John Haldon Neue Forschungen zum Griechischen Feuer Mit Beitragen von Andrew Lacey und Colin Hewes In Pallasch Zeitschrift fur Militargeschichte Bd 8 2005 Heft 19 S 55 71 Johannes Preiser Kapeller Wunderwaffe des Mittelalters Geschichte und Theorie des Griechischen Feuers In Combat Band 3 2007 S 45 47 ISSN 0944 2677 mit Bericht zu Rekonstruktionsversuchen von John Haldon Princeton Peter Schreiner Griechisches Feuer in Tours Bemerkungen zu einer wenig beachteten lateinischen Notiz In Nea Rhome Band 9 2012 ISSN 1970 2345 S 31 41 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Griechisches Feuer Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Seitenblick Brennendes Geheimnis Spiegel Online 9 Marz 2014Einzelnachweise Bearbeiten Moritz Meyer Handbuch der Geschichte der Feuerwaffentechnik Berlin 1835 Heron Pneumatika Kap 180 Plinius Briefe Nr 35 Origenes Johanneskommentar Buch XX Kap 6 Ulpian Digesten 32 Buch Kap 7 12 Gottfried Hagen Reimchronik der Stadt Koln Hrsg von Kurt Gartner Andrea Rapp Desiree Welter Dusseldorf 2008 V 770 790 Hugo Stehkamper Niederrheinische Schiffskriege und Kriegs schiffe im Mittelalter In Everhard Kleinertz Hrsg Koln und daruber hinaus Ausgewahlte Abhandlungen von Hugo Stehkamper Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Koln 93 94 Koln 2004 S 316 325 Ulrike Horoldt Studien zur politischen Geschichte des Kolner Domkapitels zwischen Erzbischof Stadt Koln und Territorialgewalten 1198 1322 Untersuchungen und Personallisten Studien zur Kolner Kirchengeschichte Band 27 Siegburg 1994 S 647 f Alex Roland Secrecy Technology and War Greek Fire and the Defense of Byzantium In Technology and Culture Band 33 4 1992 S 655 679 Normdaten Sachbegriff GND 4232012 4 lobid OGND AKS LCCN sh85057149 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Griechisches Feuer amp oldid 233370466