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Gorgias von Leontinoi altgriechisch Gorgias Gorgias zwischen 490 und 485 v Chr in Leontinoi wohl fruhestens 396 v Chr war ein griechischer Rhetor Rhetoriklehrer und Philosoph Er wurde schon in der Antike mitunter zu den Sophisten gezahlt doch in der Forschung ist diese Einordnung die von der Bestimmung des Begriffs Sophistik abhangt umstritten Bekannt war Gorgias vor allem als Redner und Lehrer der Rhetorik Fur sein philosophisches Hauptwerk sind die Titel Uber das Nichtseiende und Uber die Natur uberliefert Hier vertritt er einen vielleicht nur als Parodie gemeinten radikalen Skeptizismus dem zufolge nichts existiert und nichts erkannt werden kann Die Uberlieferungslage ist schlecht die meisten Werke des Gorgias sind verloren gegangen Vollstandig erhalten sind die Reden Lobrede auf Helena und Verteidigung fur Palamedes Bekannt ist der platonische Dialog Gorgias in dem Gorgias als Gesprachspartner des Sokrates auftritt Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werke 2 1 Abhandlungen 2 2 Reden 3 Lehre 3 1 Erkenntnistheorie und Ontologie 3 2 Rhetorik 4 Ausgaben und Ubersetzungen 5 Literatur 6 Weblinks 7 AnmerkungenLeben BearbeitenGorgias Vater hiess Charmantides 1 sein Bruder war Arzt und hiess Herodikos 2 Er blieb unverheiratet und reiste viel 3 Auf seinen Reisen die ihn unter anderem nach Athen Olympia Boiotien Argos und Larisa fuhrten war er nicht nur als Gesandter seiner Heimatstadt unterwegs sondern hielt auch offentliche Reden und erteilte privaten Unterricht Vor allem mit seinem Unterricht nahm er hohe Summen ein in der im 2 Jahrhundert verfassten Reisebeschreibung des Pausanias erzahlt dieser von einer goldenen Statue des Gorgias die er in Delphi gesehen habe und die Gorgias selbst bezahlt habe 4 Im Jahr 427 v Chr sprach Gorgias als Fuhrer einer Gesandtschaft vor den versammelten Burgern Athens in der Ekklesia um im Namen Leontinois um Kriegsunterstutzung gegen Syrakus zu bitten Seine Rede soll Bewunderung erregt haben 5 Gorgias soll von dem Rhetoriker Teisias aus Syrakus und von Empedokles beeinflusst worden sein Wie letzterer soll auch Gorgias purpurfarbene Roben nach priesterlicher Art getragen haben Ein Schuler des Gorgias war wahrscheinlich Isokrates auf dessen Grabtafel eine Szene dargestellt war in der Gorgias ihn uber ein astronomisches Spharenmodell unterrichtet 6 Auch Polos von Akragas gilt als sein Schuler Bereits in der Antike wurde Gorgias als Sophist bezeichnet von Flavius Philostratos sogar als Vater der sophistischen Kunst angesehen 7 Allerdings erscheint er bei Platon nicht als Sophist sondern wird nur Lehrer der Tugend aretḗ genannt 8 andere bezeichnen ihn schlicht als Redner rhḗtōr Daher sehen ihn diejenigen Forscher die den Begriff des Sophisten eng fassen nicht als Sophisten an Die Mehrheit allerdings betrachtet ihn als einen Hauptvertreter der Sophistik 9 Werke BearbeitenVon den zahlreichen Schriften des Gorgias kennt man von elf den Titel Bruchstucke des Inhalts oder den vollstandigen Inhalt Vollstandig erhalten sind zwei Reden die Lobrede auf Helena und die Verteidigungsrede fur Palamedes Die elf Schriften sind 10 Abhandlungen Bearbeiten Uber das Nichtseiende oder Uber die Natur Peri tou mḕ ontos ḕ Peri physeōs Bruchstucke dieser Schrift mit zwei verschiedenen Titeln sind in zwei antiken Berichten uberliefert 11 deren Quellen unbekannt sind Der Originalwortlaut der Schrift des Gorgias ist wohl in beiden Berichten nicht wiedergegeben Die Schrift entstand wahrscheinlich zwischen 444 v Chr und 441 v Chr Handwerk Techne Die Existenz dieser Schrift ist nicht sicher wird aber allgemein angenommen Gemeint ist das handwerkliche Rustzeug des Redners Begriffslexikon Onomastikon Uber dieses Werk ist nichts bekannt ausser dass es Iulius Pollux in seinem eigenen Onomastikon in der Vorrede zum 9 Buch erwahnt Ein fruhes Werk uber Optik Die Existenz dieser Schrift wird aufgrund des Inhalts einiger Fragmente angenommen Reden Bearbeiten Leichenrede Epitaphios Die Rede ist wahrscheinlich zwischen 427 v Chr und 423 v Chr entstanden Da es vermutlich nur athenischen Burgern erlaubt war offentlich die jahrliche Leichenrede fur die gefallenen Athener vorzutragen ist vermutet worden dass es sich um eine Musterrede handelt Eines der erhaltenen Zitate fordert die Einheit der Griechen gegen die sogenannten Barbaren alle Nicht Griechen Was Gorgias an den Toten lobt ist auf sein vermutetes Erziehungsprogramm ubertragen worden Schlagworte sind gottartige Tuchtigkeit das Schickliche das Gebotene wo es geboten ist das Nutzliche das Angemessene und die Sehnsucht Auch finden sich Anklange an den von vielen Sophisten vertretenen Gegensatz zwischen der ursprunglichen Natur und dem Gesetz des Staats an das der Situation Angemessene und an den Vorrang des Nutzlichen vor dem Gesetz Olympische Rede Olympikos logos Diese nicht datierbare Rede hielt Gorgias wahrend der Olympischen Spiele Wieder ging es unter anderem um die Einheit der Griechen gegen die Barbaren auch lobt Gorgias die Veranstalter d h Sponsoren der Festversammlungen Rede bei den pythischen Spielen in Delphi Pythikos logos Diese Rede von der nichts erhalten ist hielt Gorgias wahrend der nach den Olympischen Spielen zweiten grossen panhellenischen Spiele den pythischen Spielen Lobrede auf die Bewohner von Elis Enkṓmion es Eleious Von dieser Rede ist nur der erste Satz bekannt Elis eine gluckliche Stadt Lobrede auf Achilles Achilleōs enkṓmion Ob es diese Rede wirklich gab ist nicht sicher Lobrede auf Helena Enkṓmion eis Eleious Diese mittlerweile allgemein als echt angesehene Rede die in zwei verschiedenen Handschriften uberliefert ist hat Gorgias vermutlich im spaten 5 Jahrhundert v Chr verfasst Ihr Ziel ist zu zeigen dass Helena Paris schuldlos nach Troja gefolgt sei Moglicherweise handelt es sich um eine rhetorische Ubungsschrift Verteidigung fur Palamedes Yper Palamḗdous Die in einer Handschrift vollstandig erhaltene Rede soll Palamedes gegenuber seinem Gegenspieler Odysseus verteidigen wozu Gorgias verschiedene rhetorische Techniken und logische Beweise wie den apagogischen Beweis anwendet Lehre BearbeitenErkenntnistheorie und Ontologie Bearbeiten Der bedeutendste Beitrag des Gorgias zur Philosophie ist die Schrift Uber das Nichtseiende oder Uber die Natur die sich wahrscheinlich gegen die Ansichten uber das Seiende von Melissos und Parmenides gerichtet hat Gorgias vertritt dort erkenntnistheoretische und ontologische Positionen Seine drei Hauptannahmen sind erstens dass weder das Seiende noch das Nichtseiende existiert zweitens dass wenn das Seiende doch existiert es fur den Menschen nicht erkennbar ist drittens dass wenn es doch erkennbar ist diese Erkenntnis anderen Menschen nicht mitgeteilt werden kann Die Schrift ist sehr unterschiedlich interpretiert worden So wurde Gorgias als Vertreter eines radikalen Skeptizismus oder Nihilismus angesehen dem zufolge nichts existiert und der die Moglichkeit von Erkenntnis uberhaupt ausschliesst Andere Forscher sehen in den radikalen Thesen des Gorgias lediglich eine Kritik an der eleatischen Annahme eines absoluten Seins die nicht ausschliesst dass Sinneswahrnehmungen moglich sind Wieder andere konnen sich das ernsthafte Vertreten eines volligen Nihilismus nicht vorstellen und sehen in der Schrift eine rhetorische Parodie der Philosophie oder einzelner Philosophen 12 In seinem Dialog Menon behandelt Platon kurz Gorgias Wahrnehmungstheorie 13 die laut Platon Annahmen des Empedokles ubernimmt Gorgias und Empedokles nahmen erstens Ausflusse aporroai an die von allem was ist vom wahrzunehmenden Objekt ausgehen die Formen schḗmata und zweitens Poren poroi durch die die Ausflusse ins wahrnehmende Subjekt gelangen Die ausfliessenden Formen durfen nicht zu gross oder zu klein sein sondern mussen genau in die Poren passen So passen verschiedene Formen in verschiedene Sinnesorgane Manche werden mit den Augen andere mit den Ohren und der Nase wahrgenommen Rhetorik Bearbeiten Man nimmt an dass Gorgias sowohl theoretischen wie praktischen Rhetorikunterricht gab 14 Er trug entscheidend zur Entwicklung einer rhetorischen Kunstprosa bei indem er um die Wirkung der Rede zu erhohen auch fur sie in gewissen Grenzen eine poetische Ausdrucksweise forderte und die Anwendung bestimmter stilistischer Schmuckmittel gorgianische Figuren verlangte Fur die Kunstprosa stellte er formale Regeln auf Fur Satze die sich entsprechen sollten forderte er inhaltlich und formal gleichgebaute d h gleiche Silbenzahl im Umfang einander genau entsprechende parallele Satzglieder Isokolon die nach Moglichkeit in gegensatzlicher Beziehung als Antithese zueinander stehen Fur den Schluss eines Satzes oder Abschnitts verlangte er bestimmte Rhythmen die durch gleichen Lautausgang entstehen Homoioteleuton Ausserdem sollten die Satzschlusse als Klauseln rhythmisch gestaltet werden Wie es bei den Sophisten ublich war verwendete er in seiner Argumentation paradoxe Wendungen und spitzfindige Argumente Mit dieser neuen Art der Rhetorik fand er grossen Anklang und wurde zu einem gefeierten Vorbild Neben Prunk und Festreden u a die Leichenrede auf die im Peloponnesischen Krieg gefallenen Athener verfasste er zu Unterrichtszwecken Musterdeklamationen Ausgaben und Ubersetzungen BearbeitenThomas Buchheim Hrsg Gorgias von Leontinoi Reden Fragmente und Testimonien 2 Auflage Meiner Hamburg 2012 ISBN 978 3 7873 2278 7 Text Ubersetzung und Kommentar Francesco Donadi Hrsg Gorgias Helenae encomium Petrus Bembus Gorgiae Leontini in Helenam laudatio De Gruyter Berlin 2016 ISBN 978 3 11 031635 3 kritische Edition Jonas Schollmeyer Gorgias Lobrede auf Helena literaturgeschichtliche Untersuchungen und Kommentar Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte Band 143 De Gruyter Berlin Boston 2020 ISBN 978 3 11 064390 9 Edition mit deutscher Ubersetzung ausfuhrlicher Einleitung und wissenschaftlichem Kommentar Gustav Adolf Seeck Hrsg Die griechische Literatur in Text und Darstellung Band 2 Klassische Periode I Reclam Stuttgart 1986 ISBN 3 15 008062 2 S 358 371 Lob der Helena griechischer Text und deutsche Ubersetzung Literatur BearbeitenUbersichtsdarstellungen George B Kerferd Hellmut Flashar Gorgias aus Leontinoi In Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 2 1 Schwabe Basel 1998 ISBN 3 7965 1036 1 S 44 51 Michel Narcy Marie Christine Hellmann Gorgias de Leontinoi In Richard Goulet Hrsg Dictionnaire des philosophes antiques Band 3 CNRS Editions Paris 2000 ISBN 2 271 05748 5 S 486 491 Thomas Paulsen Gorgias von Leontinoi In Bernhard Zimmermann Hrsg Handbuch der griechischen Literatur der Antike Band 1 Die Literatur der archaischen und klassischen Zeit Beck Munchen 2011 ISBN 978 3 406 57673 7 S 428 432 Hans Georg von Manz Gorgias aus Lentinoi In Werner E Gerabek u a Hrsg Enzyklopadie Medizingeschichte De Gruyter Berlin New York 2005 ISBN 3 11 015714 4 S 504 Untersuchungen Bruce MacComiskey Gorgias and the new sophistic rhetoric Southern Illinois University Press Carbondale Illinois 2002 ISBN 0 8093 2397 4 Giuseppe Mazzara Gorgia La retorica del verosimile Academia Verlag St Augustin 1999 ISBN 3 89665 057 2 Stefania Giombini Gorgia epidittico Commento filosofico all Encomio di Elena all Apologia di Palamede all Epitaffio Aguaplano Passignano sul Trasimeno 2012 ISBN 978 88 97738 12 1Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Gorgias von Leontinoi im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek C Francis Higgins Eintrag in J Fieser B Dowden Hrsg Internet Encyclopedia of Philosophy Textauswahl zu Gorgias auf www gottwein deAnmerkungen Bearbeiten Pausanias Beschreibung Griechenlands 6 17 7 Diels Kranz Die Fragmente der Vorsokratiker 82A7 Platon Gorgias 448b und 456b Isokrates Antidoseos Rede 156 Diels Kranz Die Fragmente der Vorsokratiker 82A18 Pausanias Beschreibung Griechenlands 10 18 7 Diels Kranz Die Fragmente der Vorsokratiker 82A7 Leicht unterschiedlich berichten davon auch Marcus Tullius Cicero De oratore 3 32 129 Diels Kranz Die Fragmente der Vorsokratiker 82A7 sowie Athenaios Plinius der Altere und Valerius Maximus Vgl Thomas Pekary Phidias in Rom Beitrage zum spatantiken Kunstverstandnis Wiesbaden 2007 S 101f Diodoros 12 53 Diels Kranz Die Fragmente der Vorsokratiker 82A4 Pseudo Plutarch Vitae decem oratorum X 838d Diels Kranz Die Fragmente der Vorsokratiker 82A17 Flavius Philostratos Vitae sophistarum 1 9 1 Diels Kranz Die Fragmente der Vorsokratiker 82A1 Platon Menon 95c George B Kerferd Hellmut Flashar Gorgias aus Leontinoi In Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 2 1 Schwabe Basel 1998 S 44 51 Siehe dazu George B Kerferd Hellmut Flashar Gorgias aus Leontinoi In Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 2 1 Basel 1998 S 44 51 hier 45 48 Pseudo Aristoteles De Melisso Xenophane Gorgia 979a 980b und Sextus Empiricus Adversus mathematicos 7 65 7 87 George B Kerferd Hellmut Flashar Gorgias aus Leontinoi In Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 2 1 Basel 1998 S 44 51 hier 50 f Platon Menon 76c 76e Diels Kranz Die Fragmente der Vorsokratiker 82A7 George B Kerferd Hellmut Flashar Gorgias aus Leontinoi In Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 2 1 Basel 1998 S 44 51 hier 48 Normdaten Person GND 118696521 lobid OGND AKS LCCN n82106049 VIAF 305414374 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Gorgias von LeontinoiKURZBESCHREIBUNG griechischer Philosoph und einer der Hauptvertreter der SophistikGEBURTSDATUM um 480 v Chr GEBURTSORT LeontinoiSTERBEDATUM um 396 v Chr Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gorgias von Leontinoi amp oldid 228170020