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Aceratherium ist eine ausgestorbene Gattung der Nashorner die vor allem vom Unteren bis zu Beginn des Oberen Miozan vor 23 bis 7 Millionen Jahren in Europa und Asien lebte Sie ist durch schlanke und recht kurze Gliedmassen charakterisiert wobei das Hauptmerkmal aber ein fehlendes oder nur sehr klein ausgebildetes Horn ist Die Ausbildung der Zahne lasst auf einen spezialisierten Pflanzenfresser mit Bevorzugung weicher Pflanzenkost schliessen AceratheriumOberkiefer von AceratheriumZeitliches AuftretenUnteres bis Oberes Miozan Aquitanium bis Tortonium 23 bis 7 Mio JahreFundorteAsien EuropaSystematikHohere Saugetiere Eutheria LaurasiatheriaUnpaarhufer Perissodactyla RhinocerotoideaNashorner Rhinocerotidae AceratheriumWissenschaftlicher NameAceratheriumKaup 1832 Inhaltsverzeichnis 1 Merkmale 2 Fundorte 3 Palaobiologie 4 Systematik 5 Stammesgeschichte 6 EinzelnachweiseMerkmale Bearbeiten nbsp Lebendrekonstruktion von Aceratherium von Heinrich Harder 1920Aceratherium umfasst mittelgrosse bis grosse Vertreter der Nashorner Einzelne Mitglieder dieser Gattung erreichten eine Kopf Rumpf Lange von rund 230 cm bei einer Schulterhohe von 100 bis 120 cm Damit lag Aceratherium eher im Grossenbereich des heutigen Sumatra Nashorns Dicerorhinus sumatrensis der kleinsten rezenten Nashornart Das Gewicht wird fur die fruhen Angehorigen von Aceratherium mit rund 1 t angegeben spatere waren aber deutlich schwerer 1 Die Vertreter zeichneten sich durch einen schlanken und weniger robusten Korperbau aus 2 3 Der Schadel wurde etwa 45 bis 58 cm lang und war schmal und hoch Das Hinterhauptsbein besass eine rechtwinklige und kurze Form Das Nasenbein zeigte einen geraden und kurzen Verlauf und besass teilweise eine kleine aufgeraute Flache an der Nasenspitze als Ansatzstelle eines sehr kleinen Hornes Ausserdem lag das Nasenbein weit uber dem Mittelkieferknochen und war nicht mit diesem verbunden Dadurch entstand ein sehr grosser Naseninnenraum mit einer nur kurzen Distanz zu den Augenhohlen Die Stirnlinie zwischen Hinterhaupts und Nasenbein war meist geradlinig gestaltet teilweise wies sie aber uber den Augen einen leichten Buckel auf 4 3 1 Der 40 bis 49 cm lange Unterkiefer war schmal aber kraftig gebaut und besass eine ebenfalls bis moderat schmale Symphyse welche bis zum vorletzten oder letzten Pramolaren reichte Der Unterkieferkorper erreichte unterhalb des letzten Backenzahns eine Hohe von gut 8 cm Die Zahnanzahl war nur leicht reduziert vor allem im vorderen Gebiss Die Zahnformel fur ein erwachsenes Tier lautete 1 0 4 3 2 0 4 3 displaystyle frac 1 0 4 3 2 0 4 3 nbsp 3 Der untere aussere Schneidezahn I2 besass eine dolchartig spitze und deutlich gekrummte Form und konnte bis uber 3 cm lang werden wobei er schrag nach oben ragte 5 die restlichen waren meisselartig gestaltet Zur hinteren Bezahnung bestand ein mittelgrosses Diastema Die Backenzahne wiesen eine niedrige Zahnkrone brachyodont auf Dabei waren die Pramolaren wenig molarisiert das heisst ihr Aussehen wich von dem der Molaren noch deutlich ab Allerdings zeigten sich durch Verbreiterungen der Kauoberflachen schon Tendenzen zu einer starkeren Molarisierung Grosster Zahn im Gebiss war der zweite Molar der fasst 6 cm Lange erreichte 1 6 7 Die Wirbelsaule setzte sich aus sieben Hals 17 Brust vier Lenden funf Kreuzbein und 21 Schwanzwirbel zusammen wobei die Anzahl bei letzteren als Minimum angesehen wird 3 Die Gliedmassen waren teils gekurzt aber noch nicht so stark reduziert waren wie beim spateren Chilotherium Der Oberarmknochen wurde bis zu 30 cm lang die Elle bis 33 cm Die Vorderbeine endeten in vier Zehen wobei der Mittelstrahl Metacarpus III mit bis zu 12 cm Lange wie bei allen Unpaarhufern am starksten ausgebildet war Die seitlich ansetzenden Zehen waren schlanker und standen seitlich ab Der am Vorderfuss auftretende vierte Zeh Metacarpus V wies dagegen eine deutlich reduzierte Lange auf die allerdings innerhalb der Gattung Aceratherium variierte Die vierzehigen tetradactylen Vorderfusse zeigen die urtumlichere Stellung dieser Nashorngruppe gegenuber dem verwandten Chilotherium auf Der Oberschenkelknochen konnte eine Lange von 37 cm erreichen das Schienbein von 28 cm Die Hinterbeine endeten wie bei den heutigen Nashornern in drei Zehen auch hier war der mittlere Strahl Metatarsus III mit 10 cm Lange am starksten geformt 4 3 1 Fundorte Bearbeiten nbsp Unterkiefer von AceratheriumAceratherium gehort zu den haufigsten Nashornfunden aus dem Miozan in Eurasien wobei in diese Nashorngattung in Ostasien moglicherweise nicht auftritt Gefunden werden in der Regel nur einzelne Knochenfragmente oder Zahnreste Zwei sehr gut erhaltene beinahe vollstandige Skelette stammen aus dem Vulkangebiet Howenegg im sudlichen Baden Wurttemberg die in den 1950er Jahren gefunden wurden 3 Weitere Funde in Deutschland sind unter anderem aus Dorn Durkheim in Hessen und Steinheim an der Murr in Baden Wurttemberg bekannt 5 Aus Osterreich wurden einzelne Skelettelemente aus Atzeldorf bei Gaweinstal berichtet 2 weitere Funde ein Unterkiefer Molar sowie ein Metapodium konnten bei Gaweinstal direkt geborgen werden 8 Aus Tschechien sind Reste von Tuchorice beschrieben worden 6 Bedeutend sind vor allem auch Funde aus Spanien die sowohl einzelne Zahnreste 5 als auch mehr oder weniger vollstandige Skelettreste umfassen Zahlreiche Funde stammen dabei aus der Umgebung von Madrid und Guadalajara 1 Uberaus bedeutend sind auch Funde aus der Dhok Pathan Formation in den Siwaliks in Pakistan 9 Ein vollstandiger Schadel mit zugehorigem Unterkiefer konnte in Tha Chang in der thailandischen Provinz Nakhon Ratchasima entdeckt werden der zudem zu den jungsten Funden von Aceratherium gehort 7 Palaobiologie BearbeitenDie schlanken aber relativ kurzen Beine stellen eine Anpassung an eher offene Waldlandschaften dar ermoglichten jedoch keine ausdauernde Fortbewegung Die niedrigen Zahnkronen geben Hinweise auf eine bevorzugte weiche Pflanzenkost wie Blatter oder Zweige als Nahrungsgrundlage Diese wurde aber nicht vom Boden aufgenommen da der Kopf aufgrund seines Aufbaus deutlich horizontal getragen wurde und die vergleichsweise zu Chilotherium langen Beine den Untergrund schwerer erreichen liessen Am Maul war moglicherweise wie bei den heutigen blattfressenden Nashornern eine sehr bewegliche spitze Oberlippe ausgebildet die aufgrund des fehlenden bzw nur sehr kleinen Hornes wohl noch wesentlich mobiler war Die horizontale Kopfhaltung brachte auch die unteren Schneidezahne in eine frontale Position so dass diese gegebenenfalls als Waffe eingesetzt werden konnten 4 3 Systematik BearbeitenInnere Systematik der Aceratheriinae nach Lu et al 2023 10 Aceratheriinae Floridaceras Diaceratherium Aprotodon Mesaceratherium Galushaceras Chilotheridium Plesiaceratherium Dromoceratherium Teleoceratini Alicornops Prosantorhinus Brachypotherium Teleoceras Aceratheriini Persiatherium Subchilotherium Hoploaceratherium Acerorhinus Aphelops Aceratherium Peraceras Chilotherium ShansirhinusVorlage Klade Wartung Style nbsp Johann Jakob Kaup 1803 1873 Die Gattung Aceratherium gehort innerhalb der Familie der Nashorner Rhinocerotidae zur Unterfamilie der Aceratheriinae die eine Vorlauferform der stammesgeschichtlich moderneren Rhinocerotinae mit den heutigen Nashornern darstellt Die Gruppe lasst sich bis ins Oligozan vor 32 Millionen Jahren zuruckverfolgen 11 Charakterisiert werden die Aceratheriinae durch das gerade verlaufende aber schwach ausgepragte Nasenbein das typischerweise keine oder nur gering entwickelte Ansatzstellen fur Horner aufweist und die deutlich gekurzten Gliedmassen Innerhalb der Aceratheriinae bilder die Gattung einen Teil der Tribus der Aceratheriini zu denen auch das nah verwandte Chilotherium gestellt wird Letzteres ist aber deutlich fortentwickelter und weist neben einem starker reduzierten Gebiss auch wesentlich kurzere Gliedmassen mit nur drei Zehen tridactyl an den Vorderbeinen auf Das Schwestertaxon der Aceratheriini bilden die Teleoceratini mit Teleoceras aus dem spaten Miozan Nordamerikas und dem auch in Eurasien auftretenden riesigen Brachypotherium 6 4 12 Es wurden mehrere Arten von Aceratherium beschrieben heute anerkannt sind zwei 7 A incisivum Cuvier 1822 A porpani Deng Hanta amp Jintasakul 2013Umstritten ist die Eigenstandigkeit der Art A depereti Borissiak 1927 Unter der Voraussetzung dass Alicornops als Untergattung von Aceratherium zu werten ist wie es 1979 von Claude Guerin und Leonard Ginsburg angemahnt wurde 13 mussen folgende Arten noch hinzugezahlt werden A simorrense Lartet amp Laurillard 1848 A pauliacense Richard 1937 Diese im Unter und Mittelmiozan verbreiteten Vertreter zeigen kaum Unterschiede im Zahnaufbau mit Ausnahme des teilweise deutlich langeren unteren zweiten Schneidezahns Ausserdem sind sie durch einen weitgehend schmaleren Schadel mit deutlichen Hinweisen auf ein kleines Nasalhorn gekennzeichnet 2 Die vor allem aus den Siwaliks in Pakistan mehrfach beschriebenen Aceratherium Arten sind teils unterschiedlich bewertet worden Das von Guy Ellcock Pilgrim 1910 eingefuhrte A bugtiense wurde schon fruh als ubereinstimmend mit dem Nashornartigen Paraceratherium erkannt 14 wahrend A blanfordi jungst der Gattung Pleuroceros zugewiesen wurde 15 Weitere beschriebene Arten wie A perimense werden nun Brachypotherium zugeordnet 16 wahrend die einst ostasiatischen Formen A zernowi A tsaidamense A hipparionum heute zu Acerorhinus gestellt werden Die sudosteuropaische Form A kiliasi ist daruber hinaus in Chilotherium eingegliedert worden 17 die mitteleuropaische Form A kuntneri in Molassitherium 11 Die ursprunglich als nordamerikanischer Vertreter angesehene Art A acutum ist identisch mit Teleoceras fossiger 12 Der afrikanische Vertreter A acutirostratum gehort heute zu Turkanatherium 18 Der Gattungsname Aceratherium wurde 1832 von Johann Jakob Kaup 1803 1873 anhand von mehreren Funden aus dem Grossherzoglichen Museum in Darmstadt eingefuhrt Bereits ein Jahrzehnt zuvor hatte Georges Cuvier basierend auf einigen Zahnfunden die Art Rhinoceros incisivus beschrieben welche unter der heutigen Bezeichnung A incisivum als Typusart gilt Der Name Aceratherium setzt sich aus den griechischen Wortern a a nicht keras keras Horn und 8hrion therion Tier zusammen und bezieht sich auf das fehlende oder nur sehr kleine Horn In einer Studie im gleichen Jahr hatte Kaup bereits zwei weitere Schadelfunde aus Eppelsheim in Hessen als zu Cuviers Rhinoceros incisivus gehorig beschrieben vermerkte aber die fehlenden Hornansatzstellen und schrieb dieses Nashorn ware daher das einzige Nashorn das seinen Gattungs Namen mit Unrecht fuhrt 19 Stammesgeschichte BearbeitenAceratherium trat unter Einbeziehung der Untergattung Alicornops erstmals vor 23 Millionen Jahren in Europa auf zu den altesten Fundstellen gehort Paulhiac in Frankreich Diese Vertreter waren noch recht klein In Deutschland ist die Nashorngattung erstmals vor 13 Millionen Jahren nachgewiesen und wurde unter anderem in Steinheim an der Murr gefunden Im Laufe ihrer Stammesgeschichte wurde die Aceratherium Vertreter immer grosser Letztmals kam sie vor neun Millionen Jahren vor Zu den jungsten Funden in Europa sind jene von Montredon in Frankreich zu zahlen die etwa 9 Millionen Jahre alt sind 2 4 Etwas junger mit 7 Millionen Jahre ist der Schadelfund aus Tha Chang in Thailand 7 Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e Esperanza Cerdeno und Begona Sanchez Intraspecific variation and evolutionary trends of Alicornops simorrense Rhinocerotidae in Spain The Norwegian Academy of Science and Letters Zoologica Scripta 29 4 Oktober 2000 S 275 305 a b c d Kurt Heissig The early Vallesian vertebrates of Atzelsdorf Late Miocene Austria 11 Rhinocerotidae and Chalicotheriidae Perissodactyla Annalen des Naturhistorischen Museums zu Wien 111 A 2009 S 619 634 a b c d e f g Karl Alban Hunermann Rekonstruction des Aceratherium Mammalia Perissodactyla Rhinocerotidae aus dem Jungtertiar vom Howenegg Hegau Baden Wurttemberg Zeitschrift fur Geologische Wissenschaften 10 7 1982 S 929 942 a b c d e Kurt Heissig Family Rhinocerotidae In Gertrud E Rossner und Kurt Heissig The Miocene land mammals of Europe Munchen 1999 S 175 188 a b c David Garcia Fernandez und Esperanza Cerdeno Nuevos datos sobre Aceratherium incisivum Rhinocerotidae del Turoliense de Piera Barcelona y Concud Teruel Butlleti del Centre d Estudis de la Natura del Barcelonas Nord 4 3 1999 S 279 289 a b c Kurt Heissig und Oldrich Fejfar Die fossilen Nashorner Mammalia Rhinocerotidae aus dem Untermiozan von Tuchorice in Nordwestbohmen Sbornik Narodniho Muzea v Praze Acta Musei Nationalis Pragae series B Natural History 63 1 2007 S 19 64 a b c d Tao Deng Rattanaphorn Hanta und Pratueng Jintasakul A new species of Aceratherium Rhinocerotidae Perissodactyla from the late Miocene of Nakhon Ratchasima northeastern Thailand Journal of Vertebrate Paleontology 33 4 2013 S 977 985 Mathias Harzhauser Gudrun Daxner Hockl Ursula B Gohlich und Doris Nagel Complex faunal mixing in the early Pannonian palaeo Danube Delta Late Miocene Gaweinstal Lower Austria Annalen des Naturhistorischen Museums zu Wien A 113 2011 S 167 208 M A Khan A M Khan U Farooq M Iqbal und M Akhtar Aceratherium from the Dhok Pathan Formation of the Middle Siwaliks Pakistan The Journal of Animal amp Plant Sciences 19 1 2009 S 50 53 Xiao Kang Lu Tao Deng und Luca Pandolfi Reconstructing the phylogeny of the hornless rhinoceros Aceratheriinae Frontiers in Ecology and Evolution 11 2023 S 1005126 doi 10 3389 fevo 2023 1005126 a b Damien Becker Pierre Olivier Antoine und Olivier Maridet A new genus of Rhinocerotidae Mammalia Perissodactyla from the Oligocene of Europe Journal of Systematic Palaeontology 11 8 2013 S 947 972 doi 10 1080 14772019 2012 699007 a b Donald R Prothero The evolution of North American rhinoceroses Cambridge University Press 2005 Leonard Ginsburg und Claude Guerin Sur l origine et l extension stratigraphique du petit rhinocerotide miocene Aceratherium Alicornops simorrense Lartet 1851 nov subgen Compte Rendu Sommaire des Seances de la Societe de Geologie de France 3 1979 S 114 116 Clive Forster Cooper Paraceratherium bugtiense a new Genus of Rhinocerotidae from the Bugti Hills of Baluchistan preliminary notice The Annals and Magazine of Natural History 8 1911 S 711 716 Pierre Olivier Antoine Kevin F Downing Jean Yves Crochet Francis Duranthon Lawrence J Flynn Laurent Marivaux Gregoire Metais Abdul Rahim Rajpar und Ghazala Roohi A revision of Aceratherium blanfordi Lydekker 1884 Mammalia Rhinocerotidae from the Early Miocene of Pakistan postcranials as a key Zoological Journal of the Linnean Society 160 2010 S 139 194 Zin Maung Maung Thein Masanaru Takai Takehisa Tsubamoto Naoko Egi Thaung Htike Takeshi Nishimura Maung Maung und Zaw Win A review of fossil rhinoceroses from the Neogene of Myanmar with description of new specimens from the Irrawaddy Sediments Journal of Asian Earth Sciences 37 2010 S 154 165 Deng Tao A primitive species of Chilotherium Perissodactyla Rhinocerotidae from the Late Miocene of the Linxia Basin Gansu China Cainozoic Research 5 1 2 2006 S 93 102 Denis Geraads Rhinocerotidae In L Werdelin und D J Sanders Hrsg Cenozoic Mammals of Africa Berkeley 2010 S 669 683 Johann Jakob Kaup Uber Rhinoceros incisivus Cuv und eine neue Art Rhinoceros Schleiermacheri Isis von Oken 25 1832 S 898 904 900 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Aceratherium amp oldid 233898782