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Zwischenwesen englisch Intermediary Being ist eine religionswissenschaftliche Sammelbezeichnung fur alle Wesen die im Weltbild der an sie Glaubenden hierarchisch zwischen Gottern und Menschen verortet sind 1 2 3 Das Konzept wird insbesondere in der vergleichenden Religionswissenschaft verwendet Wahrend die altere Forschung versucht hatte eine homogene Universalgeschichte der als Geister bzw Damonen zusammengefassten Wesen zu schreiben lehnt die heutige Religionswissenschaft dies als zum Scheitern verurteilt 4 ab und nutzt das Klassifizierungsschmema Zwischenwesen stattdessen als Hilfsmittel zur Beschreibung im interkulturellen Vergleich Dieses 1730 entstandene Deckenfresko in der Klosterkirche Vornbach zeigt den Hollensturz Die christlich dualistische Unterscheidung zwischen guten Engeln und bosen Damonen ist von der wissenschaftlichen Religionsforschung lange unreflektiert ubernommen worden In die Kategorie Zwischenwesen fallen so unterschiedliche Wesen wie Engel Heroen Nymphen Kobolde Feen und Vampire eine inhaltliche Gesamtdarstellung des Themenbereiches ware daher sehr schwierig 5 In der Fachliteratur existieren Darstellungen zu den Zwischenwesen bestimmter Kontexte etwa der mesopotamischen Religionen 6 7 des antiken Judentums 8 des christlichen Mittelalters 9 und der westlichen Esoterik 10 Zwischenwesen im religionswissenschaftlichen Sinn sind nicht zu verwechseln mit Mischwesen Inhaltsverzeichnis 1 Theoretischer Hintergrund 1 1 Klassische Theorien 1 2 Neuere Ansatze 2 Literatur 3 EinzelnachweiseTheoretischer Hintergrund BearbeitenKlassische Theorien Bearbeiten Die fruhe Religionsforschung des 19 Jahrhunderts stellte Theorien auf mit denen die christliche Trennung zwischen Gott und geringeren Geistern zu einer universalen d h angeblich in allen Kulturen vorhandenen Unterscheidung erhoben wurde Besonders einflussreich wurde hier die von Edward B Tylor Primitive Culture 1871 aufgestellte Animismus Theorie Der zufolge finde sich diese Trennung bereits bei den rohesten Religionen der niederen Rassen 11 Bald darauf wurden allerdings evolutionistische Theorien popular Autoren wie Cornelis Petrus Tiele James George Frazer Eduard Meyer Wilhelm Wundt und Lucien Levy Bruhl gingen davon aus dass die personalisierte Gottesvorstellung ein Merkmal hoher entwickelter Kulturen sei wahrend die primitiven aussereuropaischen Volker nur vage unpersonliche Geister verehren wurden Dieser Ansatz erhob das liberale Christentum bzw liberale Judentum dem diese Forscher selbst anhingen zur quasi per Naturgesetz besten Religion 12 Solche Theorien einer universalen Gotter Geister Unterscheidung werden aufgrund ihrer evolutionistischen und apologetischen Grundlagen in der heutigen wertneutralen Religionswissenschaft abgelehnt 13 Nathan Soderblom Rudolf Otto und andere Religionsphanomenologen des 20 Jahrhunderts waren wieder vom Evolutionismus abgeruckt und hatten angenommen dass sich durch die Erfahrung eines von ihnen postulierten Numen bei allen Volkern der Glaube sowohl an Geister wie auch an Gotter entwickelt habe 14 Religionsphanomenologen wie Gerardus van der Leeuw und Gustav Mensching fuhrten die Unterscheidung in gute Engel und bose Damonen als angeblich universale Kategorie aller Religionen ein In ihren Werken rechneten sie etwa einerseits Odins Raben und Fylgjur den Engeln zu andererseits Nixen und Trolle den Damonen Diese Theorie wurde in Standardwerke wie die Theologische Realenzyklopadie 1982 ubernommen 15 Auch zeitgenossische religiose Stromungen griffen den universalisierten Engelsbegriff aus der Wissenschaft auf so haben etwa Vertreter der Engel Renaissance wie Peter Lamborn Wilson indische Dakinis als Engel mit eingeschlossen 16 Diese universalisierte Engel Damonen Unterscheidung wird von der heutigen kulturwissenschaftlichen Religionswissenschaft als euro bzw christozentrische Verzerrung und Vereinnahmung von vor bzw ausserchristlichen Religionen abgelehnt 17 Neuere Ansatze Bearbeiten Der deutsche Religionswissenschaftler Gregor Ahn veroffentlichte 1997 einen Aufsatz in dem er die bisher gebrauchliche universalisierte Engel Damonen Unterscheidung kritisiert und versucht ein angemesseneres Klassifikationsschema zu entwerfen Er legt dar dass die Vorstellung von Engeln und Damonen in den abrahamitischen Religionen aus denen sie stammt zwei Funktionen erfullt Erstens uberbrucken diese Wesen den Abstand zur ansonsten als unerreichbar transzendent vorgestellten Schopfergottheit und helfen so das gottliche und bose gegengottliche Eingreifen in die Weltgeschichte und in das personliche Leben zu erklaren Zweitens schwacht diese Vorstellung das Theodizeeproblem ab indem es nicht den guten Gott sondern eine Vielzahl widerstreitender guter Engel und boser Damonen fur das konkrete Weltgeschehen verantwortlich macht 18 Das Konzept der Engel und Damonen ist daher fest mit einem monotheistischen bzw dualistischen Weltbild verbunden In den polytheistischen Religionen gelten die Gotter hingegen meist nicht als der Welt transzendent enthoben ihr Wirken auf die Menschen wird daher als unmittelbar vorgestellt Der Glaube an eine Vielzahl unterschiedlicher Gotter wirft zudem meist nicht das Problem einer dualistischen Ethik und der Theodizee auf Die aus dem Christentum in die Religionswissenschaft ubernommene Engel Damonen Unterscheidung lasst sich daher nicht auf andere Religionen ubertragen Es dennoch zu tun wurde bedeuten diese Religionen mit christlichen Vorannahmen von Transzendenz und Dualismus zu verzerren 19 Daneben macht Ahn ein weiteres Problem aus Eine wissenschaftlich etische Unterscheidung von Wesenheiten in Engel und Damonen wurde teilweise der emischen Terminologie widersprechen beispielsweise den guten Daimones bei Platon und den bosen Engeln in der Gnosis 20 Fur die bisher als Engel bzw Damonen klassifizierten Mittlerwesen schlug Ahn stattdessen den Begriff religiose Grenzganger vor da sich alle diese Wesen funktionalistisch als eine Art Zaunganger von Diesseits und Jenseits als Gratwanderer zwischen Gottern und Menschen einordnen liessen Das Konzept der Grenzganger solle es erlauben diese Wesen sachangemessener zu beschreiben und im Religionsvergleich kontextspezifischer zu unterscheiden 21 Von Bernhard Lang erschien 2001 der Artikel Zwischenwesen im Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe einem Nachschlagewerk das sich zum Ziel gesetzt hatte eine eigene religionswissenschaftliche Fachsprache unabhangig von theologischen Vorannahmen zu begrunden Lang geht davon aus dass innerhalb der Religionen v a zwei Arten vorkamen diese Wesen zu klassifizieren Hierarchische Klassifizierung Hier treten Wesen im Sinne von Ahns Grenzgangern als Bindeglieder in der vertikalen Hierarchie zwischen Menschen und Gott Gottern auf Es liessen sich vier Unterarten unterscheiden 1 Geister d h von den Gottern erschaffene unkorperliche Wesen wie die christlichen Engel und Damonen 2 Der besondere Mensch d h Heilige Schamanen und andere Menschen denen zugeschrieben wird das gewohnliche Menschenmass zu ubersteigen 3 Heroen d h aus einer Verbindung zwischen Menschen und Gottern hervorgegangenen Helden wie sie etwa aus griechischen und mesopotamischen Epen bekannt sind Hektor Gilgamesch 4 Hypostasen d h Seiten einer Gottheit die als selbststandig abgespalten sind etwa die Sephiroth und die Amesa Spenta Nach Lang kann Jesus Christus in dieser Typologie sowohl den Heroen als auch den Hypostasen zugerechnet werden 22 Periphere Klassifizierung Hier treten Wesen in einem Weltbild auf das von den Anhangern horizontal in Zentrum und Peripherie gegliedert wird Das Zentrum wird von Gottern beherrscht wahrend man in den Randzonen Zwischenwesen begegnen konne Bekannte Beispiele seien die Versuchung Jesu in der Wuste und die Versuchung Siddhartha Gautamas durch Mara Auch die Wasserspeier an der Aussenwand von Kirchen wurden dieses Weltbild ausdrucken 23 Franz Winter schlug 2003 eine Unterscheidung der Zwischenwesen in drei Typen vor je nachdem wie ihr Verhalten dem Menschen gegenuber vorgestellt wird Dies solle nicht als eine strenge Typologie verstanden werden sondern als eine Hilfe um das umfangreiche Material ubersichtshalber zu sortieren 24 Positive Zwischenwesen Wesen die den Menschen gegenuber wohlwollend eingestellt sind ihnen gute Ratschlage geben und helfen Beispielsweise die abrahamitischen Engel und die antiken Heroen 25 Neutrale Zwischenwesen Diese Wesen sind den Menschen gegenuber grundsatzlich weder gut noch boswillig Dazu gehoren etwa der alttestamentliche Bote Gottes hebr mal ak jahwe sowie die diversen Wachterfiguren Kerberos Lamassu Sphinx 26 Negative Zwischenwesen Wesen die den Menschen gegenuber ubelwollend eingestellt sind und ihnen schaden wollen Beispielsweise die abrahamitischen Damonen Mara Lilith Werwolfe und Vampire 27 Ohne Verbindung zur hier vorgestellten religionswissenschaftlichen Debatte fuhrte Peter Dinzelbacher den Begriff in die Mediavistik ein Er definiert Zwischenwesen mit so wollen wir jene Lebewesen der Vorstellungswelt nennen die menschliche Zuge oder Gestalt aufweisen ohne aber eindeutig Menschenwesen zu sein 28 Gemeint sind damit Wesen des Volksglaubens wie Feen Riesen Zwerge Wilde Leute und Gespenster Die Engel Damonen und Heiligen der offiziellen kirchlichen Lehre zahlt er nicht zu den Zwischenwesen Literatur BearbeitenGregor Ahn Grenzgangerkonzepte in der Religionsgeschichte Von Engeln Damonen Gotterboten und anderen Mittlerwesen In Gregor Ahn Manfried Dietrich Hrsg Engel und Damonen Theologische anthropologische und religionsgeschichtliche Aspekte des Guten und Bosen Forschungen zur Anthropologie und Religionsgeschichte 29 Ugarit Verlag Munster 1997 ISBN 978 3 927120 31 0 S 1 48 Bernhard Lang Zwischenwesen In Hubert Cancik Burkhard Gladigow Karl Heinz Kohl Hrsg Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe Band V Verlag W Kohlhammer Stuttgart Berlin Koln 2001 ISBN 3 17 011304 6 S 414 440 Franz Winter Zwischenwesen Engel Damonen Geister In Johann Figl Hrsg Handbuch Religionswissenschaft Religionen und ihre zentralen Themen Tyrolia Verlag und Vandenhoeck amp Ruprecht Innsbruck Wien und Gottingen 2003 ISBN 3 7022 2508 0 S 651 662 Einzelnachweise Bearbeiten Lang 2001 S 414 Winter 2003 S 651 Johann Evangelist Hafner Religionswissenschaftliche Kategorienbildung am Beispiel Engel In Michael Stausberg Hrsg Religionswissenschaft Walter de Gruyter Berlin und Boston 2012 ISBN 978 3 11 025892 9 S 155 168 Hier S 161 Winter 2003 S 652 Winter 2003 S 651 Brigitte Groneberg Aspekte der Gottlichkeit in Mesopotamien Zur Klassifizierung von Gottern und Zwischenwesen In Reinhard Gregor Kratz Hermann Spieckermann Hrsg Gotterbilder Gottesbilder Weltbilder Polytheismus und Monotheismus in der Welt der Antike Band I Agypten Mesopotamien Persien Kleinasien Syrien Palastina 2 durchgesehene Auflage Mohr Siebeck Tubingen 2009 ISBN 978 3 16 149886 2 S 131 165 Karen Sonik Mesopotamian Conceptions of the Supernatural A Taxonomy of Zwischenwesen In Archiv fur Religionsgeschichte Band 14 Heft 1 2013 S 103 116 Sara Ronis Intermediary Beings in Late Antique Judaism A History of Scholarship In Currents in Biblical Research Band 14 Heft 1 2015 S 94 120 Peter Dinzelbacher Zwischenwesen des Mittelalters und ihre Symbolik In Hermann Jung Hrsg Symbole des Ubergangs Wesen anderer Spharen Zur Symbolik von Engeln Elfen Hollenwesen Fantasy Gestalten Die Zahlen Symbolik Mythos Magie Symbole Mythen Riten der Landschaft Symbolon Jahrbuch Band 18 Neue Folge Peter Lang Verlag Frankfurt am Main u a 2012 ISBN 978 3 631 62260 5 S 185 206 Roelof van den Broek Claire Fanger Jean Pierre Brach Wouter J Hanegraaff Intermediary Beings I IV In Wouter J Hanegraaff Hrsg Dictionary of Gnosis amp Western Esotericism Volume II Brill Leiden und Boston 2005 ISBN 90 04 14372 6 S 616 631 Lang 2001 S 416 Lang 2001 S 417 Lang 2001 S 418 Lang 2001 S 418 Ahn 1997 S 14 18 Ahn 1997 S 20f Ahn 1997 S 21f Ahn 1997 S 9 12 Ahn 1997 S 13f Ahn 1997 S 26 30 Ahn 1997 S 40f Lang 2011 S 418 421 Lang 421 423 Winter 2003 S 652 Winter 2003 S 652 655 Winter 2003 S 657 659 Winter 2003 S 655 657 Peter Dinzelbacher Zwischenwesen des Mittelalters und ihre Symbolik In Hermann Jung Hrsg Symbole des Ubergangs Wesen anderer Spharen Zur Symbolik von Engeln Elfen Hollenwesen Fantasy Gestalten Die Zahlen Symbolik Mythos Magie Symbole Mythen Riten der Landschaft Symbolon Jahrbuch Band 18 Neue Folge Peter Lang Verlag Frankfurt am Main u a 2012 ISBN 978 3 631 62260 5 S 185 206 Hier S 187 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zwischenwesen amp oldid 234063732