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Euphemistisch als Berlin Marzahn Rastplatz bezeichnete das NS Regime ein Zwangslager in das zwischen 1936 und 1943 ca 1200 Zigeuner in Berlin Marzahn eingewiesen wurden Die erste Verhaftungswelle mit ca 600 Mannern Frauen und Kindern fand am 16 Juli 1936 statt Eine verbreitete Bezeichnung lautete Zigeunerrastplatz Marzahn Das Lager diente der Konzentration d h der raumlich leichteren Kontrolle sowie der Selektion nach rasseideologischen Kriterien der Ausbeutung durch Zwangsarbeit und der Vorbereitung der Deportation in Konzentrationslager und in das Vernichtungslager Auschwitz Birkenau Petra Rosenberg Vorsitzende des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Berlin Brandenburg e V halt eine kurze Rede am Gedenkstein Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte des Lagers 1 1 Vorgeschichte 1 2 Einrichtung des Lagers 1 3 Erste Internierungen 1 4 Verscharfung der Verfolgung 1 5 Lebensbedingungen im Lager 1 6 Rassenforschung und Deportationen 2 Gedenken 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGeschichte des Lagers Bearbeiten nbsp Polizeibewachung des Zwangslagers ein Foto der Rassenhygienischen Forschungsstelle Vorgeschichte Bearbeiten 1934 wenn nicht gar fruher entwickelte das Wohlfahrtsamt Berlin und die Polizei einen Plan zur Zusammenziehung der Zigeuner in einem von der Polizei beaufsichtigen Lager Ab Jahreswechsel 1935 36 unterstutzt auch das Rassenpolitische Amt und die NSDAP den Plan In Berlin Wedding ist der Bezirksburgermeister Rudolf Suthoff Gross die treibende Kraft um Zigeuner aus ihren selbst gewahlten Quartieren und dem offentlichen Raum zu vertreiben 1 Die Vorbereitung der Olympischen Sommerspiele 1936 beschleunigte den Plan Der Reichsinnenminister Wilhelm Frick empfahl mit seinem Runderlass zur Bekampfung der Zigeunerplage vom 6 Juni 1936 von Zeit zu Zeit bezirksweise oder fur ganze Landesteile Razzien auf Zigeuner zu veranstalten und erteilte im weiteren Verlauf dem Berliner Polizeiprasidenten von Helldorff den Auftrag einen Landesfahndungstag nach Zigeunern durchzufuhren Alle jene die von den Behorden als Zigeuner betrachtet wurden gleich ob in ublichen Wohnungen oder im Wohnwagen lebend waren festzunehmen und in einem Lager ausserhalb der Reichshauptstadt zu internieren Eine Rechtsgrundlage gab es dafur nicht 2 3 Uber 600 Menschen wurden in einer Grossaktion am 16 Juli 1936 auf Rastplatzen in Mietwohnungen und Hausern festgenommen Versehentlich festgenommene Menschen die nicht unter die NS Definition von Zigeunern fielen wurden kurz darauf wieder freigelassen 4 1938 waren 852 Menschen Interniert 4 Die Gesamtzahl der Internierten lasst sich fur den Zeitraum 1936 45 auf 1200 schatzen nur 304 Menschen konnten namentlich identifiziert werden da die Aufzeichnungen weitgehend fehlen 5 Einrichtung des Lagers Bearbeiten Ab Mitte der 1930er Jahre entstand eine grossere Zahl von Internierungslagern fur Zigeuner auf kommunale Initiative 6 Als einer der ersten entstand der Zigeunerrastplatz Marzahn im Mai 1936 am Rande von Rieselfeldern nahe dem Marzahner Friedhof heute in einem Trapez westlich des S Bahnhofs Raoul Wallenberg Strasse 7 Auf diesem ungeeigneten Gelande wurde eine alte Baracke des Reichsarbeitsdienstes aufgestellt die den Inhaftierten als Unterkunft dienen sollte Erste Internierungen Bearbeiten Am 16 Juli 1936 wurden in Berlin und Umgebung vor allem ansassige Sinti verhaftet und in das Lager Marzahn gebracht Obwohl am Anfang das Ziel der Schutz vom nachbarlichen Zusammenleben und die Abwehr ernster sittlicher Gefahren insbesondere fur die Jugend sein sollten wurden wahrend der Aktion samtliche bei der Zigeunerdienststelle der Polizei als Zigeuner und Zigeunermischling registrierte Menschen verhaftet und eingesperrt Die Anzahl wurde in der anschliessenden Pressemitteilung mit uber 600 angegeben In den folgenden Monaten konnten einige Familien das Lager verlassen Teilweise emigrierten sie aus Deutschland andere zogen jedoch nur aus Berlin fort Die Zahl der Internierten sank am Ende des Jahres 1937 bis auf 400 Verscharfung der Verfolgung Bearbeiten Mit dem Grunderlass zur vorbeugenden Verbrechensbekampfung vom 14 Dezember 1937 8 anderte sich die Lage Nun konnte gegen die nationalsozialistisch so definierten Kategorien der Berufsverbrecher Gewohnheitsverbrecher Gemeingefahrliche oder Gemeinschadliche eine Vorbeugungshaft verhangt werden fur die die Kriminalpolizei zustandig war Roma galten pauschal und grundsatzlich als gemeinschadlich und asozial In der weiteren Folge wurde ein grosser Teil der Manner im Zuge der Aktionen gegen Asoziale 1938 im Februar und im Juni bei der Aktion Arbeitsscheu Reich in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert 9 Im Ergebnis wurde der Rastplatz uberwiegend von Frauen Kindern und Alten bewohnt Da ein grosser Teil der seit August 1936 in das Lager Gekommenen fahrende Sinti waren war das Lager im September 1937 mit 150 Wohnwagen uberfullt Lebensbedingungen im Lager Bearbeiten nbsp Zwei Manner im LagerDie Familien litten unter elenden Wohnverhaltnissen und durften das Gelande nur mit polizeilicher Erlaubnis verlassen Den Kindern erteilte man Schulunterricht auf dem Gelande 7 Die hygienischen Zustande im Lager waren katastrophal Fur die Menschen gab es lediglich zwei Toilettenanlagen und drei Wasserstellen Der Bau von Brunnen war wegen der Nahe der Rieselfelder und der damit verbundenen Verseuchung des Wassers unmoglich Die vorhandene Schule war vollig uberbelegt und mit einem Lehrer nur mangelhaft ausgestattet Vom Kriegsbeginn an wurden viele Inhaftierte als Zwangsarbeiter in der Berliner Industrie eingesetzt Das Lager Marzahn war kein Konzentrationslager Es unterstand bis zu seiner Auflosung den Berliner Behorden die allerdings bei fehlender Kontrolle und mangels Investitionen einer Verelendung und Gefahrdung der Sinti und Roma systematisch Vorschub leisteten Als das Datum der Auflosung des Lagers ist der 1 Marz 1943 wahrscheinlich Bis zu diesem Tag wurde der Auschwitz Erlass Heinrich Himmlers umgesetzt nachdem alle Zigeunermischlinge Rom Zigeuner und nicht deutschblutige Angehorige zigeunerischer Sippen balkanischer Herkunft nach den jeweiligen Richtlinien auszuwahlen und in einer Aktion von wenigen Wochen Dauer in ein Konzentrationslager einzuweisen sind was im Januar 1943 auf das KZ Auschwitz Birkenau eingeschrankt wurde Bis 1947 waren im Lager jedoch noch einzelne Familien untergebracht Rassenforschung und Deportationen Bearbeiten Mutmasslich in Marzahn wortlich in einem Lager in der Nahe von Berlin fuhrte der Mediziner und Rassenforscher Gerhart Stein Untersuchungen fur seine von dem fuhrenden nationalsozialistischen Erbhygieniker und Rassentheoretiker Otmar von Verschuer betreute Dissertation durch 10 Stein gab auch Hinweise an die preussische Polizei zur Optimierung der Verfolgungsmassnahmen 11 Die Internierten wurden von den Mitarbeitern der von dem Kriminalbiologen und Tsiganologen Robert Ritter geleiteten Rassenhygienischen und bevolkerungsbiologischen Forschungsstelle RHF fur ein Zigeunersippenarchiv als umfassender Datenbank der mitteleuropaischen Roma kategorisiert Die Daten bildeten im weiteren Verlauf eine wesentliche Voraussetzung fur die Deportation von mehr als 20 000 Roma nach dem sog Auschwitz Erlass auch Steins Arbeit fand hier Eingang Im Winter 1942 wurden 70 Kinder aus dem Lager nach Litzmannstadt und von dort weiter nach Auschwitz deportiert 12 Zu den ersten 1943 ins Zigeunerlager Auschwitz deportierten Gruppen gehorten auch die Insassen dieses Lagers es blieben nur zwei von der RHF als reinrassig begutachtete Familien zuruck 7 13 Siehe auch Erinnerungen eines deutschen Sinto an die Verfolgungsmassnahmen Siehe auch PorajmosGedenken BearbeitenBilder vom Gedenken nbsp Der Otto Rosenberg Platz am S Bahnhof Raoul Wallenberg Strasse nbsp Gedenkstein von 1986 der an das ehemalige Zwangslager erinnert nbsp Tafel neben dem Gedenkstein nbsp Teilnehmer der jahrlichen Gedenkveranstaltung 13 Juni 2010 Im Jahr 1985 wandte sich der Autor und Burgerrechtler Reimar Gilsenbach der sich in der DDR fur den Einbezug der Minderheit in das nationale Gedenken engagierte an den Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker mit der Forderung an den Orten der beiden Zwangslager in Marzahn und in Magdeburg Gedenktafeln zu installieren In der Folge beschloss das Zentralkomitee der SED die Errichtung von Denkmalen dort Fur die Umsetzung hatten die jeweiligen Bezirksleitungen Sorge zu tragen Der Bildhauer Jurgen Raue erhielt den Auftrag fur Marzahn Am 12 September 1986 wurde auf dem Parkfriedhof Marzahn rechts des verlangerten Hauptweges im hinteren Friedhofsteil zum Ausgang Raoul Wallenberg Strasse ein Gedenkstein eingeweiht Teilnehmer der Einweihungsveranstaltung waren Berliner Sinti Angehorige der FDJ Pfarrer Bruno Schottstadt der evangelischen Kirchengemeinde Marzahn Nord sowie Vertreter des Okumenischen Forums Berlin Marzahn Die Presse der DDR berichtete daruber in Bild und Text Es war die erste Wurdigung der Verfolgungsgeschichte der Roma durch staatliche Reprasentanten der DDR Bereits am 29 Juni 1986 war dem eine Gedenkveranstaltung der evangelischen Kirche an diesem Gedenkort vorausgegangen 14 Vom Mai 1936 bis zur Befreiung unseres Volkes durch die ruhmreiche Sowjetarmee litten in einem Zwangslager unweit dieser Statte hunderte Angehorige der Sinti Ehre den Opfern Inschrift des Gedenksteins Daneben wurde eine Gedenktafel platziert die die Umstande des Lagers naher erlautert Auf einem ehemaligen Rieselfeld nordlich dieses Friedhofs richteten die Nazis im Vorfeld der Olympischen Spiele 1936 einen Zigeunerrastplatz ein auf dem Hunderte Sinti und Roma gezwungen wurden zu leben Zusammengepfercht in dustere Baracken fristeten die Lagerbewohner ein elendes Dasein Harte Arbeit Krankheit und Hunger forderten ihre Opfer Willkurlich wurden Menschen verschleppt und verhaftet Demutigende rassenhygienische Untersuchungen verbreiteten Angst und Schrecken Im Fruhjahr 1943 wurden die meisten der Festgesetzten nach Auschwitz deportiert Manner und Frauen Greise und Kinder Nur wenige uberlebten Inschrift der Gedenktafel Seit 1986 findet jahrlich eine vom Okumenischen Forum Berlin Marzahn und dem Landesverband deutscher Sinti und Roma Berlin Brandenburg e V organisierte Gedenkveranstaltung statt Ein Platz an der Stelle des ehemaligen Lagers wurde nach Otto Rosenberg benannt 15 Seine Tochter Petra Rosenberg spricht jedes Jahr zur Gedenkveranstaltung am Stein Im Dezember 2011 wurde auf Initiative des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Berlin Brandenburg auf dem Gelande des ehemaligen Zwangslagers ein Ort der Erinnerung und Information eingeweiht Auf zehn Aufstellungstafeln wird uber die Geschichte des Zwangslagers Marzahn informiert und an das Schicksal der dort internierten Menschen erinnert 16 Der Verein Gedenkstatte Zwangslager Berlin Marzahn e V der seit 2017 die Arbeit des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma unterstutzt hat am Montag 9 Marz 2020 nahe der Gedenkstatte seine Geschaftsstelle eroffnet Ein Buro und eine Bibliothek werden aufgebaut Ausstellungen Vortrage und Seminare sollen kunftig ausfuhrlich uber den historischen Ort informieren und Bildungsarbeit leisten 17 Literatur BearbeitenUte Brucker Boroujerdi Wolfgang Wippermann Das Zigeunerlager Marzahn In Wolfgang Ribbe Hrsg Berlin Forschungen III Berlin 1987 S 189 201 Raimar Gilsenbach Hitlers erstes Lager fur Fremdrassige Ein vergessenes Kapitel der Naziverbrechen In Pogrom 17 122 1986 S 15 17 Sybil Milton Vorstufe zur Vernichtung Die Zigeunerlager nach 1933 PDF 10 3 MB in VfZ 1995 Ewald Hanstein Meine hundert Leben Erinnerungen eines deutschen Sinto Aufgezeichnet von Ralf Lorenzen Mit einem Geleitwort von Henning Scherf Donat Verlag Bremen 2005 ISBN 978 3 934836 94 5 Otto Rosenberg Das Brennglas Knaur Verlag 1998 Patricia Pientka Das Zwangslager fur Sinti und Roma in Berlin Marzahn Alltag Verfolgung und Deportation Berlin 2013Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Zwangslager Berlin Marzahn Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Gedenkstatte Zwangslager Marzahn Denkmal fur die Sinti und Roma in Marzahn Olympia 1936 Als Sinti und Roma ins Zwangslager Marzahn mussten In Berliner Zeitung 4 Juli 2016Einzelnachweise Bearbeiten Patricia Pientka Leben und Verfolgung im Zwangslager Berlin Marzahn 1936 1945 In KZ Gedenkstatte Neuengamme Die Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus 2012 S 55 Michael Zimmermann Rassenutopie und Genozid Die nationalsozialistische Losung der Zigeunerfrage Hamburg 1996 S 85 Wolfgang Benz Das Lager Marzahn Zur nationalsozialistischen Verfolgung der Sinti und Roma und ihrer anhaltenden Diskriminierung In Helge Grabitz Klaus Bastlein Johannes Tuchel Hrsg Die Normalitat des Verbrechens Bilanz und Perspektiven der Forschung zu den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen Festschrift fur Wolfgang Scheffler zum 65 Geburtstag Berlin 1994 S 260 a b Pientka 2012 S 56 Pientka 2012 S 56f Michael Zimmermann Rassenutopie und Genozid Die nationalsozialistische Losung der Zigeunerfrage Hamburg 1996 S 93 100 a b c David Koser et al Zigeunerlager Marzahn In Hauptstadt des Holocaust Orte nationalsozialistischer Rassenpolitik in Berlin Berlin 2009 Ort 38 S 157 Abgedruckt bei Wolfgang Ayass Bearb Gemeinschaftsfremde Quellen zur Verfolgung von Asozialen 1933 1945 PDF Koblenz 1998 Nr 50 Michael Zimmermann Rassenutopie und Genozid Die nationalsozialistische Losung der Zigeunerfrage Hamburg 1996 S 114 So ausweislich des Gutachtens von Verschuer in der Dissertationsakte Siehe Peter Sandner Rassenanthropologische Forschung des Verschuer Schulers Gerhart Stein In Fritz Bauer Institut Hrsg Beseitigung des judischen Einflusses In Antisemitische Forschung Eliten und Karrieren im Nationalsozialismus Campus Frankfurt a M 1999 ISBN 3 593 36098 5 S 80 84 Peter Sandner Rassenanthropologische Forschung des Verschuer Schulers Gerhart Stein In Fritz Bauer Institut Hrsg Beseitigung des judischen Einflusses Antisemitische Forschung Eliten und Karrieren im Nationalsozialismus Campus Frankfurt a M 1999 ISBN 3 593 36098 5 S 80 81 books google de S 182 Reimar Gilsenbach Oh Django sing deinen Zorn Sinti und Roma unter den Deutschen Berlin 1993 S 145 Michaela Baetz Heike Herzog Oliver von Mengersen Die Rezeption des nationalsozialistischen Volkermords an den Sinti und Roma in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR Eine Dokumentation zur politischen Bildung Herausgegeben vom Dokumentations und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma Heidelberg 2007 S 111 ff Pressemitteilung Bezirksamt Marzahn Hellersdorf 17 Dezember 2007 Online Fassung Ort der Erinnerung und Information Klaus Tessmann Bildungsarbeit gegen das Vergessen www lichtenbergmarzahnplus de 10 Marz 202052 551388888889 13 546388888889 Koordinaten 52 33 5 N 13 32 47 O Normdaten Korperschaft GND 1026278252 lobid OGND AKS VIAF 267607238 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zwangslager Berlin Marzahn amp oldid 230918111