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Mit Zentrum abgeleitet von altgriechisch tὸ kentron to kentron deutsch Stachel dann Stachelstab bzw der Kreismittelpunkt an dem die Spitze des Zirkels angesetzt wird bezeichnet man in der Neuroanatomie und Neurophysiologie einen Verband von Nervenzellen die eine Arbeitsgemeinschaft bilden um afferente neuronale Reize zu verarbeiten und sie in efferente neuronale Impulse umzuwandeln Auf diese Weise konnen ubergreifende Aufgaben die fur den gesamten Organismus von Bedeutung sind besser bewaltigt werden insbesondere die der besseren Anpassung an stets wechselnde Bedingungen der Umwelt Zerebrospinales Nervensystem Synonyme Bezeichnungen sind Hirnrindenfeld Feld lat Area oder Kern lat Nucleus Wahrend fur das Zentrum das Reflexmodell massgeblich ist und ihm somit auch streng definierte physiologische Bedeutung zukommt ist der Begriff Kern eher rein anatomisch gebrauchlich insbesondere auch fur die grauen Ursprungs Schalt oder Endkerne einer Nervenbahn 1 2 a 3 a Inhaltsverzeichnis 1 Reflexmodell 2 Projektionszentren Assoziationszentren 3 Zerebrospinales Nervensystem 4 Vegetatives Nervensystem 5 Pathologische Anatomie 6 Kritik 7 EinzelnachweiseReflexmodell BearbeitenDas Zentrum entspricht somit dem Reflexbegriff bzw dem Modell des Reflexbogens Das nervose Zentrum beim Menschen und bei den Wirbeltieren ist das Resultat einer langen Entwicklung die mit zur Ausbildung eines Zentralnervensystems ZNS fuhrte 3 b Das ZNS ist anatomisch topographisch als Organsystem innerhalb von Schadel und Wirbelkanal vom peripheren Nervensystem abgrenzbar Funktionell bilden beide Teile eine Einheit Als System bezeichnet man beide Teile insofern als sie aus unterschiedlich differenzierten Nervenzellen Neuronentheorie zusammengesetzt sind Das von Heinz Werner beschriebene Modell der Zentralisierung ist auch innerhalb des Zentralnervensystems wirksam 4 Das Zentralnervensystem ist daher nicht als einheitlicher Funktionsverband sondern als Verbund unterschiedlicher Zentren zu verstehen die erst im Verlauf der Entwicklung miteinander in wechselseitige Verknupfung treten Diese Zentren sind untereinander hierarchisch gegliedert und in hohere und niedrigere Zentren aufgeteilt Auch die hochsten Zentren stehen miteinander in Verbindung 5 a Gleich auf welcher Hohe des hierarchischen Systems sich ein solches Zentrum befindet es wird dann als Zentrum bezeichnet wenn es auf ein bestimmtes Organ oder ein Organsystem spezifisch einwirkt 6 a Dem entspricht auch die Definition von Hans Winterstein 1879 1963 der von einem Zentrum als einem Teil des ZNS dann ausgeht wenn es fur das Zustandekommen eines zentralnervosen Vorgangs eine ausschlaggebende Bedeutung besitzt 7 Das Reflexmodell hat entscheidende Impulse durch die Lehren Iwan Petrowitsch Pawlows 1849 1936 und seiner Reflexologie erhalten Darin ist auch die Nervismustheorie enthalten Die Hohenbezeichnung der einzelnen Zentren hangt demnach von ihrer entwicklungsgeschichtlichen Differenzierung ab Pawlow war stets bemuht die Bedeutung seiner Reflexlehre auch fur die psychischen Leistungen hervorzuheben 8 a Er ging dabei so weit die Auflosung aller eigentlich psychischen Terminologie zu fordern 8 b Die Funktion von hoheren Zentren hat Carl Wernicke als Teil eines psychischen Reflexbogens bezeichnet 9 Nach ihm wurde das Wernicke Zentrum benannt Eine Reihe individueller Schwankungen ergibt sich bei der Ausreifung und Ausformung der Furchen und Windungen des Gehirns Es besteht keine vollige Ubereinstimmung zwischen verschiedenen Hirnoberflachen ja nicht einmal zwischen linker und rechter Hemisphare eines Gehirns 10 Projektionszentren Assoziationszentren BearbeitenProjektionszentren stehen in Verbindung mit hoheren sensiblen oder sensorischen oder tieferen motorischen Zentren oder Organen Sie haben demnach einen vertikalen Verlauf was die Niveauhohe der Reizbeantwortung betrifft Assoziationszentren stehen uber Assoziationsbahnen in Verbindung mit Zentren auf gleicher Hohe des neuronalen Niveaus wie etwa des praemotorischen und motorischen Cortex Sie haben einen horizontalen Verlauf Diese topischen Besonderheiten topographische Unterscheidung des lokalisierbaren Verlaufs der Nervenfasern Neuriten haben aber leistungspsychologische hierarchisch gegliederte und definierbare Wechselwirkungen Es bestehen nicht nur Verbindungen zwischen somatosensorischen und somatomotorischen Nerven sowie zwischen viszerosensiblen und viszeromotorischen sondern auch zwischen dem zerebrospinalen und dem autonomen Nervensystem 6 b 3 c Zerebrospinales Nervensystem BearbeitenBeispiele sensorischer Zentren sind das Horzentrum das Sehzentrum das Riechzentrum das SprachzentrumBeispiele motorischer Zentren sind die Somatomotorische Rinde das Extrapyramidale SystemDie Hirnrindenkarte gibt eine detaillierte Ubersicht der verschiedenen Hirnzentren oder Felder Vegetatives Nervensystem BearbeitenBeispiele vegetativer Zentren sind das Kreislaufzentrum das Blasenentleerungszentrum das AtmungszentrumDie neuronalen vegetativen Zentren sind eng miteinander verknupft Sie konnten bisher nur elektrophysiologisch identifiziert werden nicht morphologisch 6 c Pathologische Anatomie BearbeitenPathologische herdformige oder auch als fokal bezeichnete Veranderungen von Organen oder anderen Geweben konnen ahnlich wie es bei neuroanatomischen Zentren der Fall ist zu Fernwirkungen fuhren die Teile des Korpers oder den gesamten Organismus betreffen Dies kann naturlich bei Schadigung entsprechender Zentren eintreten 11 2 b Als solches Zentrum ist etwa der Gyrus praecentralis Vordere Zentralwindung von klinischer Bedeutung fur die gesamte Willkurmotorik Das klinische Bild bei einer Schadigung in solchen Fallen entspricht dem einer zentralen Lahmung Die Bezeichnung zentral bezieht sich damit jedoch nicht nur auf die grauen neuroanatomischen Zentren selbst sondern grenzt alle Schaden innerhalb des ZNS gegen die bei periphereren Nerven auftretenden Leiden ab Sie bezieht sich nicht nur auf die graue Substanz der neuroanatomischen Zentren sondern gilt auch fur Schaden der weissen Substanz im ZNS und somit seiner Nervenbahnen Damit stellt zentral einen mehrdeutigen Begriff dar Die Prazentralwindung entspricht der Area 4 nach Korbinian Brodmann 1868 1918 siehe auch die Hirnrindenkarte 12 Kritik Bearbeiten nbsp Schematische Darstellung der Niveauhohe der Verarbeitung von Reizen durch das Zentralnervensystem nach dem Grundschema des Reflexbogens Jaspers Sowohl das Reflexmodell als auch bereits die mit der Herleitung des Begriffs Zentrum verbundene Vorstellung des Kreises oder der Kugeloberflache als Peripherie und seines Mittelpunkts als Zentrum stellen Abstraktionen dar Neurobiologische Zentren konnen auch anatomisch nicht als punktformige Instanzen aufgefasst werden Es ist fast immer ein ganzes Feld von raumlich gegliederten weiteren Instanzen mitbeteiligt Dies gilt sowohl in horizontaler Hinsicht der gleichen hierarchischen Niveauhohe eines jeweiligen Zentrums in Beziehung zu weiteren ahnlich gegliederten Zentren als auch in vertikaler Hinsicht der allmahlichen Herausbildung eines hoheren Zentrums im Verlauf der Entwicklungsgeschichte Bereits im oben enthaltenen Kap Reflexmodell wurde auf ontogenetische Vorstellungen eingegangen wonach sich hohere Zentren aus tieferen Vorstufen entwickeln Dies erfolgt stets nach dem Prinzip der Einflussnahme auf eine stets zunehmende Vielzahl spezifischer Reaktionen durch die zentralisierte Struktur 3 d Die Vielzahl spezifischer Reaktionen erfordert eine Vielzahl entsprechender Zentren die im Sinne eines Wechselverhaltnisses zusammenarbeiten Ein Zentrum ist daher immer auf ein System weiterer nervoser Einheiten angewiesen Der nervose Apparat arbeitet als ein Nervensystem Diesem Aspekt der Integration tragt auch eine weitere Definition des nervosen Zentrums Rechnung in der von einem anatomisch umschriebenen Gebiet des ZNS oder mehreren solchen Gebieten im Sinne der Zentrenkonstellation die Rede ist 13 Der Feldbegriff wurde von der Gestaltpsychologie eingefuhrt vgl dazu insbesondere auch den Begriff der Isomorphie 5 b Der Feldbegriff hat sich als fruchtbar erwiesen fur die Beschreibung der neuropsychologischen Syndrome im Rahmen der primaren sekundaren und tertiaren Rindenfelder siehe dazu auch die Erlauterung dieser Feldbegriffe anhand des Sehvermogens 14 a Der Begriff des Feldes umfasst vom Bild des Kreises her gesehen nicht nur die Kreisflache als Summe aller niedrigeren Instanzen zwischen Peripherie Rezeptor und hochster Instanz Kreismittelpunkt sondern auch die Flache ausserhalb des Kreises als Sphare der Umwelt Man spricht daher nicht nur von Assoziationszentren und Projektionszentren usw sondern ebenso von Assoziationsfeldern und Projektionsfeldern usw Das Lokalistionsdenken der Neurologie ist in der Psychologie eher als fragwurdig anzusehen wenn es ohne Berucksichtigung der Leistungen der Gesamtheit der Rindenfelder erfolgt 11 14 a 3 e Einzelnachweise Bearbeiten centrum In Hermann Triepel Die Anatomischen Namen Ihre Ableitung und Aussprache 26 Auflage Verlag von J F Bergmann Munchen 1962 bearbeitet von Robert Herrlinger S 21 a b Norbert Boss Hrsg Roche Lexikon Medizin 2 Auflage Hoffmann La Roche AG und Urban amp Schwarzenberg Munchen 1987 ISBN 3 541 13191 8 a S 1851 f zu Lemma Zentrum b S 759 zu Lemma Herd 5 Auflage 2003 gesundheit de roche a b c d e Alfred Benninghoff Kurt Goerttler Lehrbuch der Anatomie des Menschen Dargestellt unter Bevorzugung funktioneller Zusammenhange 3 Band Nervensystem Haut und Sinnesorgane 7 Auflage Urban amp Schwarzenberg Munchen 1964 a S 109 zu Stw Orientierung innerhalb der Umweltsphare b S 106 ff zu Stw Aufbau funktioneller Strukturen als Prinzip der Entwicklungsreihe Bildung einzelner nervoser Zentren und Zentralisation des Nervensystems insgesamt c1 S 129 zu Stw Verknupfungen im Ruckenmark und in den Spinalganglien c2 S 239 zu Kap Das System der intracorticalen Assoziationsfasern und der Kommissuren Stw Horizontal und Vertikalverbindungen d S 106 zu Stw Entwicklungsgeschichte wie b e S 292 zu Stw strenge Lokalisationslehre Zentralisierung In Peter R Hofstatter Hrsg Psychologie Das Fischer Lexikon Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 1972 ISBN 3 436 01159 2 S 102 a b Wilhelm Karl Arnold u a Hrsg Lexikon der Psychologie Bechtermunz Augsburg 1996 ISBN 3 86047 508 8 a Sp 2686 f zu Lex Lemma Zentralnervensystem Stw hierarchischer Aufbau b Sp 599 600 zu Lex Lemmata Feld und Feldtheorie a b c Robert F Schmidt Hrsg Grundriss der Neurophysiologie 3 Auflage Springer Berlin 1979 ISBN 3 540 07827 4 a S 249 zu Definition des Begriffs Zentrum und zu Kap Zentralnervose Regulation der vegetativen Effectoren durch Ruckenmark und Hirnstamm b S 282 incl Abb zu Stw Assoziationscortex Projektionscortex c S 249 siehe a Hermann Rein Max Schneider Einfuhrung in die Physiologie des Menschen 15 Auflage Springer Berlin 1964 S 553 zu Definition des Zentrums durch Hans Winterstein S 625 f zum Stw Lokalisation a b Erwin H Ackerknecht Kurze Geschichte der Psychiatrie 1967 3 Auflage Enke Stuttgart 1985 ISBN 3 432 80043 6 a S 97 f zu Stw bedingte Reflexe als Grundlage alles Seelischen b S 98 zu Stw Auflosung aller eigentlich psychischen Terminologie Carl Wernicke Der aphasische Symptomenkomplex Eine psychologische Studie auf anatomischer Basis Breslau M Cohn amp Weigert 1874 Hermann Voss Robert Herrlinger Taschenbuch der Anatomie Band III Nervensystem Sinnessystem Hautsystem Inkretsystem 12 Auflage VEB Gustav Fischer Jena 1964 S 52 zu Kap Furchen und Windungen der Hemispharen a b Hans Walter Gruhle Verstehende Psychologie Erlebnislehre 2 Auflage Georg Thieme Stuttgart 1956 S 4 zu Stw Hirnzentrum Fokus Herd Zentrale Lahmung In Fritz Broser Topische und klinische Diagnostik neurologischer Krankheiten 2 Auflage U amp S Munchen 1981 ISBN 3 541 06572 9 S 134 zu Kap 2 9 Zentren In Zetkin Schaldach Worterbuch der Medizin dtv Munchen und Georg Thieme Stuttgart 1980 ISBN 3 423 03029 1 dtv und ISBN 3 13 382206 3 Thieme S 1547 a b Karl Jaspers Allgemeine Psychopathologie 9 Auflage Springer Berlin 1973 ISBN 3 540 03340 8 a S 131 zu Stw Neuropsychologische Syndrome S 414 zu Stw Zentrum b S 157 ff 403 408 f zu Stw Lokalisatonsproblem Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zentrum Neuroanatomie amp oldid 235258044