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Das Niveauschema der Reizbeantwortung soll Orientierung ermoglichen hinsichtlich der Organisation von Reizbeantwortung und Reizverarbeitung durch das Nervensystem Das Schema dient dazu den funktionellen Zusammenhang zwischen verschiedenen Regionen des Zentralnervensystems zu verdeutlichen Es vertritt damit eine konnektionistische Auffassung Es unterscheidet zwischen hoheren und niedrigeren Stufen der Organisation Die hierarchisch hoheren und komplexer gegliederten Stufen wirken dabei auf die niedrigeren im Sinne eines Abwarts Effekts In umgekehrtem Sinne wird von einem Aufwarts Effekt gesprochen Abwarts Effekte sind jedoch in der Regel befahigt die Ablaufe auf den niedrigeren Ebenen zu kontrollieren bzw zu hemmen siehe dazu die Theorie des Nervismus 1 a Das Hohen Prinzip geht auf Aristoteles um 384 322 v Chr zuruck Auf die Neurologie hat es John Hughlings Jackson 1835 1911 mit Blick auf die Evolution angewandt 2 a Die Bezeichnung Niveauschema wurde von Peter R Hofstatter 1913 1994 gepragt 3 a Schichtenlehre des Aristoteles Zum besseren Verstandnis des Begriffs Hyle Materie Korper siehe die aristotelische Lehre des Hylozoismus Inhaltsverzeichnis 1 Neurophysiologie 2 Mogliche Ubergange zur Pathophysiologie 3 Weitere ubertragene Bezeichnungen 4 EinzelnachweiseNeurophysiologie Bearbeiten nbsp Mit der Darstellung makroskopisch unterscheidbarer Ebenen des Aufbaus des Nervensystems sollen entwicklungsgeschichtlich differenzierte Erregungsablaufe nach dem Grundschema des Reflexbogens Jaspers aufgezeigt werden 4 Die einfachsten Reflexbogen bleiben begrenzt auf die Hohe des Ruckenmarks Die hoher differenzierten Verbindungen von Neuronenketten erreichen mit ihren Funktionsablaufen schliesslich den Neocortex Die Reflexologie als Lehre von diesen hoheren Reflexen geht zuruck auf Iwan Petrowitsch Pawlow 1849 1936 und Wladimir Michailowitsch Bechterew 1857 1927 1 b Entwicklungsgeschichtliche Differenzierungen einzelner Nervenbahnen bleiben in der graphischen Darstellung jedoch unberucksichtigt wie sie sich etwa auf Querschnitten des Hirnstamms oder Ruckenmarks aufzeigen lassen Die unter der Spalte Sensibles Sensorisches System dargestellten Erregungen lassen sich in ihrer Ausbreitung uber entsprechende Nervenbahnen weitestgehend als afferent beschreiben die unter der Spalte Motorisches Pramotorisches System als efferent In sich geschlossene Neuronenkreise bleiben unberucksichtigt Das Zwischenhirn wird von einzelnen Autoren wie Helmut Ferner 1912 1998 zum Hirnstamm gerechnet 5 Hofstatter verwendete den Begriff Niveauschema der Reizbeantwortung im Zusammenhang mit der Reaktionszeit oder Latenzzeit der neuronalen Reizubertragung Die entsprechenden Zeitwerte sind fur die Eigenreflexe am niedrigsten fur bedingte Reflexe langer fur Reaktionen die Aufmerksamkeit beanspruchen Wahlreaktionen dementsprechend wesentlich langer Sie betragen bei Eigenreflexen nur wenige Millisekunden ms Die Reaktionszeit fur den PSR bei dem die Erregung ausgehend von den Muskelspindeln neuronal nur uber das Spinalganglion und das Motoneuron im Ruckenmark geleitet wird betragt 30 40 ms fur den bedingten Reflex 170 450 ms Fur die Wahl von Assoziationen benotigt eine Versuchsperson mindestens 1200 ms Die Erklarung liegt hierfur in der Tatsache begrundet dass beim PSR nur eine monosynaptische Reizubertragung stattfindet bei Assoziationen jedoch der Neocortex mit einer grosseren Neuronenkette beteiligt ist Man kann daraus schliessen dass bei einem bedingten Reflex unter Beteiligung hoherer Nervenzentren die neuronale Erregung einen langeren Weg durchlauft Daher wird ungleich mehr an Ubertragungszeit pro Zahl der Synapsen benotigt 3 b 6 a Die Anatomen Alfred Benninghoff 1890 1956 und Kurt Goerttler 1898 1983 heben die reflektorischen Leistungen des Ruckenmarks von denen des ubrigen Nervensystems ab obwohl sie selbst im Ruckenmark Bahnen mit Hohenunterschieden fur direkte Eigenreflexe und indirekte Fremdreflexe Reflexe beschreiben Bei dem ubrigen Nervensystem komme man mit dem Reflexbegriff nicht mehr aus Die hoher entwickelten Leistungen der Zentren benennen sie mit Koordination und Integration 7 Der vielseitig verwendete Begriff Integration meint die Verarbeitung der unterschiedlichen Reize sensibel sensorisch Karl Jaspers 1883 1969 hat entsprechend dem neurologischen Grundschema des Reflexbogens fur die hoheren Leistungen des Nervensystems den Begriff des psychischen Reflexbogens gewahlt 4 Mogliche Ubergange zur Pathophysiologie BearbeitenAls Empfindung bezeichnet Jean Delay 1907 1987 den Erfolg einer afferenten Erregung die sich bis hin zur Hirnrinde Neocortex ausgebreitet hat 6 b Es ist daher eine Bewusstseinsschwelle in der hierarchischen Stufenleiter zu passieren Diese Schwelle kann nach Pierre Janet 1859 1947 dem Lehrer von Delay durch Erschopfung und chronische Ermudung aber insbesondere durch die Psychasthenie abgesenkt werden Abaissement du niveau mental 8 Die Psychasthenie zeichnet sich durch das Prinzip der Psycholepsie aus Delay stellt fest dass hohere Hirnzentren schneller ermuden als niedrigere So seien zum Beispiel Eigenreflexe kaum ermudbar 6 c Insbesondere die Leistungen der Sinnesorgane sind ermudbar 3 c Jackson war der Auffassung dass die zunehmende Kontrolle der hoheren Zentren uber die niedrigeren im Verlauf der stammesgeschichtlichen Entwicklung erfolge indem sich diese langsam aus den niedrigeren differenzieren Umgekehrt komme es bei Krankheiten der Hirnrinde zur Entdifferenzierung dieser Entwicklungsvorgange die zu einer Reaktivierung der gehemmten Funktionen niedrigerer Zentren fuhren so etwa zu Reflexsteigerungen des PSR Jackson bezog sich dabei auf seine Beobachtungen bei partiellen oder fokalen Epilepsien also auf Storungen die von einem Herd in der Hirnrinde ausgehen 2 b Ahnliche Phanomene der Enthemmung niedrigerer Ebenen durch Ausfall der hoheren Pyramidenbahnzeichen lassen sich bei der zentralen Lahmung feststellen 9 Weitere ubertragene Bezeichnungen BearbeitenIm Sinne der Bewusstseinsschwelle hat die Niveau oder Hohenvorstellung der Reizverarbeitung zur Bildung weit verbreiterter Bezeichnungen wie etwa Unterbewusstsein oder Tiefenpsychologie gefuhrt weil damit sowohl der Einfluss unbewusster nervoser Aktivitaten betont werden sollte als auch die psychodynamische Fahigkeit der Hemmung tieferer Schichten des ZNS durch die hoheren und damit die Fahigkeit der Abwehr und Verdrangung hervorgehoben werden sollte 10 Diese von Prinzipien der Neuroorganisation abgeleiteten wenngleich nicht exakt definierbaren und daher auch kontrovers interpretierten Bezeichnungen haben Sigmund Freud 1856 1939 zur Beschreibung systematischer topischer Eigenschaften des psychischen Apparats bewogen Einzelnachweise Bearbeiten a b Zetkin Schaldach Worterbuch der Medizin dtv Munchen und Georg Thieme Stuttgart 1980 ISBN 3 423 03029 1 dtv und ISBN 3 13 382206 3 Thieme a S 966 zu Lemma Nervismus b S 1057 zu Lemma Pawlow a b Oliver Sacks Drachen Doppelganger und Damonen Uber Menschen mit Halluzinationen Neue Fallgeschichten Rowohlt Reinbek bei Hamburg 2013 ISBN 978 3 498 06420 4 a S 157 zu Stw Evolution b S 156 f zu Stw Epilepsie a b c Peter R Hofstatter Hrsg Psychologie Das Fischer Lexikon Fischer Taschenbuch Frankfurt a M 1972 ISBN 3 436 01159 2 a S 284 f zu Stw Niveauschema der Reizbeantwortung b S 284 zu Stw Vergleich von Latenzzeiten bei Reflexen und Wahlreaktionen c S 176 zu Stw Ermudung a b Karl Jaspers Allgemeine Psychopathologie 9 Auflage Springer Berlin 1973 ISBN 3 540 03340 8 S 131 ff 133ff zu Stw neurologisches Grundschema des Reflexbogens Helmut Ferner Anatomie des Nervensystems und der Sinnesorgane des Menschen 2 Auflage Reinhardt Munchen 1964 S 43 94 f zu Stw Hirnstamm a b c Jean Delay amp Pierre Pichot Medizinische Psychologie Franz Originaltitel Abrege de Psychologie 3 Auflage c 1967 Masson amp Cie Editeurs Paris Ubersetzt und bearbeitet von Wolfgang Bocher 4 Auflage Georg Thieme Verlag Stuttgart 1973 ISBN 3 13 324404 3 a S 154 zu Stw Reflexlehre b S 28 zu Stw Neurophysiologische Grundlagen von Empfindung und Wahrnehmung c S 244 zu Stw Nervose Ermudung Alfred Benninghoff und Kurt Goerttler Lehrbuch der Anatomie des Menschen Dargestellt unter Bevorzugung funktioneller Zusammenhange 7 Auflage 3 Bd Nervensystem Haut und Sinnesorgane Urban und Schwarzenberg Munchen 1964 S 136 zu Stw Integration und Koordination Pierre Janet Les Nevroses 1909 Zweiter Teil Kap IV L etat mental psychasthenique Abs 4 L abaissement de la tension psychologique les ocillations du niveau mental Fritz Broser Topische und klinische Diagnostik neurologischer Krankheiten 2 Auflage U amp S Munchen 1981 ISBN 3 541 06572 9 S 134 f zu Kap 2 10 Stw Entdifferenzierung English H B amp A C English A comprehensive dictionary of psychological and psychoanalytical terms New York London 1958 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Niveauschema der Reizbeantwortung amp oldid 239451720