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Walter Lustig geboren 10 August 1891 1 in Ratibor gestorben 1945 in Berlin war ein deutscher Mediziner der wahrend der Zeit des Nationalsozialismus das Judische Krankenhaus Berlin leitete und bei der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland fuhrend tatig war Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Zeit des Nationalsozialismus 2 1 Arztlicher Leiter des Judischen Krankenhauses Berlin 2 2 Leiter der Rest Reichsvereinigung 3 Nach Kriegsende 4 Werke 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenWalter Lustig war der Sohn des judischen Kaufmanns Bernhard Lustig und seiner Frau Regine geborene Besser Er besuchte zunachst die Stadtische Volksschule in Ratibor und danach das dortige konigliche Gymnasium wo er im Marz 1910 seine Schullaufbahn mit dem Abitur beendete Anschliessend absolvierte er ein Studium der Medizin mit dem Schwerpunkt Chirurgie und der Naturwissenschaften an der Universitat Breslau das er Ende Februar 1915 mit dem Staatsexamen abschloss 2 Einen Monat spater erhielt Lustig seine Approbation Lustig ab 1913 Mitglied der Berliner Gesellschaft fur Anthropologie Ethnologie und Urgeschichte wurde Anfang 1914 Volontar Assistent am Anthropologischen Institut der Schlesischen Friedrich Wilhelms Universitat zu Breslau 3 Lustig konvertierte als junger Mann vom Judentum zum Christentum und gehorte der Religionsgemeinschaft der Baptisten an 4 Nach Beginn des Ersten Weltkrieges war Lustig als Kriegsfreiwilliger beim Deutschen Heer in Breslau als Militararzt in einem Lazarett eingesetzt 5 Wahrend seiner Tatigkeit als Militararzt promovierte er 1915 in Breslau mit der Dissertation Die Skelettreste der unteren Extremitat von der spatdiluvialen Fundstatte Hohlerfels und ihre rassenmorphologische Stellung zum Dr med und 1916 zum Dr phil mit der Dissertation Ein neuer Neandertalfund 2 Nach Kriegsende war Lustig ab 1920 als preussischer Medizinalbeamter in Koblenz tatig 6 In dieser Funktion sammelte er Informationen zur Volksgesundheit und ubermittelte diese an das Preussische Ministerium fur Volkswohlfahrt Zusatzlich fuhrte er seine Privatpraxis 7 Lustig zog 1927 nach Berlin 7 Ende Januar 1927 heiratete Lustig die nichtjudische Arztin Annemarie Preuss 4 Juni 1897 in Breslau 8 Die Ehe blieb kinderlos 9 Lustig trat Anfang Februar 1927 in die Verwaltung der Berliner Polizei ein 8 Innerhalb der Berliner Polizeiverwaltung machte Lustig schliesslich Karriere Von 1929 bis 1933 leitete er das Medizinaldezernat beim Berliner Polizeiprasidium und wurde bis zum Obermedizinalrat und Oberregierungsrat befordert 6 In dieser Funktion war er u a fur die Gesundheitsfursorge in Schulen und Heimen zustandig Des Weiteren umfasste sein Tatigkeitsfeld auch die Ausbildung des medizinischen Personals Lustig war Autor mehrerer Bucher unter anderem des Standardwerks Der Arzt als offentlicher Gesundheitsbeamter Gesundheitspolitiker und gerichtlicher Sachverstandiger 1926 das unter dem Namen Der Kleine Lustig bekannt wurde 7 Zeit des Nationalsozialismus BearbeitenNach der Machtubernahme durch die Nationalsozialisten wurde Lustig abgesetzt 10 und im Oktober 1933 aufgrund des Berufsbeamtengesetzes aus dem Polizeidienst entlassen Seine Eingabe als Kriegsveteran durch das Frontkampferprivileg im Staatsdienst verbleiben zu durfen wurde abgelehnt da seine Tatigkeit als Militararzt in Breslau nicht als Fronteinsatz anerkannt wurde Anschliessend lebte er von 500 RM Pension 11 Spatestens ab 1936 war er bei der Verwaltung der Judischen Gemeinde zu Berlin angestellt Die Approbation wurde ihm 1938 entzogen 6 Lustig wurde Opfer antijudischer Massnahmen so musste er eine Judenvermogensabgabe in Hohe von 21 400 RM zahlen und Wertgegenstande abgeben 7 Nach Installierung der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland leitete Lustig in dieser Organisation ab Juli 1939 bei der Abteilung Fursorge unter Conrad Cohn den Bereich Gesundheitsfursorge 12 Arztlicher Leiter des Judischen Krankenhauses Berlin Bearbeiten Im Dezember 1941 wurde am Judischen Krankenhaus Berlin durch das NS Regime eine Untersuchungsabteilung fur Transportreklamation geschaffen wo die Transportfahigkeit von Juden festgestellt werden sollte Diese Abteilung musste Lustig leiten Auf Anordnung der NS Behorden war Lustig gezwungen 91 Krankenhausangestellte im Oktober 1942 fur die Deportation in Konzentrationslager auszuwahlen 13 Andererseits konnte er in mehreren Fallen fur von der Deportation bedrohte Menschen Ruckstellungen aus medizinischen Grunden erreichen so lange dies moglich war 7 Am 20 Oktober 1942 wurde Lustig arztlicher Direktor des Judischen Krankenhauses Berlin 14 Als Gestapo und Kripo das Judische Krankenhaus nach der Fabrikaktion am 27 Februar 1943 schliessen wollten gelang es Lustig mit dem Hinweis auf eine fehlende Genehmigung dieses Vorhaben abzuwenden Daraufhin wurden 300 Krankenhausangestellte selektiert die samt ihren Familien in Konzentrationslager verbracht wurden Im Juni und November 1943 wurden Patienten aus dem Judischen Krankenhaus deportiert Lustig musste mehrfach Deportationslisten erstellen Seit Anfang Marz 1944 diente das Pathologiegebaude des Krankenhauses als Sammelstelle fur Juden 13 die von dort zum Teil weiter in Konzentrationslager deportiert wurden Leiter der Rest Reichsvereinigung Bearbeiten Ab Ende 1942 gehorte er auch dem Vorstand der Reichsvereinigung an zu deren Vorstandssitzungen er zuvor schon als Sachverstandiger fur Gesundheitsfursorge mehrmals geladen war 14 Nachdem die Buroraume der Reichsvereinigung am 10 Juni 1943 geschlossen und anschliessend die letzten Vertreter dieser Organisation in das Ghetto Theresienstadt deportiert worden waren war Lustig von Juni 1943 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges Leiter der so genannten Rest Reichsvereinigung und der einzige ehemalige leitende Mitarbeiter der ehemaligen Reichsvereinigung 15 Er war von der Deportation ausgenommen worden da er in Mischehe lebte 16 Sein Vater wurde jedoch in das Ghetto Theresienstadt verbracht Lustigs Ehefrau wurde zum Dienst am Stadtischen Krankenhaus Traunstein verpflichtet wo sie als Assistenzarztin arbeitete 9 Die Rest Reichsvereinigung hatte ihren Dienstsitz in den Raumlichkeiten des Judischen Krankenhauses in der Iranischen Strasse 2 15 Diese Organisation war fur die soziale Fursorge der Juden in Mischehen sowie der noch von der Deportation verschonten Volljuden und der zwangsweisen Vermogenstransaktion an den NS Staat zustandig 15 Zudem hielt Lustig Kontakt zu den 41 fur judische Mischehepartner und deren Kinder zustandigen Vertrauensmannern im Reichsgebiet die der Rest Reichsvereinigung unterstanden 17 18 In seiner leitenden Funktion wurde Lustig mehrfach durch Fritz Wohrn aus dem Eichmannreferat vernommen 19 Nach Kriegsende BearbeitenNach Ende des Zweiten Weltkrieges blieb Lustig Leiter des Judischen Krankenhauses das umgehend seinen regularen Betrieb wieder aufnahm 20 Zudem bot er sich an im Berliner Bezirk Wedding als Amtsarzt zu fungieren und die Leitung des dortigen Gesundheitsamtes zu ubernehmen 9 Mit seinen Kollegen der noch bestehenden Rest Reichsvereinigung versuchte er ab dem 25 Mai 1945 erfolglos diese Organisation als legitime Vertretung der uberlebenden Juden und als neue Judische Gemeinde zu Berlin anerkennen zu lassen 20 Schliesslich wurde Lustig von dem Auschwitzuberlebenden Bully Salmen Schott im Judischen Krankenhaus zur Rede gestellt der Lustig fur die Deportation seiner Mutter und deren Tod verantwortlich machte Nach einem Wortgefecht unter Anwesenheit sowjetischer Offiziere schlug Schott Lustig nieder 21 Lustig wurde Ende Juni 1945 nach einer Anzeige von uberlebenden Juden des Sammellagers wegen Zusammenarbeit mit der Gestapo durch Angehorige des NKWD verhaftet 22 Anschliessend wurde er inhaftiert und durch ein sowjetisches Militartribunal zum Tode verurteilt Ende Dezember 1945 soll er in dem Gefangnis Rummelsburg hingerichtet worden sein Nach anderen Angaben soll er sich im Winter 1945 im Spezialgefangnis Nr 6 des NKWD in Berlin Lichtenberg das Leben genommen haben 23 Das Amtsgericht Berlin Wedding legte am 19 Oktober 1954 als offizielles Todesdatum den 31 Dezember 1945 fest 24 Lustig wird als ambivalente Personlichkeit geschildert Einerseits soll er sehr eng mit den NS Instanzen kooperiert sowie deren Vorgaben umgesetzt haben 14 andererseits soll er Juden durch Krankenhauseinweisungen oder andere Interventionen vor dem Transport in die Vernichtungslager bewahrt haben 25 Werke BearbeitenDie Skelettreste der unteren Extremitat von der spatdiluvialen Fundstatte Hohlerfels und ihre rassenmorphologische Stellung Braunschweig 1915 Ein neuer Neandertalfund Breslau 1916 Das Verhaltnis des Collo Diaphysenwinkels zum Hals und Schaft des Oberschenkels Wiesbaden 1916 Leitfaden der gerichtlichen Medizin einschl d gerichtl Psychiatrie Fur Studierende Arzte u Juristen Berlin 1925 Die Bekampfung des Kurpfuschertums Berlin 1926 Zwangsuntersuchung und Zwangsbehandlung Munchen 1926 Der Arzt als offentlicher Gesundheitsbeamter Gesundheitspolitiker und gerichtlicher Sachverstandiger Berlin um 1926 Gesetz und Recht im Krankenhaus Berlin 1930 Anatomie und Physiologie Leipzig 1931 Laboratorium und Rontgeninstitut in Gesetz und Recht einschl d amtl Prufungs u Ausbildungsvorschriften f techn Assistentinnen in Preussen u d anderen dt Landern Leipzig 1931 Gesetzes und Rechtskunde fur Kranken Sauglings und Fursorgeschwestern Sozialbeamte Masseure Hebammen und Irrenpflegepersonen Ein Lehrb in Frage u Antwort Berlin 1931 Berlin 1935 Die Beschaftigung unausgebildeter Technischer Assistentinnen In Reveta 1932 S 138 ff Die theoretischen Grundlagen der praktischen Krankenpflege Ein Lehrb in Frage u Antwort Leipzig 1933 Berlin 1936Literatur BearbeitenVolker Klimpel Arzte Tode Unnaturliches und gewaltsames Ableben in neun Kapiteln und einem biographischen Anhang Konigshausen amp Neumann Wurzburg 2005 ISBN 3 8260 2769 8 Beate Meyer Gratwanderung zwischen Verantwortung und Verstrickung Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland un die Judische Gemeinde zu Berlin 1938 1945 In Beate Meyer Hermann Simon Hrsg Juden in Berlin 1938 1945 Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung in der Stiftung Neue Synagoge Berlin Centrum Judaicum Philio Verlagsgesellschaft Berlin 2000 ISBN 3 8257 0168 9 Gudrun Maierhof Selbstbehauptung im Chaos Frauen in der judischen Selbsthilfe 1933 1943 Campus Verlag 2002 ISBN 3 593 37042 5 Daniel B Silver Refuge in Hell How Berlin s Jewish Hospital Outlasted the Nazis 2004 ISBN 0 618 48540 6 deutsch Uberleben in der Holle Das Berliner Judische Krankenhaus im Dritten Reich Verlag fur Berlin Brandenburg Berlin 2006 ISBN 3 86650 580 9 Lustig Walter in Joseph Walk Hrsg Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918 1945 Munchen Saur 1988 ISBN 3 598 10477 4 S 249Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Walter Lustig im Katalog der Deutschen NationalbibliothekEinzelnachweise Bearbeiten Bei Volker Klimpel Arzte Tode Unnaturliches und gewaltsames Ableben in neun Kapiteln und einem biographischen Anhang Wurzburg 2005 S 135 und Walter Lustig Ein neuer Neandertalfund Inaugural Dissertation an der Universitat Breslau Breslau 1916 S 47 Lebenslauf wird als Geburtsdatum der 10 August 1891 angegeben bei Beate Meyer Hermann Simon Hrsg Juden in Berlin 1938 1945 Berlin 2000 S 325 der 19 August 1891 a b Beate Meyer Hermann Simon Hrsg Juden in Berlin 1938 1945 Berlin 2000 S 325 Walter Lustig Ein neuer Neandertalfund PDF 1 9 MB Inaugural Dissertation an der Universitat Breslau Breslau 1916 S 47 Lebenslauf Daniel B Silver Refuge in Hell How Berlin s Jewish Hospital Outlasted the Nazis 2004 S 27 Daniel B Silver Refuge in Hell How Berlin s Jewish Hospital Outlasted the Nazis 2004 S 23 a b c Volker Klimpel Arzte Tode Unnaturliches und gewaltsames Ableben in neun Kapiteln und einem biographischen Anhang Wurzburg 2005 S 135 a b c d e Beate Meyer Hermann Simon Hrsg Juden in Berlin 1938 1945 Berlin 2000 S 326 a b Dagmar Hartung von Doetinchem Rolf Winau Zerstorte Fortschritte das Judische Krankenhaus in Berlin 1756 1861 1914 1989 Hentrich 1989 S 222 a b c Beate Meyer Hermann Simon Hrsg Juden in Berlin 1938 1945 Berlin 2000 S 327 Reveta Verbandszeitschrift der Technischen Assistentinnen Deutschlands 13 1933 4 S 98 Daniel B Silver Refuge in Hell How Berlin s Jewish Hospital Outlasted the Nazis 2004 S 25 Gudrun Maierhof Selbstbehauptung im Chaos Frauen in der judischen Selbsthilfe 1933 1943 Campus Verlag 2002 S 358 a b Gerhild H M Komander Der Wedding Auf dem Weg von Rot nach Bunt Berlin Story Verlag Berlin 2006 ISBN 3 929829 38 X S 201 a b c Esriel Hildesheimer Judische Selbstverwaltung unter dem NS Regime Tubingen 1994 S 125 a b c Gudrun Maierhof Selbstbehauptung im Chaos Frauen in der judischen Selbsthilfe 1933 1943 Campus Verlag 2002 S 294f Esriel Hildesheimer Judische Selbstverwaltung unter dem NS Regime Tubingen 1994 S 234 Monica Kingreen Hrsg Nach der Kristallnacht judisches Leben und antijudische Politik in Frankfurt am Main 1938 1945 Campus Verlag Frankfurt am Main 1999 ISBN 3 593 36310 0 S 385 Avraham Barkai Paul Mendes Flohr Steven M Lowenstein Deutsch judische Geschichte in der Neuzeit Band IV 1918 1945 Munchen 1997 S 360 Esriel Hildesheimer Judische Selbstverwaltung unter dem NS Regime Tubingen 1994 S 119 a b Andreas Weigelt Hermann Simon Zwischen Bleiben und Gehen Juden in Ostdeutschland 1945 bis 1956 zehn Biographien Text Verlag Berlin 2008 ISBN 978 3 938414 48 4 S 59 Konrad Kwiet Ich habe mich durchs Leben geboxt Die unglaubliche Geschichte des Bully Salmen Schott In Marion Kaplan Beate Meyer Judische Welten Juden vom 18 Jahrhundert bis in die Gegenwart Institut fur die Geschichte der Deutschen Juden Wallstein Gottingen 2005 S 241 vgl Esriel Hildesheimer Judische Selbstverwaltung unter dem NS Regime Tubingen 1994 S 125 Andreas Weigelt Klaus Dieter Muller Thomas Schaarschmidt Mike Schmeitzner Hrsg Todesurteile sowjetischer Militartribunale gegen Deutsche 1944 1947 Eine historisch biographische Studie Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2015 ISBN 978 3 525 36968 5 S 428f Ulrike Offenberg Seid vorsichtig gegen die Machthaber Die judischen Gemeinden in der SBZ und der DDR 1945 1990 Aufbau Verlag Berlin 1998 S 292 Sarah Ross Buchbesprechung Uberleben in der Holle November 2011 Normdaten Person GND 128899441 lobid OGND AKS VIAF 3537737 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Lustig WalterKURZBESCHREIBUNG deutscher Mediziner und judischer VerbandsfunktionarGEBURTSDATUM 10 August 1891GEBURTSORT RatiborSTERBEDATUM 1945STERBEORT Berlin Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Walter Lustig amp oldid 231065234