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Die Judenvermogensabgabe war eine willkurliche Sonderabgabe die deutsche Juden in der Zeit des Nationalsozialismus ab November 1938 leisten mussten Nach Herschel Grynszpans Attentat auf den deutschen Legationssekretar Ernst Eduard vom Rath und den Novemberpogromen 1938 verlangte Hermann Goring eine Kontributionszahlung von einer Milliarde Reichsmark RM als Suhneleistung fur die feindliche Haltung des Judentums gegenuber dem deutschen Volk Die Verordnung uber eine Suhneleistung der Juden deutscher Staatsangehorigkeit RGBl I S 1579 vom 12 November 1938 war von Hermann Goring unterzeichnet dem 1936 eine Generalvollmacht zum Erlass von Rechtsverordnungen erteilt worden war 1 Am selben Tag wurde auch die Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben sowie die Verordnung zur Wiederherstellung des Strassenbildes bei judischen Gewerbebetrieben erlassen drei Wochen spater die Verordnung uber den Einsatz des judischen Vermogens Inhaltsverzeichnis 1 Zustandekommen 2 Durchfuhrung 3 Finanzpolitischer Hintergrund 4 Reaktionen 5 Wiedergutmachung 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseZustandekommen BearbeitenEine vergleichbare Strafsteuer hatte Adolf Hitler bereits 1936 nach David Frankfurters Attentat auf Wilhelm Gustloff erwogen danach einen Plan der Erhebung einer Judensondersteuer grundsatzlich gebilligt und ein Gesetz ausarbeiten lassen das sofort nach dem Gustloff Prozess verkundet werden sollte 2 In einer geheimen Denkschrift zum Vierjahresplan proklamierte Hitler im August 1936 dass zur Erreichung der militarpolitischen Ziele Deutschlands u a ein Gesetz erlassen werden sollte das das gesamte Judentum haftbar macht fur alle Schaden die durch einzelne Exemplare dieses Verbrechertums der deutschen Wirtschaft und damit dem deutschen Volke zugefugt werden 3 Am 18 Dezember desselben Jahres teilte der Staatssekretar im Reichsinnenministerium Wilhelm Stuckart dem Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht vertraulich mit Hitler habe die Erhebung einer Judensteuer grundsatzlich gebilligt und angeordnet die Vorbereitungen eines entsprechenden Gesetzesentwurfs so zu beschleunigen dass die Moglichkeit gegeben ware das Gesetz bereits nach Ende des Gustloff Prozesses zu verkunden 3 Diese Plane gediehen bis zu einem Gesetzentwurf der allen Juden fur das Rechnungsjahr 1937 Sonderzuschlage auf Lohn und Vermogenssteuern auferlegte Hitler sah jedoch aus aussenpolitischen Grunden aber auch aufgrund von Bedenken der Ministerialburokratie von einer Umsetzung ab offensichtlich in der Absicht eine gunstigere Situation abzuwarten 4 Am 10 November 1938 erfuhr Reichswirtschaftsminister Walther Funk von Joseph Goebbels dass Adolf Hitler befehle nunmehr alle Juden aus der deutschen Wirtschaft auszuschalten 5 Am gleichen Tage fanden sich Goring und Goebbels bei Hitler ein und Goebbels schlug dabei vor den Juden eine Kontribution aufzuerlegen 6 Goring bezeugte beim Nurnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militargerichtshof den entsprechenden Fuhrerbefehl Ich mochte betonen dass ich obwohl ich schriftlichen Auftrag und Befehl mundlich wie schriftlich vom Fuhrer gehabt habe diese Gesetze durchzufuhren und zu erlassen die volle und ganze Verantwortung fur diese von mir gezeichneten Gesetze auf mich nehme denn ich habe sie erlassen und bin damit fur sie verantwortlich und denke nicht daran mich hinter den sic Befehl des Fuhrers in irgendeiner Form zu verstecken Goring 7 In einer mehrstundigen Besprechung uber die Judenfrage umriss Goring am 12 November 1938 vor mehr als hundert Teilnehmern das Ziel in der Judenfrage zu einer ganz klaren fur das Reich gewinnbringenden Aktion zu kommen 8 Die anlasslich des Pogroms entstandenen Schaden sollten von den Juden selbst beseitigt werden Versicherungsleistungen wurden beschlagnahmt Judische Gewerbebetriebe sollten unter Schatzwert enteignet und zum Verkehrswert an deutsche Kaufer ubertragen werden Aktien und Wertpapiere mussten gegen Reichsschatzanweisungen eingetauscht werden Goring ausserte wahrend dieser Besprechung Ich werde den Wortlaut wahlen dass die deutschen Juden in ihrer Gesamtheit als Strafe fur die ruchlosen Verbrechen usw usw eine Kontribution von 1 Milliarde auferlegt bekommen Das wird hinhauen Die Schweine werden einen zweiten Mord so schnell nicht machen Im ubrigen muss ich noch einmal feststellen Ich mochte kein Jude in Deutschland sein Goring 9 Durchfuhrung BearbeitenBereits im Fruhjahr 1938 war eine Verordnung uber die Anmeldung des Vermogens von Juden ergangen Juden mussten demnach bis Ende Juli ihr Vermogen deklarieren wenn der Wert 5 000 RM uberstieg Eine Durchfuhrungsverordnung uber die Suhneleistung der Juden vom 21 November 1938 RGBl I S 1638 f griff darauf zuruck und bestimmte dass alle Juden mit einem Vermogen uber 5 000 RM 20 davon in vier Raten bis zum 15 August 1939 an ihr Finanzamt abfuhren mussten In der Verordnung war ausdrucklich vorbehalten dass weitere Zahlungen abgefordert werden konnten wenn auf diese Weise die Gesamtsumme von einer Milliarde Reichsmark nicht erreicht wurde Tatsachlich wurde mit einer weiteren Verordnung 10 eine funfte Rate verlangt die zum 15 November 1939 fallig wurde Die Gesamtsumme belief sich schliesslich auf 1 126 612 495 00 RM 11 Steuerjahr Steueraufkommen in RM 12 1938 498 514 8081939 533 126 5041940 94 971 184Gesamt 1 126 612 496Finanzpolitischer Hintergrund BearbeitenDie finanzielle Notlage des Reiches hatte sich nicht zuletzt wegen der Aufrustung der Wehrmacht zugespitzt Es mangelte an Devisen und Krediten aus dem Ausland fur das Jahr 1939 war die Tilgung von Mefo Wechseln fallig Im Haushalt klaffte eine erhebliche Lucke Es bestand 1938 ein Kassendefizit von zwei Milliarden Reichsmark Walther Bayrhoffer vom Reichsfinanzministerium befurchtete Mitte November 1938 die Moglichkeit dass das Reich zahlungsunfahig wurde 13 Ein Vertreter des Auswartigen Amtes notierte nach einer internen Rede Gorings am 18 November 1938 Sehr kritische Lage der Reichsfinanzen Abhilfe zunachst durch die der Judenschaft auferlegte Milliarde und durch die Reichsgewinne bei Arisierung judischer Unternehmungen 14 Die dringend erwarteten Strafgelder aus der Judenbusse wurden von deutschen Grossbanken vorfinanziert Durch 1 Milliarde Reichsmark erhohten sich die Reichseinnahmen mit einem Schlag von 16 auf 17 Milliarden Mark also um gut 6 Prozent Reaktionen BearbeitenVictor Klemperer schreibt in seinen Tagebuchern zum 13 November 1938 sowie unter dem 6 Dezember In Leipzig erfuhren wir auch die Milliardenbusse das deutsche Volk habe die Juden gerichtet In der Vermogensabgabe dagegen scheinen wir aus unserer Armut Nutzen zu ziehen Ich werde wahrscheinlich unter der 5 000 Mark Grenze liegen denn der Ruckkaufwert der Lebensversicherung wird nur noch ein paar hundert Mark betragen und der Augenblickswert des Hauses kaum 17 000 wovon 12 000 Hypothek sind 15 Tatsachlich zahlte nur ein Bruchteil der in Deutschland verbliebenen Juden diese Strafsteuer In Hamburg hatten zum Beispiel nur 16 Prozent eine Vermogenserklarung abgeben mussen die als Basis fur die Judenvermogensabgabe herangezogen wurde 16 Die verbreitete Vorstellung vom Reichtum der Juden war Legende Nach den geheimen innenpolitischen Stimmungsberichten die vom Sicherheitsdienst als Vorlaufer der spateren Meldungen aus dem Reich erhoben wurden kritisierten Teile der Bevolkerung die sinnlose Zerstorung von Sachwerten wahrend der Reichskristallnacht Die den Juden pauschal auferlegte Geldstrafe wurde hingegen in vielen Fallen als gerechte Strafe angesehen 17 Das Bamberger Volksblatt schilderte den angeblichen Reichtum der Juden und rechtfertigte die Suhneleistung Dieses dem deutschen Volk durch Betrug genommene Vermogen wird durch die jetzt auferlegte Geldstrafe zu einem kleinen Teil wieder in den Besitz des deutschen Volkes zuruckgefuhrt 18 Wiedergutmachung BearbeitenIm Rahmen der deutschen Wiedergutmachungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg sah das Bundesentschadigungsgesetz BEG eine Entschadigung in Geld nicht nur fur die geleistete Judenvermogensabgabe sondern auch fur die Reichsfluchtsteuer die Kosten aus der Aufzwingung eines Heimeinkaufsvertrages sowie die Dego Abgabe vor Im Gegensatz zur westlichen Entschadigung gab es von Ausnahmen abgesehen in der DDR keine Ruckerstattung von Vermogen oder Immobilien Diese ablehnende Haltung in Entschadigungsfragen wurde nach der Wiedervereinigung mit Zahlungen aus dem sog Artikel 2 Fonds Hartefonds fur judische Verfolgte zugunsten von Geschadigten die bis dahin von Leistungen nach dem BEG ausgeschlossen waren uberwunden Literatur BearbeitenGotz Aly Hitlers Volksstaat Raub Rassenkrieg und nationaler Sozialismus S Fischer Frankfurt am Main 2005 ISBN 3 10 000420 5 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Verordnung uber eine Suhneleistung der Juden deutscher Staatsangehorigkeit Quellen und Volltexte Judenvermogensabgabe im Glossar des Niedersachsischen Landesarchiv Bescheid uber die Judenvermogensabgabe Exponat des Deutschen Historischen MuseumsEinzelnachweise Bearbeiten Verordnung zur Durchfuhrung des Vierjahresplanes RGBl 1936 I S 887 Zitiert nach Uwe Dietrich Adam Judenpolitik im Dritten Reich Dusseldorf 2003 unv Nachdr von 1972 ISBN 3 7700 4063 5 S 112 a b Zitiert nach Avraham Barkai Vom Boykott zur Entjudung Der wirtschaftliche Existenzkampf der Juden im Dritten Reich 1933 1943 Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 1988 ISBN 3 596 24368 8 S 126 Uwe Dietrich Adam Judenpolitik S 114 Uwe Dietrich Adam Judenpolitik S 146 mit Verweis auf IMT Bd XIII S 131 Uwe Dietrich Adam Judenpolitik S 146 mit Verweis auf IMT Bd IX S 313 IMT Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher Nachdruck Munchen 1989 ISBN 3 7735 2522 2 Bd IX S 314 IMT Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher Nachdruck Munchen 1989 ISBN 3 7735 2522 2 Bd XXVIII S 506 Dokument PS 1816 Dokument VEJ 2 146 In Susanne Heim Bearb Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 1945 Quellensammlung Band 2 Deutsches Reich 1938 August 1939 Munchen 2009 ISBN 978 3 486 58523 0 S 408 437 mit Anm 2 IMT Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher Nachdruck Munchen 1989 ISBN 3 7735 2522 2 Bd XXVIII S 538 Dokument PS 1816 Zweite Durchfuhrungsverordnung uber die Suhneleistung der Juden vom 19 Oktober 1939 RGBl I S 2059 Gotz Aly Hitlers Volksstaat Raub Rassenkrieg und nationaler Sozialismus Frankfurt a M 2005 ISBN 3 10 000420 5 S 63 Raul Hilberg Die Vernichtung der europaischen Juden Band 1 Fischer Verlag 1982 ISBN 3 596 24417 X S 144ff Gotz Aly Hitlers Volksstaat S 61 62 Gotz Aly Hitlers Volksstaat S 62 Victor Klemperer Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten Berlin 1995 ISBN 3 351 02340 5 Bd I S 438 und 442 Gotz Aly Hitlers Volksstaat S 56 Peter Longerich Davon haben wir nichts gewusst Munchen 2006 ISBN 3 88680 843 2 S 130 Otto Dov Kulka Eberhard Jackel Die Juden in den geheimen NS Stimmungsberichten 1933 1945 Dusseldorf 2004 ISBN 3 77001 616 5 Peter Longerich Davon haben wir nichts gewusst S 139 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Judenvermogensabgabe amp oldid 235616587