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Die gemass den Nurnberger Gesetzen als Juden angesehenen Personen die ab 1942 nach Planung der Wannseekonferenz in das Altersghetto Theresienstadt deportiert werden sollten schlossen auf Veranlassung der Gestapo mit der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland sogenannte Heimeinkaufsvertrage ab Darin wurde den alteren Juden die lebenslange kostenfreie Unterbringung ihre Verpflegung und Krankenversorgung zugesagt Neben einer errechneten Vorauszahlung wurden weitere Abgaben Spenden und Vermogensubertragungen gefordert Tatsachlich fanden die Deportierten in Theresienstadt uberfullte und kaum geheizte Wohnstatten mangelhafte Ernahrung und unzureichende arztliche Versorgung vor Die Vermogenswerte fielen spater dem Reichssicherheitshauptamt RSHA zu Inhaltsverzeichnis 1 Judische Altersheime 2 Planung fur das Ghetto Theresienstadt 3 Der Heimeinkaufsvertrag H 4 Realitat 5 Ausplunderung 6 Heimeinkaufsvertrage in der Literatur 7 Wiedergutmachung 8 Literatur 9 Weblinks 10 BelegstellenJudische Altersheime BearbeitenAuf Anordnung des RSHA war die Reichsvereinigung fur die Organisation der judischen Wohlfahrtspflege und damit auch fur judische Altersheime zustandig Anfang 1941 wurden 150 Altersheime unmittelbar von der Berliner Zentrale oder durch die 17 Bezirksstellen und 13 judischen Kultusvereinigungen betrieben 1 Durch erzwungene Immobilienverkaufe die eine Uberbelegung nach sich zogen und durch angeordnete Ausgabenkurzungen verschlechterte sich die Situation Den Insassen verblieben ein Bett ein Stuhl und ein Schrank Zum 1 Juli 1941 mussten alle bestehenden Vertrage mit Heimeinwohnern in Heimeinkaufsvertrage umgestellt werden in denen die Heimbewohner verpflichtet wurden den Unterhalt der bedurftigen Mitinsassen mit zu finanzieren Bei Neuaufnahme lag der Mindestbetrag bei 11 000 Reichsmark wobei eine voraussichtliche Lebenserwartung von 85 Jahren zugrunde gelegt wurde Dieser Betrag war in bar oder in Wertpapieren an die Reichsvereinigung zu zahlen die als Gegenleistung Unterkunft und Verpflegung auf Lebenszeit zusagte 1 Planung fur das Ghetto Theresienstadt BearbeitenBereits im November 1941 hatte Reinhard Heydrich den Plan gefasst das fur die Juden des Protektorats Bohmen und Mahren vorgesehene Ghetto Theresienstadt auch als Altersheim fur Juden aus Deutschland einzurichten 2 Auf der Wannseekonferenz 20 Januar wurde dieser Plan bekraftigt und zugleich erweitert als Vorzugslager fur kriegsdekorierte Juden bestimmt Am 19 Februar 1942 wurden Vorstandsmitglieder der Reichsvereinigung entsprechend unterrichtet Die ersten Transporte in den Osten waren im September 1941 angelaufen Es herrschte in judischen Kreisen grosse Besorgnis wie Alte und Korperbehinderte die weite beschwerliche Fahrt und eine provisorische Unterbringung uberstehen sollten Unter diesen Umstanden nahmen sie es mit Erleichterung auf dass ein Lager in Terezin mit festen Gebauden als besser erreichbares und klimatisch gunstigeres Ziel ausgewahlt worden war 3 Der Heimeinkaufsvertrag H BearbeitenSeit Juli 1942 wurden alle bisherigen Vertrage umgeschrieben in den so genannten Heimeinkaufsvertrag H 4 Darin wurde darauf hingewiesen dass die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland die Mittel fur alle gemeinschaftlich in Theresienstadt untergebrachten Personen aufzubringen habe Daher sei es Pflicht aller die uber Vermogen verfugten nicht nur die Kosten der eigenen Unterbringung aufzubringen sondern auch die Mittel zur Versorgung der Hilfsbedurftigen bereitzustellen Der Einkaufsbetrag wurde berechnet indem bis zum Erreichen des 85 Lebensjahres jeder Monat mit 150 RM veranschlagt wurde Vom Rest des Vermogens wurde eine progressiv steigende Pflichtabgabe von 25 bis 80 5 verlangt zusatzlich wurde eine grosszugige freiwillige Spende erwartet 6 Im Vertrag war ausser einer Leerzeile um den Betrag einer Barzahlung einzufugen eine weitere fur die urkundlich vollzogene Abtretung von Vermogen wie Wertpapieren Bankguthaben und Hypotheken vorgehalten Ein Rechtsanspruch auf Ruckzahlung beim Tode oder bei einer Aufgehung des Vertrages aus anderen Grunden wurde ausgeschlossen Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland verpflichtete sich dem Vertragspartner auf Lebenszeit Heimunterkunft und Verpflegung zu gewahren die Wasche waschen zu lassen ihn sie erforderlichenfalls arztlich und mit Arzneimitteln zu betreuen und fur notwendigen Krankenhausaufenthalt zu sorgen Die Reichsvereinigung behielt sich das Recht auf Unterbringung auch ausserhalb des Altreichs vor Der Vertragspartner konne aus einer Veranderung der gegenwartigen Unterbringungsform keine Anspruche herleiten Bei einer korperlichen oder geistigen Erkrankung die einen Verbleib in der Gemeinschaftsunterbringung unmoglich machte durfte die Reichsvereinigung eine anderweitige Unterbringung veranlassen Im Auftrag des RSHA schrieb die Reichsvereinigung am 30 Juni 1942 an ihre Bezirksstellen Heimeinkaufsvertrage sind abzuschliessen wenn mindestens 1000 RM Vermogen besteht 7 Die mit Nachdruck betriebene Werbung wurde als Zwang empfunden Ein Zeitzeuge nennt die Heimeinkaufsvertrage Betrugs Vertrage und berichtet Im Fall meiner Eltern um nur ein Beispiel zu nennen wurde gedroht wenn Sie diesen Vertrag nicht unterzeichnen werden Sie nach dem Osten deportiert 8 Realitat BearbeitenDie zur Deportation nach Theresienstadt ausgewahlten Opfer wurden meist zwei Tage vor dem Abtransport notdurftig in einem Sammellager untergebracht Durch einen Gerichtsvollzieher wurde ihnen eine Urkunde zugestellt mit der ihr verbliebenes Eigentum zum staats und volksfeindlichen Vermogen erklart und beschlagnahmt wurde 9 Mitarbeiter des Finanzamtes des Wohnungsamtes und des stadtischen Ernahrungsamtes arbeiteten Hand in Hand und zogen Lebensmittelkarten Rentenbescheide Sparbucher und Wohnungsschlussel ein Die Gestapobeamten durchsuchten das Gepack und die Opfer Viktor Klemperer schrieb in seinem Tagebuch Theresienstadt gilt als Vergunstigung und ist es wohl auch Polen gegenuber trotzdem auch diese Deportation volligen Vermogensverlust und Sklaverei bedeutet Was es in Wahrheit mit Theresienstadt auf sich hat ob dort gehungert und gestorben oder halbwegs menschlich gelebt wird weiss niemand genau 10 Tatsachlich verbrachten die Ankommlinge in Theresienstadt die ersten Tage in der so genannten Schleuse in ungeheizten Baracken und wurden dann in uberfullte Hauser eingewiesen aus denen die Vorbesitzer alles entfernt hatten was sie mitnehmen konnten Sechs Wochen nach ihrer Ankunft waren rund ein Viertel der geschwachten Alten an Mangelernahrung Kalte oder Krankheit durch mangelhafte hygienische Bedingungen gestorben Spater konnte eine Veranderung der gegenwartigen Unterbringungsform die Deportation ins Vernichtungslager Auschwitz bedeuten So hatte der Hamburger Rechtsanwalt und Konsulent Dr Ernst Kaufmann fur den Heimeinkaufsvertrag 13 534 RM bezahlt und war am 9 Juni 1943 nach Theresienstadt deportiert worden kam aber schon am 9 Oktober 1943 nach Auschwitz und wurde dort ermordet 11 Wahrscheinlich wurden 42 000 deutsche Juden nach Theresienstadt transportiert von denen 20 000 starben und 16 000 nach Auschwitz weitergeschickt und ermordet wurden 12 Ausplunderung BearbeitenNach der 11 Verordnung zum Reichsburgergesetz vom 25 November 1941 verlor ein Jude beim Verlassen des Reichsgebietes seine deutsche Staatsangehorigkeit zugleich verfiel sein Vermogen dem Deutschen Reich Die Verwaltung und Verwertung des eingezogenen Vermogens wurde Aufgabe des Berliner Oberfinanzprasidenten Die Elfte Verordnung traf jedoch nicht auf die Transporte nach Theresienstadt zu da das Reichsprotektorat Bohmen und Mahren nicht als Ausland galt Daher wurde hier jeweils eine Einzelfallentscheidung erforderlich um entsprechend dem Gesetz uber die Einziehung volks und staatsfeindlichen Vermogens von 1933 das judische Eigentum als volks und staatsfeindliches Vermogen formaljuristisch legal einziehen zu konnen Auch diese Vermogenswerte fielen dem Reichsfinanzministerium zu und waren dem Zugriff des RSHA entzogen Dieses war daher bestrebt die in Theresienstadt entstehenden Kosten anderweitig abzudecken Teile des Vermogens vorher an sich zu bringen und Gewinne zu erwirtschaften Fur Einzahlungen zugunsten der Reichsvereinigung wurde ein Sonderkonto H beim Berliner Bankhaus von Heinz Tecklenburg und Co 13 eingerichtet auf welches das RSHA zugreifen konnte Die erwartete Vorauszahlung beim Heimeinkauf betrug einerseits 150 RM je Monat fur die monatliche Verpflegung hingegen wurde dann im Jahre 1943 pro Person nur 11 13 RM aufgewendet 14 Nach der 11 Verordnung zum Reichsburgergesetz konnte das Reichssicherheitshauptamt RSHA nicht mehr auf das Vermogen der Juden zugreifen und richtete deshalb zur weiteren Vermogensabschopfung das Sonderkonto W ein 15 In einem internen Protokoll vom 6 Marz 1942 heisst es es werde gebeten die Juden in nachster Zeit zu erheblichen Spenden fur das Konto W anzuhalten Bisher seien anscheinend durch das Missverstandnis dass den Juden der Fond unmittelbar zugute komme wenig Betrage eingegangen 16 Durch die Heimeinkaufsvertrage kamen nachweislich mindestens 109 Millionen RM zusammen vermutlich lag der Gesamtwert der in diesem Zusammenhang eingesammelten Vermogenswerte bei 400 Millionen RM 17 Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland wurde am 10 Juni 1943 aufgelost ihr Vermogen und der von ihr verwaltete Immobilienbesitz gingen an das RSHA uber Heimeinkaufsvertrage in der Literatur BearbeitenIn ihrem 1949 erschienenen Roman Die Todgeweihten schildert die Hamburger Autorin Berthie Philipp ihre Erfahrungen mit Heimeinkaufsvertragen Deportation Leben in Theresienstadt und ihre personliche Rettung Wiedergutmachung BearbeitenIm Rahmen der deutschen Wiedergutmachungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg sah das Bundesentschadigungsgesetz BEG neben der Reichsfluchtsteuer der Dego Abgabe und der Judenvermogensabgabe auch die Kosten aus der Aufzwingung eines Heimeinkaufsvertrages als entschadigungspflichtige verfolgungsbedingte Sonderabgabe an 59 BEG Im Gegensatz zur westlichen Entschadigung gab es von Ausnahmen abgesehen in der DDR keine Ruckerstattung von Vermogen oder Immobilien Der SED Politiker Paul Merker wurde im Marz 1955 vom Obersten Gericht der DDR zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt weil er sich fur Entschadigungszahlungen an Uberlebende des Holocaust und fur die Ruckerstattung arisierten Eigentums ausgesprochen hatte Die ablehnende Haltung der DDR in Entschadigungsfragen wurde nach der Wiedervereinigung mit Zahlungen aus dem sog Artikel 2 Fonds Hartefonds fur judische Verfolgte zugunsten von Geschadigten die bis dahin von Leistungen nach dem BEG ausgeschlossen waren uberwunden Literatur BearbeitenHans G Adler Die verheimlichte Wahrheit Theresienstadter Dokumente Mohr Tubingen 1958 Helmut Eschwege Zur Deportation alter Juden durch Heimeinkaufvertrage 1942 1945 In Giesela Neuhaus Beate Roch Hrsg Antisemitismus und Massenmord Beitrage zur Geschichte der Judenverfolgung Texte zur politischen Bildung H 16 Rosa Luxemburg Verein Leipzig 1994 ISBN 3 929994 14 3 S 51 73 Berthie Philipp Die Todgeweihten Roman um Theresienstadt Morawe amp Scheffelt Hamburg 1949 Weblinks BearbeitenSkrupelloser Raubmord Die Heimeinkaufsvertrage der Nationalsozialisten ttt titel thesen temperamente In daserste de 22 August 2021 abgerufen am 23 August 2021 Belegstellen Bearbeiten a b Susanne Willems Der entsiedelte Jude Edition Hentrich Berlin 2002 ISBN 3 89468 259 0 S 395 Beate Meyer Hrsg Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933 1945 Geschichte Zeugnis Erinnerung Landeszentrale fur politische Bildung Hamburg 2006 ISBN 3 929728 85 0 S 70 Beate Meyer Hrsg Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933 1945 Geschichte Zeugnis Erinnerung Landeszentrale fur politische Bildung Hamburg 2006 ISBN 3 929728 85 0 S 71 Als Dokument gedruckt in Heiko Morisse Judische Rechtsanwalte in Hamburg Ausgrenzung und Verfolgung im NS Staat Hamburger Beitrage zur Geschichte der deutschen Juden Bd 26 Christian Hamburg 2003 ISBN 3 7672 1418 0 S 69 sowie in Norbert Haase Stefi Jersch Wenzel Hermann Simon Hrsg Die Erinnerung hat ein Gesicht Fotografien und Dokumente zur nationalsozialistischen Judenverfolgung in Dresden 1933 1945 Schriftenreihe der Stiftung Sachsische Gedenkstatten zur Erinnerung an die Opfer Politischer Gewaltherrschaft Bd 4 Bearbeitet von Marcus Gryglewski Kiepenheuer Leipzig 1998 ISBN 3 378 01026 6 S 171 Zum Zeitpunkt siehe Susanne Willems Der entsiedelte Jude Edition Hentrich Berlin 2002 ISBN 3 89468 259 0 S 410 Susanne Willems Der entsiedelte Jude Edition Hentrich Berlin 2002 ISBN 3 89468 259 0 S 409 Diese Angabe geht nicht aus dem Vertragstext hervor Belegt bei Hans G Adler Die verheimlichte Wahrheit 1958 S 763 Hans G Adler Die verheimlichte Wahrheit 1958 S 49 hagali forum Memento des Originals vom 12 Februar 2005 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot forum hagalil com Abgerufen am 8 Dezember 2006 Urkunde abgedruckt bei Hans G Adler Die verheimlichte Wahrheit 1958 S 61 Inhalt auch im Schnellbrief des RIM in Walther Hofer Hrsg Der Nationalsozialismus Dokumente 1933 1945 Fischer Taschenbucher 6084 Bucher des Wissens Original Ausgabe uberarbeitete Neuausgabe 869 950 Tausend Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 1982 ISBN 3 596 26084 1 S 298 f Viktor Klemperer Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten Tagebucher Band 2 1942 1945 2 Auflage Aufbau Verlag Berlin 1995 ISBN 3 351 02340 5 S 393 12 Juni 1943 Heiko Morisse Judische Rechtsanwalte in Hamburg Ausgrenzung und Verfolgung im NS Staat Hamburger Beitrage zur Geschichte der deutschen Juden Bd 26 Christian Hamburg 2003 ISBN 3 7672 1418 0 S 68 Beate Meyer Hrsg Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933 1945 Geschichte Zeugnis Erinnerung Landeszentrale fur politische Bildung Hamburg 2006 ISBN 3 929728 85 0 S 72 Anmerkung Das judische Bankhaus A E Wassermann wurde nach der Arisierung in Bankhaus von Heinz Tecklenburg und Co umbenannt vgl Peter Alfons Steiniger Werdegang bis zum Kriegsende Hans G Adler Die verheimlichte Wahrheit 1958 S 54 W stand fur Wanderung siehe Susanne Heim Bearb Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 1945 Quellensammlung Band 6 Deutsches Reich und Protektorat Bohmen und Mahren Oktober 1941 Marz 1943 Berlin 2019 ISBN 978 3 11 036496 5 S 34 Dokument VEJ 6 83 in Susanne Heim Bearb Die Verfolgung und Ermordung Band 6 Deutsches Reich und Protektorat Bohmen und Mahren Oktober 1941 Marz 1943 Berlin 2019 ISBN 978 3 11 036496 5 S 299 Hans G Adler Die verheimlichte Wahrheit 1958 S 51 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Heimeinkaufsvertrag amp oldid 237994668