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Die Vorarlberger Landesverfassung richtet das Land Vorarlberg als selbstandigen Staat im Bundesstaat Osterreich und als demokratische Republik ein legt die wichtigsten Landesbehorden fest regelt deren grundlegende Kompetenzen bestimmt das Verhaltnis des Landes zum Bund und der Normunterworfenen zum Land ausserdem ist sie die Grundlage der Gesetzgebung des Landtages Die Landesverfassung darf der Bundesverfassung nicht widersprechen insofern kommt Bundesrecht hier ausnahmsweise Vorrang vor Landesrecht zu Wappen des Landes Vorarlberg Inhaltsverzeichnis 1 Entwicklung 1 1 Entstehung 1 2 Erste Novelle 1923 1 3 Aufhebung und Wiedereinsetzung 1 4 Novelle 1984 2 Aufbau 2 1 Gliederung 2 2 Ausserordentliche Verhaltnisse 2 3 Grundrechte 2 4 Direktdemokratische Elemente 3 Judikatur 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseEntwicklung BearbeitenEntstehung Bearbeiten Wahrend der Zeit der Monarchie war Vorarlberg von Tirol aus verwaltet worden Es besass zwar einen eigenen Landtag dieser war jedoch nicht aus allgemeinen Wahlen hervorgegangen sondern bildete vielmehr eine standische Versammlung Daher bildete im November 1918 als das Habsburgerreich zum Ende des Ersten Weltkrieges zusammenbrach auch nicht der Landtag den Ausgangspunkt fur jene Verfassungsrevolution wie sie auch auf Staatsebene hier durch Vertreter des ehemaligen Abgeordnetenhauses getragen abspielte Vielmehr versammelten sich am 3 November 1918 in Bregenz 19 christlichsoziale 6 deutschfreiheitliche und funf sozialdemokratische Vertreter das entsprach dem Ergebnis der letzten Wahlen zum Abgeordnetenhaus und erklarten sich zur gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt im Lande Vorarlberg Die Vorarlberger Landesversammlung erklart sich als die gesetzgebende Korperschaft fur das Land Vorarlberg Ihre Mitglieder wurden von den politi schen Parteien entsendet und vertreten das Land an Stelle des fruheren Land tages bis eine aus Neuwahlen hervorgegangene Vertretung bestellt ist Die Vorarlberger Landesversammlung fuhrt durch einen aus ihrer Mitte gewahlten Landesrat die Verwaltung des Landes Wie in anderen Kronlandern wurde die Fuhrung der politischen und autonomen Verwaltung in einer Hand vereinigt damit hat sich das Land Vorarlberg jene Selbstandigkeit gegeben die es schon lange einmutig anstrebte Vorarlberg bildet von nun an nicht mehr ein gemeinsames Verwaltungsgebiet mit Tirol sondern erklart sich auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes als eigenes selbstandiges Land im Rahmen des deutsch osterreichischen Staates 1 Diese Erklarung ist vor allem dahingehend bemerkenswert als dass die Zugehorigkeit zu Deutschosterreich die spater durch die Volksabstimmung uber den Anschluss Vorarlbergs an die Schweiz in Frage gestellt werden sollte hierbei faktisch festgestellt wurde 2 Bereits am 14 Marz 1919 verabschiedete dieses provisorische Landesparlament im 22 Landesgesetzblatt eine neue Landesverfassung Im Gegensatz zu den Verfassungen anderer ehemaliger Kronlander die meist nur eine Modifizierung der alten Landesordnungen darstellten beinhaltete die Vorarlberger Landesverfassung zum ersten Mal Grundrechte und regelte die Beziehung zum Bundesstaat der aber nicht genau definiert wurde was auf den angestrebten Anschluss an die Schweiz hindeutet Revolutionar ist auch die Einfuhrung von Volksbegehren und Volksabstimmung diese werden hier zum ersten Mal in den Bereich des osterreichischen Verfassungsrechts aufgenommen als Elemente der direkten Demokratie Die erste Landesverfassung unterschied sich teilweise erheblich von ihrer heutigen Form So war der Landeshauptmann ursprunglich in Personalunion auch Landtagsprasident Gesetze wurden von diesem beurkundet und vom Landesamtsdirektor mitgefertigt Gesetze von nicht dringlicher Natur sollten der Abstimmung des Volkes unterliegen wenn binnen 21 Tagen nach Erlass mindestens 10 000 Wahler dies fordern sollten Volksbegehren sollten mindestens 15 000 Unterstutzungen benotigen dafur aber zwingend in Volksabstimmungen enden dd Die Vorarlberger Landesverfassung wurde massgeblich durch die Verfassungen der benachbarten Schweizer Kantone beeinflusst Vor allem die direkten Mitwirkungsmoglichkeiten des Landesvolkes an der politischen Entscheidungsfindung gehen vermutlich auf das Vorbild der schweizerischen Kantonalverfassungen zuruck Erste Novelle 1923 Bearbeiten Nachdem das Bundes Verfassungsgesetz B VG 1920 durch die provisorische Nationalversammlung beschlossen worden war und alle Bestrebungen zum Anschluss an die Schweiz wegen des Vertrages von Saint Germain begraben worden waren musste Vorarlberg jene Bestimmungen welche nicht mit dem B VG ubereinstimmten aus der Landesverfassung entfernen Dies erfolgte verhaltnismassig spat durch die Landesverfassungsnovelle von 1923 Aufhebung und Wiedereinsetzung Bearbeiten Mit der Ausschaltung des Nationalrates und der verfassungswidrigen Verabschiedung der austrofaschistischen Maiverfassung 1934 die ein standisches Prinzip verwirklichen sollte wurden auch die Landesverfassungen aufgehoben Der ehemalige Vorarlberger Landeshauptmann und vormalige Bundeskanzler Otto Ender war von Engelbert Dollfuss mit der Ausarbeitung der Verfassung fur seinen Standestaat beauftragt worden Deren foderalistischer Charakter wurde von Dollfuss aber zum Zentralismus hin verandert Zur Verwirklichung einer standischen Landesverfassung kam es nie in umfassender Weise Durch den Einmarsch deutscher Truppen 1938 wurde auch das austrofaschistische System beendet Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte Vorarlberg gemeinsam mit Wien bereits 1945 seine Landesverfassung wieder ein die anderen Lander folgten 1946 Novelle 1984 Bearbeiten Schliesslich vollzog Vorarlberg als eines der letzten Lander die Modernisierung seiner Landesverfassung Ihr liberaler Charakter wurde durch die Novelle 1984 beibehalten und sogar ausgebaut so normiert Artikel eins Absatz eins Vorarlberg ist ein selbstandiges Land des Bundesstaates Osterreich was auch in anderen Bundeslandern unter Einfugung des jeweiligen Namens ublich ist Aussergewohnlich formuliert ist allerdings Absatz zwei Als selbstandiger Staat ubt Vorarlberg alle Hoheitsrechte aus die nicht ausdrucklich dem Bund ubertragen sind oder ubertragen werden Die Bezeichnung eines osterreichischen Bundeslandes als selbstandiger Staat ist in dieser Form einmalig Der Verfassungsrechtler Peter Bussjager meinte der Vorarlberger Landtag habe mit dieser Novelle zur Vorarlberger Landesverfassung den bemerkenswerten Schritt gesetzt von der viel beklagten Uniformitat der Landesverfassung abzuweichen und die Verfassungsautonomie der Lander auszuschopfen 1 So wie Tirol hat Vorarlberg einen eigenen Landesvolksanwalt der durch die Landesverfassung eingerichtet ist und durch den Landtag bestellt wird Aufbau BearbeitenGliederung Bearbeiten nbsp Das politische System Vorarlbergs wie es auch durch die Landesverfassung festgelegt wird nbsp Das Landhaus in Bregenz ist der Sitz von Landesregierung und Landtag hier tagen auch dessen Ausschusse Die Verfassung gliedert sich in vier Hauptstucke wobei sich das erste mit allgemeinen Bestimmungen das zweite mit der Gesetzgebung des Landes das dritte mit der Verwaltung des Landes und das vierte Hauptstuck mit den Gemeinden befasst Insgesamt umfasst die Landesverfassung zurzeit 78 Artikel Ausserordentliche Verhaltnisse Bearbeiten Liegen gemass Artikel 14 ausserordentlichen Verhaltnissen vor ist der Landeshauptmann ermachtigt den Sitz der Landesregierung und mit Zustimmung des Landtagsprasidenten auch den Sitz des Landtages an einen anderen Ort des Landesgebietes zu verlegen Der Landtag kann mit Zweidrittelmehrheit das Vorliegen von ausserordentlichen Verhaltnissen die die Durchfuhrung einer Landtagswahl unmoglich machen feststellen und diese um bis zu neun Monate nach Beendigung dieser Verhaltnisse verschieben Kann der Landtag nicht zusammentreten ist der sogenannte Notstandsausschuss ermachtigt diese Entscheidung zu treffen Dieser besteht aus dem Landtagsprasidium und vier weiteren Mitgliedern die unter Einrechnung der Mitglieder des Landtagsprasidiums auf ihre Landtagsfraktionen nach den Grundsatzen des Verhaltniswahlverfahrens vom Landtag gewahlt werden wobei jedoch jede im Landtag mit wenigstens drei Abgeordneten vertretene Partei Anspruch auf einen Sitz im Notstandsausschuss hat Zurzeit hat der Notstandsausschuss sieben Mitglieder Damit sind neben dem Landtagsprasidenten Harald Sonderegger OVP der auch Obmann des Ausschusses ist der erste Vizeprasident Ernst Hagen FPO als stellvertretender Obmann und die zweite Vizeprasidentin des Landtages Martina Ruscher OVP sowie die Klubobleute der Landtagsfraktionen Roland Fruhstuck OVP Michael Ritsch SPO Daniel Allgauer FPO und Adi Gross Grune im Notstandsausschuss vertreten Die ebenfalls im Landtag vertretenen NEOS haben nur zwei Landtagsabgeordnete und bilden daher weder einen Landtagsklub noch haben sie Anspruch auf einen Vertreter im Notstandsausschuss Wenn auch der Ausschuss nicht zusammentreten kann entscheidet allein der Landtagsprasident Uber die Verschiebung von Gemeinderatswahlen auf bis zu neun Monate nach Beendigung der ausserordentlichen Verhaltnisse stimmt die Landesregierung mit Zweidrittelmehrheit ab Ist diese verhindert liegt die Entscheidung beim Landeshauptmann Weitere Notverordnungsrechte welche die gesetzesvertretende Notverordnung betreffen sind im Bundes Verfassungsgesetz geregelt Dort ermachtigt Art 97 Abs 3 die Landesregierung im Einvernehmen mit einem nach dem Grundsatz der Verhaltniswahl bestellten Ausschuss des Landtages diese Massnahmen durch vorlaufige gesetzandernde Verordnungen treffen Sie sind von der Landesregierung unverzuglich der Bundesregierung zur Kenntnis zu bringen Der betreffende Ausschuss ist in Vorarlberg der Notstandsausschuss Grundrechte Bearbeiten Im Gegensatz zum jungeren Bundes Verfassungsgesetz enthielt bereits die Landesverfassung von 1919 eine Gesetzesgewahr uber bestimmte Grundrechte die sich selbst nach den 35 ff als Rechte der Volksgenossen definierten Diese beinhalteten den Gleichheitssatz die Glaubens und Gewissensfreiheit den Schutz des Eigentums sowie das Verbot der Unverausserlichkeit von Liegenschaften und von unablosbaren Belastungen letzteres richtet sich vor allem gegen grundherrschaftliche Rechte der aber prinzipiell bereits durch Art 7 des Staatsgrundgesetzes uber die allgemeinen Rechte der Staatsburger vom 21 Dezember 1867 aufgehoben worden waren Im aktuellen Gesetzestext finden sich die Grundrechte hauptsachlich als Staatszielbestimmungen formuliert in den Artikeln sieben und acht wieder In Art 7 Abs 1 wird die freie Entfaltung der Personlichkeit des Einzelnen sowie die Gestaltung des Gemeinschaftslebens durch Abs 2 wird das Land verpflichtet auf die Wurde des Menschen die Gleichheit vor dem Gesetz die Verhaltnismassigkeit der angewandten Mittel und die Grundsatze von Treu und Glauben zu achten in Abs 3 erklart das Land die Verpflichtung der Gesellschaft betagte Menschen und Menschen mit Behinderung zu unterstutzen Abs 4 beschaftigt sich mit dem Schutz des Lebens und der Achtung der Wurde des Menschen im Sterben Abs 5 schutzt den Sonntag und die gesetzlichen Feiertage im Mittelpunkt des Abs 6 steht der Umweltschutz und in Abs 7 werden die Organe des Landes schliesslich zu gesetzmassigem sparsamem wirtschaftlichem und zweckmassigem Handeln verpflichtet Artikel acht garantiert den Schutz der Ehe und der Familie sowie der Rechte der Eltern und Kinder Direktdemokratische Elemente Bearbeiten Schon von ihrem Beginn an kennt die Vorarlberger Landesverfassung die direktdemokratischen Elemente von Volksabstimmung Volksbegehren und Volksbefragung Die Unterstutzungszahlen wurden mit der Zeit modifiziert derzeit sind 5 000 Unterschriften fur ein erfolgreiches Volksbegehren an den Landtag erforderlich Sollten mehr als 20 der Wahlberechtigten ein solches Begehren unterzeichnen ist der Landtag entweder zur Beschlussfassung im Sinne des Begehrensinhaltes oder zur Abhaltung einer Volksabstimmung verpflichtet Zehn Gemeinden die Mehrheit der Landtagsmitglieder durch Forderung der Landtag durch Beschluss oder 10 000 stimmberechtigter Burger konnen die Volksabstimmung uber ein nicht dringliches Gesetz binnen acht Wochen verlangen Das Landesgesetz kennt auch eine direktdemokratische Art der Verfassungsgesetzgebung wie sie im B VG Eingang fand so sind gewisse Verfassungsgarantien nur dann anderbar wenn dies durch Volksabstimmung abgesegnet wird Was im Bereich der Bundesverfassung durch Generalklausel als Gesamtanderung klassifiziert wird ist durch die Vorarlberger Landesverfassung taxativ aufgelistet So mussen verfassungsandernde Gesetzesbeschlusse durch die die Stellung Vorarlbergs als selbstandiges Land aufgegeben das Landesgebiet geschmalert das gleiche und unmittelbare Wahlrecht zum Landtag aufgehoben oder die Rechte der Stimmburger und der Gemeinden Volksbegehren zu stellen sowie Volksabstimmungen und Volksbefragungen zu verlangen beseitigt werden jedenfalls der Volksabstimmung unterzogen werden Judikatur Bearbeiten nbsp Ehemaliger Sitz bis 2012 des Verfassungsgerichtshofes in WienDas einzige Verfassungsgericht in Osterreich und damit auch zur Prufung der Vorarlberger Landesverfassung berufen ist der Verfassungsgerichtshof in Wien Den bisher scharfste Eingriff in das geltende Landesverfassungsrecht Vorarlbergs stellt ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 2001 dar mit dem Art 33 Abs 6 L V als bundesverfassungswidrig aufgehoben wurde Der VfGH argumentierte es verstiesse gegen das in der Bundesverfassung festgeschriebene Grundprinzip der reprasentativen Demokratie wenn der Landtag durch die Landesverfassung zur Fassung eines Gesetzesbeschlusses gegen seinen Willen durch das Votum des Stimmvolkes gezwungen werden konne Hintergrund zu diesem Erkenntnis Geschaftszahl G103 00 bildete die zwangsweise Vorschrift zur Fassung eines einem Volksbegehren inhaltlich entsprechenden Gesetzes nach Abhaltung einer Volksabstimmung wenn der Landtag zuvor dem inhaltlichen Gesuchen des Volksbegehrens nicht Rechnung getragen hat Dadurch wurde so der VfGH nicht nur ein volksdemokratischer Zwang gegen das Parlament ermoglicht sondern auch die inhaltliche Gesetzesprufung entfallen wenn das Begehren etwa auf einen Bereich gerichtet sei der in die Kompetenz des Bundes falle Aufgrund dieser Rechtsmeinung erkannte der Verfassungsgerichtshof auf die Verfassungswidrigkeit der Wortfolge oder das Landesvolk durch Volksabstimmung entschieden und hob diese in Folge auf Siehe auch BearbeitenBundesverfassung Osterreich Bundes Verfassungsgesetz Vorarlberger Landesregierung Vorarlberger Landtag Politisches System OsterreichsLiteratur BearbeitenEgon Gmeiner Die Vorarlberger Landesverfassung und ihre Entstehung 1848 bis 1923 Berenkamp Verlag Schwaz Schwaz 1991 ISBN 3 89053 008 7 Hans Kelsen Allgemeine Staatslehre Verlag der Osterreichischen Staatsdruckerei Wien 1993 ISBN 3 7046 0469 0 Wilhelm Brauneder Osterreichische Verfassungsgeschichte Wilhelm Brauneder Quellenbuch zur Osterreichische Verfassungsgeschichte S 58 Weblinks BearbeitenVorarlberger Landesrecht Rechtsinformationssystem des BundeskanzleramtesEinzelnachweise Bearbeiten a b Peter Bussjager Peter Pernthaler Verfassungsbegrundung und Verfassungsautonomie Beitrage zur Entwicklung des osterreichischen Bundesstaates Memento vom 1 August 2007 im Internet Archive PDF 220 kB Vgl Vorarlberg gab sich vor 90 Jahren die Eigenstandigkeit auf Vorarlberg Online Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Vorarlberger Landesverfassung amp oldid 232452779