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Eine Gesamtanderung der Bundesverfassung bezeichnet eine grundlegende Novelle der Osterreichischen Bundesverfassung insbesondere des Bundes Verfassungsgesetzes B VG Eine Gesamtanderung muss zwingend vom Bundesvolk per Volksabstimmung genehmigt werden Inhaltsverzeichnis 1 Gesetzestext 2 Baugesetze der Bundesverfassung 3 Verpflichtende Volksabstimmung 3 1 Volksabstimmung aufgrund Gesamtanderung der Bundesverfassung 3 2 Keine Volksabstimmung trotz Gesamtanderung der Bundesverfassung 4 Rechtsprechung 5 Geschichte 6 Gesamtanderung der Landesverfassung 7 Literatur 8 EinzelnachweiseGesetzestext BearbeitenDie relevante Gesetzesnorm ist Art 44 Abs 3 B VG Jede Gesamtanderung der Bundesverfassung eine Teilanderung aber nur wenn dies von einem Drittel der Mitglieder des Nationalrates oder des Bundesrates verlangt wird ist nach Beendigung des Verfahrens gemass Art 42 jedoch vor der Beurkundung durch den Bundesprasidenten einer Abstimmung des gesamten Bundesvolkes zu unterziehen Baugesetze der Bundesverfassung BearbeitenEntgegen dem Wortlaut ist mit Gesamtanderung aber nicht die Anderung der gesamten Verfassung also dem Austausch der bestehenden Verfassung durch eine neue gemeint Es bezieht sich vielmehr auf eine Anderung oder Beseitigung eines oder mehrerer der Grundprinzipien der Verfassung Baugesetze Diese Baugesetze sind 1 2 Das republikanische Prinzip Artikel 1 des Bundes Verfassungsgesetzes B VG Das demokratische Prinzip Art 1 Art 60 Abs 5 Art 68 Art 142 Abs 1 B VG Das bundesstaatliche Prinzip Art 2 Abs 1 B VG Das gewaltenteilende Prinzip Art 94 B VG Das rechtsstaatliche Prinzip Art 18 Abs 1 Art 140 Abs 1 B VG Das liberale Prinzip StGG 1867 EMRK BVG uber den Schutz der personlichen Freiheit 1988 Sollen diese eingeschrankt oder uberhaupt beseitigt werden so darf dies nur nach Genehmigung durch das Volk per Volksabstimmung erfolgen Verpflichtende Volksabstimmung BearbeitenVolksabstimmung aufgrund Gesamtanderung der Bundesverfassung Bearbeiten Die Norm hat seit Bestehen der Bundesverfassung erst einmal dazu gefuhrt dass tatsachlich eine Volksabstimmung auf ihrer Grundlage durchgefuhrt wurde Dies war der Fall bei der Abstimmung uber den Beitritt Osterreichs zur Europaischen Union am 12 Juni 1994 die vom Volk mit 66 6 Ja Stimmen angenommen wurde Aufgrund der mit dem Beitritt verbundenen tiefgreifenden Eingriffe in mehrere der Prinzipien war die Volksabstimmung notwendig gewesen aus politischen Grunden ware sie wohl aber auch ohne Pflicht dazu durchgefuhrt worden Betroffen vom Beitritt waren insbesondere das demokratische Prinzip Ubertragung von Rechtssetzungsbefugnissen an die demokratisch nicht direkt legitimierten EU Organe das rechtsstaatliche Prinzip da das davor gultige Normprufungsmonopol des Verfassungsgerichtshofes teilweise an europaische Instanzen ubertragen wurde sowie das bundesstaatliche Prinzip Aufgrund der Ubertragung von Landeskompetenzen an EU Organe Keine Volksabstimmung trotz Gesamtanderung der Bundesverfassung Bearbeiten Die wahrend der Zeit des Austrofaschismus erlassene Maiverfassung 1934 bewirkte eine Gesamtanderung der Bundesverfassung wurde aber beschlossen ohne die gemass Art 44 Abs 3 B VG verpflichtende Volksabstimmung durchzufuhren 3 Die im Jahr 2000 beschlossene Verfassungsbestimmung des 126a Bundesvergabegesetz hat die Bundeslanderregelungen uber den Rechtsschutz in Vergabeverfahren einer verfassungsgerichtlichen Uberprufbarkeit entzogen Der VfGH hat darin einen unzulassigen Eingriff in das rechtsstaatliche und das demokratische Baugesetz der Bundesverfassung erblickt die eine Gesamtanderung der Bundesverfassung darstellt sodass eine Volksabstimmung erforderlich gewesen ware 4 Er hat diese Bestimmung aufgehoben und die Gesamtanderung der Bundesverfassung damit ruckgangig gemacht Rechtsprechung BearbeitenDie Durchfuhrung einer Volksabstimmung uber eine vom Nationalrat beschlossene Gesamtanderung der Bundesverfassung kann nicht erzwungen werden Der Verfassungsgerichtshof leitet aus Art 44 Abs 3 B VG nur ein Recht auf Teilnahme des einzelnen Abstimmungsberechtigten an einer durchgefuhrten Volksabstimmung ab lehnt jedoch einen eigenstandigen Rechtsanspruch auf Durchfuhrung einer obligatorischen Volksabstimmung ab 5 Nach dieser Rechtsprechung gilt die Nichtdurchfuhrung einer obligatorischen Volksabstimmung als Verfahrensmangel im Gesetzgebungsverfahren und kann im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle oder im Rahmen von Beschwerden gerugt werden in denen die Beschwerdefuhrer behaupten durch das fragliche Verfassungsgesetz an sich in ihren Rechten verletzt zu sein Im Rahmen eines solchen Verfahrens hat der Verfassungsgerichtshof 2001 erstmals eine Verfassungsbestimmung wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben Der VfGH kritisierte in seinem Erkenntnis das Vorgehen des Bundesverfassungsgesetzgebers welcher die Prufungskompetenzen des Hochstgerichts in 126a Bundesvergabegesetz mit Verfassungsbestimmung eingeschrankt hatte Der VfGH verwarf jedoch die Rechtsansicht der Bundesregierung und der Salzburger Landesregierung wonach die Suspendierung von einzelnen verfassungsrechtlichen Bestimmungen substanziellen keinen Eingriff in den Bestandsschutz des Art 44 Abs 3 darstelle in dem er unter anderem urteilte Sofern aber derartige verfassungssuspendierende Bestimmungen uberhaupt zulassig sein sollten durften sie wie der Verfassungsgerichtshof vorlaufig annimmt wohl nur in einem Verfahren nach Art 44 Abs 3 B VG erlassen werden Das Prinzip der Massgeblichkeit der Verfassung durfte ebenso wie die Zustandigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Normenkontrolle als zentrales Element des rechtsstaatlichen Baugesetzes der osterreichischen Bundesverfassung VfSlg 15 215 1998 anzusehen sein und derartige Grundsatze durften in ihrem Kern dem Verfassungsgesetzgeber im Sinne des Art 44 Abs 1 B VG nicht zur beliebigen Disposition stehen vgl VfSlg 15 373 1998 Die betreffende Bestimmung des Bundesvergabegesetzes wurde daher vom VfGH als verfassungswidrig zustande gekommen aufgehoben Geschichte BearbeitenDie Grunder der ersten osterreichischen Republik hatten sich 1919 in der konstituierenden Nationalversammlung geeinigt dass in der endgultigen Verfassung verpflichtende Volksabstimmungen uber alle Verfassungsanderungen vorzusehen sind 6 Dieses Versprechen der konstituierenden Nationalversammlung wurde im Bundes Verfassungsgesetz 1920 mit der Regelung uber Gesamtanderungen der Bundesverfassung mit Art 44 Abs 3 nur teilweise umgesetzt Gesamtanderung der Landesverfassung BearbeitenIm Bundesland Salzburg besteht eine ahnliche Regelung wonach jede Gesamtanderung der Landesverfassung vor der Kundmachung im Landesgesetzblatt einer Volksabstimmung zu unterziehen ist 7 Auf dieser Grundlage erfolgte 1998 eine obligatorische Volksabstimmung uber die Abschaffung der verpflichtenden Proporzwahl der Landesregierung 8 Literatur BearbeitenTheo Ohlinger Verfassungsrecht 8 Auflage Facultas Verlag Wien 2009 ISBN 978 3 7089 0405 4 Andreas Janko Gesamtanderung der Bundesverfassung Verlag Osterreich 2004 ISBN 3 7046 4284 3 Habilitationsschrift an der Universitat Linz Einzelnachweise Bearbeiten Grundprinzipien der Bundesverfassung Parlament aktiv Parlament erklart Die Bundesverfassung auf parlament gv at Elisabeth Holzleithner Grundprinzipien der osterreichischen Verfassung Handout pdf auf univie ac at abgerufen 30 Oktober 2016 Helmut Wohnout Politisch juristische Kontroversen um die Verfassung 1934 im autoritaren Osterreich In Erika Weinzierl Hrsg Justiz und Zeitgeschichte Symposionsbeitrage 1976 1993 Band 2 Jugend amp Volk Wien 1995 ISBN 3 224 12999 9 S 833ff Erkenntnis G12 00 ua des Verfassungsgerichtshofs vom 11 Oktober 2001 abrufbar im Rechtsinformationssystem des Bundes RIS Erkenntnis G62 05 des Verfassungsgerichtshofs vom 18 Juni 2005 abrufbar im Rechtsinformationssystem des Bundes RIS Art 1 Abs 2 des Gesetzes vom 14 Marz 1919 uber die Volksvertretung StGBl 179 1919 Art 23 Abs 2 Salzburger Landes Verfassungsgesetz Klaus Poier Sachunmittelbare Demokratie in Osterreichs Landern und Gemeinden Rechtslage und empirische Erfahrungen im Uberblick in Peter Neumann Denise Renger Hrsg Sachunmittelbare Demokratie im interdisziplinaren und internationalen Kontext 2008 2009 Deutschland Osterreich Schweiz Baden Baden 2010 44f Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gesamtanderung der Bundesverfassung amp oldid 228606749